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LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.02.2012, 5 Sa 1370/11
Schlagworte: | Urlaub: Krankheit, Urlaubsabgeltung, Krankheit: Urlaub | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 1370/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 23.02.2012 | |
Leitsätze: | 1. In einem Arbeitsverhältnis, das wegen des Bezugs von Erwerbsminderungsrente "ruht", entstehen gesetzliche und tarifvertragliche Urlaubsansprüche. 2. Die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen für die Vergangenheit ist nicht automatisch auf die letzten 15 Monate beschränkt. |
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Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 28.09.2011, 6 Ca 1516/11 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.10.2013, 9 AZR 302/12 |
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5 Sa 1370/11
6 Ca 1516/11
Arbeitsgericht Essen
Verkündet
am 23. Februar 2012
gez.: Willms Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
der Frau I. Q., X. Straße 17, E.,
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Hoemann, Schmitt, Schwab,
Schenk, Muzikant,
Wanheimer Straße 71, 47053 Duisburg,
g e g e n
die F. Deutschland GmbH, vertreten durch Herrn T. von C., I.-C.-Straße 32, F.,
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Budin & Partner,
Kaiserstraße 17 a, 44135 Dortmund,
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23.02.2012
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Raufeisen und den ehrenamtlichen Richter Wosnitza
für R e c h t erkannt:
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 28.09.2011 - 6 Ca 1516/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das arbeitsgerichtliche Urteil in Ziffer 1 klarstellend wie folgt formuliert wird:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 9.672,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.06.2011 zu zahlen.
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2) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
T A T B E S T A N D
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Urlaubsabgeltung zu zahlen.
Die am 11.02.1959 geborene Klägerin war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 23.10.2000 seit dem 20.11.2000 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 1.917,00 €. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des bei der Beklagten geltenden Manteltarifvertrags (Haustarifvertrag, im Folgenden nur noch „MTV“ genannt) vom 16.03.2004 Anwendung. Dort heißt es u.a. wie folgt:
§ 8-Urlaub
„Jede/r Arbeitnehmer/in hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.
Der Urlaub wird in längeren zusammenhängenden Abschnitten gewährt und genommen.
Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach 6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Diese Wartezeit ist nur einmal zu erfüllen.
.
.
Der Urlaub beträgt bei Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche:
für Arbeitnehmer/innen, die vor dem 1. April 2004 eingetreten sind
- bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 27 Arbeitstage
- bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres 29 Arbeitstage
- ab Vollendung des 30. Lebensjahres 30 Arbeitstage
für Arbeitnehmer/innen, die am/nach dem 1. April 2004 eingetreten sind, unabhängig von ihrem Lebensalter
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- im 1. und 2. Jahr der Betriebszugehörigkeit 25 Arbeitstage
- im 3. und 4. Jahr der Betriebszugehörigkeit 27 Arbeitstage
- ab dem 5. Jahr der Betriebszugehörigkeit 30 Arbeitstage
.
.
Schwerbehinderte erhalten zu ihrem Erholungsurlaub einen Zusatzurlaub nach der gesetzlichen Regelung.
.
.
Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur dann statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des/der Arbeitnehmer/in liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages der Parteien, der auf den MTV Bezug nimmt, und des MTV selbst wird auf Bl. 5 ff. und Bl. 41 ff. d.A. verwiesen.
Die Klägerin war ab dem 29.03.2006 arbeitsunfähig erkrankt. Nach dem Bezug von Krankengeld erhielt sie zunächst eine befristete Erwerbsminderungsrente und ab dem 01.04.2011 eine unbefristete Erwerbsminderungsrente. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31.03.2011.
Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50.
Mit Schreiben vom 28.04.2011 forderte der spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte zur Zahlung von Urlaubsabgeltung auf. Die Beklagte zahlte ihr daraufhin auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch für die Jahre 2008 bis 2011 einen Betrag in Höhe von 5.664,10 € brutto, lehnte hingegen weitere Zahlungen insbesondere für die Jahre 2006 und 2007 ab.
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Mit ihrer am 08.06.2011 beim Arbeitsgericht Essen anhängig gemachten Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und die Zahlung ausstehender Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 und 2007 sowie hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs die Zahlung für die Jahre 2008 bis 2011 geltend gemacht. Die Klägerin hat unter Berücksichtigung von insgesamt 35 Urlaubstagen pro Jahr (einschließlich des gesetzlichen Schwerbehindertenzusatzurlaubs) einen Betrag in Höhe von 15.598,06 € brutto errechnet und sich hierauf die gezahlten 5.664,10 € brutto anrechnen lassen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.933,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Anspruch der Klägerin für das Jahr 2006 verjährt wäre und eine rückwirkende Geltendmachung nur für 18 Monate in Betracht komme. Überdies stünden der Klägerin keine tarifvertraglichen Urlaubsansprüche zu; die Tarifvertragsparteien hätten im MTV ein eigenes Urlaubsregime geschaffen und damit das Erlöschen des tariflichen Mehrurlaubs mit Ablauf des 31.03. des jeweiligen Folgejahres geregelt.
Mit Urteil vom 28.09.2011 hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Essen – 6 Ca 1516/11 – dem Klagebegehren bis auf drei der Klägerin nicht zustehende Schwerbehindertenzusatzurlaubstage für das Jahr 2007 stattgegeben.
In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat
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das Arbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien hätte auch während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente nicht geruht, sodass sowohl die gesetzlichen wie auch die tarifvertraglichen Urlaubsansprüche entstanden wären. Beide Ansprüche seien angesichts der durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auch nicht verfallen; hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs fehle es an einem eigenen Urlaubsregime. Die rückwirkende Gel-tendmachung der Urlaubsabgeltungsansprüche sei nicht auf 18 Monate beschränkt; auf einen Vertrauensschutz könne sich die Beklagte seit dem 24.11.1996 nicht mehr berufen. Schließlich stünden auch die Verjährungsvorschriften dem Klagebegehren nicht entgegen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 31.10.2011 zugestellte Urteil mit einem am 28.11.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 23.12.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Sie wiederholt ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und vertritt auch weiterhin die Rechtsauffassung, dass der MTV ein eigenes Urlaubsregime beinhalte und deshalb die tariflichen Urlaubsansprüche verfallen wären. Die Beklagte meint weiter, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem Bezug der befristeten Erwerbsminderungsrente geruht hätte und damit das Entstehen aller Urlaubsansprüche verhindert habe. Jedenfalls seien sämtliche Urlaubsab-geltungsansprüche verjährt bzw. nach § 15 MTV verfallen. Angesichts der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes müsse zudem davon ausgegangen werden, dass eine rückwirkende Geltendmachung auch nur noch für die letzten 15 Monate möglich sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 28.09.2011, 6 Ca 1516/11 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz. Sie unterstreicht ihre Rechtsauffassung, dass auch nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine Begrenzung von Urlaubsabgeltungsansprüchen für die Vergangenheit nicht automatisch erfolge, sondern der Umsetzung etwa durch einen Tarifvertrag bedürfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Be-schwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, § 8 MTV i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 9.672,54 €.
1. Der gesamte Urlaubsanspruch der Klägerin für die Jahre 2006 und 2007 sowie der noch im Streit befindliche Anspruch der Klägerin auf tariflichen Mehrurlaub für die Jahre 2008 bis 2011 sind entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten entstanden.
1.1 Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20.01.2009 (- C 350/06 – und - C 520/06 – AP Nr. 1 zu Richtlinie 2003/88/EG Schultz-Hoff) verfällt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugzeitraumes oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, sodass er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Der gesetzliche Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis – nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten (BAG 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 – DB 2010, 1945; BAG 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – DB 2010; BAG 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 – AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG; vgl. auch: LAG Hessen 07.12.2010 - 19 Sa 939/10 – NZA-RR 2011, 120; LAG Düsseldorf 07.07.2011 – 5 Sa 416/11 – ZTR 2011, 730).
1.2 Danach stehen der Klägerin der gesetzliche Mindesturlaub in Höhe von
20 Arbeitstagen und der Schwerbehindertenzusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX in Höhe von insgesamt 25 Tagen pro Jahr zu. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2011 hat die Klägerin zudem einen Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Höhe der bis zum 31.03.2011 noch
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nicht abgegoltenen Urlaubsansprüche erworben. Dies gilt auch angesichts der durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, weil der Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch entsteht, und zwar selbst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin bis zum Ende des Überragungszeitraums am 31.03. des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres fortdauert (so ausdrücklich: BAG 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 – a.a.O.).
1.3 Das Entstehen des Urlaubsanspruchs der Klägerin auch in den Jahren 2006 und 2007 wurde entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht dadurch verhindert, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum durchgängig eine befristete Erwerbsminderungsrente bezog.
1.3.1 Der Bezug dieser Erwerbsminderungsrente hat nach Meinung der erkennenden Kammer nicht zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses geführt.
1.3.1.1 Eine andauernde Arbeitsunfähigkeit oder der Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung führt nicht zwangsläufig zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Erforderlich ist vielmehr eine Vereinbarung der Parteien über die Suspendierung der wechselseitigen Hauptleistungspflichten. Hiernach liegt ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses nur dann vor, wenn nach dem Willen und den Vorstellungen beider Parteien das rechtlich an sich fortbestehende Arbeitsverhältnis tatsächlich nur formaler Natur ist und keine irgendwie gearteten rechtlichen Bindungen im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Arbeit begründet werden. Aus der tatsächlichen Einstellung der wechselseitigen Hauptpflichten auf ein vereinbartes Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu schließen, ist dann aber nicht ohne weiteres statthaft, wenn der Arbeitnehmer nicht nur erwerbsunfähig, sondern auch arbeitsunfähig krank ist. Die Einstellung der Arbeit einerseits und der Zahlung des Entgelts andererseits kann in diesem Fall auch darauf beruhen, dass sich der Arbeitnehmer stets krank gemeldet und Arbeitsunfähigkeits-bescheinigungen vorgelegt hat und der gesetzliche Fortzahlungszeitraum abgelaufen war. Ist das Verhalten der Parteien oder auch nur einer Partei auf die
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Einhaltung dieses rechtlichen Rahmens zu deuten, so fehlt es an einer Ruhensvereinbarung. Eine stillschweigende Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses kann in Fällen der vorliegenden Art allenfalls dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf seinen Antrag hin nach Aussteuerung durch die Krankenkasse Arbeitslosengeld bezieht (BAG 25.02.1998 – 10 AZR 298/97 – zitiert nach juris; BAG 11.10.1995 – 10 AZR 985/94 – NZA 1996, 542; BAG 07.06.1990 – 6 AZR 52/89 – BAGE 65, 187; LAG Düsseldorf 08.02.2011 – 16 Sa 1574/10 – zitiert nach juris; LAG Düsseldorf 07.07.2011 – 5 Sa 416/11 – a.a.O.).
1.3.1.2 Nach dem Sachvortrag beider Parteien sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Parteien eine auch nur stillschweigende Ruhensvereinbarung getroffen haben könnten. Insbesondere hat sich die Klägerin nach Auslaufen des Krankengeldzahlungszeitraums nicht arbeitslos gemeldet und hat auch kein Arbeitslosengeld bezogen. Fehlt es damit an einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses, so hindert allein der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht das Entstehen der streitigen Urlaubsansprüche in den Jahren 2006 bis 2011.
1.3.2 Selbst wenn man mit der Beklagten von einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs der befristet zuerkannten Erwerbsminderungsrente ausgehen wollte, wären hiervon die Urlaubsansprüche der Klägerin und damit auch ihr Urlaubsabgeltungsanspruch nicht betroffen. Allerdings ist in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung weiterhin heftig umstritten, welche Auswirkungen das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf das Entstehen und den Fortbestand des gesetzlichen Mindesturlaubs hat.
1.3.2.1 Ruht das Arbeitsverhältnis, weil der arbeitsunfähige Arbeitnehmer eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit bezieht, so soll nach der wohl herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte gleichwohl der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch entstehen. Ein Verfall dieses Anspruchs mit dem 31.03. des Folgejahres tritt danach nicht ein (LAG Düsseldorf 08.12.2011 – 16 Sa 1574/10 – a.a.O.; LAG Baden-Württemberg 02.12.2010
- 22 Sa 59/10 – EzA-SD 2011, Nr. 4, 10; LAG Baden-Württemberg 29.04.2010
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- 11 Sa 64/09 – ZTR 2010, 415; LAG Schleswig-Holstein 16.12.2010 – 4 Sa 209/10 – BB 2011, 372).
1.3.2.2 Nach anderer Auffassung wird in einem ruhenden Arbeitsverhältnis kein Urlaubsanspruch erworben, weil die gegenseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert sind. Jedenfalls soll es möglich sein, tarifvertragliche Kürzungsregelungen zu vereinbaren, die den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers für die Zeit des Ruhens nach dem sog. Zwölftelungsprinzip kürzen (vgl. hierzu: LAG Köln 29.04.2010 – 6 Sa 103/10 – zitiert nach juris; LAG Düsseldorf 01.10.2010 – 9 Sa 1541/09 – ArbuR 2011, 128).
1.3.2.3 Die erkennende Kammer tritt der oben dargestellten Rechtsauffassung bei, dass auch in einem Arbeitsverhältnis, das wegen des befristeten Bezugs von Erwerbsminderungsrente ruht, ein Urlaubsanspruch erworben wird, der im Übrigen auch nicht kürzbar sein dürfte. Im ruhenden Arbeitsverhältnis entfallen nämlich die wechselseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses, also die Pflicht zur Arbeitsleistung und die zur Vergütung derselben. Diese Pflichten stehen zueinander in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung ist dagegen keine Hauptpflicht, weil ihr keine entsprechende Pflicht des Arbeitnehmers gegenübersteht. Es handelt sich vielmehr um eine auf Gesetz beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis (so für den Fall der Elternzeit ausdrücklich: BAG 17.05.2011 – 9 AZR 197/10 – DB 2012, 182).
1.4 Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass jedenfalls der tarifliche
Mehrurlaub gemäß § 8 MTV für die Jahre 2006 bis 2011 verfallen ist, kann sie hiermit nicht gehört werden. Auch der tarifliche Mehrurlaub, der für die Klägerin 10 Tage pro Jahr ausmacht, ist wegen ihrer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit nicht verfallen.
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1.4.1 Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonformen Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht gegenüber (BAG 12.04.2011 – 9 AZR 80/10 – NZA 2011, 1050).
Unterscheidet ein Tarifvertrag zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichen Mehrurlaub, ist es regelmäßig gerechtfertigt, auch hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen entsprechend zu differenzieren. Trennen die Tarifvertragsparteien zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub, machen sie von ihrer freien, nicht durch § 13 Abs. 1 BUrlG beschränkten Regelungsmacht für den tariflichen Mehrurlaub Gebrauch. Es ist dann ausgeschlossen, ohne konkrete Anhaltspunkte die richtlinienkonforme Fortbildung von Vorschriften des BUrlG auch auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden. Ein entsprechender, zwischen beiden Urlaubsarten differenzierender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich allerdings nicht schon daraus herleiten, dass ein Tarifvertrag sich vom gesetzlichen Urlaubsregime löst und stattdessen eigene Regeln aufstellt (BAG 12.04.2011 – 9 AZR 80/10 – a.a.O.).
Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Auslegungsregel aufgestellt, für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen Ansprüchen unterscheide, müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen. Diese können sich nur daraus ergeben, dass der Tarifvertrag gesetzliche und tarifvertragliche Urlaubsansprüche unterschiedlich regelt. Haben die Tarifvertragsparteien einheitlich sowohl für den unionsrechtlich verbürgten Mindest- als auch für den übersteigenden Mehrurlaub von § 7 Abs. 3 BUrlG wesentlich abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln ver-
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einbart, so zeugt das ebenfalls für einen eigenständigen Regelungswillen. Ein Regelungswille, der dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub entgegensteht, ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn in einem Tarifvertrag von der Zwölftelungsregelung des § 5 BUrlG abgewichen wird. Entscheidend ist vielmehr insgesamt, ob vom Fristenregime des BUrlG abgewichen oder zumindest durch die Differenzierung zwischen Mindest- und Mehrurlaub erkennbar gemacht wird, dass der Arbeitnehmer für den Mehrurlaub das Verfallsrisiko tragen soll.
1.4.2 Hiernach muss auch weiterhin von einem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub ausgegangen werden; ein eigenständiges Urlaubsregime enthält § 8 MTV gerade nicht.
Es findet zunächst keine rechtserhebliche Unterscheidung zwischen gesetzlichen Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub statt. Im Gegenteil: § 8 Nr. 1 entspricht weitestgehend § 3 BUrlG und wiederholt letztlich die Wartezeitregelung in § 4 BUrlG. Auch die Zwölftelungsregelung in § 5 BUrlG findet sich in § 8 Nr. 4 MTV in Teilbereichen wieder. Abweichungen bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs insgesamt können demgegenüber den angenommenen Gleichlauf nicht verhindern.
Schließlich zeigt auch die rein deklaratorische Verweisung auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen in § 8 Nr. 6 MTV, dass sich die Tarifvertragsparteien weitestgehend an den gesetzlichen Vorgaben orientieren und diese übernehmen wollten. Ein eigenständiger Regelungswille kann hieraus nicht abgeleitet werden.
Darüber hinaus fehlt es aber auch an einer von § 7 Abs. 3 BUrlG wesentlich abweichenden Übertrags- und Verfallsregelung. § 8 Nr. 9 MTV übernimmt vielmehr wortgleich die Regelung aus § 7 Abs. 3 BUrlG, womit die Tarifvertragsparteien nochmals und deutlich den Gleichlauf zwischen gesetzlichem Mindest-und tariflichen Mehrurlaub dokumentiert haben.
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2. Der Beklagten ist es verwehrt, sich für die Vergangenheit angesichts der geänderten Rechtsprechung des BAG auf einen Vertrauensschutz zu berufen. Zwar war die langjährige Rechtsprechung der Urlaubssenate des Bundesarbeitsgerichts, die seit 1982 vom Verfall von Urlaubs- (abgeltungs-) Ansprüchen bei bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ausging, geeignet, Vertrauen der Arbeitgeberseite auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung zu begründen. Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23.11.1996 trat aber eine wesentliche Änderung ein. Danach entfiel die Vertrauensgrundlage, sodass das Vertrauen von Arbeitgeber auf die Fortdauer der bisherigen, zum nationalen Recht ergangenen Rechtsprechung nicht länger schutzwürdig war (BAG 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – a.a.O.). Die Klägerin macht für die Vergangenheit Urlaubsansprüche bis zum Jahr 2006 geltend, für die nach der zitierten Rechtsprechung des BAG ein Vertrauensschutz nicht mehr angenommen werden kann.
3. Die Ansprüche der Klägerin auf Abgeltung der entstandenen gesetzlichen Mindesturlaubsansprüche und des tariflichen Mehrurlaubs sind nicht nach §§ 195 ff. BGB verjährt und auch nicht nach § 15 MTV verfallen.
3.1 Eine Verjährung der streitbefangenen Urlaubsansprüche scheidet aus,
weil die Verjährungsfrist nach § 199 BGB während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht zu laufen begonnen hat. Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Dies setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus, da erst von diesem Zeitpunkt an der Gläubiger mit Erfolg die Leistung fordern und gegebenenfalls den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung unterbinden kann. Der Urlaubsanspruch entsteht in diesem Sinne zwar nach vollendeter Wartezeit jeweils mit Beginn des Urlaubsjahres, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zu Beginn des Jahres arbeitsfähig ist oder nicht. Während der Arbeitsunfähigkeit kann jedoch der Arbeitnehmer die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht verlan-
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gen und der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch nicht erfüllen. Damit fehlt es an der Fälligkeit, die das Entstehen eines Anspruchs im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB regelmäßig voraussetzt (so ausdrücklich: LAG Hessen, 07.12.2010 - 19 Sa 939/10 – NZA-RR 2011, 120 – LAG Düsseldorf 07.07.2011 – 5 Sa 416/11 – a.a.O.; vgl. auch: LAG Niedersachsen 16.09.2011 – 6 Sa 348/11 - zitiert nach juris).
Mangels Fälligkeit und Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs scheidet eine Verjährung nach den §§ 194 ff. BGB deshalb aus.
3.2 Dasselbe gilt, soweit sich die Beklagte auf die tarifliche Verfallfrist des § 15 MTV beruft. Auch für Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis gilt bei andauernder Arbeitsunfähigkeit, dass diese mangels Erfüllbarkeit nicht kraft tariflicher Ausschluss- oder Verfallfristen erlöschen. Dies gilt auch dann, wenn Urlaubsansprüche im wegen befristet bewilligter Erwerbsminderungsrente ruhenden Arbeitsverhältnisses entstehen. Die Tarifvertragsparteien haben regelmäßig, wie auch im vorliegenden Fall, bei den Regelungen zum Erlöschen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis selbst formuliert, dass die Ansprüche „geltend“ zu machen sind. Dies beinhaltet, dass die andere Arbeitsvertragspartei aufzufordern ist, den nach Grund und Höhe zu kennzeichnenden Anspruch zu erfüllen. Eine solche Aufforderung geht jedoch ins Leere, wenn der Arbeitgeber im ruhenden Arbeitsverhältnis mangels Erfüllbarkeit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Darüber hinaus ist eine Geltendmachung auch nach Sinn und Zweck von Ausschlussfristen nicht geboten. Ruht das Arbeitsverhältnis, ist für den Arbeitgeber ohne weiteres erkennbar, in welchem Umfang Urlaubsansprüche entstehen (LAG Hessen 29.03.2011 – 15 Sa 191/10 – zitiert nach juris; LAG Hessen 07.12.2010 – 19 Sa 939/10 – a.a.O.; vgl. auch: LAG Düsseldorf 08.02.2011 - 16 Sa 1574/10 – a.a.O.).
Wie bereits oben unter Ziffer 3.1 festgehalten, sind die Urlaubsansprüche der Klägerin angesichts ihrer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit weder fällig noch erfüllbar gewesen, sodass die Ausschlussfrist des § 15 MTV nicht zu laufen begonnen hat.
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3.3 Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2011 hat die Klägerin im Übrigen innerhalb der Fristen des § 15 MTV ihren Urlaubsabgeltungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht, sodass auch insoweit nicht von einem Erlöschen des Anspruchs ausgegangen werden muss.
4. Die in der Vergangenheit entstandenen Urlaubsansprüche der Klägerin können auch rückwirkend bis zum Jahre 2006 wirksam geltend gemacht werden; eine Begrenzung der Rückwirkung findet nicht statt.
4.1 Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht auf
eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 22.11.2011 – C-214/10 – (Schulte) zitiert nach juris), wonach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahin auszulegen sei, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugs-zeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitaum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entfällt.
4.2 Die erkennende Kammer meint, dass es hiernach nicht geboten ist, die Urlaubsansprüche der Klägerin auf einen Zeitraum von 15 Monaten zu begrenzen. Der EuGH hat in seiner zitierten Entscheidung darauf hingewiesen, dass die einschlägigen europäischen Richtlinien Rechtsvorschriften, Gepflogenheiten oder Tarifverträge nicht verbieten, die einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen könnten. Indessen finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keinerlei Rechtsvorschriften oder etwa ein Tarifvertrag Anwendung, die eine solche Begrenzung des Übertragungszeitraums zum Inhalt haben könnten. Der bei der Beklagten geltende MTV enthält derartige Regelungen gerade nicht.
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4.3 Darüber hinaus verbietet sich nach Einschätzung der erkennenden Kammer eine unmittelbare Anwendung des vom EuGH für zulässig erklärten 15 monatigen Übertragungszeitraum auf das Arbeitsverhältnis der Parteien. Diese folgt insbesondere nicht aus einer (abermals geänderten) Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG.
Das Bundearbeitsgericht hat mit seinen Entscheidungen vom 24.03.2009 (- 9 AZR 983/07 – AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG) und vom 23.03.2010 ( - 9 AZR 128/09 – a.a.O.) wiederholt erläutert, dass nach § 7 Abs. 3 BUrlG auch in der Vergangenheit erworbene Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche zu erfüllen sind und dass eine Begrenzung der Ansprüche für die Vergangenheit aus den Vorschriften des BUrlG nicht abzuleiten ist. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei sogar eine Rückwirkung bis zum 24.11.1996 für möglich und zulässig gehalten und eine Begrenzung der Ansprüche in der Vergangenheit nur mit Vertrauensschutzerwägungen vorgenommen. Dann aber verbietet es sich, § 7 Abs. 3 BUrlG einschränkend dahingehend zu interpretieren, dass Urlaubsansprüche für die Vergangenheit auf einen 15-monatigen Übertragungszeitraum begrenzt werden. Hierzu bedarf es nach Auffassung der erkennenden Kammer entweder einer konkreten gesetzlichen Regelung oder aber eines Tätigwerdens der Tarifvertragsparteien.
5. Die Höhe der geltend gemachten Ansprüche ist von der Beklagten im Berufungsrechtszug nicht mehr substantiiert bestritten worden, sodass dem Klagebegehren in Höhe von 9.672,54 € zu entsprechen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die erkennende Kammer hat die Revision für die Beklagte zugelassen, weil sie das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bejaht hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
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R E C H T S M I T T E L B E L E HR R U N G:
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
REVISION
eingelegt werden.
Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt,
Fax: (0361) 2636 - 2000
eingelegt werden.
Die Revision ist gleichzeitig oder
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
gez.: Göttling
gez.: Raufeisen
Wosnitza
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