HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 17/053

Ab­si­che­rung der SO­KA-Bau-Ta­rif­ver­trä­ge per Ge­setz

Der Bun­des­tag hat auf die BAG-Be­schlüs­se zu den So­zi­al­kas­sen-Ta­rif­ver­trä­gen im Bau­we­sen re­agiert und de­ren All­ge­mein­ver­bind­lich­keit wie­der her­ge­stellt: Ge­setz zur Si­che­rung der So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be (So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren­si­che­rungs­ge­setz - So­kaSiG), vom 26.01.2017
Baustelle mit Bauarbeitern, Baugewerbe

17.02.2017. Mit sei­nen Be­schlüs­sen vom 21.09.2016 (10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15) und vom 25.01.2017 (10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15) hat­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit (AVE) der So­zi­al­kas­sen­ta­rif­ver­trä­ge des Bau­ge­wer­bes für die Jah­re 2008, 2010 so­wie 2012 bis 2014 be­sei­tigt und die Bau-So­zi­al­kas­sen da­mit in Be­dräng­nis ge­bracht.

Mitt­ler­wei­le hat der Ge­setz­ge­ber re­agiert und im Schnell­ver­fah­ren die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit die­ser Ta­rif­ver­trä­ge wie­der her­ge­stellt, näm­lich rück­wir­kend per Ge­setz: Ge­setz zur Si­che­rung der So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be (So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren­si­che­rungs­ge­setz - So­kaSiG).

Die Be­schlüsse des BAG zur All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung (AVE) der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge und ih­re Fol­gen

Nach der bis zum Au­gust 2014 gel­ten­den al­ten Fas­sung (a.F.) von § 5 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Ta­rif­ver­trags­ge­setz (TVG) konn­te das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les (BMAS) ei­nen Ta­rif­ver­trag nur dann für all­ge­mein­ver­bind­lich erklären und sei­ne Rechts­nor­men da­durch auf nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber und de­ren Ar­beit­neh­mer er­stre­cken, wenn die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber min­des­tens 50 Pro­zent der Ar­beit­neh­mer beschäftig­ten, die „un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­trags" fie­len. Ta­rif­ge­bun­den sind Ar­beit­ge­ber, die als Mit­glie­der des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des oder als Ta­rif­ver­trags­par­tei ei­nen Ta­rif­ver­trag an­wen­den müssen (§ 3 Abs.1 TVG).

Die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung (AVE) ist bei den Ta­rif­verträgen über die So­zi­al­kas­sen des Bau­ge­wer­bes (SO­KA Bau) be­son­ders wich­tig, denn sie sind ge­mein­sa­me Ein­rich­tun­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des Bau­ge­wer­bes, die nur dann funk­tio­nie­ren, wenn sich al­le Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer der Bau­bran­che dar­an be­tei­li­gen. Das gilt für die Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kas­se (ULAK), die mit den Ar­beit­ge­ber­beiträgen Ur­laubs­leis­tun­gen und Be­rufs­bil­dungs­zuschüsse fi­nan­ziert, eben­so wie für die Zu­satz­ver­sor­gungs­kas­se (ZVK), die für zusätz­li­che Ren­ten­leis­tun­gen zuständig ist. Wel­che Be­trie­be Beiträge zur ULAK und zur ZVK abführen müssen, ist im Ta­rif­ver­trag über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be (VTV) ge­re­gelt.

Mit sei­nen Be­schlüssen vom 21.09.2016 (10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15) und vom 25.01.2017 (10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15) kipp­te das BAG die AVEen der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge für die Jah­re 2008, 2010 so­wie 2012 bis 2014. Be­gründet wur­den die­se Ent­schei­dun­gen da­mit, dass das BMAS die An­zahl der Ar­beit­neh­mer, die in ta­rif­ge­bun­de­nen Be­trie­ben beschäftigt wa­ren, falsch be­rech­net hat­te. Außer­dem, so das BAG, hätte der Ar­beits­mi­nis­ter bzw. die Ar­beits­mi­nis­te­rin persönlich über die AVEen ent­schei­den müssen, was aber in den frag­li­chen Jah­ren nicht ge­sche­hen ist (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/039 So­ka-Bau-Ta­rif­verträge un­wirk­sam).

Die laut BAG feh­ler­haf­te Be­rech­nung des 50-Pro­zent-Quo­rums be­gründe­te das BAG da­mit, dass die all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträge ei­nen (we­sent­lich) größeren Gel­tungs­be­reich hat­ten als vom BMAS bei den AVEen an­ge­nom­men. Denn vie­le an sich un­ter die SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge fal­len­den Be­trie­be wer­den tra­di­tio­nell von dem An­trag auf AVE her­aus­ge­nom­men, was sich in der sog. "Großen Ein­schränkungs­klau­sel" wi­der­spie­gelt, die Be­stand­teil je­der AVE ist.

So fal­len z.B. Be­trie­be des Gar­ten- und Land­schafts­baus (Ga­La-Be­trie­be) un­ter den Gel­tungs­be­reich der SO­KA-Bau-Ta­ri­fe, wenn sie mit mehr als 50 Pro­zent ih­rer Ge­samt­ar­beits­zeit Bau­leis­tun­gen er­brin­gen, al­so z.B. We­ge pflas­tern oder Erd­ar­bei­ten ausführen. Sie wer­den aber in­fol­ge der Großen Ein­schränkungs­klau­sel be­reits dann von der AVE aus­ge­nom­men (ob­wohl sie an sich un­ter die Ta­rif­verträge fal­len), wenn sie min­des­tens zu 20 Pro­zent Grünar­bei­ten ver­rich­ten und Mit­glied in ei­nem Ga­La-Ar­beit­ge­ber­ver­band sind. So­mit wer­den Ga­La-Be­trie­be, die un­ter den Gel­tungs­be­reich der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge fal­len (weil sie mit mehr als 50 Pro­zent der Ar­beits­zeit Bau­leis­tun­gen er­brin­gen) trotz ih­rer ma­xi­mal 80 Pro­zent Bau­leis­tun­gen von der AVE aus­ge­nom­men, wenn sie in ei­nem Ga­La-Ar­beit­ge­ber­ver­band or­ga­ni­siert sind.

Und da das BMAS bei der Be­rech­nung des 50-Pro­zent-Quo­rums nur die­je­ni­gen Be­trie­be berück­sich­tig­te, die un­ter Berück­sich­ti­gung der Großen Ein­schränkungs­klau­sel un­ter die all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträge fie­len, war die Ge­samt­zahl der Be­trie­be bzw. der bei ih­nen beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer (viel) zu ge­ring ge­grif­fen. Das wie­der­um hat­te zur Fol­ge, dass man rech­ne­risch leich­ter zu dem Er­geb­nis kam, dass min­des­tens 50 Pro­zent die­ser (zu klein geschätz­ten) Zahl al­ler Bau-Ar­beit­neh­mer in ta­rif­ge­bun­de­nen Be­trie­ben beschäftigt ist. Hier lag der Feh­ler, so das BAG.

In­fol­ge der BAG-Be­schlüsse muss­ten sich die ULAK und die ZVK auf Bei­tragsrück­for­de­run­gen ge­fasst ma­chen. Sol­che For­de­run­gen konn­ten im Prin­zip al­le nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber für die Jah­re 2008, 2010 und 2012 bis 2014 stel­len, denn sie hat­ten nur des­halb (und oft zähne­knir­schend) Beiträge ab­geführt, weil sie von den AVEen be­trof­fen wa­ren.

Ob die dro­hen­den Bei­tragsrück­for­de­run­gen al­ler­dings in die Mil­li­ar­den ge­hen würden, ist frag­lich, da ein großer Teil der Beiträge nur die lau­fen­de Be­zah­lung von Ur­laubs­ansprüchen si­chert. Die ULAK ver­wal­tet nämlich die Ur­laubs­beiträge treuhände­risch und zahlt die Gel­der wie­der aus, wenn ein Bau­be­trieb ei­nem Ar­beit­neh­mer Ur­laub gewährt und dafür Geld braucht. Da­her dürf­te ein er­heb­li­cher Teil der zu Un­recht ab­geführ­ten Beiträge im Lau­fe der ver­gan­ge­nen Jah­re be­reits wie­der an die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber zurück­ge­flos­sen sein.

In­halt des So­kaSiG

Das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren­si­che­rungs­ge­setz (So­kaSiG) be­steht im We­sent­li­chen dar­in, dass die­je­ni­gen So­zi­al­kas­sen­ta­rif­verträge, de­ren All­ge­mein­ver­bind­lich­keit vom BAG ver­neint wur­de oder de­ren All­ge­mein­ver­bind­lich­keit von wei­te­ren BAG-Ent­schei­dun­gen be­droht ist, vom Ge­setz selbst für all­ge­mein ver­bind­lich erklärt wer­den. Da­her hat das So­kaSiG zwar nur ei­ni­ge we­ni­ge Pa­ra­gra­phen, lis­tet dafür aber in 36 An­la­gen die vom Ge­setz "ge­ret­te­ten" Ta­rif­verträge ein­zeln auf. De­ren Rechts­nor­men wer­den durch die Ver­wei­sungs-Pa­ra­gra­phen des So­kaSiG be­gin­nend mit dem 01.01.2006 für al­le Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber in je­wei­li­gen Gel­tungs­be­reich rechts­ver­bind­lich ge­macht.

Die Ver­wei­sun­gen be­zie­hen sich zum größten Teil rück­wir­kend auf Ta­rif­verträge, die für ver­gan­ge­ne Jah­re Gel­tung be­saßen und die mitt­ler­wei­le durch Fol­ge-Ta­rif­verträge er­setzt wur­den. So heißt es z.B. in § 7 Abs.2 So­kaSiG:

"Für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2015 bis zum 31. De­zem­ber 2015 gel­ten die Rechts­nor­men des Ta­rif­ver­trags über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be vom 3. Mai 2013 in der aus der An­la­ge 27 er­sicht­li­chen Fas­sung in sei­nem Gel­tungs­be­reich für al­le Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer."

Auch die o.g. Große Ein­schränkungs­klau­sel hat das So­kaSiG über­nom­men, nämlich in ei­ner 37. und letz­ten An­la­ge zu § 10 So­kaSiG. In die­ser Ge­set­zes­an­la­ge fin­den sich die aus der Ver­gan­gen­heit be­kann­ten be­trieb­li­chen Ein­schränkun­gen der All­ge­mein­ver­bind­lich­keit der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge. Von die­sen Ein­schränkun­gen pro­fi­tie­ren Be­trie­be, die nur ne­ben­her Bau­leis­tun­gen er­brin­gen und da­her nicht in Bau-Ar­beit­ge­ber­verbänden or­ga­ni­siert sind, son­dern in an­de­ren Ar­beit­ge­ber­verbänden wie z.B. de­nen des Gar­ten- und Land­schafts­baus.

Darüber hin­aus stellt das So­kaSiG vor­sorg­lich klar, dass es für die Rechts­nor­men der 36 in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge nicht dar­auf an­kommt, ob sie wirk­sam ab­ge­schlos­sen wur­den (§ 11 So­kaSiG). Das ist kon­se­quent, denn wenn die Rechts­nor­men der vom So­kaSiG in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge oh­ne­hin kraft Ge­set­zes gel­ten sol­len, kommt es dafür auf das Zu­stan­de­kom­men der Ta­rif­verträge nicht (mehr) an.

Außer­dem lässt das So­kaSiG die AVEen von SO­KA-Bau-Ta­rif­verträgen un­an­ge­tas­tet (§ 13 So­kaSiG). Das So­kaSiG er­setzt al­so nicht die AVEen von Bau-Ta­rif­verträgen, die auf­grund der BAG-Ent­schei­dun­gen rechts­kräftig ge­kippt oder zwei­fel­haft sind, son­dern es flan­kiert bzw. un­terstützt die AVEen nur. Auch für künf­ti­ge Ta­rif­verträge trifft das So­kaSiG kei­ne Re­ge­lung, denn dann soll die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit wie­der durch ei­ne mi­nis­te­ri­el­le AVE an­ge­ord­net wer­den.

Das So­kaSiG wur­de am 26.01.2017 vom Bun­des­tag in drit­ter Le­sung ver­ab­schie­det und tritt am Tag nach sei­ner Verkündung im Bun­des­ge­setz­blatt (die der­zeit noch auf sich war­ten lässt) in Kraft.

Viel pro und we­nig con­tra im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren

Die im Aus­schuss für Ar­beit und So­zia­les geäußer­ten Mei­nun­gen zum So­kaSiG un­terstütz­ten das Ge­set­zes­vor­ha­ben prak­tisch durch die Bank (Deut­scher Bun­des­tag, Aus­schuss für Ar­beit und So­zia­les, Ma­te­ria­li­en, Drucks. 18(11)902, 20.01.2017).

In die­sem Sin­ne ei­nig wa­ren sich ins­be­son­de­re der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund (DGB) und die Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Ar­beit­ge­ber­verbände (BDA), die Ta­rif­par­tei­en des Bau­ge­wer­bes und die Ar­beits­recht­ler Prof. Preis und Prof. Bay­reu­ther. Und auch al­le im Bun­des­tag ver­tre­te­nen Par­tei­en bzw. Frak­tio­nen wa­ren ein­träch­tig der Mei­nung, dass die rück­wir­ken­de Ab­si­che­rung der vom BAG ge­kipp­ten SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge für den Be­stand der Bau­so­zi­al­kas­sen un­ab­ding­bar ist (Deut­scher Bun­des­tag, Be­schluss­emp­feh­lung vom 25.01.2017, S.8 bis 10).

Ein­zi­ger "Stören­fried" war der Zen­tral­ver­band der Deut­schen Elek­tro- und In­for­ma­ti­ons­tech­ni­schen Hand­wer­ke (ZVEH), der sich schon an den vom BAG ent­schie­de­nen Ge­richts­ver­fah­ren mit dem Ziel be­tei­ligt hat­te, die un­ge­lieb­ten AVEen der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge ge­richt­lich zu be­sei­ti­gen. Dem­ent­spre­chend lehn­te der ZVEH das SO­KASiG rund­weg ab (Deut­scher Bun­des­tag, Be­schluss­emp­feh­lung vom 25.01.2017, S.6). Sei­ner Mei­nung nach verstößt das Ge­setz ge­gen das Ver­bot der Rück­wir­kung von Ge­set­zen und ge­gen die Ge­wal­ten­tei­lung, weil es die BAG-Be­schlüsse kon­ter­ka­riert. Außer­dem sei­en die So­zi­al­kas­sen des Bau­ge­wer­bes in­fol­ge der BAG-Ent­schei­dun­gen gar nicht in ih­rem Be­stand gefähr­det. Sie hätten ge­nug Geld, um Bei­tragsrück­for­de­run­gen oh­ne Exis­tenz­gefähr­dung zu erfüllen.

Hin­ter­grund die­ser ge­ra­de­zu feind­se­li­gen Hal­tung des ZVEH ge­genüber der SO­KA Bau und ih­ren Bei­trags­for­de­run­gen ist das Überg­rei­fen der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge auf Be­trie­be des Holz­ge­wer­bes, des Me­tall­ge­wer­bes, des Sa­nitärge­wer­bes und des Elek­tro­ge­wer­bes. Aus Sicht des ZVEH gehören die­se Bran­chen, in de­nen mit et­wa 1,1 Mio. Ar­beit­neh­mern mehr Men­schen beschäftigt sind als auf dem Bau, nicht zum Bau­ge­wer­be.

Außer­dem ha­ben sie ei­ge­ne Ar­beit­ge­ber­verbände, die (zu­min­dest teil­wei­se) eh­ren­wer­te Ta­rif­verträge ab­sch­ließen, nämlich mit der IG Me­tall. An­ders als im Bau­ge­wer­be brau­chen die Be­trie­be die­ser Ge­wer­be kei­ne Ta­rif­vor­schrif­ten zur Win­ter­beschäfti­gungsförde­rung, denn sie ar­bei­ten im Un­ter­schied zum Bau ganzjährig. Auch ei­ne Ur­laub­s­um­la­ge­kas­se - wie im Bau­ge­wer­be die ULAK - ist hier aus Sicht des ZVEH nicht er­for­der­lich, weil es in die­sen Ge­wer­be­zwei­gen nicht so oft wie auf dem Bau zum Ar­beit­ge­ber­wech­sel kommt (Deut­scher Bun­des­tag, Aus­schuss für Ar­beit und So­zia­les, Ma­te­ria­li­en, Drucks. 18(11)902, S.41).

Ver­bo­te­ne Ge­set­zesrück­wir­kung durch das So­kaSiG?

Da das So­kaSiG vie­le Ta­rif­verträge für ver­gan­ge­ne Jah­re wie­der all­ge­mein­ver­bind­lich in Gel­tung setzt, hat es Rück­wir­kung im en­ge­ren Sin­ne, was im All­ge­mei­nen ver­bo­te­nen ist. Denn im All­ge­mei­nen soll­ten die Bürger in ei­nem Rechts­staat da­vor si­cher sein, durch rück­wir­ken­de Ge­set­ze be­las­tet zu wer­den.

Al­ler­dings gibt es auch von die­sem "Rück­wir­kungs­ver­bot" Aus­nah­men, die in der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) an­er­kannt sind. Ei­ne die­ser Aus­nah­men ist ei­ne über­ra­schen­de Ände­rung der Recht­spre­chung, die zu Rechts­un­si­cher­heit in ei­ner Viel­zahl von Ein­z­elfällen führt (BVerfG, Be­schluss vom 12.06.1986, 2 BvL 5/80). In ei­nem sol­chen Fall kann der Ge­setz­ge­ber die ein­ge­tre­te­ne Rechts­un­si­cher­heit auch mit Wir­kung für die Ver­gan­gen­heit be­sei­ti­gen. Un­ter Be­ru­fung auf die­se Recht­spre­chung kommt der Sach­verständi­ge Prof. Preis in der Anhörung vor dem Aus­schuss zu dem Er­geb­nis, dass das So­kaSiG nicht ge­gen das Rück­wir­kungs­ver­bot verstößt und auch im Übri­gen ver­fas­sungs­gemäß ist (Deut­scher Bun­des­tag, Aus­schuss für Ar­beit und So­zia­les, Ma­te­ria­li­en, Drucks. 18(11)902, S.15 bis 17).

Hin­zu kommt, dass die­je­ni­gen Ar­beit­ge­ber, die nur auf­grund der AVE der So­ka-Bau-Ta­rif­verträge be­trags­pflich­tig wa­ren, bis zu den über­ra­schen­den BAG-Ent­schei­dun­gen vom 21.09.2016 nicht dar­auf ver­trau­en durf­ten, kei­ne Beiträge zah­len zu müssen. Und da der Bun­des­tag be­reits An­fang De­zem­ber 2016 mit dem Ent­wurf ei­nes So­kaSiG re­agier­te, konn­te bei den be­trof­fe­nen Fir­men in ei­ner so kur­zen Zeit auch kein be­rech­tig­tes Ver­trau­en dar­auf ent­ste­hen, dass es bei den Ent­schei­dun­gen des BAG vom 21.09.2016 blei­ben würde.

Bau-Ta­rif­part­ner und Ar­beit­ge­ber­verbände des hand­werk­li­chen Bau­ne­ben­ge­wer­bes rau­chen an­geb­lich die Frie­dens­pfei­fe

In der Be­schluss­emp­feh­lung des Aus­schus­ses für Ar­beit und So­zia­les vom 25.01.2017 ist da­von die Re­de, "dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im Bau­haupt- und Bau­ne­ben­ge­wer­be die seit vie­len Jah­ren um­strit­te­ne Ab­gren­zung der fach­li­chen ta­rif­li­chen Zuständig­kei­ten über­prüfen." Dem­zu­fol­ge ha­ben sich die Bau­ta­rif­ver­trags­par­tei­en da­zu ver­pflich­tet, "beim nächs­ten All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärungs-Ver­fah­ren ei­ne Ab­gren­zung ent­lang der Kri­te­ri­en Mit­glied­schaft und Fach­lich­keit vor­zu­neh­men." (Be­schluss­emp­feh­lung, S.8)

So et­was hört man ger­ne in Ber­lin, denn dann muss man nicht selbst ak­tiv wer­den. Dem­ent­spre­chend ging die Mehr­heit des Aus­schus­ses "da­von aus, dass da­mit die Ab­gren­zungs­schwie­rig­kei­ten künf­tig wei­test­ge­hend aus­geräumt wer­den können." Vor­sichts­hal­ber for­der­te die Mehr­heit des Aus­schus­ses

"die Verbände auf, das ver­ein­bar­te Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren in Kon­fliktfällen über ei­ne Ein­be­zie­hung in das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren zeit­nah aus­zu­ge­stal­ten. Die Ei­nig­keit der Verbände, dass SO­KA-Bau künf­tig die Dar­le­gungs- und Be­weis­last dafür trägt, dass in ei­nem Be­trieb ar­beits­zeit­lich über­wie­gend bau­ge­werb­li­che Tätig­kei­ten ver­rich­tet wer­den, wird be­grüßt." (Be­schluss­emp­feh­lung, S.8)

Ob die SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge künf­tig wirk­lich das hand­werk­li­che Bau­ne­ben­ge­wer­be von ih­rem Gel­tungs­be­reich aus­spa­ren, ist frag­lich, denn die Ar­beit­ge­ber­verbände des Bau­ne­ben­ge­wer­bes sind hier letzt­lich macht­los. Denn nicht sie, son­dern al­lein die Ta­rif­par­tei­en der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge be­stim­men über de­ren be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich, und auch nur die Bau-Ta­rif­par­tei­en ent­schei­den bei ih­rem An­trag auf AVE über den Wort­laut der "Großen Ein­schränkungs­klau­sel".

Für ei­ne wirk­li­che Ei­ni­gung in der Sa­che spricht aber, dass nach ei­ner An­fang Fe­bru­ar 2017 be­kannt ge­wor­de­nen Mel­dung auch die IG Me­tall an der Ei­ni­gung zur Ab­gren­zung des Gel­tungs­be­reichs der SO­KA-Bau-Ta­rif­verträge be­tei­ligt war. Soll­te sich die IG Bau dar­an nicht hal­ten, droht erns­ter Streit zwi­schen zwei DGB-Ge­werk­schaf­ten.

Fa­zit: Das So­kaSiG führt zur Rechts­si­cher­heit für die So­zi­al­kas­sen, aber (noch) nicht un­be­dingt für Ar­beit­ge­ber des hand­werk­li­chen Bau­ne­ben­ge­wer­bes

Das So­kaSiG führt zur Rechts­si­cher­heit für die Bau-So­zi­al­kas­sen, denn die auf sie zu­rol­len­de Pro­zess­la­wi­ne bleibt ih­nen er­spart. Sie ha­ben auch für die Jah­re 2006 bis 2014 ih­re Beiträge auf der Grund­la­ge der vom BAG ge­kipp­ten AVEen im Er­geb­nis zu­recht er­ho­ben und müssen sie nicht zurücker­stat­ten, da die um­strit­te­nen Ta­rif­verträge jetzt in­fol­ge des So­kaSiG all­ge­mein­ver­bind­lich sind.

Ob der ver­bis­sen hin­ter ver­schlos­se­nen Türen geführ­te Streit zwi­schen den be­tei­lig­ten Ge­werk­schaf­ten und Ar­beit­ge­ber­verbänden des Bau­ge­wer­bes ei­ner­seits und des Bau­ne­ben­ge­wer­bes an­de­rer­seits da­mit bei­ge­legt ist, wird die nächs­te AVE zei­gen. Soll­ten die Ta­rif­par­tei­en des Bau­ge­wer­bes hier großzügig ver­fah­ren und das Holz-, das Me­tall-, das Sa­nitär- und das Elek­tro­ge­wer­be in die Große Ein­schränkungs­klau­sel auf­neh­men und da­mit aus dem Gel­tungs­be­reich der SO­KA-Bau-Ta­ri­fe aus­klam­mern, wäre da­mit der ei­gent­li­che Streit bei­ge­legt, der zu den BAG-Be­schlüssen vom Sep­tem­ber 2016 und Ja­nu­ar 2017 geführt hat­te.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Ei­ni­ge Be­kannt­ma­chun­gen über All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen (AVE) von Ta­rif­verträgen für das Bau­ge­wer­be können Sie hier nach­le­sen:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Die voll­stän­dig be­grün­de­ten Ur­tei­le des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 13. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 5.0 von 5 Sternen (1 Bewertung)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de