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ARBEITSRECHT AKTUELL // 06/05

LAG Köln: Be­weis­last bei Schmer­zens­geld­kla­ge we­gen Mob­bings

Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last in Mob­bing­fäl­len liegt beim kla­gen­den Mob­bing­be­trof­fe­nen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 21.04.2006, 12 (7) Sa 64/06
Gelbgekleidete Person im Vordergrund, acht von ihr abwandte rotgekleidete Personen im Hintergrund Ge­mobbt wer­den ist schlimm, es vor Ge­richt zu be­wei­sen oft nicht bes­ser

28.05.2006. Wer im Be­trieb bzw. am Ar­beits­platz Op­fer von Mob­bin­gat­ta­cken wird, er­lei­det bei fort­ge­setz­ten Schi­ka­nen oft Ge­sund­heits­schä­den und ver­liert nicht sel­ten am En­de so­gar sei­nen Ar­beits­platz.

Dann über­legt sich man­cher Be­trof­fe­ne, vor Ge­richt zu zie­hen, um durch ei­ne Kla­ge ei­ne Gel­dent­schä­di­gung oder Scha­dens­er­satz zu er­lan­gen. In ei­nem sol­chen Pro­zess tra­gen Mob­bing­be­trof­fe­ne al­ler­dings, weil sie Klä­ger sind, die Be­weis­last für die von ih­nen be­haup­te­ten Mob­bing­vor­wür­fe.

Da ty­pi­scher­wei­se "hin­ten her­um" ge­mobbt wird, ist die Be­weis­la­ge von Be­trof­fe­nen vor Ge­richt schlecht. Um hier Waf­fen­gleich­heit her­zu­stel­len, d.h. ein fai­res Ver­fah­ren zu er­mög­li­chen, wird da­her in letz­ter Zeit dar­über dis­ku­tiert, ob Klä­gern in Mob­bing­ver­fah­ren nicht be­stimm­te Be­wei­ser­leich­te­run­gen zu­zu­ge­ste­hen sind.

Die­sen Über­le­gun­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) in ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil ei­ne Ab­sa­ge er­teilt: LAG Köln, Ur­teil vom 21.04.2006, 12 (7) Sa 64/06.

Wer muss was bei Mob­bing­kla­gen vor Ge­richt be­wei­sen?

Un­ter Mob­bing ver­steht man das sys­te­ma­ti­sche An­fein­den, Schi­ka­nie­ren und Dis­kri­mi­nie­ren von Ar­beit­neh­mern un­ter­ein­an­der oder durch Vor­ge­setz­te. Von "Mob­bing" kann nur ge­spro­chen wer­den, wenn die feind­se­li­gen Hand­lun­gen über ei­nen länge­ren Zeit­raum hin­weg und sys­te­ma­tisch vor­ge­nom­men wer­den. Außer­dem muß sich das Op­fer in ei­ner un­ter­le­ge­nen Po­si­ti­on be­fin­den. Ein sol­ches Ver­hal­ten ist rechts­wid­rig.

Will der Be­trof­fe­ne hier­ge­gen ge­richt­lich vor­ge­hen, al­so zum Bei­spiel bei mob­bing­be­ding­ter Er­kran­kung und ei­nem dar­aus fol­gen­den Ar­beits­platz­ver­lust ei­ne Ver­ur­tei­lung des Ver­ant­wort­li­chen auf Zah­lung von Schmer­zens­geld oder von Scha­dens­er­satz er­lan­gen, dann hat er dem Ge­richt ei­ne Viel­zahl von Tat­sa­chen möglichst ge­nau vor­zu­tra­gen und die­sen Vor­trag zu­gleich un­ter Be­weis zu stel­len, al­so et­wa Zeu­gen zu be­nen­nen, die die Ein­zel­as­pek­te des Mob­bing­ge­sche­hens bestäti­gen können.

Hier­bei gerät der Mob­bing­be­trof­fe­ne oft in Be­weis­not, d.h. er kann sei­ne Dar­le­gungs- und Be­weis­last oft nicht erfüllen.

Frag­lich ist, ob dem Mob­bing­be­trof­fe­nen vor Ge­richt Be­wei­ser­leich­te­run­gen zu­gu­te kom­men. Über die­se Fra­ge hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln in sei­nem Ur­teil vom 21.04.2006 ent­schie­den.

Der Streit­fall: An­geb­li­che ver­ba­le Ent­glei­sun­gen ge­genüber ei­ner Ar­beits­kol­le­gin

In dem vom LAG Köln ent­schie­de­nen Fall ar­bei­te­ten die Kläge­rin und die Be­klag­te als Ar­beits­kol­le­gin­nen in ei­nem Al­ten­heim. Sie ge­rie­ten erst­mals we­gen ei­ner durch die Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te er­ho­be­ne An­schul­di­gung in Streit. Die­ser An­schul­di­gung zu­fol­ge, die die Kläge­rin beim Ar­beit­ge­ber vor­trug, soll sich die Be­klag­te nicht an die gel­ten­den Des­in­fek­ti­ons -und Hy­gie­ne­vor­schrif­ten ge­hal­ten ha­ben. Dar­auf­hin er­stat­te­te die Be­klag­te ge­gen die Kläge­rin Straf­an­zei­ge we­gen Ver­leum­dung; das Straf­ver­fah­ren wur­de ein­ge­stellt.

Über die­sen un­strei­ti­gen Teil des Kon­flikts hin­aus be­haup­te­te die Kläge­rin wei­ter­hin, sie sei von der Be­klag­ten be­schimpft und be­droht wor­den. Kon­kret ha­be die Be­klag­te ein­mal zu ihr ge­sagt:

"Du bist ei­ne dre­cki­ge Mit­ar­bei­te­rin, daß du so hin­terhältig hin­ter mei­nem Rücken über mich sol­che Lügen ver­brei­test. Das zah­le ich dir zurück, du ver­lo­ge­nes Lu­der."

Dies be­stritt die Be­klag­te. Ei­nen Be­weis für die­se an­geb­li­che Äußerun­gen - al­so et­wa ei­nen Zeu­gen - konn­te die Kläge­rin hierfür nicht bei­brin­gen.

Wei­ter­hin be­haup­te­te die Kläge­rin: Über die­se Dro­hun­gen hin­aus ha­be die Be­klag­te ver­sucht, den Kon­flikt mit der Kläge­rin aus­zu­wei­ten und ih­re Stel­lung im Be­trieb zu un­ter­gra­ben. So soll die Be­klag­te ver­sucht ha­ben, sich auf Kos­ten der Kläge­rin zu pro­fi­lie­ren.

Kon­kert ha­be die Be­klag­te an ei­nem be­stimm­ten Tag ge­genüber Mit­ar­bei­te­rin­nen vor­ge­ge­ben, Ar­beit ge­leis­tet zu ha­ben, die ei­gent­lich sie die Kläge­rin er­bracht hat­te. Auch die­se Be­haup­tun­gen wur­den durch die Be­klag­te be­strit­ten. Ei­ne ge­naue­re Schil­de­run­gen der an­geb­li­chen Ver­hal­tens­wei­sen und Äußerun­gen der Be­klag­ten konn­te die Kläge­rin nicht lie­fern; auch konn­te sie für die­se Be­haup­tun­gen kei­nen Be­weis an­bie­ten.

Wei­ter­hin be­haup­te­te die Kläge­rin: Es sei zwar nie zu hand­greif­li­chen Überg­rif­fen ge­kom­men, doch ha­be sie sich durch das Ver­hal­ten der Be­klag­ten zu­neh­mend be­droht gefühlt. Die Be­klag­te ha­be ihr ge­sagt, sie sol­le von der Ar­beit ver­schwin­den, da sie sonst dafür sor­gen würde, daß sie die Ar­beit ver­lie­re.

Soll­te sie wei­ter­hin kom­men, wer­de sie ihr frem­de Sa­chen zu­ste­cken und sie des Dieb­stahls be­zich­ti­gen. Die Kläge­rin ha­be die An­dro­hun­gen ernst ge­nom­men und Angst um ih­ren Ar­beits­platz ge­habt. Auch die­se Be­haup­tun­gen be­stritt die Be­klag­te. Auch die­se Be­haup­tun­gen konn­te die Kläge­rin nicht un­ter Be­weis stel­len.

Darüber hin­aus be­haup­te­te die Kläge­rin: Am 11.05.2004 ge­gen 12:55 Uhr ha­be die Be­klag­te ihr ge­droht, sie wer­de ihr "et­was in den Kaf­fee reintun", falls sie nicht end­lich von der Ar­beit ver­schwin­de. Auf­grund die­ser Dro­hung ha­be die Kläge­rin zu­neh­mend Angst ge­habt, zur Ar­beit zu ge­hen. Außer­dem hätten sie Alb­träume und Le­bensängs­te ge­plagt.

Zum Be­leg ih­res an­ge­grif­fe­nen Ge­sund­heits­zu­stan­des ver­wies die Kläge­rin auf ver­schie­de­ne ärzt­li­che At­tes­te. Auch die­se Be­haup­tun­gen hat die Be­klag­te be­strit­ten. Die an­geb­li­che Dro­hung der Be­klag­ten, der Kläge­rin et­was in den Kaf­fee rein­zu­tun, wur­de durch die Kläge­rin nicht un­ter Be­weis ge­stellt.

Auf der Grund­la­ge die­ses in we­sent­li­chen Punk­ten zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­gen Sach­ver­hal­tes er­hob die Kläge­rin, die im wei­te­ren Ver­lauf durch den Ar­beit­ge­ber gekündigt wur­de, Kla­ge mit dem An­trag, die Be­klag­te zur Zah­lung ei­nes Schmer­zens­gel­des in Höhe von 20.000,00 EUR we­gen des fort­ge­setz­ten Mob­bings so­wie zur Zah­lung von Scha­dens­er­satz in Höhe von 492,96 EUR we­gen der Kläge­rin ent­stan­de­ner Rechts­be­ra­tungs­kos­ten zu ver­ur­tei­len.

Das in der ers­ten In­stanz zuständi­ge Ar­beits­ge­richt Bonn wies die Kla­ge ab.

LAG Köln: Kei­ne Be­wei­ser­leich­te­run­gen für den Kläger in Mob­bing­ver­fah­ren

Das LAG Köln hat die­se Ent­schei­dung bestätigt, d.h. die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen.

Nach An­sicht des LAG Köln war es der Kläge­rin nicht ge­lun­gen, in ei­nem aus­rei­chen­dem Um­fang und mit aus­rei­chen­der Ge­nau­ig­keit Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, aus de­nen sich ein durch die Be­klag­te verübtes Mob­bing schlußfol­gern ließe.

So­weit ein­zel­ne Tat­sa­chen aus­rei­chend präzi­se ge­schil­dert wor­den sei­en, fehlt es nach An­sicht des Ge­richts an ei­nem Be­weis­an­ge­bot. Mit die­ser Be­gründung hat­te be­reits das Ar­beits­ge­richt Bonn die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

So­mit hat die Kläge­rin dem LAG Köln zu­fol­ge kein durch die Be­klag­te verübtes sys­te­ma­ti­sches Schi­ka­nie­ren und Dis­kri­mi­nie­ren (= "Mob­bing") in ei­ner "pro­zes­su­al er­heb­li­chen Wei­se vor­ge­tra­gen".

Da­her woll­te sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt auch nicht der Mei­nung der Kläge­rin an­sch­ließen, daß die von ihr vor­ge­tra­ge­nen ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen, wie sie in ver­schie­de­nen ärzt­li­chen At­tes­ten be­schei­nigt wur­den, be­trieb­li­che Ur­sa­chen hätten. So­weit in den At­tes­ten nämlich da­von die Re­de sei, die Ur­sa­che der Ge­sund­heitsstörun­gen lie­ge in ei­nem sys­te­ma­tisch auf die Kläge­rin aus­geübten Druck am Ar­beits­platz, han­de­le es sich - so das Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln - nicht um ei­ge­ne Wahr­neh­mun­gen der be­han­deln­den Ärz­te, son­dern um ei­ne Wie­der­ga­be der den Ärz­ten ge­genüber ge­mach­ten An­ga­ben der Kläge­rin.

Sch­ließlich setzt sich das LAG Köln mit der Rechts­an­sicht aus­ein­an­der, daß dem Mob­bing­op­fer vor Ge­richt Be­wei­ser­leich­te­run­gen zu­gu­te kom­men müßten. In die­ser Wei­se hat sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt Thürin­gen po­si­tio­niert (Lan­des­ar­beits­ge­richt Thürin­gen, Ur­teil vom 10.04.2001 - 5 Sa 403/00).

Die­ser Ent­schei­dung zu­fol­ge kommt es dar­auf ab, ob fall­ty­pi­sche "In­di­ztat­sa­chen" vor­lie­gen wie zum Bei­spiel "mob­bing­ty­pi­sche" Er­kran­kun­gen, d.h. et­wa Schlafstörun­gen, Ma­gen­ge­schwüre etc. Aus sol­chen "In­di­ztat­sa­chen" kann nach An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts Thürin­gen auf das Vor­lie­gen von Mob­bing ge­schlos­sen wer­den, falls ei­ne "Kon­ne­xität" zwi­schen die­sen In­di­ztat­sa­chen und den vom Op­fer vor­ge­brach­ten Mob­bing­hand­lun­gen be­steht.

Darüber hin­aus kommt nach An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts Thürin­gen auch dem sich ver­schlech­tern­den Ge­sund­heits­zu­stand des Mob­bing­op­fers ei­ne auf Mob­bing hin­wei­sen­de In­dizwir­kung zu, wenn vor­her kei­ne ver­gleich­ba­ren ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen des Op­fers be­stan­den ha­ben.

Die­se Rechts­auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Thürin­gen lehnt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln ab. Ge­gen die o.g. In­di­ztat­sa­chen­leh­re wen­det das Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln ein, daß es sich hier­bei um ei­nen Zir­kel­schluß han­de­le, da die Krank­heit des (an­geb­li­chen) Mob­bing­op­fers die (an­geb­li­chen) Mob­bing­hand­lun­gen des Täters und die­se wie­der die Kau­sa­lität für die Krank­heit in­di­zie­ren soll.

Nach An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln können "mob­bing­ty­pi­sche" Ge­sund­heits­be­schwer­den auch Ur­sa­chen im pri­va­ten Be­reich ha­ben, d.h. sie las­sen kei­nen zwin­gen­den Schluß auf ein Mob­bing am Ar­beits­platz zu.

Fa­zit des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln: So­lan­ge nicht fest­steht, daß die Ur­sa­che von Ge­sund­heits­be­ein­träch­ti­gun­gen in den be­trieb­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten liegt, kann der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Thürin­gen ge­zo­ge­ne Schluß nicht grei­fen. Ei­ne sol­che be­trieb­li­che Ur­sa­che der Ge­sund­heits­be­schwer­den ste­he im vor­lie­gen­den Fall aber ge­ra­de nicht fest.

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Letzte Überarbeitung: 5. März 2018

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