HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 21.07.2011, C-159/10, C-160/10 - Köhler

   
Schlagworte: Beamter, Diskriminierung: Alter, Zwangspensionierung, Altersgrenze, Altersdiskriminierung
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-159/10,
C-160/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.07.2011
   
Leitsätze:

1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht einem Gesetz wie dem Hessischen Beamtengesetz in der Fassung des Gesetzes vom 14. Dezember 2009, das die zwangsweise Versetzung von Beamten auf Lebenszeit, im vorliegenden Fall Staatsanwälten, in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsieht, wobei sie höchstens bis zum vollendeten 68. Lebensjahr weiterarbeiten dürfen, wenn es im dienstlichen Interesse liegt, nicht entgegen, sofern dieses Gesetz zum Ziel hat, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und die Beförderung von jüngeren Berufsangehörigen zu begünstigen, die Personalplanung zu optimieren und damit Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit des Beschäftigten, seine Tätigkeit über ein bestimmtes Alter hinaus auszuüben, vorzubeugen, und es die Erreichung dieses Ziels mit angemessenen und erforderlichen Mitteln ermöglicht.

2. Die Angemessenheit und Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahme ist nachgewiesen, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf Beweismittel gestützt ist, deren Beweiskraft das nationale Gericht zu beurteilen hat.

3. Ein Gesetz wie das Hessische Beamtengesetz in der Fassung des Gesetzes vom 14. Dezember 2009, das den zwangsweisen Übertritt von Staatsanwälten in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsieht, ist nicht allein deshalb inkohärent, weil es ihnen in bestimmten Fällen erlaubt, bis zum vollendeten 68. Lebensjahr weiterzuarbeiten, es außerdem Bestimmungen enthält, die den Übertritt in den Ruhestand vor Vollendung des 65. Lebensjahrs erschweren sollen, und andere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats das Verbleiben im Dienst von bestimmten Beamten, insbesondere bestimmten Wahlbeamten, über dieses Alter hinaus vorsehen und das Ruhestandsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre anheben.

Vorinstanzen: VG Frankfurt/Main, 29.03.2010, 9 K 3854/09.F
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Zwei­te Kam­mer)

21. Ju­li 2011(*)

„Richt­li­nie 2000/78/EG – Art. 6 Abs. 1 – Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters – Zwangs­wei­se Ver­set­zung von Staats­anwälten in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs – Le­gi­ti­me Zie­le, die ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters recht­fer­ti­gen – Kohärenz der Rechts­vor­schrif­ten“

In den ver­bun­de­nen Rechts­sa­chen C‑159/10 und C‑160/10

be­tref­fend Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Ver­wal­tungs­ge­richt Frank­furt am Main (Deutsch­land) mit Ent­schei­dun­gen vom 29. März 2010, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 2. April 2010, in den Ver­fah­ren

Ger­hard Fuchs (C‑159/10),

Pe­ter Köhler (C‑160/10)

ge­gen

Land Hes­sen

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Zwei­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten J. N. Cun­ha Ro­d­ri­gues, der Rich­ter A. Ro­sas, U. Lõhmus und A. Ó Cao­imh so­wie der Rich­te­rin P. Lindh (Be­richt­er­stat­te­rin),

Ge­ne­ral­an­walt: Y. Bot,

Kanz­ler: K. Ma­lacek, Ver­wal­tungs­rat,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 5. April 2011,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– des Lan­des Hes­sen, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt M. Deutsch,

– der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch T. Hen­ze und J. Möller als Be­vollmäch­tig­te,

– Ir­lands, ver­tre­ten durch D. O’Ha­gan und B. Doh­er­ty als Be­vollmäch­tig­te,

– der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch V. Kreu­schitz und J. En­e­gren als Be­vollmäch­tig­te,

auf­grund des nach Anhörung des Ge­ne­ral­an­walts er­gan­ge­nen Be­schlus­ses, oh­ne Schluss­anträge über die Rechts­sa­che zu ent­schei­den,

fol­gen­des

Ur­teil

1

Die Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­tref­fen die Aus­le­gung von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16).

2

Sie er­ge­hen im Rah­men von Rechts­strei­tig­kei­ten zwi­schen Herrn Fuchs und Herrn Köhler ei­ner­seits und dem Land Hes­sen an­de­rer­seits we­gen ih­rer Ver­set­zung in den Ru­he­stand im Al­ter von 65 Jah­ren.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

3

Die Erwägungs­gründe 8, 9 und 11 der Richt­li­nie 2000/78 lau­ten:

„(8) In den vom Eu­ropäischen Rat auf sei­ner Ta­gung am 10. und 11. De­zem­ber 1999 in Hel­sin­ki ver­ein­bar­ten beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en für 2000 wird die Not­wen­dig­keit un­ter­stri­chen, ei­nen Ar­beits­markt zu schaf­fen, der die so­zia­le Ein­glie­de­rung fördert, in­dem ein gan­zes Bündel auf­ein­an­der ab­ge­stimm­ter Maßnah­men ge­trof­fen wird, die dar­auf ab­stel­len, die Dis­kri­mi­nie­rung von be­nach­tei­lig­ten Grup­pen, wie den Men­schen mit Be­hin­de­rung, zu bekämp­fen. Fer­ner wird be­tont, dass der Un­terstützung älte­rer Ar­beit­neh­mer mit dem Ziel der Erhöhung ih­res An­teils an der Er­werbs­bevölke­rung be­son­de­re Auf­merk­sam­keit gebührt.

(9) Beschäfti­gung und Be­ruf sind Be­rei­che, die für die Gewähr­leis­tung glei­cher Chan­cen für al­le und für ei­ne vol­le Teil­ha­be der Bürger am wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len und so­zia­len Le­ben so­wie für die in­di­vi­du­el­le Ent­fal­tung von ent­schei­den­der Be­deu­tung sind.

(11) Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen … des Al­ters … können die Ver­wirk­li­chung der im EG-Ver­trag fest­ge­leg­ten Zie­le un­ter­mi­nie­ren, ins­be­son­de­re die Er­rei­chung ei­nes ho­hen Beschäfti­gungs­ni­veaus und ei­nes ho­hen Maßes an so­zia­lem Schutz, die He­bung des Le­bens­stan­dards und der Le­bens­qua­lität, den wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Zu­sam­men­halt, die So­li­da­rität so­wie die Freizügig­keit.“

4

Der 25. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2000/78 lau­tet:

„Das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters stellt ein we­sent­li­ches Ele­ment zur Er­rei­chung der Zie­le der beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en und zur Förde­rung der Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung dar. Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters können un­ter be­stimm­ten Umständen je­doch ge­recht­fer­tigt sein und er­for­dern da­her be­son­de­re Be­stim­mun­gen, die je nach der Si­tua­ti­on der Mit­glied­staa­ten un­ter­schied­lich sein können. Es ist da­her un­be­dingt zu un­ter­schei­den zwi­schen ei­ner Un­gleich­be­hand­lung, die ins­be­son­de­re durch rechtmäßige Zie­le im Be­reich der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes und der be­ruf­li­chen Bil­dung ge­recht­fer­tigt ist, und ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung, die zu ver­bie­ten ist.“

5

Zweck die­ser Richt­li­nie ist nach Art. 1 „die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in Beschäfti­gung und Be­ruf im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten“.

6

Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richt­li­nie sieht vor:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet ‚Gleich­be­hand­lungs­grund­satz‘ dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.

(2) Im Sin­ne des Ab­sat­zes 1

a) liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde“.

7

Art. 3 („Gel­tungs­be­reich“) der Richt­li­nie 2000/78 sieht in Abs. 1 vor:

„Im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten gilt die­se Richt­li­nie für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts;

…“

8

Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie be­stimmt:

„(1) Un­ge­ach­tet des Ar­ti­kels 2 Ab­satz 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

Der­ar­ti­ge Un­gleich­be­hand­lun­gen können ins­be­son­de­re Fol­gen­des ein­sch­ließen:

a) die Fest­le­gung be­son­de­rer Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur Beschäfti­gung und zur be­ruf­li­chen Bil­dung so­wie be­son­de­rer Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Be­din­gun­gen für Ent­las­sung und Ent­loh­nung, um die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, älte­ren Ar­beit­neh­mern und Per­so­nen mit Fürsor­ge­pflich­ten zu fördern oder ih­ren Schutz si­cher­zu­stel­len;

b) die Fest­le­gung von Min­dest­an­for­de­run­gen an das Al­ter, die Be­rufs­er­fah­rung oder das Dienst­al­ter für den Zu­gang zur Beschäfti­gung oder für be­stimm­te mit der Beschäfti­gung ver­bun­de­ne Vor­tei­le;

c) die Fest­set­zung ei­nes Höchst­al­ters für die Ein­stel­lung auf­grund der spe­zi­fi­schen Aus­bil­dungs­an­for­de­run­gen ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­plat­zes oder auf­grund der Not­wen­dig­keit ei­ner an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gungs­zeit vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand.

(2) Un­ge­ach­tet des Ar­ti­kels 2 Ab­satz 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass bei den be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen als Vor­aus­set­zung für die Mit­glied­schaft oder den Be­zug von Al­ters­ren­te oder von Leis­tun­gen bei In­va­li­dität ein­sch­ließlich der Fest­set­zung un­ter­schied­li­cher Al­ters­gren­zen im Rah­men die­ser Sys­te­me für be­stimm­te Beschäftig­te oder Grup­pen bzw. Ka­te­go­ri­en von Beschäftig­ten und die Ver­wen­dung im Rah­men die­ser Sys­te­me von Al­ters­kri­te­ri­en für ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Be­rech­nun­gen kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar­stellt, so­lan­ge dies nicht zu Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Ge­schlechts führt.“

Na­tio­na­les Recht

9

Der Bun­des­ge­setz­ge­ber hat die Richt­li­nie 2000/78 mit dem All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (im Fol­gen­den: AGG) vom 14. Au­gust 2006 (BGBl. I S. 1897), zu­letzt geändert durch Art. 15 Abs. 66 des Ge­set­zes vom 5. Fe­bru­ar 2009 (BGBl. I S. 160), um­ge­setzt.

10

In § 25 des Ge­set­zes zur Re­ge­lung des Sta­tus­rechts der Be­am­tin­nen und Be­am­ten in den Ländern (Be­am­ten­sta­tus­ge­setz) vom 17. Ju­ni 2008 (BGBl. I S. 1010), zu­letzt geändert durch Art. 15 Abs. 16 des Ge­set­zes vom 5. Fe­bru­ar 2009 (BGBl. I S. 160), hat er zum Ru­he­stand der Be­am­ten auf Le­bens­zeit der Länder und Ge­mein­den be­stimmt:

„Be­am­tin­nen auf Le­bens­zeit und Be­am­te auf Le­bens­zeit tre­ten nach Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze in den Ru­he­stand.“

11

Die­se Be­stim­mung re­gelt die Al­ters­gren­ze nicht selbst, son­dern überlässt de­ren Fest­set­zung den Ländern.

12

§ 50 des Hes­si­schen Be­am­ten­ge­set­zes in der Fas­sung des Ge­set­zes vom 14. De­zem­ber 2009 (im Fol­gen­den: HBG) re­gelt die ver­bind­li­che Al­ters­gren­ze für den Über­tritt der Be­am­ten des Lan­des Hes­sen in den Ru­he­stand wie folgt:

„(1) Die Be­am­ten auf Le­bens­zeit tre­ten mit dem En­de des Mo­nats, in dem sie das fünf­und­sech­zigs­te Le­bens­jahr voll­endet ha­ben (Al­ters­gren­ze), in den Ru­he­stand.

(2) Ab­wei­chend von Abs. 1 gilt für die nach­fol­gen­den im Be­am­ten­verhält­nis auf Le­bens­zeit ste­hen­den Be­am­ten Fol­gen­des:

1. Leh­rer an öffent­li­chen Schu­len tre­ten mit Ab­lauf des letz­ten Mo­nats des Schul­jah­res, in dem sie das fünf­und­sech­zigs­te Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, in den Ru­he­stand,

2. Pro­fes­so­ren, Hoch­schul­do­zen­ten, wis­sen­schaft­li­che und künst­le­ri­sche Mit­ar­bei­ter so­wie Lehr­kräfte für be­son­de­re Auf­ga­ben an den Hoch­schu­len des Lan­des tre­ten mit Ab­lauf des letz­ten Mo­nats des Se­mes­ters, in dem sie das fünf­und­sech­zigs­te Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, in den Ru­he­stand.

(3) Wenn es im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt, kann der Ein­tritt in den Ru­he­stand auf An­trag des Be­am­ten über das voll­ende­te fünf­und­sech­zigs­te Le­bens­jahr hin­aus um ei­ne be­stimm­te Frist, die je­weils ein Jahr nicht über­stei­gen darf, hin­aus­ge­scho­ben wer­den, je­doch nicht länger als bis zum voll­ende­ten acht­und­sech­zigs­ten Le­bens­jahr. Die Ent­schei­dung trifft die obers­te Dienst­behörde oder die von ihr be­stimm­te Behörde.“

13

Das vor­le­gen­de Ge­richt führt aus, ein Ver­blei­ben im Dienst sei bis 1992 auf An­trag zulässig ge­we­sen, wenn dem kei­ne dienst­li­chen Be­lan­ge ent­ge­gen­ge­stan­den hätten. Seit 1992 sei ein Ver­blei­ben im Dienst von der Vor­aus­set­zung abhängig, dass es im dienst­li­chen In­ter­es­se lie­ge.

14

Das HBG enthält ei­ne Son­der­be­stim­mung zur Al­ters­gren­ze für Be­am­te auf Zeit, die – wie Bürger­meis­ter oder Landräte – Wahl­be­am­te sind. Die­se wer­den mit Voll­endung des 71. Le­bens­jahrs in den Ru­he­stand ver­setzt, wenn ih­re Amts­zeit dann noch nicht be­en­det ist.

15

Auf Bun­des­ebe­ne lag die Al­ters­gren­ze für Be­am­te bis zum 12. Fe­bru­ar 2009 bei 65 Jah­ren. Seit­her se­hen die Rechts­vor­schrif­ten ei­ne schritt­wei­se An­he­bung die­ser Al­ters­gren­ze auf 67 Jah­re vor. Zum in den Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen Zeit­punkt hat­ten ei­ni­ge Länder, nicht aber das Land Hes­sen, ver­gleich­ba­re Be­stim­mun­gen er­las­sen.

16

Außer­halb des öffent­li­chen Diens­tes sieht § 35 des Sechs­ten Bu­ches des So­zi­al­ge­setz­buchs, der für Beschäftig­te in pri­vat­recht­li­chen Ar­beits­verhält­nis­sen gilt, seit dem 1. Ja­nu­ar 2008 eben­falls ei­ne schritt­wei­se An­he­bung der Al­ters­gren­ze, die An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te eröff­net, auf 67 Jah­re vor. Nach den Über­g­angs­be­stim­mun­gen er­rei­chen vor dem 1. Ja­nu­ar 1947 ge­bo­re­ne Per­so­nen die Re­gel­al­ters­gren­ze mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs.

Aus­gangs­rechts­strei­tig­kei­ten und Vor­la­ge­fra­gen

17

Die den Aus­gangs­rechts­strei­tig­kei­ten zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­hal­te sind prak­tisch iden­tisch, und die vom vor­le­gen­den Ge­richt ge­stell­ten Fra­gen sind die glei­chen.

18

Die Kläger der bei­den Aus­gangs­ver­fah­ren, Herr Fuchs und Herr Köhler, ge­bo­ren 1944, übten bis zur Er­rei­chung des 65. Le­bens­jahrs im Jahr 2009, zu dem sie nach § 50 Abs. 1 HBG nor­ma­ler­wei­se in den Ru­he­stand tre­ten muss­ten, das Amt ei­nes Ober­staats­an­walts aus.

19

Sie be­an­trag­ten un­ter Be­ru­fung auf § 50 Abs. 3 HBG, den Ein­tritt ih­res Ru­he­stands um ein Jahr hin­aus­zu­schie­ben.

20

Nach­dem das Hes­si­sche Mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz ih­re Anträge ab­ge­lehnt hat­te, leg­ten sie dort Wi­der­spruch ein und such­ten beim Ver­wal­tungs­ge­richt Frank­furt am Main um einst­wei­li­gen Rechts­schutz nach.

21

Das Ver­wal­tungs­ge­richt gab ih­ren Eil­anträgen statt und ver­pflich­te­te das Land Hes­sen, Herrn Fuchs und Herrn Köhler in ih­rem Be­am­ten­verhält­nis zu be­las­sen. Im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren hob der Hes­si­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof die Be­schlüsse des Ver­wal­tungs­ge­richts auf und wies die Eil­anträge ab. Seit dem 1. Ok­to­ber 2009 können Herr Fuchs und Herr Köhler ihr Amt nicht mehr ausüben und be­zie­hen ein Ru­he­ge­halt.

22

Nach­dem auch das Hes­si­sche Mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz ih­re Wi­dersprüche zurück­ge­wie­sen hat­te, er­ho­ben Herr Fuchs und Herr Köhler beim Ver­wal­tungs­ge­richt Frank­furt am Main Kla­ge ge­gen die ent­spre­chen­den Be­schei­de.

23

Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat Zwei­fel an der Ver­ein­bar­keit der für die Ausübung des Staats­an­walts­be­rufs fest­ge­leg­ten Al­ters­gren­ze mit Art. 6 der Richt­li­nie 2000/78. Sei­nes Er­ach­tens stellt die zwangs­wei­se Ver­set­zung in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs ei­ne ge­gen die Richt­li­nie 2000/78 ver­s­toßen­de Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar.

24

Das vor­le­gen­de Ge­richt führt aus, dass die strei­ti­ge Be­stim­mung zu ei­nem Zeit­punkt ein­geführt wor­den sei, als man da­von aus­ge­gan­gen sei, dass in die­sem Al­ter Dienst­unfähig­keit ein­tre­te. Heu­te be­leg­ten For­schungs­ar­bei­ten, dass die Dienstfähig­keit in­di­vi­du­ell un­ter­schied­lich sei. Zu­dem ha­be die stei­gen­de Le­bens­er­war­tung den Ge­setz­ge­ber ver­an­lasst, die all­ge­mei­ne Al­ters­gren­ze für den Ein­tritt in den Ru­he­stand und die Eröff­nung des An­spruchs auf ein Ru­he­ge­halt für Bun­des­be­am­te und Beschäftig­te des pri­va­ten Sek­tors auf 67 Jah­re an­zu­he­ben. Das HBG se­he da­ne­ben vor, dass Wahl­be­am­te ihr Amt bis zum voll­ende­ten 71. Le­bens­jahr ausüben könn­ten.

25

Der Stel­lung­nah­me des Lan­des Hes­sen zum HBG in der Fas­sung von 1962 zu­fol­ge ha­be die­ses Ge­setz die Ein­stel­lung jünge­rer Men­schen ermögli­chen und da­mit ei­ne an­ge­mes­se­ne Al­ters­struk­tur gewähr­leis­ten sol­len. Ein sol­ches Ziel stel­le je­doch kei­ne ob­jek­ti­ve Recht­fer­ti­gung dar, da es im na­tio­na­len Recht kein hin­rei­chend ge­nau­es Kri­te­ri­um dafür ge­be, wann ei­ne Al­ters­struk­tur als güns­tig oder ungüns­tig zu be­trach­ten sei. Ein sol­ches Ziel die­ne auch nicht dem All­ge­mein­in­ter­es­se, son­dern dem in­di­vi­du­el­len In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers. Je­den­falls ha­be das Land Hes­sen nicht dar­ge­legt, wel­che Art des Al­ters­auf­baus es aus wel­chen Gründen als sach­ge­recht er­ach­te. Die mit­ge­teil­ten Zah­len be­leg­ten, dass jünge­re Per­so­nen be­reits in er­heb­li­chem Um­fang mit staats­an­walt­li­chen Auf­ga­ben be­traut sei­en. Neue­re For­schungs­er­geb­nis­se be­sag­ten, dass es kei­nen po­si­ti­ven Zu­sam­men­hang zwi­schen dem al­ters­be­ding­ten zwangs­wei­sen Aus­schei­den aus dem Ar­beits­markt und Neu­ein­stel­lun­gen jünge­rer Per­so­nen ge­be. Frag­lich sei auch, ob Zah­len, die nur das Land Hes­sen und in­ner­halb die­ses Lan­des die dem öffent­li­chen Recht un­ter­lie­gen­den Be­am­ten beträfen, die nur ei­nen klei­nen Teil der Be­diens­te­ten des Lan­des und der abhängig Beschäftig­ten aus­mach­ten, für die An­nah­me ei­nes Ziels des öffent­li­chen In­ter­es­ses aus­reich­ten und ob ein sol­ches Ziel nicht er­for­de­re, sich auf ei­nen größeren Maßstab, ins­be­son­de­re sämt­li­che Be­am­te und Be­diens­te­te des Lan­des oder gar sämt­li­che Be­am­te und Be­diens­te­te des Mit­glied­staats, zu be­zie­hen.

26

Das vor­le­gen­de Ge­richt weist fer­ner dar­auf hin, dass der Ein­tritt der Staats­anwälte in den Ru­he­stand nicht im­mer zu Ein­stel­lun­gen zur Be­set­zung der frei ge­wor­de­nen Plan­stel­len geführt ha­be. Sei­nes Wis­sens wol­le das Land da­mit Ein­spa­run­gen im Haus­halt vor­neh­men.

27

Außer­dem sei­en be­stimm­te Maßnah­men in­kohärent. Dies gel­te ins­be­son­de­re für das mögli­che Ver­blei­ben der Beschäftig­ten im Dienst bis zum 68. Le­bens­jahr trotz der un­wi­der­leg­li­chen Ver­mu­tung der Dienst­unfähig­keit ab dem 65. Le­bens­jahr, der Er­schwe­rung des frei­wil­li­gen Ru­he­stand­s­ein­tritts vor dem 65. Le­bens­jahr und der be­reits in ei­ni­gen Re­ge­lun­gen vor­ge­se­he­nen An­he­bung der Al­ters­gren­ze.

28

Das vor­le­gen­de Ge­richt hat da­her die Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Liegt den Re­ge­lun­gen im HBG zu der für die Be­am­tin­nen und Be­am­ten grundsätz­lich zwin­gen­den Al­ters­gren­ze mit der Fol­ge ei­nes Über­tritts in den Ru­he­stand nach uni­ons­recht­li­chen Maßstäben ein auf das All­ge­mein­wohl aus­ge­rich­te­tes Ziel zu­grun­de?

In­so­weit stel­len sich vor al­lem fol­gen­de Ein­zel­fra­gen:

– Wel­che An­for­de­run­gen sind im Ein­zel­nen an ein sol­ches dem All­ge­mein­wohl ver­pflich­te­tes Ziel aus uni­ons­recht­li­cher Sicht zu stel­len? Wel­chen ergänzen­den Fra­ge­stel­lun­gen zur Sach­ver­halts­aufklärung müss­te das vor­le­gen­de Ge­richt zusätz­lich nach­ge­hen?

– Stellt das In­ter­es­se an ei­ner Ein­spa­rung von Haus­halts­mit­teln und Per­so­nal­kos­ten, hier in der Ge­stalt der Ver­mei­dung von Neu­ein­stel­lun­gen und der da­mit ein­her­ge­hen­den Ver­min­de­rung von Per­so­nal­aus­ga­ben, ein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 dar?

– Kann das Ziel ei­nes Dienst­herrn an ei­ner ge­wis­sen Pla­nungs­si­cher­heit hin­sicht­lich des endgülti­gen Aus­schei­dens von Be­am­tin­nen und Be­am­ten als le­gi­ti­mes Ziel des All­ge­mein­wohls an­er­kannt wer­den, und zwar auch dann, wenn je­der Dienst­herr im Gel­tungs­be­reich des HBG oder des Be­am­ten­sta­tus­ge­set­zes ei­ge­ne Per­so­nal­pla­nungs­vor­stel­lun­gen ent­wi­ckeln und durch­set­zen kann?

– Kann das In­ter­es­se an ei­ner „güns­ti­gen Al­ters­schich­tung“, ei­nem „güns­ti­gen Al­ters­auf­bau“ als Ziel des All­ge­mein­wohls an­er­kannt wer­den, ob­wohl es in­so­weit an all­ge­mei­nen Stan­dards oder ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zur Rich­tig­keit ei­ner Al­ters­schich­tung, ei­nes Al­ters­auf­baus fehlt?

– Kann das In­ter­es­se, Beförde­rungsmöglich­kei­ten für vor­han­de­ne, be­reits ein­ge­stell­te Be­am­tin­nen und Be­am­te zu schaf­fen, als le­gi­ti­mes Ziel des All­ge­mein­wohls im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 an­ge­se­hen wer­den?

– Ver­folgt ei­ne Al­ters­gren­zen­re­ge­lung zur Ver­mei­dung von ein­zel­nen Rechts­strei­tig­kei­ten mit älte­ren Beschäftig­ten we­gen des Fort­be­stands ih­rer Dienstfähig­keit ein le­gi­ti­mes Ziel des All­ge­mein­wohls?

– Setzt der All­ge­mein­wohl­be­zug im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 ein ein­zel­ne Dienst­her­ren und/oder Ar­beit­ge­ber überg­rei­fen­des Kon­zept der Ar­beits­markt­po­li­tik im Be­reich der un­selbständi­gen Beschäfti­gung vor­aus, wenn ja, mit wel­chem Grad an Ein­heit­lich­keit und Ver­bind­lich­keit?

– Können ein­zel­ne Ar­beit­ge­ber oder Dienst­her­ren für Grup­pen von Beschäftig­ten, hier be­grenzt auf die Be­am­tin­nen und Be­am­ten im Gel­tungs­be­reich des HBG, mit der­maßen be­schränkt gel­ten­den Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen über­haupt All­ge­mein­wohl­zie­le ver­fol­gen?

– Un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen kann das von ein­zel­nen Dienst­her­ren ver­folg­ba­re, aber nicht bin­dend vor­ge­ge­be­ne Ziel als dem All­ge­mein­wohl im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 die­nend an­ge­se­hen wer­den, auf­grund des Über­tritts in den Ru­he­stand be­setz­bar ge­wor­de­ne Stel­len durch Neu­ein­stel­lun­gen, ge­ge­be­nen­falls nach vor­he­ri­ger Beförde­rung be­reits vor­han­de­ner Beschäftig­ter zu be­set­zen? Müssen für den All­ge­mein­wohl­be­zug über pau­scha­le Be­haup­tun­gen, die Re­ge­lung die­ne die­sem Ziel, auch sta­tis­ti­sche Da­ten oder sons­ti­ge Er­kennt­nis­se vor­lie­gen, die auf die hin­rei­chen­de Ernst­haf­tig­keit und tatsächli­che Rea­li­sie­rung ei­ner sol­chen Ziel­set­zung schließen las­sen?

2. a) Wel­che An­for­de­run­gen sind an die An­ge­mes­sen­heit und Eig­nung ei­ner Al­ters­gren­zen­re­ge­lung im Sin­ne der im HBG ent­hal­te­nen Re­ge­lun­gen kon­kret zu stel­len?

b) Be­darf es nähe­rer Er­mitt­lun­gen, um die – vor­aus­sicht­li­che – An­zahl der frei­wil­lig über die Al­ters­gren­ze hin­aus im Dienst ver­blei­ben­den Be­am­tin­nen und Be­am­ten im Verhält­nis zur Zahl der­je­ni­gen zu be­stim­men, die je­den­falls mit dem Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze ei­ne ab­schlags­freie Ver­sor­gung be­zie­hen und des­halb auf je­den Fall aus dem Dienst aus­schei­den wol­len? Wäre es nicht an­ge­mes­sen, in­so­weit der Frei­wil­lig­keit den Vor­rang vor ei­nem zwangs­wei­sen Aus­schei­den ein­zuräum­en, so­lan­ge durch Re­ge­lun­gen zur Kürzung des Ru­he­ge­halts bei In­an­spruch­nah­me vor dem Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­gren­ze dafür ge­sorgt wird, dass un­an­ge­mes­se­ne Auf­wen­dun­gen für den Ver­sor­gungs­haus­halt und da­mit ver­bun­de­ne Per­so­nal­kos­ten ver­mie­den wer­den? (Frei­wil­lig­keit vor Zwang als an­ge­mes­se­ne­re und im Er­geb­nis kaum we­ni­ger ge­eig­ne­te Re­ge­lung).

c) Kann es als an­ge­mes­sen und er­for­der­lich an­ge­se­hen wer­den, für Be­am­tin­nen und Be­am­te pau­schal mit dem Er­rei­chen ei­nes be­stimm­ten höhe­ren Le­bens­al­ters wie hier dem Er­rei­chen des 65. Le­bens­jahrs die Dienst­unfähig­keit un­wi­der­leg­lich zu ver­mu­ten und des­halb das Be­am­ten­verhält­nis au­to­ma­tisch en­den zu las­sen?

d) Ist es an­ge­mes­sen, die an sich mögli­che Wei­ter­beschäfti­gung im Be­am­ten­verhält­nis je­den­falls bis zum voll­ende­ten 68. Le­bens­jahr aus­sch­ließlich an be­son­de­re In­ter­es­sen des Dienst­herrn zu knüpfen, oh­ne sol­che In­ter­es­sen je­doch die Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses oh­ne je­de recht­li­che Möglich­keit ei­ner er­neu­ten Be­ru­fung in das Be­am­ten­verhält­nis zu er­zwin­gen?

e) Führt ei­ne Al­ters­gren­zen­re­ge­lung, die zum zwangs­wei­sen Aus­schei­den aus der Beschäfti­gung führt, an­stel­le sich auf die nach Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 zulässi­ge Fest­le­gung der Vor­aus­set­zun­gen ei­nes An­spruchs auf ei­ne un­gekürz­te Ver­sor­gung zu be­schränken, zu ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Ab­wer­tung der Be­lan­ge le­bensälte­rer Men­schen im Verhält­nis zu den grundsätz­lich nicht höher­wer­ti­gen Be­lan­gen jünge­rer Men­schen?

f) So­weit das Ziel ei­ner Er­leich­te­rung von Neu­ein­stel­lun­gen und/oder Beförde­run­gen als le­gi­tim an­er­kannt wird, fragt sich, wel­che nähe­ren An­for­de­run­gen in tatsäch­li­cher Hin­sicht zu stel­len sind, um nach­zu­wei­sen, bis zu wel­chem Grad ent­spre­chen­de Möglich­kei­ten tatsächlich ge­nutzt wer­den, bei je­dem ein­zel­nen Dienst­herrn, der die Al­ters­gren­zen­re­ge­lung für sich be­an­sprucht oder bei al­len der ge­setz­li­chen Re­ge­lung un­ter­fal­len­den Dienst­her­ren, ein­sch­ließlich oder aus­sch­ließlich des all­ge­mei­nen Ar­beits­markts?

g) Ist es an­ge­sichts der heu­te schon er­kenn­ba­ren de­mo­gra­fisch be­ding­ten Lücken im Ar­beits­markt, dem als­bald ein­tre­ten­den Be­darf an Fach­kräften al­ler Art, d. h. auch im öffent­li­chen Dienst des Bun­des und in den Ländern, an­ge­mes­sen und er­for­der­lich, dienstfähi­ge Be­am­tin­nen und Be­am­te, die ihr Amt wei­ter ausüben wol­len, der­zeit gleich­wohl zum Aus­schei­den aus dem Be­am­ten­verhält­nis zu zwin­gen, ob­wohl als­bald ein er­heb­li­cher und durch den Ar­beits­markt kaum zu de­cken­der Per­so­nal­be­darf be­ste­hen wird? Sind in­so­weit bran­chen­be­zo­ge­ne Ar­beits­markt­da­ten er­for­der­lich, die später ge­ge­be­nen­falls noch zu er­he­ben wären?

3. a) Wel­che An­for­de­run­gen sind an die Kohärenz der hes­si­schen und ge­ge­be­nen­falls auch der bun­des­recht­li­chen Re­ge­lun­gen zu Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen zu stel­len?

b) Kann das Verhält­nis von § 50 Abs. 1 HBG und § 50 Abs. 3 HBG als wi­der­spruchs­frei an­ge­se­hen wer­den, wenn die grundsätz­lich mögli­che Wei­ter­beschäfti­gung über die Al­ters­gren­ze hin­aus al­lein von den In­ter­es­sen des Dienst­herrn abhängig ist?

c) Ist § 50 Abs. 3 HBG richt­li­ni­en­kon­form ge­ge­be­nen­falls da­hin aus­zu­le­gen, dass zur Ver­mei­dung ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung im­mer dann zu er­fol­gen hat, wenn ihr kei­ne dienst­li­chen Gründe ent­ge­gen­ste­hen? Wel­che An­for­de­run­gen wären an das Vor­lie­gen sol­cher Gründe ge­ge­be­nen­falls zu stel­len? Ist in­so­weit an­zu­neh­men, dass dienst­li­che In­ter­es­sen die Wei­ter­beschäfti­gung schon dann er­for­dern, wenn an­dern­falls ei­ne nicht zu recht­fer­ti­gen­de Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ein­tre­ten würde?

d) Wie könn­te ei­ne der­maßen ge­bo­te­ne Aus­le­gung von § 50 Abs. 3 HBG trotz der zwi­schen­zeit­lich ein­ge­tre­te­nen Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses zu ei­ner Fort­set­zung oder ei­nem Wie­der­auf­le­ben des Be­am­ten­verhält­nis­ses des Klägers nutz­bar ge­macht wer­den? Müss­te in die­sem Fall § 50 Abs. 1 HBG je­den­falls bis zur Voll­endung des 68. Le­bens­jahrs außer An­wen­dung blei­ben?

e) Ist es an­ge­mes­sen und er­for­der­lich, ei­ner­seits den frei­wil­li­gen Ru­he­stand­s­ein­tritt ab der Voll­endung des 60. bzw. 63. Le­bens­jahrs mit ei­ner dau­er­haf­ten Kürzung des Ru­he­ge­halts zu er­schwe­ren, an­de­rer­seits ei­ne frei­wil­li­ge Wei­ter­beschäfti­gung über das voll­ende­te 65. Le­bens­jahr aus­zu­sch­ließen, wenn nicht der Dienst­herr aus­nahms­wei­se ein be­son­de­res In­ter­es­se an der Wei­ter­beschäfti­gung hat?

f) Entfällt die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der Al­ters­gren­zen­re­ge­lung in § 50 Abs. 1 HBG durch die güns­ti­ge­ren Re­ge­lun­gen für Al­ters­teil­zeit­beschäftig­te ei­ner­seits, die Be­am­tin­nen und Be­am­ten auf Zeit an­de­rer­seits?

g) Wel­che Be­deu­tung für die Kohärenz kommt den un­ter­schied­li­chen Re­ge­lun­gen im Dienst-, Ar­beits- und So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht zu, die ei­ner­seits ei­ne dau­er­haf­te Her­auf­set­zung des Al­ters an­stre­ben, mit dem Ren­ten- oder Ru­he­ge­halts­leis­tun­gen un­gekürzt be­zo­gen wer­den können, an­de­rer­seits die Kündi­gung we­gen Er­rei­chens des für die Re­gel­al­ters­ren­te vor­ge­se­he­nen Le­bens­al­ters ver­bie­ten, an­de­rer­seits mit dem Er­rei­chen ge­nau die­ses Al­ters die Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zwin­gend ein­tre­ten las­sen?

h) Spielt es für die Kohärenz ei­ne Rol­le, dass die schritt­wei­se Her­auf­set­zung der Al­ters­gren­zen in der So­zi­al­ver­si­che­rung und dem Be­am­ten­recht des Bun­des und ei­ni­ger Länder vor­ran­gig dem In­ter­es­se der Beschäftig­ten dient, so spät wie möglich den verschärf­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­ner ab­schlags­frei­en Al­ters­ren­te oder ei­nes ab­schlags­frei­en Ru­he­ge­halts un­ter­wor­fen zu wer­den? Sind die­se Fra­gen des­halb un­be­acht­lich, weil für Be­am­tin­nen und Be­am­te im Gel­tungs­be­reich des HBG noch kei­ne Her­auf­set­zung der Al­ters­gren­zen er­folgt ist, ob­wohl die­se Her­auf­set­zung für die im Ar­beits­verhält­nis Beschäftig­ten demnächst wirk­sam wer­den wird?

29

Durch Be­schluss des Präsi­den­ten des Ge­richts­hofs vom 6. Mai 2010 sind die Rechts­sa­chen C‑159/10 und C‑160/10 zu ge­mein­sa­mem schrift­li­chen und münd­li­chen Ver­fah­ren und zu ge­mein­sa­mer Ent­schei­dung ver­bun­den wor­den.

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

30

Das vor­le­gen­de Ge­richt wirft in drei Fra­ge­kom­ple­xen zahl­rei­che Teil­fra­gen auf, von de­nen ei­ni­ge die Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts be­tref­fen. In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Ge­richts­hof nach Art. 267 AEUV nicht be­fugt ist, durch Vor­ab­ent­schei­dung über die Aus­le­gung in­ner­staat­li­cher Rechts­vor­schrif­ten zu ent­schei­den. Die Zuständig­keit des Ge­richts­hofs be­schränkt sich auf die Prüfung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts (vgl. u. a. Ur­teil vom 10. Ja­nu­ar 2006, Cas­sa di Ris­par­mio di Firen­ze u. a., C‑222/04, Slg. 2006, I‑289, Rand­nr. 63).

31

Die Vor­la­ge­fra­gen sind dem­nach un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Ein­schränkung zu prüfen.

Zur ers­ten Fra­ge

32

Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob die Richt­li­nie 2000/78 ei­nem Ge­setz wie dem HBG ent­ge­gen­steht, das die zwangs­wei­se Ver­set­zung von Be­am­ten auf Le­bens­zeit, hier Staats­anwälten, in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs – vor­be­halt­lich der Möglich­keit, höchs­tens bis zur Voll­endung des 68. Le­bens­jahrs wei­ter­zu­ar­bei­ten, wenn es im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt – vor­sieht, so­fern die­ses Ge­setz ei­nes oder meh­re­re der fol­gen­den Zie­le, nämlich die Schaf­fung ei­nes „güns­ti­gen Al­ters­auf­baus“, Plan­bar­keit des Aus­schei­dens, die Beförde­rung von Be­am­ten, die Ver­mei­dung von Rechts­strei­tig­kei­ten oder Haus­halts­mit­tel­ein­spa­run­gen, ver­folgt.

33

Es ist un­strei­tig, dass die Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses der Be­am­ten des Lan­des Hes­sen, ins­be­son­de­re der Staats­anwälte, mit Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze, die zum Be­zug des vol­len Ru­he­ge­halts be­rech­tigt, d. h. mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs, ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/78 dar­stellt.

34

Ei­ne Be­stim­mung wie § 50 Abs. 1 HBG berührt nämlich die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen im Sin­ne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 2000/78, in­dem sie die be­tref­fen­den Staats­anwälte dar­an hin­dert, über ihr voll­ende­tes 65. Le­bens­jahr hin­aus zu ar­bei­ten. Darüber hin­aus führt die­se Be­stim­mung da­durch ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters im Sin­ne des Art. 2 Abs. 1 die­ser Richt­li­nie ein, dass sie die­sen Per­so­nen ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung zu­teil wer­den lässt, als sie an­de­re Per­so­nen, die die­ses Al­ter noch nicht er­reicht ha­ben, ge­nießen.

35

Nach Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 stellt ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen ist und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt ist und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

36

Um die Vor­la­ge­fra­ge be­ant­wor­ten zu können, ist da­her zu prüfen, ob die frag­li­che Be­stim­mung durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

Zum Vor­lie­gen ei­nes le­gi­ti­men Ziels

37

Vor­ab ist zu prüfen, wel­che Fol­gen die feh­len­de Erwähnung des mit dem HBG ver­folg­ten Ziels in die­sem Ge­setz und ei­ne Ände­rung die­ses Ziels und sei­nes Kon­texts ha­ben und ob meh­re­re Zie­le gel­tend ge­macht wer­den können.

38

Zunächst er­gibt sich aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung, dass im HBG nicht klar an­ge­ge­ben ist, wel­ches Ziel mit § 50 Abs. 1, der die Al­ters­gren­ze für Le­bens­zeit­be­am­te auf 65 Jah­re fest­legt, ver­folgt wird.

39

In­so­weit hat der Ge­richts­hof wie­der­holt ent­schie­den, dass sich aus Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 nicht ab­lei­ten lässt, dass ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, die das an­ge­streb­te Ziel nicht ge­nau an­gibt, au­to­ma­tisch von ei­ner Recht­fer­ti­gung nach die­ser Be­stim­mung aus­ge­schlos­sen ist. Fehlt es an ei­ner sol­chen ge­nau­en An­ga­be, ist al­ler­dings wich­tig, dass an­de­re – aus dem all­ge­mei­nen Kon­text der be­tref­fen­den Maßnah­me ab­ge­lei­te­te – An­halts­punk­te die Fest­stel­lung des hin­ter die­ser Maßnah­me ste­hen­den Ziels ermögli­chen, da­mit des­sen Rechtmäßig­keit so­wie die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der zu sei­ner Er­rei­chung ein­ge­setz­ten Mit­tel ge­richt­lich über­prüft wer­den können (Ur­tei­le vom 16. Ok­to­ber 2007, Pa­la­ci­os de la Vil­la, C‑411/05, Slg. 2007, I‑8531, Rand­nrn. 56 und 57, vom 12. Ja­nu­ar 2010, Pe­ter­sen, C‑341/08, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 40, und vom 12. Ok­to­ber 2010, Ro­sen­bladt, C‑45/09, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 58).

40

Hin­sicht­lich der Ände­rung des an­ge­streb­ten Ziels er­gibt sich aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung, dass § 50 HBG ursprüng­lich auf die un­wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung ei­ner mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs ein­tre­ten­den Dienst­unfähig­keit gestützt war. In der münd­li­chen Ver­hand­lung ha­ben die Ver­tre­ter des Lan­des Hes­sen und der deut­schen Re­gie­rung al­ler­dings her­vor­ge­ho­ben, dass die­se Ver­mu­tung nicht mehr als Grund­la­ge die­ser Al­ters­gren­ze an­zu­se­hen sei und dass der Ge­setz­ge­ber an­er­kannt ha­be, dass über die­ses Al­ter hin­aus ge­ar­bei­tet wer­den könne.

41

In­so­weit ist da­von aus­zu­ge­hen, dass ei­ne Ände­rung des Kon­texts ei­nes Ge­set­zes, die zu ei­ner Ände­rung des Ziels die­ses Ge­set­zes führt, für sich ge­nom­men nicht aus­sch­ließen kann, dass mit dem Ge­setz ein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 ver­folgt wird.

42

Umstände können sich ändern, und das Ge­setz kann aus an­de­ren Gründen den­noch auf­recht­er­hal­ten wer­den.

43

Da­her konn­te in den vor­lie­gen­den Aus­gangs­ver­fah­ren der vom vor­le­gen­den Ge­richt an­geführ­te Um­stand, dass die Al­ters­gren­ze in ei­ner Zeit der Voll­beschäfti­gung ein­geführt und dann in ei­ner Zeit der Ar­beits­lo­sig­keit auf­recht­er­hal­ten wur­de, ne­ben ei­ner veränder­ten Wahr­neh­mung der Fähig­keit, über das voll­ende­te 65. Le­bens­jahr hin­aus zu ar­bei­ten, zu ei­ner Ände­rung des ver­folg­ten Ziels führen, oh­ne da­mit des­sen Le­gi­ti­mität aus­zu­sch­ließen.

44

Hin­sicht­lich der Be­ru­fung auf meh­re­re Zie­le zu­gleich er­gibt sich aus der Recht­spre­chung, dass ein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 auch dann ge­ge­ben sein kann, wenn meh­re­re Zie­le gleich­zei­tig ver­folgt wer­den.

45

So ver­hielt es sich in der Rechts­sa­che Ro­sen­bladt, in der der Ge­richts­hof in den Rand­nrn. 43 und 45 sei­nes Ur­teils fest­ge­stellt hat, dass Zie­le der Art, wie die deut­sche Re­gie­rung sie an­geführt hat­te, un­ter Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 fal­len. 

46

Die gel­tend ge­mach­ten Zie­le können zu­sam­menhängen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 18. No­vem­ber 2010, Ge­or­giev, C‑250/09 und C‑268/09, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nrn. 45, 46 und 68) oder hier­ar­chisch ge­ord­net sein wie in der Rechts­sa­che Pe­ter­sen, in der sich die deut­sche Re­gie­rung, wie aus den Rand­nrn. 41 und 65 des Ur­teils in die­ser Rechts­sa­che her­vor­geht, in ers­ter Li­nie auf ein Ziel und hilfs­wei­se auf ein an­de­res Ziel be­ru­fen hat­te.

Zu den vom vor­le­gen­den Ge­richt an­geführ­ten Zie­len

47

Dem vor­le­gen­den Ge­richt zu­fol­ge be­zweckt § 50 Abs. 1 HBG ins­be­son­de­re die Schaf­fung ei­nes „güns­ti­gen Al­ters­auf­baus“, der in der gleich­zei­ti­gen Beschäfti­gung von jun­gen Be­rufs­anfängern und von älte­ren, er­fah­re­ne­ren Be­am­ten im frag­li­chen Be­ruf, dem des Staats­an­walts, be­ste­he. Das Land Hes­sen und die deut­sche Re­gie­rung tra­gen vor, dass dies das Haupt­ziel der Vor­schrift sei. Die Ver­pflich­tung, mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs in den Ru­he­stand zu tre­ten, sol­le ein Gleich­ge­wicht zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen schaf­fen, wo­mit drei an­de­re vom vor­le­gen­den Ge­richt erwähn­te Zie­le ver­bun­den sei­en, nämlich die wirk­sa­me Pla­nung des Aus­schei­dens und von Ein­stel­lun­gen, die Förde­rung der Ein­stel­lung und Beförde­rung von jünge­ren Be­am­ten und die Ver­mei­dung von Rechts­strei­tig­kei­ten über die Fähig­keit des Beschäftig­ten, sei­nen Dienst über die­ses Al­ter hin­aus wei­ter aus­zuüben.

48

Das Land Hes­sen und die deut­sche Re­gie­rung tra­gen vor, die gleich­zei­ti­ge Beschäfti­gung von Amts­trägern al­ler Al­ters­grup­pen in­ner­halb des be­tref­fen­den Diens­tes ermögli­che auch, dass die älte­ren Be­am­ten ih­re Er­fah­rung an jünge­re Kol­le­gen wei­tergäben und die­se ih­re frisch er­wor­be­nen Kennt­nis­se teil­ten, und tra­ge da­mit zur Leis­tungsfähig­keit der Jus­tiz­ver­wal­tung bei.

49

Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Förde­rung von Ein­stel­lun­gen nach ständi­ger Recht­spre­chung un­be­streit­bar ein le­gi­ti­mes Ziel der So­zi­al- oder Beschäfti­gungs­po­li­tik der Mit­glied­staa­ten dar­stellt, zu­mal wenn es dar­um geht, den Zu­gang jünge­rer Per­so­nen zur Ausübung ei­nes Be­rufs zu fördern (Ur­teil Ge­or­giev, Rand­nr. 45). Der Ge­richts­hof hat fer­ner ent­schie­den, dass die Zu­sam­men­ar­beit von Beschäftig­ten ver­schie­de­ner Ge­ne­ra­tio­nen auch zur Qua­lität der aus­geübten Tätig­kei­ten bei­tra­gen kann, ins­be­son­de­re durch die Förde­rung des Er­fah­rungs­aus­tauschs (vgl. in die­sem Sin­ne zu Lehr­kräften und For­schern Ur­teil Ge­or­giev, Rand­nr. 46).

50

Eben­so ist da­von aus­zu­ge­hen, dass das Ziel, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur von jünge­ren und älte­ren Be­am­ten zu schaf­fen, um die Ein­stel­lung und Beförde­rung jünge­rer Be­am­ter zu begüns­ti­gen, die Per­so­nal­pla­nung zu op­ti­mie­ren und da­mit et­wai­gen Rechts­strei­tig­kei­ten über die Fähig­keit des Beschäftig­ten, sei­ne Tätig­keit über ei­ne be­stimm­te Al­ter­gren­ze hin­aus aus­zuüben, vor­zu­beu­gen, un­ter gleich­zei­ti­ger Be­reit­stel­lung ei­ner leis­tungsfähi­gen Jus­tiz­ver­wal­tung, ein le­gi­ti­mes Ziel der Beschäfti­gungs- und Ar­beits­markt­po­li­tik dar­stel­len kann.

51

Das vor­le­gen­de Ge­richt fragt je­doch, ob ei­ne Maßnah­me wie § 50 Abs. 1 HBG nicht eher im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers als im All­ge­mein­in­ter­es­se liegt. Ins­be­son­de­re sei frag­lich, ob die Be­stim­mun­gen, die ein ein­zel­nes Land für ei­nen Teil sei­ner Be­diens­te­ten, hier die Be­am­ten auf Le­bens­zeit, zu de­nen die Staats­anwälte gehörten, er­las­se, nicht ei­ne zu klei­ne Grup­pe von Per­so­nen be­tref­fe, um ei­ne Maßnah­me zu sein, mit der ein im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen­des Ziel ver­folgt wird.

52

Der Ge­richts­hof hat ent­schie­den, dass die Zie­le, die als „rechtmäßig“ im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 an­ge­se­hen wer­den können, im All­ge­mein­in­ter­es­se ste­hen­de Zie­le sind, die sich von rein in­di­vi­du­el­len Be­weg­gründen, die der Si­tua­ti­on des Ar­beit­ge­bers ei­gen sind, wie Kos­ten­re­du­zie­rung oder Ver­bes­se­rung der Wett­be­werbsfähig­keit, un­ter­schei­den, oh­ne dass al­ler­dings aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass ei­ne na­tio­na­le Rechts­vor­schrift bei der Ver­fol­gung der ge­nann­ten rechtmäßigen Zie­le den Ar­beit­ge­bern ei­nen ge­wis­sen Grad an Fle­xi­bi­lität einräumt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 5. März 2009, Age Con­cern Eng­land, C‑388/07, Slg. 2009, I‑1569, Rand­nr. 46).

53

Zie­le wie die in Rand­nr. 50 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten, die im Rah­men beschäfti­gungs- und ar­beits­markt­po­li­ti­scher Be­lan­ge den In­ter­es­sen al­ler be­trof­fe­nen Be­am­ten Rech­nung tra­gen, um ei­nen leis­tungsfähi­gen öffent­li­chen Dienst, hier die Jus­tiz­ver­wal­tung, zu gewähr­leis­ten, können als im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen­de Zie­le an­ge­se­hen wer­den.

54

Der Ge­richts­hof hat darüber hin­aus ent­schie­den, dass die zuständi­gen Stel­len auf na­tio­na­ler, re­gio­na­ler oder Bran­chen­ebe­ne die Möglich­keit ha­ben müssen, die zu­guns­ten ei­nes le­gi­ti­men Ziels von all­ge­mei­nem In­ter­es­se ein­ge­setz­ten Mit­tel zu ändern, in­dem sie sie bei­spiels­wei­se an die Beschäfti­gungs­la­ge im be­tref­fen­den Mit­glied­staat an­pas­sen (Ur­teil Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nr. 70).

55

Der Um­stand, dass ei­ne Be­stim­mung auf re­gio­na­ler Ebe­ne an­ge­passt wird, schließt da­her nicht aus, dass sie ein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 ver­folgt. In ei­nem Staat wie der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land darf der Ge­setz­ge­ber die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass es im In­ter­es­se al­ler Be­trof­fe­nen Sa­che der Länder und nicht des Bun­des ist, be­stimm­te un­ter die­se Be­stim­mung fal­len­de Vor­schrif­ten zu er­las­sen, wie die­je­ni­gen über das Ru­he­stands­al­ter der Be­am­ten auf Le­bens­zeit.

56

In­des muss ein grundsätz­lich zwin­gen­der Über­tritt in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs, wie er in § 50 Abs. 1 HBG vor­ge­se­hen ist, in­so­weit auch an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sein.

57

Zur An­ge­mes­sen­heit ei­ner sol­chen Maßnah­me tra­gen das Land Hes­sen und die deut­sche Re­gie­rung vor, dass freie Plan­stel­len im öffent­li­chen Dienst, vor al­lem für Staats­anwälte und ins­be­son­de­re in den höhe­ren Be­sol­dungs­grup­pen, nur in be­grenz­ter Zahl zur Verfügung stünden. In An­be­tracht der Haus­halts­zwänge sei die Möglich­keit, neue Stel­len zu schaf­fen, be­schränkt. Staats­anwälte würden wie al­le Be­am­ten auf Le­bens­zeit er­nannt, und ein frei­wil­li­ges vor­zei­ti­ges Aus­schei­den sei die Aus­nah­me. Die Fest­le­gung ei­ner ver­bind­li­chen Al­ters­gren­ze für ih­ren Über­tritt in den Ru­he­stand sei das ein­zi­ge Mit­tel, die Beschäfti­gung ge­recht zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen zu ver­tei­len.

58

Der Ge­richts­hof hat be­reits ent­schie­den, dass der Über­tritt in den Ru­he­stand in ei­nem ge­setz­lich be­stimm­ten Al­ter bei Be­rufs­grup­pen, bei de­nen die Zahl der Stel­len be­grenzt ist, den Zu­gang jünge­rer Be­rufs­an­gehöri­ger zur Beschäfti­gung begüns­ti­gen kann (vgl. in die­sem Sin­ne zu Ver­trags­zahnärz­ten Ur­teil Pe­ter­sen, Rand­nr. 70, und zu Uni­ver­sitätspro­fes­so­ren Ur­teil Ge­or­giev, Rand­nr. 52).

59

Was die Be­rufs­grup­pe der Staats­anwälte in Deutsch­land be­trifft, ist der Zu­gang zu die­sem Be­ruf da­durch be­schränkt, dass die Be­tref­fen­den ei­ne be­son­de­re Qua­li­fi­ka­ti­on er­wor­ben ha­ben müssen, die den er­folg­rei­chen Ab­schluss ei­nes Stu­di­ums und ei­nes Vor­be­rei­tungs­diens­tes er­for­dert. Zu­dem könn­te der Ein­tritt jun­ger Staats­anwälte in den Be­ruf da­durch ge­bremst wer­den, dass die be­tref­fen­den Be­am­ten auf Le­bens­zeit er­nannt wer­den.

60

Un­ter die­sen Umständen er­scheint es nicht un­vernünf­tig, wenn die zuständi­gen Stel­len ei­nes Mit­glied­staats da­von aus­ge­hen, dass mit ei­ner Maßnah­me wie § 50 Abs. 1 HBG das Ziel er­reicht wer­den kann, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur zu schaf­fen, um die Plan­bar­keit des Aus­schei­dens zu er­rei­chen, die Beförde­rung ins­be­son­de­re von jünge­ren Be­am­ten zu gewähr­leis­ten und Rechts­strei­tig­kei­ten vor­zu­beu­gen, die im Zu­sam­men­hang mit der Ver­set­zung in den Ru­he­stand ent­ste­hen können.

61

Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Mit­glied­staa­ten bei der Fest­le­gung der Maßnah­men zur Er­rei­chung die­ses Ziels über ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum verfügen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nr. 68).

62

Die Mit­glied­staa­ten dürfen das in der Richt­li­nie 2000/78 auf­ge­stell­te Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters je­doch nicht aushöhlen. Die­ses Ver­bot ist im Licht des in Art. 15 Abs. 1 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on an­er­kann­ten Rechts, zu ar­bei­ten, zu se­hen.

63

Dar­aus folgt, dass auf die Teil­nah­me älte­rer Ar­beit­neh­mer am Be­rufs­le­ben und da­mit am wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len und so­zia­len Le­ben be­son­de­res Au­gen­merk zu rich­ten ist. Ihr Ver­blei­ben im Be­rufs­le­ben fördert die Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung, die ein im 25. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2000/78 an­er­kann­tes Ziel ist. Es trägt außer­dem ent­spre­chend dem in den Erwägungs­gründen 9 und 11 zum Aus­druck ge­brach­ten An­lie­gen des Uni­ons­ge­setz­ge­bers zu ih­rer persönli­chen Ent­fal­tung und Le­bens­qua­lität bei.

64

Der Be­lang des Ver­blei­bens die­ser Per­so­nen im Be­rufs­le­ben ist je­doch un­ter Wah­rung an­de­rer ge­ge­be­nen­falls ge­genläufi­ger Be­lan­ge zu berück­sich­ti­gen. Per­so­nen, die das Al­ter er­reicht ha­ben, das ei­nen An­spruch auf ein Ru­he­ge­halt eröff­net, können den Wunsch ha­ben, die­sen An­spruch gel­tend zu ma­chen und ih­re Tätig­keit auf­zu­ge­ben und das Ru­he­ge­halt zu be­zie­hen statt wei­ter­zu­ar­bei­ten. Darüber hin­aus könn­ten Vor­schrif­ten über die au­to­ma­ti­sche Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se von Beschäftig­ten, die das Ru­he­stands­al­ter er­reicht ha­ben, im In­ter­es­se ei­ner Ver­tei­lung der Beschäfti­gung zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung jünge­rer Ar­beit­neh­mer fördern.

65

Da­her können sich die be­tref­fen­den na­tio­na­len Stel­len bei der Fest­le­gung ih­rer So­zi­al­po­li­tik auf­grund po­li­ti­scher, wirt­schaft­li­cher, so­zia­ler, de­mo­gra­fi­scher und/oder haus­halts­be­zo­ge­ner Erwägun­gen ver­an­lasst se­hen, zu ent­schei­den, die Le­bens­ar­beits­zeit der Ar­beit­neh­mer zu verlängern oder, im Ge­gen­teil, de­ren frühe­ren Ein­tritt in den Ru­he­stand vor­zu­se­hen (vgl. Ur­teil Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nrn. 68 und 69). Der Ge­richts­hof hat ent­schie­den, dass es Sa­che die­ser Stel­len ist, ei­nen ge­rech­ten Aus­gleich zwi­schen den ver­schie­de­nen wi­der­strei­ten­den In­ter­es­sen zu fin­den, wo­bei sie dar­auf zu ach­ten ha­ben, nicht über das hin­aus­ge­hen, was zur Er­rei­chung des ver­folg­ten le­gi­ti­men Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nrn. 69 und 71, so­wie Ro­sen­bladt, Rand­nr. 44).

66

In­so­weit hat der Ge­richts­hof an­er­kannt, dass ei­ne Maßnah­me, die die zwangs­wei­se Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs er­laubt, dem Ziel der Förde­rung von Ein­stel­lun­gen ent­spre­chen und nicht als übermäßige Be­ein­träch­ti­gung der be­rech­tig­ten Er­war­tun­gen der Ar­beit­neh­mer an­ge­se­hen wer­den kann, wenn ih­nen ei­ne Ren­te zu­gu­te­kommt, de­ren Höhe nicht als un­an­ge­mes­sen be­trach­tet wer­den kann (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nr. 73). Der Ge­richts­hof hat außer­dem zu ei­ner Maßnah­me, die ei­ne au­to­ma­ti­sche Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses in die­sem Al­ter vor­schrieb, ent­schie­den, dass die­se Maßnah­me in ei­ner Bran­che, in der sie dem vor­le­gen­den Ge­richt zu­fol­ge für den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ei­nen er­heb­li­chen fi­nan­zi­el­len Nach­teil be­deu­tet, nicht über das hin­aus­geht, was zur Er­rei­chung der ver­folg­ten Zie­le, ins­be­son­de­re der Förde­rung von Ein­stel­lun­gen, er­for­der­lich ist. Der Ge­richts­hof hat da­bei berück­sich­tigt, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen, zu­gleich aber wei­ter auf dem Ar­beits­markt blei­ben kann und ge­gen Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Al­ters geschützt ist (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Ro­sen­bladt, Rand­nrn. 73 bis 76).

67 In den vor­lie­gen­den Aus­gangs­ver­fah­ren er­gibt sich aus den Ak­ten, dass die Staats­anwälte grundsätz­lich mit 65 Jah­ren mit ei­nem un­gekürz­ten Ru­he­ge­halt in Höhe von et­wa 72 % ih­res letz­ten Ge­halts in den Ru­he­stand ver­setzt wer­den. Fer­ner sieht § 50 Abs. 3 HBG vor, dass sie auf An­trag wei­te­re drei Jah­re bis zur Voll­endung des 68. Le­bens­jahrs ar­bei­ten können, wenn dies im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt. Sch­ließlich wer­den sie durch das na­tio­na­le Recht nicht dar­an ge­hin­dert, oh­ne Al­ters­be­schränkung ei­ne an­de­re Be­rufstätig­keit, wie die ei­nes Rechts­be­ra­ters, aus­zuüben.
68

In An­be­tracht die­ser Ge­sichts­punk­te ist da­von aus­zu­ge­hen, dass ei­ne Maßnah­me wie § 50 Abs. 1 HBG, die die Ver­set­zung von Staats­anwälten in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs vor­sieht, nicht über das hin­aus­geht, was zur Er­rei­chung des Ziels er­for­der­lich ist, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur zu schaf­fen, um die Ein­stel­lung und die Beförde­rung von jünge­ren Be­rufs­an­gehöri­gen zu begüns­ti­gen, die Per­so­nal­pla­nung zu op­ti­mie­ren und da­mit Rechts­strei­tig­kei­ten über die Fähig­keit des Beschäftig­ten, sei­ne Tätig­keit über ein be­stimm­tes Al­ter hin­aus aus­zuüben, vor­zu­beu­gen.

69

Das vor­le­gen­de Ge­richt möch­te außer­dem wis­sen, ob das Ziel, Haus­halts­mit­tel ein­zu­spa­ren, le­gi­tim im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 ist.

70

Das Land Hes­sen und die deut­sche Re­gie­rung ha­ben al­ler­dings vor­ge­tra­gen, dass § 50 Abs. 1 HBG die­ses Ziel nicht ver­fol­ge. Dem Land Hes­sen zu­fol­ge lässt sich der Um­stand, dass be­stimm­te Be­am­te auf Le­bens­zeit, hier Staats­anwälte, nicht er­setzt wor­den sei­en, da­mit erklären, dass die­se in ei­ner Zeit er­nannt wor­den sei­en, als die Zahl be­stimm­ter Ver­fah­ren außer­gewöhn­lich ge­stie­gen sei. Ab­ge­se­hen von die­sen Stel­len­strei­chun­gen sei die Zahl der Staats­anwälte seit 2006 ge­stie­gen.

71

In­so­weit ist es Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, zu prüfen, ob das Ziel, Haus­halts­mit­tel ein­zu­spa­ren, ein mit dem HBG ver­folg­tes Ziel ist.

72

Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ei­ne Ver­mu­tung für die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Vor­la­ge­fra­gen des na­tio­na­len Ge­richts spricht, die es zur Aus­le­gung des Uni­ons­rechts in dem recht­li­chen und sach­li­chen Rah­men stellt, den es in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung fest­ge­legt und des­sen Rich­tig­keit der Ge­richts­hof nicht zu prüfen hat (vgl. u. a. Ur­teil vom 22. Ju­ni 2010, Mel­ki und Ab­de­li, C‑188/10 und C‑189/10, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 27). Im vor­lie­gen­den Fall hat der Ge­richts­hof auf die Vor­la­ge­fra­ge zu ant­wor­ten, da nicht of­fen­sicht­lich ist, dass die er­be­te­ne Aus­le­gung des Uni­ons­rechts in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­lität oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits steht oder das Pro­blem hy­po­the­ti­scher Na­tur ist.

73

Wie sich aus Rand­nr. 65 des vor­lie­gen­den Ur­teils er­gibt, hin­dert das Uni­ons­recht die Mit­glied­staa­ten beim Er­lass von Maßnah­men im Be­reich Ru­he­stand nicht dar­an, ne­ben po­li­ti­schen, so­zia­len oder de­mo­gra­fi­schen Erwägun­gen auch Haus­halts­erwägun­gen zu berück­sich­ti­gen, so­fern sie da­bei ins­be­son­de­re das all­ge­mei­ne Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters be­ach­ten.

74

In­so­weit können Haus­halts­erwägun­gen zwar den so­zi­al­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen ei­nes Mit­glied­staats zu­grun­de lie­gen und die Art oder das Aus­maß der von ihm zu tref­fen­den so­zia­len Schutz­maßnah­men be­ein­flus­sen, für sich al­lein aber kein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne des Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 dar­stel­len.

75

Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass die Richt­li­nie 2000/78 ei­nem Ge­setz wie dem HBG, das die zwangs­wei­se Ver­set­zung von Be­am­ten auf Le­bens­zeit, im vor­lie­gen­den Fall Staats­anwälten, in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs vor­sieht, wo­bei sie höchs­tens bis zum voll­ende­ten 68. Le­bens­jahr wei­ter­ar­bei­ten dürfen, wenn es im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt, nicht ent­ge­gen­steht, so­fern die­ses Ge­setz zum Ziel hat, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur zu schaf­fen, um die Ein­stel­lung und die Beförde­rung von jünge­ren Be­rufs­an­gehöri­gen zu begüns­ti­gen, die Per­so­nal­pla­nung zu op­ti­mie­ren und da­mit Rechts­strei­tig­kei­ten über die Fähig­keit des Beschäftig­ten, sei­ne Tätig­keit über ein be­stimm­tes Al­ter hin­aus aus­zuüben, vor­zu­beu­gen, und es die Er­rei­chung die­ses Ziels mit an­ge­mes­se­nen und er­for­der­li­chen Mit­teln ermöglicht.

Zur zwei­ten Fra­ge

76

Mit sei­ner zwei­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, wel­che Da­ten der Mit­glied­staat vor­le­gen muss, um die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der in den Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Maßnah­men zu be­le­gen, und ins­be­son­de­re, ob ge­naue Sta­tis­ti­ken oder Zah­len­an­ga­ben vor­zu­le­gen sind.

77

Aus Rand­nr. 51 des Ur­teils Age Con­cern Eng­land er­gibt sich, dass all­ge­mei­ne Be­haup­tun­gen, dass ei­ne be­stimm­te Maßnah­me ge­eig­net sei, der Beschäfti­gungs­po­li­tik, dem Ar­beits­markt und der be­ruf­li­chen Bil­dung zu die­nen, nicht genügen, um dar­zu­tun, dass das Ziel die­ser Maßnah­me ei­ne Aus­nah­me von dem Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung recht­fer­ti­gen kann, und nicht den Schluss zu­las­sen, dass die gewähl­ten Mit­tel zur Ver­wirk­li­chung die­ses Ziels ge­eig­net sind.

78

Der Ge­richts­hof hat in Rand­nr. 67 die­ses Ur­teils auch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 den Mit­glied­staa­ten die Be­weis­last dafür auf­er­legt, dass das zur Recht­fer­ti­gung an­geführ­te Ziel rechtmäßig ist, und stellt an die­sen Be­weis ho­he An­for­de­run­gen.

79

Dem 15. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2000/78 zu­fol­ge ob­liegt die Be­ur­tei­lung von Tat­beständen, die auf ei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung schließen las­sen, den ein­zel­staat­li­chen ge­richt­li­chen In­stan­zen oder an­de­ren zuständi­gen Stel­len nach den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten. In die­sen ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten kann ins­be­son­de­re vor­ge­se­hen sein, dass mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung mit al­len Mit­teln, ein­sch­ließlich sta­tis­ti­scher Be­wei­se, fest­zu­stel­len ist.

80

In Be­zug auf die Be­ur­tei­lung, wel­chen Grad an Ge­nau­ig­keit die er­for­der­li­chen Be­weis­mit­tel auf­wei­sen müssen, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Mit­glied­staa­ten über ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum bei der Wahl ei­ner Maßnah­me verfügen, die sie für er­for­der­lich hal­ten.

81

Die­se Wahl kann da­her auf wirt­schaft­li­chen, so­zia­len, de­mo­gra­fi­schen und/oder Haus­halts­erwägun­gen be­ru­hen, die vor­han­de­ne und nach­prüfba­re Da­ten, aber auch Pro­gno­sen um­fas­sen, die sich na­tur­gemäß auch als falsch er­wei­sen können und da­her ei­ne ge­wis­se Un­si­cher­heit ber­gen. Die Maßnah­me kann außer­dem auf po­li­ti­schen Erwägun­gen be­ru­hen, die oft­mals ei­nen Aus­gleich zwi­schen ver­schie­de­nen denk­ba­ren Lösun­gen im­pli­zie­ren und es eben­falls nicht er­lau­ben, das gewünsch­te Er­geb­nis als si­cher zu be­trach­ten.

82

Es ist Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, die Be­weis­kraft der ihm vor­ge­leg­ten Be­weis­mit­tel, zu de­nen ins­be­son­de­re sta­tis­ti­sche Da­ten gehören können, nach den Re­geln des in­ner­staat­li­chen Rechts zu be­ur­tei­len.

83

Auf die zwei­te Fra­ge ist da­her zu ant­wor­ten, dass die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der frag­li­chen Maßnah­me nach­ge­wie­sen ist, wenn sie im Hin­blick auf das ver­folg­te Ziel nicht un­vernünf­tig er­scheint und auf Be­weis­mit­tel gestützt ist, de­ren Be­weis­kraft das na­tio­na­le Ge­richt zu be­ur­tei­len hat.

Zur drit­ten Fra­ge

84

Mit sei­ner drit­ten Fra­ge fragt das vor­le­gen­de Ge­richt nach der Kohärenz ei­nes Ge­set­zes wie des HBG. Es möch­te ins­be­son­de­re wis­sen, ob das HBG in­so­weit In­kohären­zen auf­weist, als es Staats­anwälte zwingt, mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs in den Ru­he­stand ein­zu­tre­ten, ob­wohl es ih­nen ers­tens er­laubt, ih­re Tätig­keit bis zur Voll­endung des 68. Le­bens­jahrs fort­zu­set­zen, wenn es im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt, und es zwei­tens durch Kürzung des Ru­he­ge­halts­an­spruchs ein frei­wil­li­ges Aus­schei­den mit Voll­endung des 60. oder des 63. Le­bens­jahrs er­schwert und drit­tens die Be­am­ten­ge­set­ze des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Länder so­wie das für die Beschäftig­ten des Pri­vat­sek­tors gel­ten­de So­zi­al­ge­setz­buch die schritt­wei­se Her­auf­set­zung des Al­ters, mit dem ein un­gekürz­tes Ru­he­ge­halt be­zo­gen wer­den kann (Re­gel­al­ters­gren­ze), von 65 auf 67 Jah­re vor­se­hen.

85

Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung nach ständi­ger Recht­spre­chung nur dann ge­eig­net ist, die Ver­wirk­li­chung des gel­tend ge­mach­ten Ziels zu gewähr­leis­ten, wenn sie tatsächlich dem An­lie­gen ge­recht wird, es in kohären­ter und sys­te­ma­ti­scher Wei­se zu er­rei­chen (Ur­tei­le vom 10. März 2009, Hart­lau­er, C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Rand­nr. 55, und Pe­ter­sen, Rand­nr. 53).

86

Aus­nah­men von den Be­stim­mun­gen ei­nes Ge­set­zes können in be­stimm­ten Fällen des­sen Kohärenz be­ein­träch­ti­gen, ins­be­son­de­re wenn sie we­gen ih­res Um­fangs zu ei­nem Er­geb­nis führen, das dem mit dem Ge­setz ver­folg­ten Ziel wi­der­spricht (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Pe­ter­sen, Rand­nr. 61).

87

Die in § 50 Abs. 3 HBG ent­hal­te­ne Aus­nah­me der Verlänge­rung der Tätig­keit der Staats­anwälte bis zum voll­ende­ten 68. Le­bens­jahr fin­det nur An­wen­dung, wenn sie im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt und der Be­tref­fen­de ei­nen ent­spre­chen­den An­trag stellt.

88

In der münd­li­chen Ver­hand­lung hat das Land Hes­sen aus­geführt, dass da­mit der Fall er­fasst wer­den sol­le, dass ein Staats­an­walt das 65. Le­bens­jahr voll­endet, ein von ihm be­ar­bei­te­tes Straf­ver­fah­ren aber noch nicht ab­ge­schlos­sen ha­be. Um et­wai­gen mit sei­ner Er­set­zung ver­bun­de­nen Schwie­rig­kei­ten vor­zu­beu­gen, se­he das HBG aus­nahms­wei­se ein Ver­blei­ben im Dienst vor. Die be­trof­fe­ne Ver­wal­tung könne es da­her im dienst­li­chen In­ter­es­se für sinn­voll hal­ten, den Staats­an­walt in sei­nem Amt zu be­las­sen, statt ihn durch je­man­den zu er­set­zen, der sich erst in die Ak­ten ein­ar­bei­ten müsse.

89

Es ist fest­zu­stel­len, dass ei­ne sol­che Aus­nah­me nicht ge­eig­net ist, das an­ge­streb­te Ziel zu be­ein­träch­ti­gen, nämlich ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur zu gewähr­leis­ten, um ins­be­son­de­re die Leis­tungsfähig­keit des Diens­tes zu ga­ran­tie­ren.

90

Ei­ne sol­che Aus­nah­me kann viel­mehr die Stren­ge ei­nes Ge­set­zes wie des HBG – ge­ra­de im In­ter­es­se des be­tref­fen­den öffent­li­chen Diens­tes – ab­mil­dern. Denn die Plan­bar­keit des Aus­schei­dens und von Ein­stel­lun­gen auf­grund des sys­te­ma­ti­schen Aus­schei­dens der Staats­anwälte mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs trägt zwar zum rei­bungs­lo­sen Funk­tio­nie­ren die­ses Diens­tes bei, doch ermöglicht es die Einführung der in Rand­nr. 88 des vor­lie­gen­den Ur­teils erwähn­ten Aus­nah­me, kon­kre­te Fälle zu bewälti­gen, in de­nen das Aus­schei­den des Staats­an­walts der bestmögli­chen Erfüllung der ihm über­tra­ge­nen Auf­ga­ben ab­träglich sein könn­te. Die­se Aus­nah­me er­scheint da­her im Zu­sam­men­hang des HBG nicht in­kohärent.

91

Es ist wei­ter fest­zu­stel­len, dass an­de­re vom vor­le­gen­den Ge­richt an­geführ­te Aus­nah­me­re­ge­lun­gen des HBG, wie die Wei­ter­beschäfti­gung be­stimm­ter Lehr­kräfte für ei­ni­ge Mo­na­te über das voll­ende­te 65. Le­bens­jahr hin­aus, um ei­nen Lehr­ab­schnitt ab­zu­sch­ließen, oder be­stimm­ter Wahl­be­am­ter, um die Be­en­di­gung ih­rer Amts­zeit si­cher­zu­stel­len, auf glei­che Wei­se die Erfüllung der den Be­tref­fen­den über­tra­ge­nen Auf­ga­ben gewähr­leis­ten sol­len und eben­falls das an­ge­streb­te Ziel nicht zu be­ein­träch­ti­gen schei­nen.


92

Dem vor­le­gen­den Ge­richt zu­fol­ge ist die Kohärenz auch des­halb frag­lich, weil das HBG den frei­wil­li­gen Über­tritt von Staats­anwälten, die das 60. oder 63. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, in den Ru­he­stand durch ei­ne Vor­schrift er­schwe­re, die in die­sen Fällen ei­ne Kürzung des Ru­he­ge­halts vor­se­he, während § 50 Abs. 1 HBG die Staats­anwälte dar­an hin­de­re, ih­ren Dienst über das voll­ende­te 65. Le­bens­jahr hin­aus fort­zu­set­zen.

93

Es ist fest­zu­stel­len, dass das vom vor­le­gen­den Ge­richt an­ge­spro­che­ne Kohärenz­pro­blem un­klar bleibt. Ei­ne Be­stim­mung wie die von ihm an­geführ­te scheint viel­mehr die lo­gi­sche Fol­ge des § 50 Abs. 1 HBG zu sein. Die Um­set­zung ei­ner sol­chen Vor­schrift, die ei­ne Pla­nung des Über­tritts in den Ru­he­stand mit 65 Jah­ren im­pli­ziert, er­for­dert nämlich, dass die ent­spre­chen­den Aus­nah­men be­grenzt sind. Ei­ne Be­stim­mung, die ei­ne Kürzung des Ru­he­ge­halts vor­sieht, kann die Staats­anwälte je­doch von ei­nem vor­zei­ti­gen Aus­schei­den ab­hal­ten oder die­ses zu­min­dest er­schwe­ren. Ei­ne sol­che Be­stim­mung trägt da­mit zur Er­rei­chung des an­ge­streb­ten Ziels bei, so dass das HBG nicht als in­kohärent an­ge­se­hen wer­den kann.

94

Das vor­le­gen­de Ge­richt weist auch auf die schritt­wei­se An­he­bung der Re­gel­al­ters­gren­ze von 65 auf 67 Jah­re in den Be­am­ten­ge­set­zen des Bun­des und meh­re­rer Länder so­wie im für Beschäftig­te in pri­vat­recht­li­chen Ar­beits­verhält­nis­sen gel­ten­den So­zi­al­ge­setz­buch hin. Zum in den Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen Zeit­punkt ha­be das Land Hes­sen ei­ne ähn­li­che An­he­bung be­ab­sich­tigt, aber noch nicht an­ge­nom­men.

95

Der bloße Um­stand, dass der Ge­setz­ge­ber zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt be­ab­sich­tigt, das Ge­setz zu ändern, um die Re­gel­al­ters­gren­ze an­zu­he­ben, kann zu die­sem Zeit­punkt nicht zur Rechts­wid­rig­keit des be­ste­hen­den Ge­set­zes führen. Ein sol­cher et­wai­ger Über­gang von dem ei­nen zu dem an­de­ren Ge­setz er­folgt nicht so­fort, son­dern er­for­dert Zeit.

96 So geht aus dem 25. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2000/78 her­vor, dass die Ände­run­gen in den ein­zel­nen Mit­glied­staa­ten in un­ter­schied­li­chem Rhyth­mus er­fol­gen können, um der je­wei­li­gen be­son­de­ren Si­tua­ti­on Rech­nung zu tra­gen. Die­ser Rhyth­mus kann auch von Re­gi­on zu Re­gi­on, hier von Land zu Land, un­ter­schied­lich sein, um re­gio­na­le Be­son­der­hei­ten zu berück­sich­ti­gen und es den zuständi­gen Behörden zu ermögli­chen, die er­for­der­li­chen An­pas­sun­gen vor­zu­neh­men.
97

Dar­aus folgt, dass das Ge­setz ei­nes Mit­glied­staats oder ei­nes Lan­des nicht schon des­halb in­kohärent ist, weil es im Hin­blick auf die An­he­bung der Re­gel­al­ters­gren­ze zu ei­nem an­de­ren Zeit­punkt geändert wird als das ei­nes an­de­ren Mit­glied­staats oder Lan­des.

98

Auf die drit­te Fra­ge ist da­her zu ant­wor­ten, dass ein Ge­setz wie das HBG, das den zwangs­wei­sen Über­tritt von Staats­anwälten in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs vor­sieht, nicht al­lein des­halb in­kohärent ist, weil es ih­nen in be­stimm­ten Fällen er­laubt, bis zum voll­ende­ten 68. Le­bens­jahr wei­ter­zu­ar­bei­ten, es außer­dem Be­stim­mun­gen enthält, die den Über­tritt in den Ru­he­stand vor Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs er­schwe­ren sol­len, und an­de­re Rechts­vor­schrif­ten des be­tref­fen­den Mit­glied­staats das Ver­blei­ben im Dienst von be­stimm­ten Be­am­ten, ins­be­son­de­re be­stimm­ten Wahl­be­am­ten, über die­ses Al­ter hin­aus vor­se­hen und das Ru­he­stands­al­ter schritt­wei­se von 65 auf 67 Jah­re an­he­ben.

Kos­ten

99

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Zwei­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Die Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf steht ei­nem Ge­setz wie dem Hes­si­schen Be­am­ten­ge­setz in der Fas­sung des Ge­set­zes vom 14. De­zem­ber 2009, das die zwangs­wei­se Ver­set­zung von Be­am­ten auf Le­bens­zeit, im vor­lie­gen­den Fall Staats­anwälten, in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs vor­sieht, wo­bei sie höchs­tens bis zum voll­ende­ten 68. Le­bens­jahr wei­ter­ar­bei­ten dürfen, wenn es im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt, nicht ent­ge­gen, so­fern die­ses Ge­setz zum Ziel hat, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur zu schaf­fen, um die Ein­stel­lung und die Beförde­rung von jünge­ren Be­rufs­an­gehöri­gen zu begüns­ti­gen, die Per­so­nal­pla­nung zu op­ti­mie­ren und da­mit Rechts­strei­tig­kei­ten über die Fähig­keit des Beschäftig­ten, sei­ne Tätig­keit über ein be­stimm­tes Al­ter hin­aus aus­zuüben, vor­zu­beu­gen, und es die Er­rei­chung die­ses Ziels mit an­ge­mes­se­nen und er­for­der­li­chen Mit­teln ermöglicht.

2. Die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der frag­li­chen Maßnah­me ist nach­ge­wie­sen, wenn sie im Hin­blick auf das ver­folg­te Ziel nicht un­vernünf­tig er­scheint und auf Be­weis­mit­tel gestützt ist, de­ren Be­weis­kraft das na­tio­na­le Ge­richt zu be­ur­tei­len hat.

3. Ein Ge­setz wie das Hes­si­sche Be­am­ten­ge­setz in der Fas­sung des Ge­set­zes vom 14. De­zem­ber 2009, das den zwangs­wei­sen Über­tritt von Staats­anwälten in den Ru­he­stand mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs vor­sieht, ist nicht al­lein des­halb in­kohärent, weil es ih­nen in be­stimm­ten Fällen er­laubt, bis zum voll­ende­ten 68. Le­bens­jahr wei­ter­zu­ar­bei­ten, es außer­dem Be­stim­mun­gen enthält, die den Über­tritt in den Ru­he­stand vor Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs er­schwe­ren sol­len, und an­de­re Rechts­vor­schrif­ten des be­tref­fen­den Mit­glied­staats das Ver­blei­ben im Dienst von be­stimm­ten Be­am­ten, ins­be­son­de­re be­stimm­ten Wahl­be­am­ten, über die­ses Al­ter hin­aus vor­se­hen und das Ru­he­stands­al­ter schritt­wei­se von 65 auf 67 Jah­re an­he­ben.

Un­ter­schrif­ten


* Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht C-159/10,
C-160/10