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BAG, Ur­teil vom 08.11.2007, 2 AZR 314/06

   
Schlagworte: Kündigungsschutz
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 314/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.11.2007
   
Leitsätze: Der tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung zählt zu den Unwirksamkeitsgründen einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, die gemäß §§ 4, 6 nF KSchG rechtzeitig prozessual geltend gemacht werden müssen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Essen Landesarbeitsgericht Düsseldorf
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


2 AZR 314/06
14 Sa 370/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
8. No­vem­ber 2007


UR­TEIL


Schmidt, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le


In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,


pp.


Be­klag­ter, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,


hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 8. No­vem­ber 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Rost, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Bröhl und Dr. Ey­lert so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Be­cker­le und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pitsch für Recht er­kannt:
 

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Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 7. No­vem­ber 2005 - 14 Sa 370/05 - wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.


Von Rechts we­gen!


Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner be­triebs­be­ding­ten or­dent­li­chen Kündi­gung.


Der 1950 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläger ist seit 1986 bei dem Be­klag­ten, ei­nem Be­rufs­bil­dungs­werk, als Aus­bil­der an­ge­stellt. Als staat­lich ge­prüfter Elek­tro­tech­ni­ker mit Aus­bil­der­befähi­gung wur­de er zu­letzt seit dem 1. März 2004 im Be­reich „Kauf­leu­te und Dienst­leis­tungs­be­ru­fe“ der Ab­tei­lung „Trai­ning“ ein­ge­setzt und er­ziel­te ei­ne mo­nat­li­che Brut­to­vergütung von 3.230,00 Eu­ro. Nach § 2 des zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trags gilt für das Ar­beits­verhält­nis der BFZ-Ta­rif­ver­trag in Ver­bin­dung mit dem Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT) und den ihn ergänzen­den oder ändern­den Ta­rif­verträgen.


Nach­dem be­reits im Jahr 2003 ein Stel­len­ab­bau er­folgt war, sah ein Sa­nie­rungs­kon­zept des Be­klag­ten aus dem Jahr 2004 die Re­du­zie­rung des Per­so­nals von ca. 150 Ar­beit­neh­mern auf rund 74 Voll­zeit­stel­len bei ei­nem verstärk­ten Ein­satz von frei­en Mit­ar­bei­tern auf Ho­no­rar­ba­sis vor, um fle­xi­bel auf Nach­fra­ge­schwan­kun­gen und Ent­wick­lun­gen der Märk­te re­agie­ren zu können und da­mit auch Kos­ten zu spa­ren. Die bei dem Be­klag­ten beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer im Be­reich der Schu­lun­gen soll­ten vor­ran­gig nur noch or­ga­ni­sa­to­ri­sche Auf­ga­ben wahr­neh­men und für sol­che Un­ter­richts­maßnah­men zuständig sein, bei de­nen Spe­zi­al­wis­sen ab­zu­ru­fen ist. Im Hin­blick auf die­se Per­so­nal­maßnah­men schloss der Be­klag­te am 21. Sep­tem­ber 2004 mit dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich mit So­zi­al­plan. Dem In­ter­es­sen­aus­gleich war ei­ne von den Be­triebs­par­tei­en un­ter­zeich­ne­te Na­mens­lis­te als An­la­ge bei­gefügt. Den dar­in ge­nann­ten 82 Mit­ar­bei­tern, dar­un­ter der Kläger, soll­te or­dent­lich gekündigt wer­den, falls sie ein An­ge­bot auf Über­nah­me in ei­ne Trans­fer­ge­sell­schaft für die Dau­er von 12 Mo­na­ten ab­lehn­ten. Der Kläger lehn­te das An­ge­bot ab. Dar­auf­hin kündig­te der Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit Zu­stim­mung des Be­triebs­rats mit Schrei­ben vom
 

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28. Sep­tem­ber 2004 zum 31. März 2005 or­dent­lich, hilfs­wei­se außer­or­dent­lich mit so­zia­ler Aus­lauf­frist zum sel­ben Ter­min. Von den zur Kündi­gung an­ste­hen­den Ar­beit¬neh­mern wech­sel­ten ins­ge­samt 81 un­ter Auf­he­bung ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se zum 1. Ok­to­ber 2004 in die Trans­fer­ge­sell­schaft.


Der Kläger hat bin­nen drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, es lägen kei­ne drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se für ei­ne Kündi­gung vor, da der Be­klag­te nach wie vor Mit­ar­bei­ter benöti­ge; der vor­ge­se­he­ne Ein­satz frei­er Mit­ar­bei­ter er­brin­ge kei­ner­lei Kos­ten­er­spar­nis und sei of­fen­sicht­lich un­vernünf­tig. Im Übri­gen ha­be der Auf­tragsrück­gang sei­ne Ab­tei­lung nicht be­trof­fen und sei­ne bis­he­ri­ge Tätig­keit sei nur teil­wei­se weg­ge­fal­len. Für die ver­blie­be­nen Auf­ga­ben set­ze der Be­klag­te den Frei­be­ruf­ler St. ein. Auch des­sen später er­wei­ter­ten Auf­ga­ben­be­reich könne er nach kur­zer Ein­ar­bei­tung über­neh­men. Der Be­klag­te könne ihn im Übri­gen auch in an­de­ren Be­rei­chen ein­set­zen, in de­nen er Ar­bei­ten auf Ho­no­rar­kräfte über­tra­gen ha­be. Die So­zi­al­aus­wahl sei feh­ler­haft. Sch­ließlich sei die Kündi­gung auch we­gen Ver­s­toßes ge­gen §§ 17 f. KSchG un­wirk­sam, da der Be­klag­te kei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge vor­ge­nom­men ha­be, ob­wohl un­ter Berück­sich­ti­gung der mit an­de­ren Ar­beit­neh­mern ab­ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­verträge der Schwel­len­wert der Vor­schrift er­reicht sei.


Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 28. Sep­tem­ber 2004 nicht zum 31. März 2005 be­en­det ist.


Der Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und hier­zu im We­sent­li­chen die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kündi­gung sei we­gen drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se ge­recht­fer­tigt. Dem Kläger sei die Wi­der­le­gung der Be­triebs­be­dingt­heit der Kündi­gung nicht ge­lun­gen. Der Per­so­nal­ab­bau sei durch den er­heb­li­chen Rück­gang von Förder­mit­teln er­for­der­lich ge­wor­den. Die Ent­schei­dung, ver­mehrt Ho­no­rar­kräfte ein­zu­set­zen, sei als Un­ter­neh­mer­ent­schei­dung zu ak­zep­tie­ren. Der fle­xi­ble Ein­satz von ver­gleich­ba­ren Ho­no­rar­kräften sei kei­nes­falls willkürlich, da er er­heb­lich kostengüns­ti­ger sei, zu­mal kei­ne Vor- oder Nach­be­rei­tung von St­un­den­ein­hei­ten so­wie Aus­fall­zei­ten wie Ur­laub und Krank­heit zu vergüten sei­en. Ein Bedürf­nis für die Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers sei nicht ge­ge­ben. Die Teil­neh­mer sei­ner Kur­se befänden sich seit Ja­nu­ar 2005 in be­trieb­li­chen Prak­ti­ka und vom Kläger un­ter­rich­te­te St­un­den würden von den ver­blie­be­nen Ar­beit­neh­mern N. und T. über­nom­men. Die vom Kläger aus­geführ­ten

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Ar­bei­ten würden über­haupt nicht mehr an­ge­bo­ten und sei­en des­halb auch nicht von frei­en Mit­ar­bei­tern über­nom­men wor­den. Ins­be­son­de­re ha­be der Mit­ar­bei­ter St. den Kläger nicht er­setzt, son­dern sei als frei­er Mit­ar­bei­ter aus­sch­ließlich mit der The­ma­tik „be­triebs­wirt­schaft­li­che An­wen­dungs­soft­ware KHK“ be­auf­tragt, über de­ren Kennt­nis­se der Kläger nicht verfüge. Der Kläger ha­be auch nicht dar­le­gen können, dass die so­zia­le Aus­wahl grob feh­ler­haft ge­we­sen sei. Die­se sei ord­nungs­gemäß voll­zo­gen wor­den. Die Kündi­gung sei nicht we­gen Ver­s­toßes ge­gen §§ 17 f. KSchG un­wirk­sam. Ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sei nicht er­for­der­lich ge­we­sen, da be­zo­gen auf den Kündi­gungs­ter­min der Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 KSchG nicht er­reicht wor­den sei. Zu­min­dest sei ihm, dem Be­klag­ten, Ver­trau­ens­schutz zu gewähren.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen Kündi­gungs­schutz-an­trag wei­ter. Er macht ua. gel­tend, die or­dent­li­che Kündi­gung sei ta­rif­lich aus­ge­schlos­sen; die nachträgli­che Ein­schränkung des von ihm be­reits er­reich­ten Kündi­gungs­schut­zes durch den Ta­rif­ver­trag vom 9. Sep­tem­ber 2004 stel­le ei­ne un­zulässi­ge Rück­wir­kung dar.

Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. 


A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­gründet: Die Kündi­gung sei so­zi­al ge­recht­fer­tigt. Der Kläger ha­be die Ver­mu­tung ei­nes drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­ses gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nicht wi­de­legt. Selbst wenn die Be­haup­tung des Klägers zu­tref­fe, der freie Mit­ar­bei­ter St. ha­be sei­ne Tätig­keit - ab­ge­se­hen von dem nicht mehr wei­ter­geführ­ten Teil­be­reich In­for­ma­ti­ons­te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on - auf Grund ei­nes Ho­no­rar­ver­tra­ges über­nom­men, blei­be es grundsätz­lich dem Ar­beit­ge­ber über­las­sen, wie er sein Un­ter­neh­men zweckmäßig und kostengüns­tig am Markt ver­fol­gen wol­le. Ei­ne un­zulässi­ge Aus­tauschkündi­gung lie­ge nur vor, wenn der Mit­ar­bei­ter St. tatsächlich in ei­nem Ar­beits­verhält­nis ste­he. Dies sei nicht er­sicht­lich. An­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten ha­be der Kläger nicht schlüssig vor­ge­tra­gen. Auch die So­zi­al­aus­wahl sei nicht grob feh­ler­haft. So­weit der Be­klag­te hin­sicht­lich der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge da­von aus­ge­gan­gen


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sei, dass es auf den Zeit­punkt der Ent­las­sung an­kom­me und - in­so­weit zu­tref­fend - hier­auf be­zo­gen die Schwel­len­wer­te nicht über­schrit­ten sei­en, ge­nieße er je­den­falls Ver­trau­ens­schutz. Die Kündi­gung ver­s­toße auch nicht ge­gen ein ta­rif­li­ches Kündi­gungs­ver­bot.


B. Dem folgt der Se­nat im Er­geb­nis und auch in Tei­len der Be­gründung. Die or­dent­li­che be­triebs­be­ding­te Kündi­gung des Be­klag­ten vom 28. Sep­tem­ber 2004 hat das Ar­beits­verhält­nis un­ter Ein­hal­tung der ta­rif­li­chen Kündi­gungs­frist zum 31. März 2005 be­en­det. Der Kläger kann sich nicht auf ei­ne Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung we­gen Ver­s­toßes ge­gen ein ta­rif­li­ches Kündi­gungs­ver­bot be­ru­fen, da er die­sen Un­wirk­sam­keits­grund nicht recht­zei­tig iSd. § 6 KSchG gel­tend ge­macht hat (I.). Die Kündi­gung ist auch so­zi­al ge­recht­fer­tigt nach § 1 KSchG (II.). Sons­ti­ge Un­wirk­sam­keits­gründe lie­gen eben­falls nicht vor (III.).


I. Die Wirk­sam­keit der Kündi­gung schei­tert nicht an ei­nem ta­rif­li­chen Aus­schluss der or­dent­li­chen Kündi­gung. Der Kläger kann sich auf ei­nen ta­rif­li­chen Al­terskündi­gungs­schutz schon des­halb nicht be­ru­fen, weil er die­sen Un­wirk­sam­keits­grund nicht recht­zei­tig nach §§ 4, 6 KSchG gel­tend ge­macht hat. Ent­ge­gen der von der Re­vi­si­on ver­tre­te­nen Auf­fas­sung kommt es da­her auf die Fra­ge, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die ursprüng­li­che ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung zum Son­derkündi­gungs­schutz wirk­sam ab­geändert ha­ben, nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an.


1. Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung der BFZ-TV als Haus­ta­rif­ver­trag des Be­klag­ten an­zu­wen­den, wel­cher in § 2 Abs. 1 die An­wend­bar­keit des BAT re­gelt, so­weit im BFZ-TV nichts an­de­res be­stimmt ist. Auch § 2 Abs. 1 des Ar­beits­ver­trags ver­weist auf den BAT. Nach § 53 Abs. 3 BAT sind An­ge­stell­te, die ei­ne Beschäfti­gungs­zeit von 15 Jah­ren auf­wei­sen und das 40. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben - vom Kläger erfüllt -, or­dent­lich unkünd­bar.


2. Die Be­stim­mung zum Son­derkündi­gungs­schutz nach § 2 Abs. 1 BFZ-TV iVm. § 53 Abs. 3 BAT ist von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en al­ler­dings durch § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 Not­la­genände­rungsTV vom 9. Sep­tem­ber 2004 iVm. § 3 Abs. 6 Not­la­genTV vom 3. Fe­bru­ar 2004 er­heb­lich mo­di­fi­ziert wor­den. Hier­nach ist in der Zeit vom 15. Sep­tem­ber bis 31. De­zem­ber 2004 ei­ne Kündi­gung un­ter Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist von 6 Mo­na­ten zum Schluss ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen auch ge­genüber Ar­beit­neh­mern mit Son­derkündi­gungs­schutz zulässig.
 

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3. Der Kläger hat erst­mals in der Re­vi­si­ons­be­gründung Be­den­ken ge­gen die Wirk­sam­keit von § 3 Abs. 6 Not­la­genTV idF von § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 Not­la­genände­rungsTV er­ho­ben und sich da­mit auf die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung we­gen ei­nes fort­be­ste­hen­den ta­rif­li­chen Al­terskündi­gungs­schut­zes be­ru­fen. Nach § 6 KSchG ist dem Kläger je­doch ei­ne Be­ru­fung auf den Un­wirk­sam­keits­grund des ta­rif­li­chen Al­terskündi­gungs­schut­zes ver­wehrt. Er kann - un­abhängig von der Fra­ge der Wirk­sam­keit der ta­rif­li­chen Re­ge­lung - nicht mehr gel­tend ma­chen, die or­dent­li­che Kündi­gung sei nach § 2 Abs. 1 BFZ-TV iVm. § 53 Abs. 3 BAT aus­ge­schlos­sen ge­we­sen.


a) Bis zum 31. De­zem­ber 2003 muss­te ein Ar­beit­neh­mer, der gel­tend ma­chen woll­te, ei­ne Kündi­gung sei so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, gemäß § 4 aF KSchG in­ner­halb von drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt auf Fest­stel­lung er­he­ben, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung nicht auf­gelöst ist. Hat­te je­doch ein Ar­beit­neh­mer in­ner­halb von drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung aus an­de­ren als den in § 1 Abs. 2 und 3 KSchG be­zeich­ne­ten Gründen im Kla­ge­weg gel­tend ge­macht, es lie­ge kei­ne rechts­wirk­sa­me Kündi­gung vor, so konn­te er gemäß § 6 Satz 1 KSchG in die­sem Ver­fah­ren bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ers­ter In­stanz auch noch die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung gemäß § 1 Abs. 2 und 3 KSchG gel­tend ma­chen (Se­nat 13. Au­gust 1987 - 2 AZR 599/86 - AP KSchG 1969 § 6 Nr. 3 = EzA BGB § 140 Nr. 12). Die Re­ge­lung des § 6 aF KSchG be­zweck­te, den Ar­beit­neh­mer, der zunächst die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung aus an­de­ren Gründen als der So­zi­al­wid­rig­keit im Sin­ne des KSchG gel­tend mach­te, vor Rechts­nach­tei­len zu be­wah­ren, wenn er sich doch noch auf die So­zi­al­wid­rig­keit der Kündi­gung be­ru­fen woll­te (Se­nat 13. Au­gust 1987 - 2 AZR 599/86 - aaO; Stahl­ha­cke/Preis/Vos­sen-Vos­sen Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis 9. Aufl. Rn. 1816). Das konn­te der Fall sein, weil er sich von der Be­ru­fung auf die So­zi­al­wid­rig­keit der Kündi­gung erst später ei­nen po­si­ti­ven Aus­gang des Pro­zes­ses ver­sprach oder weil er auf die Möglich­keit, nach den §§ 9, 10 KSchG die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung zu ver­lan­gen, zurück­grei­fen woll­te. § 6 aF KSchG woll­te den häufig nicht rechts­kun­di­gen Ar­beit­neh­mer nach Möglich­keit vor dem Ver­lust des Kündi­gungs­schut­zes aus for­ma­len Gründen schützen, wenn er nur durch recht­zei­ti­ge An­ru­fung des Ge­richts sei­nen Wil­len, die Wirk­sam­keit der Kündi­gung zu bekämp­fen, genügend klar zum Aus­druck brach­te (Se­nat 13. Au­gust 1987 - 2 AZR 599/86 - aaO; 16. No­vem-ber 1970 - 2 AZR 33/70 - AP KSchG § 3 Nr. 38 = EzA KSchG § 3 Nr. 2).
 

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b) Nach § 6 Satz 1 KSchG in der zum 1. Ja­nu­ar 2004 er­folg­ten Neu­fas­sung durch Art. 1 Nr. 4 des Ge­set­zes zu Re­for­men am Ar­beits­markt vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) (im Fol­gen­den: § 6 nF KSchG) kann sich ein Ar­beit­neh­mer, der in­ner­halb der Kla­ge­frist des § 4 KSchG die Rechts­un­wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung im Kla­ge­we­ge gel­tend ge­macht hat, in die­sem Ver­fah­ren bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ers­ter In­stanz zur Be­gründung der Un­wirk­sam­keit auch auf in­ner­halb der Kla­ge­frist noch nicht gel­tend ge­mach­te Gründe be­ru­fen. § 6 nF KSchG ist ei­ne Fol­ge der Aus­deh­nung der dreiwöchi­gen Kla­ge­frist des § 4 Satz 1 nF KSchG auf al­le Un­wirk­sam­keits­gründe ei­ner schrift­li­chen Kündi­gung (BT-Drucks. 15/1204 S. 13; Stahl-ha­cke/Preis/Vos­sen-Vos­sen Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis 9. Aufl. Rn. 1816a; KR-Fried­rich 7. Aufl. § 6 KSchG Rn. 7; Löwisch/Spin­ner KSchG 9. Aufl. § 6 Rn. 1; Raab RdA 2004, 321). § 6 nF KSchG ermöglicht dem Ar­beit­neh­mer - wie bis­her - die Er­wei­te­rung der Kla­ge auf Fest­stel­lung der So­zi­al­wid­rig­keit der Kündi­gung, vor­aus­ge­setzt, dass die we­gen Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung aus an­de­ren Gründen er­ho­be­ne Kla­ge in­ner­halb der Drei­wo­chen­frist des § 4 KSchG ein­ge­reicht wur­de (KR-Fried­rich aaO Rn. 7; APS-Ascheid 2. Aufl. § 6 KSchG Rn. 2). Darüber hin­aus um­fasst die neue Re­ge­lung - we­gen der Er­stre­ckung der Kla­ge­frist des § 4 nF KSchG auf sämt­li­che Un­wirk­sam­keits­gründe - auch den um­ge­kehr­ten Fall, dass der Ar­beit­neh­mer form- und frist­ge­recht Kla­ge ge­gen die von ihm als so­zi­al­wid­rig an­ge­se­he­ne Kündi­gung er­ho­ben hat und nach Ab­lauf der Kla­ge­frist wei­te­re Un­wirk­sam­keits­gründe nach­schie­ben will, wie zB die un­ter­blie­be­ne oder mit Mängeln be­haf­te­te Anhörung des Be­triebs­rats (KR-Fried­rich aaO; Stahl­ha­cke/Preis/Vos­sen-Vos­sen aaO; APS-Ascheid aaO; Löwisch/Spin­ner aaO Rn. 2; ErfK-Kiel 7. Aufl. § 6 KSchG Rn. 4).


c) Auch der ta­rif­ver­trag­li­che oder ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss der or­dent­li­chen Kündi­gung zählt da­bei zu den Un­wirk­sam­keits­gründen ei­ner vom Ar­beit­ge­ber aus¬ge­spro­che­nen or­dent­li­chen Kündi­gung und muss da­nach gemäß §§ 4 ff. nF KSchG recht­zei­tig pro­zes­su­al gel­tend ge­macht wer­den (BAG 29. März 2007 - 2 AZR 614/06 - Dre­her/Schmitz-Scho­le­mann in An­walt­Kom­men­tar Ar­beits­recht § 6 KSchG Rn. 8; For­na­sier/Wer­ner NJW 2007, 2729).


d) Der Kläger hat in die­sem Sin­ne den sons­ti­gen Un­wirk­sam­keits­grund des ta­rif­li­chen Al­terskündi­gungs­schut­zes gemäß § 2 Abs. 1 BFZ-TV iVm. § 53 Abs. 3 BAT für die von ihm mit ei­ner frist­ge­rech­ten Kündi­gungs­schutz­kla­ge nach § 4 nF KSchG an­ge­grif­fe­ne or­dent­li­che Kündi­gung des Be­klag­ten nicht recht­zei­tig nach § 6 Satz 1 nF KSchG gel­tend ge­macht.


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aa) Er hat sich erst­in­stanz­lich nicht auf ei­nen ihm zu­ste­hen­den Son­derkündi­gungs­schutz be­ru­fen. In der Kla­ge­schrift hat der Kläger zwar auf die Ände­rung des Not­la­genTV ver­wie­sen und aus­geführt, „in­ter­es­sant“ sei hier § 1 Abs. 1 Not­la­genände­rungsTV. Da­mit hat der Kläger je­doch aus­sch­ließlich auf die Ta­rif­norm ab­ge­ho­ben, die den Aus­spruch der or­dent­li­chen Kündi­gung ge­genüber al­ters-kündi­gungs­geschütz­ten Ar­beit­neh­mern er­laubt. Er hat sich we­der auf § 2 Abs. 1 BFZ-TV iVm. § 53 Abs. 3 BAT be­ru­fen noch die Wirk­sam­keit von § 1 Abs. 1 Not­la­genände­rungsTV iVm. § 3 Abs. 6 Not­la­genTV in Fra­ge ge­stellt. Er hat auch nicht be­zwei­felt, dass die ta­rif­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne aus­nahms­wei­se zulässi­ge or­dent­li­che Kündi­gung vor­lie­gen. Der Kläger hat al­so ei­nen Ver­s­toß ge­gen die ta­rif­li­che Unkünd­bar­keits­vor­schrift des § 2 Abs. 1 BFZ-TV iVm. § 53 Abs. 3 BAT ge­ra­de nicht gerügt. Das Ar­beits­ge­richt hat in den Gründen der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung dem­ent­spre­chend oh­ne er­kenn­ba­ren Rechts­feh­ler fest­ge­stellt, dass der Kläger sich auf sons­ti­ge Un­wirk­sam­keits­gründe nicht be­ru­fen hat.


bb) Auch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren hat der Kläger kei­nen ta­rif­li­chen Son­derkündi­gungs­schutz für sich in An­spruch ge­nom­men. Hier­zu hätte, wenn der Kläger ei­nen sol­chen gel­tend ma­chen woll­te, ins­be­son­de­re des­halb An­lass be­stan­den, weil das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts den un­miss­verständ­li­chen Hin­weis enthält, an­de­re Kündi­gungs­gründe (al­so bei­spiels­wei­se ein be­son­de­rer Schutz ge­gen or­dent­li­che Kündi­gun­gen) sei­en vom Kläger nicht gel­tend ge­macht wor­den. Hätte der Kläger ei­nen Aus­schluss der or­dent­li­chen Kündi­gung gel­tend ma­chen wol­len, hätte er zu­dem An­lass ge­habt, sich mit der von dem Be­klag­ten hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­nen außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit not­wen­di­ger Aus­lauf­frist aus­ein­an­der­zu­set­zen. In der Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift hat der Kläger je­doch nur er­neut dar­auf hin­ge­wie­sen, die ursprüng­li­che Unkünd­bar­keits­re­ge­lung sol­le für den Fall ei­ner Be­triebsände­rung ent­fal­len, oh­ne die Rechts­wirk­sam­keit der ta­rif­li­chen Neu­re­ge­lung an­zu­zwei­feln. Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt in den Gründen sei­ner Ent­schei­dung vom 7. No­vem­ber 2005 Ausführun­gen zur Wirk­sam­keit und der Erfüllung der tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen von § 1 Abs. 1 Not­la­genände­rungsTV iVm. § 3 Abs. 6 Not­la­genTV ge­macht. Dass dies auf Grund ei­ner Be­ru­fung des Klägers auf ta­rif­li­chen Al­terskündi­gungs­schutz hin er­folgt wäre, lässt sich je­doch we­der den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts zum vor­in­stanz­li­chen Vor­trag der Par­tei­en noch sonst aus dem Ak­ten­in­halt ent­neh­men. Es ist auch nicht er­sicht­lich, dass die Fra­ge des ta­rif­li­chen Son­derkündi­gungs­schut­zes Ge­gen­stand der Erörte­run­gen der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­we­sen wäre und der Kläger sich hier­bei auf die­sen Un­wirk­sam­keits­grund für

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die Kündi­gung be­ru­fen hätte. Ent­spre­chen­des fin­det sich we­der im Pro­to­koll zur münd­li­chen Ver­hand­lung vom 13. Ju­ni 2005 noch in der Ter­mins­nie­der­schrift zum letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lungs­ter­min am 7. No­vem­ber 2005. Da­mit hat sich der Kläger erst­mals in der Re­vi­si­ons­be­gründung auf ta­rif­li­chen Al­terskündi­gungs­schutz be­ru­fen, in­dem er Be­den­ken ge­gen die Wirk­sam­keit von § 1 Abs. 1 Not­la­genände­rungsTV iVm. § 3 Abs. 6 Not­la­genTV er­ho­ben hat. Die­ser Zeit­punkt liegt je­den­falls außer­halb des von § 6 Satz 1 KSchG ge­setz­lich zulässi­gen Rah­mens.


cc) Zwar ist nach § 6 Satz 2 nF KSchG das Ar­beits­ge­richt ver­pflich­tet, den Ar­beit­neh­mer auf sei­ne Rech­te aus § 6 Satz 1 nF KSchG hin­zu­wei­sen. Wel­che Rechts­fol­gen ei­ner Ver­let­zung der Hin­weis­pflicht nach § 6 Satz 2 KSchG als Ver­fah­rens­feh­ler nach § 139 Abs. 2 ZPO durch das Ar­beits­ge­richt zu­kommt, be­darf je­doch hier kei­ner Ent­schei­dung; ins­be­son­de­re kann of­fen­blei­ben, ob das Lan­des­ar­beits­ge­richt in ei­nem der­ar­ti­gen Fall bei ei­ner Gel­tend­ma­chung sons­ti­ger Un­wirk­sam­keits­gründe in der Be­ru­fungs­in­stanz trotz des Zurück­wei­sungs­ver­bots des § 68 ArbGG das erst­in­stanz­li­che Ur­teil auf­zu­he­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen hat (so zu § 6 aF KSchG: Se­nat 30. No­vem­ber 1961 - 2 AZR 295/61 - BA­GE 12, 75; zu § 6 nF KSchG: of­fen ge­las­sen Se­nat 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 53 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 70; ErfK-Kiel KSchG 7. Aufl. § 6 KSchG Rn. 7; Stahl­ha­cke/Preis/ Vos­sen-Vos­sen Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis 9. Aufl. Rn. 1824; Löwisch/Spin­ner KSchG 9. Aufl. § 6 Rn. 13) oder ob es - wofür ei­ni­ges spre­chen mag - zu ei­ner ei­ge­nen Ent­schei­dung be­fugt ist (KR-Fried­rich 7. Aufl. § 6 KSchG Rn. 38, von Ho­y­nin­gen-Hue­ne/Linck KSchG 14. Aufl. § 6 Rn. 15; Bay­reu­ther ZfA 2005, 391; Ba­der NZA 2004, 65). Hier ist je­den­falls ein aus­rei­chen­der Hin­weis an den Kläger da­durch er­folgt, dass das Ar­beits­ge­richt ein­deu­tig fest­ge­stellt hat, an­de­re Un­wirk­sam­keits­gründe (außer § 1 KSchG und §§ 17 ff. KSchG) ha­be der Kläger erst­in­stanz­lich nicht gel­tend ge­macht. Dies hätte den Kläger zu­min­dest ver­an­las­sen müssen, ei­ne et­wai­ge Gel­tend­ma­chung des Un­wirk­sam­keits­grun­des „or­dent­li­che Unkünd­bar­keit“ in der Be­ru­fungs­in­stanz nach­zu­ho­len und ggf. ei­nen Ver­s­toß des Ar­beits­ge­richts ge­gen § 6 Satz 2 KSchG gel­tend zu ma­chen. Auch dies ist nicht ge­sche­hen.


4. Auf die Ausführun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts, mit de­nen es ei­ne mögli­che ta­rif­li­che Unkünd­bar­keit des Klägers ge­prüft hat, kommt es da­nach nicht mehr an.

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II. Die Kündi­gung ist auch nicht we­gen man­geln­der so­zia­ler Recht­fer­ti­gung nach § 1 KSchG rechts­un­wirk­sam.


1. Sie ist durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, die der Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers ent­ge­gen­ste­hen, be­dingt (§ 1 Abs. 2 KSchG).


a) Auf die Kündi­gung ist § 1 Abs. 3 und 5 KSchG in der seit dem 1. Ja­nu­ar 2004 gel­ten­den Fas­sung (BGBl. I 2003 S. 3002) an­zu­wen­den. Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG wird ver­mu­tet, dass die Kündi­gung durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se iSd. Abs. 2 be­dingt ist, wenn bei der Kündi­gung auf Grund ei­ner Be­triebsände­rung nach § 111 Be­trVG die Ar­beit­neh­mer, de­nen gekündigt wer­den soll, in ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat na­ment­lich be­zeich­net sind.


b) Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind erfüllt, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt hat. Auch der Kläger macht Ge­gen­tei­li­ges nicht gel­tend.

c) Der Kläger hat, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt eben­falls zu Recht ausführt, die sich aus § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG er­ge­ben­de ge­setz­li­che Ver­mu­tung nicht wi­der­legt.

aa) Der Beschäfti­gungs­be­darf für den Kläger ist ent­fal­len. Un­strei­tig wird der vom Kläger be­treu­te Teil­be­reich In­for­ma­ti­ons­te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on nicht mehr fort­geführt. So­weit der Kläger gel­tend ge­macht hat, im Übri­gen wer­de sei­ne Tätig­keit vom frei­en Mit­ar­bei­ter St. Auf Grund ei­nes Ho­no­rar­ver­trags wahr­ge­nom­men, kann da­hin­ste­hen, ob und in­wie­weit die­se Be­haup­tung, der der Be­klag­te ent­ge­gen­ge­tre­ten ist, zu­trifft. Sie wi­der­legt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers die zu ver­mu­ten­de Be­triebs­be­dingt­heit der Kündi­gung nicht. Sie be­legt auch nicht die Miss­bräuch­lich­keit der vom Be­klag­ten ge­trof­fe­nen un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung. Zu Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es bei ei­ner in­ner­be­trieb­li­chen Um­struk­tu­rie­rungs­maßnah­me im Hin­blick auf be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen dem Ar­beit­ge­ber über­las­sen blei­ben muss, wie er sein Un­ter­neh­mens­ziel möglichst zweckmäßig und kostengüns­tig am Markt ver­folgt (vgl. Se­nat 9. Mai 1996 - 2 AZR 438/95 - BA­GE 83, 127). Es ist nicht Sa­che der Ar­beits­ge­rich­te, dem Ar­beit­ge­ber ei­ne „bes­se­re“ be­trieb­li­che oder un­ter­neh­me­ri­sche Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur vor­zu­schrei­ben (Se­nat 21. Fe­bru­ar 2002 - 2 AZR 556/00 - EzA KSchG § 2 Nr. 45; 9. Mai 1996 - 2 AZR 438/95 - aaO; 17. Ju­ni 1999 - 2 AZR 522/98 - BA­GE 92, 61). Vor die­sem Hin­ter­grund ist die Ent­schei­dung des Be­klag­ten, Tei­le der Tätig­kei­ten frei­en Mit­ar­bei­tern zu über­tra­gen, nicht zu be-
 

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an­stan­den. Ei­ne un­zulässi­ge Aus­tauschkündi­gung läge le­dig­lich dann vor, wenn die bis­lang von den Ar­beit­neh­mern des Be­triebs aus­geführ­ten Tätig­kei­ten nicht zur selbständi­gen Er­le­di­gung auf ei­nen Drit­ten über­tra­gen wor­den wären (vgl. auch Se­nat 16. De­zem­ber 2004 - 2 AZR 66/04 - AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 133 = EzA KSchG § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 136).


So­weit der Kläger erst­mals in der Re­vi­si­on ausführt, es dränge sich der Ein­druck auf, bei den frei­en Mit­ar­bei­tern han­de­le es sich in Wahr­heit um Schein­selbstständi­ge, ist er mit die­sem neu­en Sach­vor­trag in der Re­vi­si­ons­in­stanz aus­ge­schlos­sen. Die Fra­ge der Schlüssig­keit der dies­bezügli­chen Be­haup­tun­gen des Klägers kann des­halb da­hin­ste­hen. Oh­ne Er­folg bleibt auch die wei­ter vom Kläger er­ho­be­ne Rüge, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be sei­nen Vor­trag über­g­an­gen, die Kos­ten für ei­ne Ho­no­rar­kraft betrügen mo­nat­lich 5.162,00 Eu­ro im Ge­gen­satz zu sei­nem ei­ge­nen Ge­halt von 4.715,00 Eu­ro brut­to, wes­halb die Ent­schei­dung des Be­klag­ten, freie Mit­ar­bei­ter ein­zu­set­zen, of­fen­sicht­lich un­vernünf­tig sei. Auch bei Berück­sich­ti­gung die­ses - vom Be­klag­ten in Ab­re­de ge­stell­ten - Vor­trags hätte die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht an­ders aus­fal­len können. Der Kläger lässt bei sei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on außer Acht, dass un­abhängig von ei­ner rei­nen Kos­ten­rech­nung der Ein­satz frei­er Mit­ar­bei­ter erhöhte Fle­xi­bi­lität mit sich brin­gen kann. Von ei­ner rechts­miss­bräuch­li­chen Un­ter­neh­mer­ent­schei­dung kann des­halb kei­ne Re­de sein.

bb) Dass an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten be­stan­den hätten, hat der Kläger - wie vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht an­ge­nom­men - nicht dar­ge­legt. Die Re­vi­si­on er­hebt dies­bezüglich auch kei­ne Ein­wen­dun­gen mehr.

2. Die Ausführun­gen des in­so­weit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Ent­schei­dungs­gründe der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung Be­zug neh­men­den Lan­des­ar­beits­ge­richts zur So­zi­al­aus­wahl nach § 1 Abs. 3 iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG las­sen eben­falls kei­nen Rechts­feh­ler er­ken­nen. Der Kläger hat sich hier­ge­gen be­reits im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nicht mehr zur Wehr ge­setzt. Auch die Re­vi­si­on rügt ei­ne feh­ler­haf­te So­zi­al­aus­wahl nicht.

III. Die Kündi­gung ist auch nicht we­gen Ver­s­toßes des Be­klag­ten ge­gen sei­ne Pflich­ten aus § 17 KSchG rechts­un­wirk­sam.


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1. Un­ter „Ent­las­sung“ iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist nach der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts der Aus­spruch ei­ner Kündi­gung zu ver­ste­hen (Se­nat 6. Ju­li 2006 - 2 AZR 520/05 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 68; 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - BA­GE 117, 281). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat für den Se­nat man­gels zulässi­ger und be­gründe­ter Ver­fah­rensrügen ver­bind­lich fest­ge­stellt (§ 559 Abs. 2 ZPO), dass von den zur Kündi­gung an­ste­hen­den Ar­beit­neh­mern des Be­klag­ten ins­ge­samt 81 zum 1. Ok­to­ber 2004 un­ter Auf­he­bung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zum 1. Ok­to­ber 2004 in die Trans­fer­ge­sell­schaft ge­wech­selt sind. Da nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG an­de­re Be­en­di­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses, die vom Ar­beit­ge­ber ver­an­lasst wer­den, den Ent­las­sun­gen gleich­ste­hen, hätte da­mit hin­sicht­lich der am 28. Sep­tem­ber 2004 zum 31. März 2005 aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung des Klägers gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG an sich ei­ne an­zei­ge­pflich­ti­ge Mas­sen­ent­las­sung vor­ge­le­gen.

2. Der Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes ver­bie­tet es aber im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren, die strei­ti­ge Kündi­gung we­gen feh­len­der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge als un­wirk­sam an­zu­se­hen (vgl. Se­nat 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - BA­GE 117, 281). Denn bei Zu­grun­de­le­gung der vom Se­nat erst am 23. März 2006 auf­ge­ge­be­nen Recht­spre­chung zu § 17 KSchG er­reich­ten zum 31. März 2005 die Ent­las­sun­gen des Be­klag­ten nicht den Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG, weil zu die­sem Zeit­punkt nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ne­ben dem Kläger le­dig­lich zwei Ar­beit­neh­mer aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schie­den. Der Be­klag­te durf­te auf Grund der da­mals noch nicht auf­ge­ge­be­nen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts dar­auf ver­trau­en, dass er, wenn er ei­ne An­zei­ge nach § 17 KSchG un­ter­ließ, sich dem Ge­setz ent­spre­chend ver­hielt (Se­nat 6. Ju­li 2006 - 2 AZR 520/05 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 68; 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - aaO). Auf die Fra­ge, ob ein Ver­s­toß ge­gen § 17 KSchG über­haupt zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung führt, kommt es da­mit nicht mehr an.


IV. Da be­reits die or­dent­li­che Kündi­gung das Ar­beits­verhält­nis be­en­det hat, war über die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung nicht mehr zu ent­schei­den.
 

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V. Die Kos­ten der er­folg­lo­sen Re­vi­si­on hat der Kläger zu tra­gen (§ 97 ZPO).


Rost 

Bröhl 

Ey­lert

Be­cker­le 

Pitsch

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