Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 21.01.2014, 3 AZR 807/11

   
Schlagworte: Betriebliche Altersversorgung, Betriebsrente
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 3 AZR 807/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.01.2014
   
Leitsätze: Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer von sich aus auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG hinzuweisen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Offenbach am Main, Urteil vom 16.5.2011 - 5 Ca 513/10
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 27.7.2011 - 6 Sa 566/11
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


3 AZR 807/11
6 Sa 566/11

Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

21. Ja­nu­ar 2014

UR­TEIL

Kauf­hold, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­ter, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Drit­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Ja­nu­ar 2014 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Schlewing und Dr. Ah­rendt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schmalz und Schultz für Recht er­kannt:
 


- 2 -

Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 27. Ju­li 2011 - 6 Sa 566/11 - wird zurück­ge­wie­sen.


Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der Be­klag­te dem Kläger zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet ist, weil er ihn nicht auf sei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung nach § 1a Be­trAVG hin­ge­wie­sen hat.


Der 1964 ge­bo­re­ne Kläger war vom 2. Mai 2000 bis zum 30. Ju­ni 2010 beim Be­klag­ten beschäftigt. Ei­ne Ent­gelt­um­wand­lung er­folg­te nicht.


Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, der Be­klag­te schul­de ihm Scha­dens­er­satz, da er ihn nicht auf sei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung nach § 1a Be­trAVG hin­ge­wie­sen ha­be. Der Be­klag­te sei nach § 1a Be­trAVG, je­den­falls aus der ihm ob­lie­gen­den Fürsor­ge­pflicht zu ei­nem ent­spre­chen­den Hin­weis ver­pflich­tet ge­we­sen. Der Be­klag­te ha­be ge­wusst, dass er an ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung in­ter­es­siert ge­we­sen sei. Sei­ne in­zwi­schen vom ihm ge­schie­de­ne Ehe­frau ha­be anläss­lich sei­ner Ar­beits­auf­nah­me nicht nur mehr­fach nach­ge­fragt, ob der Be­klag­te vermögens­wirk­sa­me Leis­tun­gen gewähre, son­dern auch, ob die Möglich­keit ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung bestünde. Die Zah­lung von vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen ha­be der Be­klag­te aus­drück­lich ab­ge­lehnt; auf die Möglich­keit ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung sei der Be­klag­te nicht ein­ge­gan­gen. Bei ent­spre­chen­der Kennt­nis sei­nes An­spruchs nach § 1a Be­trAVG hätte er 215,00 Eu­ro sei­ner mo­nat­li­chen Ar­beits­vergütung in ei­ne An­wart­schaft auf Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung um­ge­wan­delt. Als Durchführungs­weg hätte er die Di­rekt­ver­si­che­rung
 


- 3 -

gewählt. Aus­weis­lich des von der C Le­bens­ver­si­che­rungs-AG un­ter dem 27. Ok­to­ber 2010 er­stell­ten Ver­sor­gungs­vor­schlags, der ei­nen Ver­si­che­rungs-be­ginn zum 1. Ja­nu­ar 2010 aus­weist, hätte er bei Ab­schluss ei­ner Di­rekt­ver­si­che­rung zum ver­tragsmäßigen Ab­lauf der Ver­si­che­rung An­spruch auf ei­ne Ka­pi­tal­ab­fin­dung ein­sch­ließlich ei­ner Über­schuss­be­tei­li­gung iHv. 47.801,00 Eu­ro ge­habt. Be­zo­gen auf die Lauf­zeit des Ar­beits­verhält­nis­ses beim Be­klag­ten er­rech­ne sich ein ga­ran­tier­ter Zah­lungs­an­spruch ein­sch­ließlich der Über­schuss­be­tei­li­gung iHv. 28.680,00 Eu­ro. Un­ter Berück­sich­ti­gung der er­spar­ten Steu­ern und So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge hätte der Auf­wand für den Ver­si­che­rungs­bei­trag tatsächlich nur 117,21 Eu­ro mo­nat­lich be­tra­gen. Ihm sei da­her ein Scha­den iHv. ins­ge­samt 14.380,38 Eu­ro ent­stan­den.


Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 


den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an ihn 14.380,38 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Der Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, zum Scha­dens­er­satz nicht ver­pflich­tet zu sein, da er den Kläger nicht auf sei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung ha­be hin­wei­sen müssen. Der Kläger ha­be anläss­lich der Gespräche über Vermögens­bil­dung/Al­ters­vor-sor­ge be­kun­det, aus­sch­ließlich In­ter­es­se an ar­beit­ge­ber­fi­nan­zier­ten Leis­tun­gen zu ha­ben. Im Übri­gen sei der Kläger auf­grund sei­ner wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se nicht in der La­ge ge­we­sen, von sei­ner mo­nat­li­chen Vergütung ei­nen Be­trag iHv. 215,00 Eu­ro in ei­ne An­wart­schaft auf Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung um­zu­wan­deln.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen An­trag wei­ter. Der Be­klag­te be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

- 4 - 

Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Der Kläger hat kei­nen An­spruch ge­gen den Be­klag­ten auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz aus po­si­ti­ver For­de­rungs­ver­let­zung und aus § 241 Abs. 2 BGB iVm. § 280 Abs. 1 BGB. Der Be­klag­te hat kei­ne Hin­weis­pflich­ten ver­letzt. Er war we­der nach § 1a Be­trAVG noch auf­grund ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht ver­pflich­tet, den Kläger von sich aus auf sei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung nach § 1a Be­trAVG hin­zu­wei­sen. Er hat dem Kläger auch kei­ne un­vollständi­gen oder feh­ler­haf­ten Auskünf­te er­teilt.


I. So­weit der Kläger Scha­dens­er­satz we­gen ei­ner un­ter­blie­be­nen Ent­gelt­um­wand­lung in der Zeit vor dem In­kraft­tre­ten von § 1a Be­trAVG am 1. Ja­nu­ar 2002 ver­langt, ist die Kla­ge be­reits des­halb un­be­gründet, weil bis zum 1. Ja­nu­ar 2002 kein An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung be­stand. Zwar war be­reits in § 1 Abs. 5 Be­trAVG idF des Ge­set­zes zur Re­form der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung (Ren­ten­re­form­ge­setz 1999 - RRG 1999) vom 16. De­zem­ber 1997 (BGBl. I S. 2998, 3025; Art. 8), das am 1. Ja­nu­ar 1999 in Kraft ge­tre­ten ist, be­stimmt, dass be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung auch vor­liegt, wenn künf­ti­ge Ent­gelt­ansprüche in ei­ne wert­glei­che An­wart­schaft auf Ver­sor­gungs­leis­tun­gen um­ge­wan­delt wer­den. Ein ge­setz­li­cher An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung be­steht je­doch erst seit dem 1. Ja­nu­ar 2002 nach dem mit dem Ge­setz zur Re­form der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung und zur Förde­rung ei­nes ka­pi­tal­ge­deck­ten Al­ters­vor­sor­ge­vermögens (Al­ters­vermögens­ge­setz - AVmG) vom 26. Ju­ni 2001 (BGBl. I S. 1310, 1327; Art. 9) ein­geführ­ten § 1a Be­trAVG. In der Zeit vor dem In­kraft­tre­ten von § 1a Be­trAVG konn­te des­halb auch kei­ne Ver­pflich­tung des Be­klag­ten be­ste­hen, den Kläger auf ei­nen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung hin­zu­wei­sen.
 


- 5 -

II. So­weit der Kläger Scha­dens­er­satz we­gen der nach dem In­kraft­tre­ten von § 1a Be­trAVG am 1. Ja­nu­ar 2002 un­ter­blie­be­nen Ent­gelt­um­wand­lung ver­langt, ist die Kla­ge un­be­gründet, da den Be­klag­ten kei­ne Pflicht traf, den Kläger von sich aus auf des­sen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung hin­zu­wei­sen und der Be­klag­te dem Kläger auch kei­ne un­zu­tref­fen­den oder feh­ler­haf­ten Auskünf­te er­teilt hat. Es kommt da­her nicht dar­auf an, ob der Kläger ei­nen Scha­den schlüssig dar­ge­legt hat und ob er auf­grund sei­ner wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se in der La­ge ge­we­sen wäre, von sei­ner mo­nat­li­chen Vergütung 215,00 Eu­ro in ei­ne An­wart­schaft auf Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung um­zu­wan­deln.


1. Ei­ne Ver­pflich­tung des Be­klag­ten, den Kläger auf sei­nen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung nach § 1a Be­trAVG hin­zu­wei­sen, er­gibt sich nicht aus den Be­stim­mun­gen des Be­trAVG.


a) § 1a Be­trAVG sieht ei­ne der­ar­ti­ge Hin­weis­pflicht des Ar­beit­ge­bers nach sei­nem Wort­laut nicht vor. Auch an an­de­rer Stel­le des Ge­set­zes fin­det sich kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, den Ar­beit­neh­mer auf sei­nen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung hin­zu­wei­sen, ob­wohl das Ge­setz in an­de­rem Zu­sam­men­hang Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten vor­sieht. Nach § 2 Abs. 6 Be­trAVG in der bis zum 31. De­zem­ber 2004 gel­ten­den Fas­sung hat­te der Ar­beit­ge­ber oder der sons­ti­ge Ver­sor­gungs­träger dem aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer Aus­kunft darüber zu er­tei­len, ob für ihn die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner un­ver­fall­ba­ren be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung erfüllt wa­ren und in wel­cher Höhe er Ver­sor­gungs­leis­tun­gen bei Er­rei­chen der in der Ver­sor­gungs­re­ge­lung vor­ge­se­he­nen Al­ters­gren­ze be­an­spru­chen konn­te. Durch Art. 8 des Ge­set­zes zur Neu­ord­nung der ein­kom­men­steu­er­recht­li­chen Be­hand­lung von Al­ters­vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen und Al­ters­bezügen (Al­ters­einkünf­te­ge­setz - Alt­Ein­kG) vom 5. Ju­li 2004 (BGBl. I S. 1427, 1444 f.) wur­de § 2 Abs. 6 Be­trAVG mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 2005 auf­ge­ho­ben; statt­des­sen wur­de § 4a Be­trAVG ein­gefügt. Da­nach hat der Ar­beit­ge­ber oder der Ver­sor­gungs­träger dem Ar­beit­neh­mer bei ei­nem be­rech­tig­ten In­ter­es­se auf des­sen Ver­lan­gen schrift­lich mit-
 


- 6 -

zu­tei­len, in wel­cher Höhe aus der bis­her er­wor­be­nen un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaft bei Er­rei­chen der in der Ver­sor­gungs­re­ge­lung vor­ge­se­he­nen Al­ters­gren­ze ein An­spruch auf Al­ters­ver­sor­gung be­steht und wie hoch bei ei­ner Über­tra­gung der An­wart­schaft nach § 4 Abs. 3 der Über­tra­gungs­wert ist. Nach § 4a Abs. 2 Be­trAVG hat der neue Ar­beit­ge­ber oder der Ver­sor­gungs­träger dem Ar­beit­neh­mer auf des­sen Ver­lan­gen schrift­lich mit­zu­tei­len, in wel­cher Höhe aus dem Über­tra­gungs­wert ein An­spruch auf Al­ters­ver­sor­gung und ob ei­ne In­va­li­ditäts- oder Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung be­ste­hen würde. Wei­te­re Aus­kunfts­pflich­ten enthält das Ge­setz nicht. Hätte der Ge­setz­ge­ber ei­ne ge­ne­rel­le Hin­weis­pflicht des Ar­beit­ge­bers auf den An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung ge­wollt, hätte es na­he­ge­le­gen, auch die­se Ver­pflich­tung aus­drück­lich im Ge­setz zu re­geln.


b) Aus Sinn und Zweck der in § 1a Be­trAVG ge­re­gel­ten Ent­gelt­um­wand­lung kann kei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers her­ge­lei­tet wer­den, den Ar­beit­neh­mer von sich aus auf die Möglich­keit der Ent­gelt­um­wand­lung hin­zu­wei­sen.

Der in § 1a Be­trAVG nor­mier­te Rechts­an­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung dient der Förde­rung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung. Der An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung ist Teil der Maßnah­men, die der Ge­setz­ge­ber mit dem Al­ters­vermögens­ge­setz zur Förde­rung ei­nes ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Auf­baus ei­ner staat­lich geförder­ten zusätz­li­chen ka­pi­tal­ge­deck­ten Al­ters­vor­sor­ge ge­trof­fen hat, wo­bei die­se Al­ters­vor­sor­ge nicht nur in der pri­va­ten, son­dern auch in der be­trieb­li­chen Vor­sor­ge ge­leis­tet wer­den kann (vgl. BT-Drucks. 14/4595 S. 40). Der An­spruch ist dem Grun­de nach dar­auf ge­rich­tet, be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung in Be­trie­ben ein­zu­rich­ten, in de­nen ei­ne sol­che noch nicht an­ge­bo­ten wird (BT-Drucks. 14/4595 S. 40). Ei­ne Aufklärung des Ar­beit­neh­mers über sei­nen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung durch den Ar­beit­ge­ber könn­te zwar da­zu bei­tra­gen, die Ver­brei­tung der Ent­gelt­um­wand­lung zu fördern. Der Ge­setz­ge­ber hat in § 1a Be­trAVG die Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer je­doch da­hin ab­ge­grenzt, dass er die Ent­schei­dung, künf­ti­ge Ent­gelt­ansprüche in ei­ne An­wart­schaft auf Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung um­zu­wan­deln, aus­sch­ließlich dem Ar­beit­neh­mer zu­ge­wie­sen und den
 


- 7 -

Ar­beit­ge­ber erst dann zur Mit­wir­kung ver­pflich­tet hat, wenn der Ar­beit­neh­mer die Ent­schei­dung zur Ent­gelt­um­wand­lung ge­trof­fen und be­kun­det hat. Dies er­gibt sich dar­aus, dass der Ar­beit­neh­mer nach § 1a Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG vom Ar­beit­ge­ber „ver­lan­gen“ kann, dass Tei­le sei­ner künf­ti­gen Ent­gelt­ansprüche durch Ent­gelt­um­wand­lung für sei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung ver­wen­det wer­den, und nach § 1a Abs. 1 Satz 2 Be­trAVG die Durchführung des An­spruchs des Ar­beit­neh­mers durch Ver­ein­ba­rung ge­re­gelt wird. Ein „Ver­lan­gen“ nach Um­wand­lung ei­nes be­stimm­ten Teils künf­ti­ger Ent­gelt­ansprüche kann erst dann be­kun­det wer­den, wenn die Ent­schei­dung, ob und in wel­cher Höhe ei­ne Ent­gelt­um­wand­lung durch­geführt wer­den soll, von dem Ar­beit­neh­mer be­reits ge­trof­fen wur­de. Erst wenn dies ge­sche­hen ist, ist der Ar­beit­ge­ber zur Mit­wir­kung durch Ab­schluss der Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung zur Durchführung der Ent­gelt­um­wand­lung ver­pflich­tet. Da­mit hat der Ge­setz­ge­ber zu­gleich zum Aus­druck ge­bracht, dass Schutz- und Rück­sicht­nah­me­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers erst be­ste­hen, nach­dem sich der Ar­beit­neh­mer da­zu ent­schlos­sen hat, künf­ti­ges Ar­beits­ent­gelt zur Bil­dung von An­wart­schaf­ten auf Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung zu ver­wen­den und die­sen Ent­schluss dem Ar­beit­ge­ber ge­genüber ver­laut­bart hat. Erst dann können den Ar­beit­ge­ber In­for­ma­ti­ons­pflich­ten, zB über die von ihm be­ein­fluss­ba­ren Fak­to­ren der Ent­gelt­um­wand­lung (zB über den im Un­ter­neh­men bis­lang gewähl­ten Durchführungs­weg, sei­ne Be­reit­schaft, die Ent­gelt­um­wand­lung über ei­ne Pen­si­ons­kas­se oder ei­nen Pen­si­ons­fonds durch­zuführen, über die Iden­tität des kon­kre­ten Ver­sor­gungs­trägers, über die Zu­sa­ge­art und die Ver­sor­gungs- oder Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen des ex­ter­nen Ver­sor­gungs­trägers), tref­fen. Des­halb er­gibt sich ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung des Klägers aus dem Um­stand, dass nicht der Ar­beit­neh­mer, son­dern der Ar­beit­ge­ber den kon­kre­ten Ver­sor­gungs­träger auswählen darf (vgl. hier­zu BAG 12. Ju­ni 2007 - 3 AZR 14/06 - Rn. 25 mwN, BA­GE 123, 72; 19. Ju­li 2005 - 3 AZR 502/04 (A) - zu II 1 der Gründe), nicht, dass der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer von sich aus auf die Möglich­keit der Ent­gelt­um­wand­lung hin­wei­sen muss. Die Aus­wahl des kon­kre­ten Ver­sor­gungs­trägers ist erst bei der Durchführung der Ent­gelt­um­wand­lung er­for­der­lich. Dies
 


- 8 -

setzt ei­nen ent­spre­chen­den Ent­schluss des Ar­beit­neh­mers zur Ent­gelt­um­wand­lung vor­aus.


2. Der Be­klag­te war auch nicht auf­grund ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht (Fürsor­ge­pflicht) nach dem gemäß Ar­ti­kel 229 § 5 Satz 2 EGBGB bis zum 31. De­zem­ber 2002 an­zu­wen­den­den § 242 BGB und nach dem gemäß Ar­ti­kel 229 § 5 Satz 2 EGBGB ab dem 1. Ja­nu­ar 2003 gel­ten­den § 241 Abs. 2 BGB ver­pflich­tet, den Kläger auf sei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung hin­zu­wei­sen.


a) Der Ar­beit­ge­ber ist auf­grund ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht ge­hal­ten, die im Zu­sam­men­hang mit dem Ar­beits­verhält­nis ste­hen­den In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers so zu wah­ren, wie dies un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen und Be­lan­ge bei­der Ver­trags­par­tei­en nach Treu und Glau­ben ver­langt wer­den kann. Die Schutz- und Rück­sicht­nah­me­pflicht des Ar­beit­ge­bers gilt auch für die Vermögens­in­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer. Dar­aus können sich Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers er­ge­ben (vgl. BAG 15. Ok­to­ber 2013 - 3 AZR 10/12 - Rn. 48 mwN).


Die ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers be­schränken sich zwar nicht dar­auf, den Ar­beit­neh­mern kei­ne fal­schen und un­vollständi­gen Auskünf­te zu er­tei­len. Der Ar­beit­ge­ber kann zur Ver­mei­dung von Rechts­nach­tei­len auch ver­pflich­tet sein, von sich aus ge­eig­ne­te Hin­wei­se zu ge­ben. Grundsätz­lich hat al­ler­dings je­de Par­tei für die Wahr­neh­mung ih­rer In­ter­es­sen selbst zu sor­gen und sich Klar­heit über die Fol­gen ih­res Han­delns zu ver­schaf­fen. Hin­weis- und Aufklärungs­pflich­ten be­ru­hen auf den be­son­de­ren Umständen des Ein­zel­falls und sind das Er­geb­nis ei­ner um­fas­sen­den In­ter­es­sen­abwägung (vgl. BAG 15. Ok­to­ber 2013 - 3 AZR 10/12 - Rn. 49 mwN). Die er­kenn­ba­ren In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis­se des Ar­beit­neh­mers ei­ner­seits und die Be­ra­tungsmöglich­kei­ten des Ar­beit­ge­bers an­de­rer­seits sind stets zu be­ach­ten. Wie groß das In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis des Ar­beit­neh­mers ist, hängt ins­be­son­de­re von der Schwie­rig­keit der Rechts­ma­te­rie so­wie dem Aus­maß der dro­hen­den Nach­tei­le


- 9 -

und de­ren Vor­her­seh­bar­keit ab (vgl. BAG 14. Ja­nu­ar 2009 - 3 AZR 71/07 - Rn. 29 und 30 mwN).

b) Da­nach er­gibt sich aus der Fürsor­ge­pflicht grundsätz­lich kei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, den Ar­beit­neh­mer auf sei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung hin­zu­wei­sen.


aa) Zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber und dem Ar­beit­neh­mer be­steht im Hin­blick auf den An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung nach § 1a Be­trAVG kein Kom­pe­tenz-und/oder In­for­ma­ti­ons­gefälle, wel­ches nach Treu und Glau­ben ei­ne Aufklärung er­war­ten las­sen könn­te. Der An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf Ent­gelt­um­wand­lung er­gibt sich aus der je­der­mann zugäng­li­chen und in­so­weit oh­ne wei­te­res verständ­li­chen ge­setz­li­chen Be­stim­mung des § 1a Be­trAVG. Es kann des­halb vom Ar­beit­neh­mer er­war­tet wer­den, dass er sich die Kennt­nis die­ser Rechts­vor­schrift selbst ver­schafft.

bb) Aus der Recht­spre­chung des Se­nats zu Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten der Ar­beit­ge­ber des öffent­li­chen Diens­tes folgt nichts an­de­res. Den Ar­beit­ge­ber des öffent­li­chen Diens­tes tref­fen zwar ge­stei­ger­te Hin­weis- und In-for­ma­ti­ons­pflich­ten hin­sicht­lich be­ste­hen­der Zu­satz­ver­sor­gungsmöglich­kei­ten (vgl. et­wa BAG 24. Mai 1974 - 3 AZR 422/73 - zu II 2 a der Gründe). Dies be­ruht je­doch dar­auf, dass der Ar­beit­neh­mer des öffent­li­chen Diens­tes im All­ge­mei­nen über die be­ste­hen­den Ver­sor­gungs­sys­te­me nicht hin­rei­chend un­ter­rich­tet ist, während der Ar­beit­ge­ber über die not­wen­di­gen Kennt­nis­se verfügt (BAG 17. De­zem­ber 1991 - 3 AZR 44/91 -) und dass auch nicht er­war­tet wer­den kann, dass der Ar­beit­neh­mer mit der Aus­ge­stal­tung der kom­ple­xen Ver­sor­gungs­sys­te­me des öffent­li­chen Diens­tes ver­traut ist (BAG 14. Ja­nu­ar 2009 - 3 AZR 71/07 -). Der­ar­ti­ges trifft auf den An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung nicht zu. Die­ser er­gibt sich nicht aus ei­ner kom­ple­xen, schwer durch-schau­ba­ren ta­rif­li­chen Ver­sor­gungs­re­ge­lung, son­dern aus der je­der­mann - Ar­beit­ge­ber wie Ar­beit­neh­mer - glei­cher­maßen zugäng­li­chen und oh­ne wei­te­res verständ­li­chen ge­setz­li­chen Be­stim­mung des § 1a Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG.


- 10 -

cc) Ei­ner aus der Fürsor­ge­pflicht ab­ge­lei­te­ten Hin­weis­pflicht des Ar­beit­ge­bers auf den An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung steht zu­dem ent­ge­gen, dass die Initia­ti­ve zu ei­ner Ent­gelt­um­wand­lung nach der Kon­zep­ti­on des Ge­set­zes vom Ar­beit­neh­mer aus­zu­ge­hen hat. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG kann der Ar­beit­neh­mer vom Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen, dass Tei­le sei­ner künf­ti­gen Ent­gelt­ansprüche durch Ent­gelt­um­wand­lung für sei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung ver­wen­det wer­den. Die Ent­schei­dung zur Vor­nah­me ei­ner Ent­gelt­um­wand­lung ob­liegt da­her al­lein dem Ar­beit­neh­mer; er kann über die Ver­wen­dung sei­nes künf­ti­gen Ar­beits­ent­gelts frei dis­po­nie­ren. Mit­wir­kungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers ent­ste­hen erst, nach­dem der Ar­beit­neh­mer sein Ver­lan­gen nach Ent­gelt­um­wand­lung geäußert hat. Die­ser Kon­zep­ti­on lie­fe es zu­wi­der, wenn der Ar­beit­ge­ber auf­grund der ar­beits­ver­trag­li­chen Fürsor­ge­pflicht ge­hal­ten wäre, den Ar­beit­neh­mer von sich aus auf die Möglich­keit der Ent­gelt­um­wand­lung hin­zu­wei­sen.


3. Der Be­klag­te ist dem Kläger auch nicht we­gen un­vollständi­ger oder feh­ler­haf­ter Auskünf­te über die Ent­gelt­um­wand­lung zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet. Der Kläger hat selbst nicht be­haup­tet, von dem Be­klag­ten un­vollständig oder feh­ler­haft über die Möglich­keit der Ent­gelt­um­wand­lung in­for­miert wor­den zu sein. Nach sei­ner Dar­stel­lung hat sich der Be­klag­te zur Ent­gelt­um­wand­lung über­haupt nicht geäußert. Der Kläger hat­te sich nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts zu kei­nem Zeit­punkt nach der Möglich­keit ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung im We­ge der Ent­gelt­um­wand­lung er­kun­digt. Die­se Fest­stel­lun­gen, die der Kläger nicht an­ge­grif­fen hat, sind für den Se­nat bin­dend, § 559 Abs. 2 ZPO. Da­nach ha­ben die Par­tei­en über Ent­gelt­um­wand­lung nicht ge­spro­chen, was die Er­tei­lung un­vollständi­ger oder feh­ler­haf­ter Auskünf­te durch den Be­klag­ten aus­sch­ließt. Auf die vom Kläger in die­sem Zu­sam­men­hang er­ho­be­nen Ver­fah­rensrügen kommt es da­her nicht an.
 


- 11 -

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 


Gräfl 

Schlewing 

Ah­rendt

Schmalz 

Schultz

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 3 AZR 807/11