HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/07

Je­der Mensch ein Künst­ler?

Zur Künst­ler­so­zi­al­kas­se ab­ga­be­pflich­ti­ge Ar­beit­ge­ber sol­len stren­ger er­fasst und Leis­tungs­miss­brauch soll er­schwert wer­den: Ent­wurf ei­nes Drit­ten Ge­setz zur Än­de­rung des KSVG und an­de­rer Ge­set­ze, vom 05.01.2007
Bachnoten mit darauf liegendem Puppenballetschuh Die Künst­ler­so­zi­al­kas­se soll fi­nan­zi­ell bes­ser ab­ge­si­chert wer­den

02.05.2007. Die Künst­ler­so­zi­al­ver­si­che­rung be­zieht selb­stän­dig ar­bei­ten­de Künst­ler und Pu­bli­zis­ten in die ge­setz­li­che Kran­ken-, Pfle­ge- und Ren­ten­ver­si­che­rung ein.

Da ein Selb­stän­di­ger kei­nen Ar­beit­ge­ber hat, der die Hälf­te der So­zi­al­bei­trä­ge auf­brin­gen könn­te, wird die Künst­ler­so­zi­al­ver­si­che­rung in der Wei­se fi­nan­ziert, dass die ei­ne Hälf­te des Bei­trags­auf­kom­mens von den ver­si­cher­ten Selb­stän­di­gen stammt und der feh­len­de Ar­beit­ge­ber­zu­schuss durch ei­ne sog. Künst­ler­so­zi­al­ab­ga­be (30 % der Mit­tel) so­wie ei­nen er­gän­zen­den Zu­schuss des Bun­des (20% der Mit­tel) auf­ge­bracht wird.

Die Künst­ler­so­zi­al­ab­ga­be ha­ben Un­ter­neh­men zu zah­len, die sich ty­pi­scher­wei­se die Diens­te selb­stän­di­ger Künst­ler oder Pu­bli­zis­ten zu­nut­ze ma­chen, al­so et­wa Thea­ter, Rund­funk­an­stal­ten, Zei­tungs­ver­la­ge, Film­pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­men usw.

Ge­setz­li­che Grund­la­ge für die Pflicht­ver­si­che­rung der selb­stän­di­gen Künst­ler und Pu­bli­zis­ten ist das Ge­setz über die So­zi­al­ver­si­che­rung der selb­stän­di­gen Künst­ler und Pu­bli­zis­ten (Künst­ler­so­zi­al­ver­si­che­rungs­ge­setz - KSVG), vom 27.07.1981.

Da die Be­grif­fe "Künst­ler" und "Pu­bli­zist" un­ver­meid­li­cher­wei­se ge­wis­se Un­schär­fen auf­wei­sen, be­steht für ein­kom­mens­schwa­che Selb­stän­di­ge ein star­ker An­reiz, sich als "Künst­ler" und/oder "Pu­bli­zist" zu de­kla­rie­ren, um auf die­se Wei­se in die Künst­ler­so­zi­al­ver­si­che­rung ein­be­zo­gen zu wer­den und in den Ge­nuss ei­ner hälf­ti­gen Zu­zah­lung bei der Auf­brin­gung der So­zi­al­bei­trä­ge zu kom­men.

Frei nach der von Jo­seph Beuys stam­men­den Auf­mun­te­rung, dass je­der Mensch ein Künst­ler sei, hat sich da­her in den ver­gan­ge­nen Jah­ren man­cher Selb­stän­di­ge mit Er­folg um ei­ne Ein­be­zie­hung in die Künst­ler­so­zi­al­kas­se be­müht, ob­wohl er die ge­setz­lich de­fi­nier­ten Vor­aus­set­zun­gen der Ver­si­che­rungs­pflicht nicht er­füllt.

Auf der an­de­ren Sei­te ist zu ver­mu­ten, dass sich vie­le kunst- bzw. pu­bli­zis­tik­ver­wer­ten­de Un­ter­neh­men um die An­mel­dung und Ab­füh­rung der Künst­ler­so­zi­al­ab­ga­be drü­cken, da sie - an­ders als die ver­si­cher­ten Selb­stän­di­gen - kei­ner­lei Vor­teil von die­ser Form der So­zi­al­ver­si­che­rung ha­ben.

Der Dum­me ist der Staat: Auf­grund des An­stiegs der Zahl der (teil­wei­se zu Un­recht) von der Künst­ler­so­zi­al­kas­se be­zu­schuss­ten Selb­stän­di­gen und der gleich­zei­ti­gen Drü­cke­ber­ge­rei vie­ler bei­trags­pflich­ti­ger Un­ter­neh­men ist der Bun­des­zu­schuss in den ver­gan­ge­nen Jah­ren an­ge­stie­gen.

Vor die­sem Hin­ter­grund ver­folgt das Än­de­rungs­ge­setz vom 22.03.2007 zum ei­nen das Ziel, die künst­ler­so­zi­al­ab­ga­be­pflich­ti­gen Ar­beit­ge­ber mög­lichst voll­stän­dig zu er­fas­sen und zur Er­fül­lung ih­rer Ab­ga­ben­pflicht her­an­zu­zie­hen. Zum an­de­ren soll die Recht­mä­ßig­keit der Ein­be­zie­hung von Selb­stän­di­gen in die Künst­ler­so­zi­al­kas­se ge­nau­er über­prüft wer­den, um "Künst­ler" und "Pu­bli­zis­ten" im Beuys­schen Sin­ne aus­zu­mus­tern.

Um die bei­trags­pflich­ti­gen Auf­trag­ge­ber ef­fek­ti­ver zu kon­trol­lie­ren, wird die Über­prü­fung der Auf­trag­ge­ber auf die Prüf­diens­te der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung im Rah­men der rou­ti­ne­mä­ßi­gen Kon­trol­le al­ler Ar­beit­ge­ber nach § 28p SGB IV über­tra­gen. Da­von ver­spricht man sich "mit­tel­fris­tig die na­he­zu voll­stän­di­ge Er­fas­sung der ab­ga­be­pflich­ti­gen Ar­beit­ge­ber". Das KSVG er­hält da­her fol­gen­den neu­en § 35 Abs.1 Satz 1:

"Die Trä­ger der Ren­ten­ver­si­che­rung über­wa­chen im Rah­men ih­rer Prü­fung bei den Ar­beit­ge­bern nach § 28p des Vier­ten Bu­ches So­zi­al­ge­setz­buch die recht­zei­ti­ge und voll­stän­di­ge Ent­rich­tung der Künst­ler­so­zi­al­ab­ga­be durch die­se Un­ter­neh­mer."

Ei­ne an­de­re neue Vor­schrift des KSVG rich­tet sich ge­gen die schwar­zen Scha­fe bei den Ver­si­cher­ten. Nach dem neu­en § 10b KSVG soll der Be­scheid über die Fest­set­zung des end­gül­ti­gen Bei­trags­zu­schus­ses für die Ver­gan­gen­heit zu Un­guns­ten des Zu­schuss­be­rech­tig­ten zu­rück­ge­nom­men wer­den, wenn die von ihm ge­mach­ten An­ga­ben bei der An­mel­dung in we­sent­li­chen Hin­sich­ten (ob­jek­tiv) un­rich­tig sind, d.h. auf dies­be­züg­li­chen Vor­satz oder gro­be Fahr­läs­sig­keit bei der Ab­ga­be ei­ner feh­ler­haf­ten Mel­dung kommt es künf­tig nicht mehr an.

Das Ge­setz tritt am Tag nach sei­ner Ver­kün­dung in Kraft.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 18. März 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de