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ArbG Ber­lin, Ur­teil vom 05.06.2014, 42 Ca 1530/14

   
Schlagworte: Diskriminierung: Geschlecht
   
Gericht: Arbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 42 Ca 1530/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.06.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ber­lin

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

42 Ca 1530/14

Verkündet

am 05.06.2014

Rutz­ke

Ge­richts­beschäftig­ter

als Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

 

In Sa­chen

- Kläger -


- Be­klag­te -

hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin, 42. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 05.06.2014
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt E als Vor­sit­zen­der
so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn H und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn T


für Recht er­kannt:


I.
Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger


2.100,00 EUR (in Wor­ten: zwei­tau­send­ein­hun­dert Eu­ro)



II.
Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

III.
Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird auf 2.100,00 EUR fest­ge­setzt.

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch des Klägers auf Entschädi­gung we­gen Be­nach­tei­li­gung auf­grund sei­nes Ge­schlechts bei der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses.

Die Be­klag­te en­ga­giert sich u. a. für die Förde­rung des jour­na­lis­ti­schen Nach­wuch­ses. Zu die­sem Zweck ver­gibt sie u.a. Vo­lon­ta­ri­ats­stel­len bei der Ta­ges­zei­tung (tu).
Mit Stel­len­an­zei­ge vom 26. Ju­ni 2013 such­te die Be­klag­te für ein Vo­lon­ta­ri­at „ei­ne Frau mit Mi­gra­ti­ons­ge­schich­te". Als Vergütung wur­den ein Mo­nats­ent­gelt in Höhe von 670,00 EUR so­wie ei­ne BVG-Mo­nats­mar­ke im Wert von 30,00 EUR an­ge­ge­ben.
Auf die­se An­zei­ge be­warb sich ne­ben 134 Frau­en im Ju­li 2013 auch der Kläger. Der Kläger ist 1986 in der Ukrai­ne ge­bo­ren und stu­diert seit Ok­to­ber 2011 in Frank­furt Psy­cho­lo­gie. Bezüglich sei­nes Wer­de­gangs und sei­ner Qua­li­fi­ka­ti­on wird auf des­sen, der Be­wer­bung bei der Be­klag­ten bei­gefügten, Le­bens­lauf, Blatt 10 f. d. A., Be­zug ge­nom­men. Mit E-Mail vom 06.09.2013 wies die Be­klag­te die Be­wer­bung des Klägers zurück, wor­auf­hin der Kläger mit Schrei­ben vom 01.11.2013, der Be­klag­ten am 04.11.2013 zu­ge­gan­gen, ei­ne Entschädi­gung we­gen Dis­kri­mi­nie­rung gel­tend mach­te.

Mit der am 03.02.2014 bei Ge­richt ein­ge­gan­gen und der Be­klag­ten am 10.02.2014 zu­ge­stell­te Kla­ge ver­folgt der Kläger sein Entschädi­gungs­an­spruch wei­ter.

Der Kläger ist der An­sicht, die Be­klag­te ha­be ihn mit der Nicht­berück­sich­ti­gung sei­ner Be­wer­bung we­gen sei­nes Ge­schlechts dis­kri­mi­niert. Er sei für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ge­eig­net.
Die Dis­kri­mi­nie­rung sei auch nicht zur Förde­rung des Frau­en­an­teils im Jour­na­lis­mus ge­recht­fer­tigt, da der Frau­en­an­teil kon­ti­nu­ier­lich stei­ge und bei Vo­lontären deut­lich über 50 % lie­ge.

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Der Kläger be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld, de­ren Höhe ins Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 11.02.2014 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te be­strei­tet die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung des Klägers, da die­ser sich im Stu­di­um be­fin­de. Im Übri­gen hand­le es sich bei ihm um ei­nen „Lang­zeit­stu­den­ten".

Wei­ter sei die Dis­kri­mi­nie­rung auch nach § 5 AGG ge­recht­fer­tigt, da Frau­en im Jour­na­lis­mus in den Führungs­po­si­tio­nen un­ter­re­präsen­tiert sei­en. Auch bei der taz selbst würden nur 35,5 % der In­hal­te von Frau­en ge­schrie­ben, was u. a. die mas­si­ve Be­nach­tei­li­gung von Frau­en bei der Her­stel­lung der Zei­tung und bei den In­hal­ten der­sel­ben er­ge­be.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die zwi­schen die­sen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung wa­ren, Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Kla­ge ist be­gründet.

1.
Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te we­gen sei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Dis­kri­mi­nie­rung An­spruch auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Höhe von drei Mo­nats­vergütun­gen, ein­sch­ließlich des Wer­tes der BVG-Mar­ke, aus § 15 Abs. 2 AGG.


1.1.
Der Kläger hat den Entschädi­gungs­an­spruch nach Ab­leh­nung sei­ner Be­wer­bung am 06.09.2013 bin­nen der 2-Mo­nats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG mit dem der Be­klag­ten am
 


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04.11.2013 zu­ge­gan­ge­nen Schrei­ben vom 01.11.2013 gel­tend ge­macht.

Wei­ter hat der Kläger mit Ein­rei­chung der Kla­ge am 03. Fe­bru­ar 2014 die drei­mo­na­ti­ge Kla­ge­frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG ge­wahrt.

1.2.
Dass der Kläger we­gen sei­nes Ge­schlechts und da­mit ei­nes Merk­mals i.S.v. § 1 AGG von vorn­her­ein bei der Be­wer­bung un­ter Ver­let­zung des Be­nach­tei­li­gungs­ver­bo­tes des § 7 AGG un­berück­sich­tigt blieb und da­mit dis­kri­mi­niert wur­de ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig.
Im Übri­gen be­gründet die Aus­schrei­bung der Stel­le al­lein für Frau­en so­wie das Be­set­zungs­ver­fah­ren, bei dem al­lein Frau­en zum Be­wer­bungs­gespräch ge­la­den wor­den sind, nach § 22 AGG die Ver­mu­tung, dass der Kläger we­gen sei­nes Ge­schlechts be­nach­tei­ligt wur­de.

1.3.
Die Dis­kri­mi­nie­rung ist ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten nicht durch § 5 AGG ge­recht­fer­tigt.

Nach § 5 AGG ist ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung zulässig, wenn „durch ge­eig­ne­te und an­ge­mes­se­ne Maßnah­men be­ste­hen­de Nach­tei­le we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des ver­hin­dert oder aus­ge­gli­chen wer­den soll".

Ein aus­gleichsfähi­ger Nach­teil i.S.v. § 5 AGG ist die Un­ter­re­präsen­tanz ei­ner Merk­grup­pe mit ei­nem Merk­mal i.S.v. § 1 (Däubler/Hin­richs/Zim­mer, AGG, 3. Aufl., § 5 Rz. 23).

Auch die Be­haup­tung der Be­klag­ten als zu­tref­fend un­ter­stellt, Frau­en sei­en im Jour­na­lis­mus, bei­spiel­haft bei der taz, un­ter­re­präsen­tiert, ins­be­son­de­re in Führungs­po­si­tio­nen, so muss die po­si­ti­ve Maßnah­me i.S.v. § 5 AGG und da­mit die Be­nach­tei­li­gung des Klägers als Mann und da­mit des­sen Dis­kri­mi­nie­rung, verhält­nismäßig und da­mit ein ge­eig­ne­tes, an­ge­mes­se­nes und er­for­der­li­ches Mit­tel sein um das an­ge­streb­te Ziel zu er­rei­chen.

1.3.1.
So­weit sich die Be­klag­te auf die Un­ter­re­präsen­tanz von Frau­en im Jour­na­lis­mus in Führungs­po­si­tio­nen be­ruft, er­scheint die Maßnah­me be­reits nicht ge­eig­net, die­se Un­ter­re­präsen­tanz durch be­vor­zug­te Ein­stel­lung von Frau­en auf Vo­lon­ta­ri­ats­stel­len

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aus­zu­glei­chen.

Ge­eig­net ist ei­ne Maßnah­me, wenn ei­ne ob­jek­ti­ve Wahr­schein­lich­keit be­steht, dass durch sie das be­zweck­te Ziel er­reicht wird.
Vor­lie­gend geht es al­lein um die Be­set­zung ei­nes Vo­lon­ta­ri­ats und da­mit der un­ters­ten Po­si­ti­on in der Ausübung ei­ner jour­na­lis­ti­schen Tätig­keit. Das durch ei­ne große An­zahl von weib­li­chen Vo­lontären die An­zahl der Frau­en in Führungs­po­si­tio­nen, die die­se erst nach ei­ner länge­ren qua­li­fi­zier­ten jour­na­lis­ti­schen Tätig­keit er­lan­gen, können, gefördert wird ist nicht er­sicht­lich. Die­ser An­nah­me wie­der­spricht auch, dass aus­weis­lich der von der Be­klag­ten selbst ein­ge­reich­ten An­la­ge B 3 zu ih­rem Schrift­satz vom 05.03.2014 der Frau­en­an­teil in Jour­na­lis­mus ste­tig ge­stie­gen ist und bei Vo­lontären und an Jour­na­lis­ten­schu­len weit über 50 % liegt, oh­ne dass sich die­ses an­schei­nend auf die An­zahl von Frau­en in Führungs­po­si­tio­nen aus­ge­wirkt hat.

1.3.2.
Selbst woll­te man die An­nah­me der Be­klag­ten zu­grun­de le­gen, dass durch ei­ne verstärk­te Aus­bil­dung von Frau­en im Vo­lon­ta­ri­at de­ren An­teil an Führungs­po­si­tio­nen steigt, so er­weist sich die Maßnah­me als (nicht mehr) er­for­der­lich, da der Frau­en­an­teil im Vo­lon­ta­ri­at und in der Aus­bil­dung im Jour­na­lis­mus den Männer­an­teil zwi­schen­zeit­lich über­steigt, so dass un­ter Zu­grund­le­gung des Verständ­nis­ses der Be­klag­ten auch da­mit zu rech­nen ist, dass Frau­en künf­tig verstärkt in Führungs­po­si­tio­nen berück­sich­tigt wer­den.

1.3.3.
Je­doch kann die Ge­eig­net­heit und Er­for­der­lich­keit der Maßnah­me da­hin­ge­stellt blei­ben, da sie sich als of­fen­sicht­lich nicht an­ge­mes­sen und da­mit als un­verhält­nismäßig er­weist.

An­ge­mes­sen sind po­si­ti­ve Maßnah­men, wenn sie un­ter Berück­sich­ti­gung des Aus­maßes der Nach­tei­le die je­weils an­de­re Grup­pe nicht über­pro­por­tio­nal be­las­ten. Dies schließt es aus, der begüns­tig­ten Grup­pe ei­nen ab­so­lu­ten, un­be­ding­ten Vor­rang ein­zuräum­en. Viel­mehr ist ei­ne ab­sch­ließen­de Ein­zel­fall­abwägung er­for­der­lich, die si­cher­stellt, dass An­gehöri­ge der nicht begüns­tig­ten Grup­pe, die sich im kon­kre­ten Ein­zel­fall in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­fin­den oder wel­che die Nicht­berück­sich­ti­gung be­son­ders hart tref­fen würde nicht aus­ge­schlos­sen wer­den (Däubler a.a.O. Rn. 29). So hat der EuGH in sei­nem Ur­teil vom 17.10.1995 — C — 450/93 (Kalan­ke), dort Rn. 16, fest­ge­stellt, dass ei­ne Re­ge­lung, wo­nach Frau­en, die die glei­che Qua­li­fi­ka­ti­on wie ih­re männ­li­chen Mit­be­wer­ber be­sit­zen, in Be­rei­chen in de­nen Frau­en un­ter­re­präsen­tiert sind, bei ei­ner Beförde­rung au­to­ma­tisch den Vor­rang ein­geräumt wird, ei­ne un­zulässi­ge Dis­kri­mi­nie­rung von Männern
 


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auf­grund ih­res Ge­schlech­tes be­gründet. In sei­nem Ur­teil vom 11.11.1997 — C — 409/95 (Mar­shall) Rn. 33 (NZA 1997, 1337), hat der EuGH ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Maßnah­me dann für zulässig er­ach­tet, „wenn sie den männ­li­chen Be­wer­bern, die die glei­che Qua­li­fi­ka­ti­on wie die weib­li­chen Be­wer­ber be­sit­zen, in je­dem Ein­zel­fall ga­ran­tiert, dass die Be­wer­bun­gen Ge­gen­stand ei­ner ob­jek­ti­ven Be­ur­tei­lung sind, bei der al­le die Per­so­nen der Be­wer­ber be­tref­fen­den Kri­te­ri­en berück­sich­tigt wer­den und der den weib­li­chen Be­wer­bern ein­geräum­te Vor­rang entfällt, wenn ei­nes oder meh­re­re die­ses Kri­te­ri­en zu­guns­ten des männ­li­chen Be­wer­bers über­wie­gen". Die­se Recht­spre­chung wird auch für Aus­bil­dungs­maßnah­men in der von der Be­klag­ten zi­tier­ten Ent­schei­dung des EuGH vom 28.03.2000 — C — 158/97, Rn. 53 (NZA 2000, 473) bestätigt, in der der EuGH ausführt, dass ei­ne po­si­ti­ve Maßnah­me dann rechtmäßig ist, wenn „kein männ­li­cher Be­wer­ber de­fi­ni­tiv von ei­ner Aus­bil­dung aus­ge­schlos­sen" wird.

Vor­lie­gend hat die Be­klag­te de­ment­ge­gen je­doch männ­li­che Be­wer­ber un­ge­ach­tet ih­rer Si­tua­ti­on im Ein­zel­fall, ins­be­son­de­re ih­rer Qua­li­fi­ka­ti­on, aus­nahms­los aus­ge­schlos­sen, so dass sich die Maßnah­me als un­verhält­nismäßig er­weist und mit­hin nicht ge­eig­net ist, die Dis­kri­mi­nie­rung des Klägers zu recht­fer­ti­gen.

1.4.
Ist der Kläger da­nach in un­zulässi­ger Wei­se we­gen sei­nes Ge­schlechts bei der Be­wer­bung dis­kri­mi­niert wor­den, so hat er gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 AGG we­gen die­ser Dis­kri­mi­nie­rung ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch in Höhe von drei Mo­nats­gehältern.

Bei der Höhe der Fest­set­zung der Entschädi­gung in der nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ge­setz­lich ma­xi­mal zulässi­gen Höhe hat sich das Ge­richt von der Schwe­re des Ver­s­toßes lei­ten las­sen, die dar­in be­gründet ist, dass die Be­klag­te mit ih­rer Stel­len­an­zei­ge Männer aus­nahms­los und da­mit in be­son­ders schwer­wie­gen­der Wei­se dis­kri­mi­niert hat. Des Wei­te­ren wur­de berück­sich­tigt, dass auf­grund der nied­ri­gen Vergütung an­sons­ten bei Fest­set­zung ei­ner dar­aus re­sul­tie­ren­den ge­rin­ge­ren Entschädi­gung dem Sank­ti­ons­ge­dan­ken des § 15 Abs. 2 S. 2 AGG nicht genügt würde.
Sch­ließlich wur­de da­bei wei­ter berück­sich­tigt, dass die Be­klag­te in der münd­li­chen Ver­hand­lung mein­te, den Kläger durch ih­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten, des­sen Ver­haf­ten sich die Be­kla­ge gemäß § 85 ZPO zu­rech­nen las­sen muss, noch­mals in sei­nem Persönlich­keits­recht zu ver­letz­ten zu müssen, in dem sie den Kläger grund­los und in der Sa­che nicht ge­recht­fer­tigt als „Lang­zeit­stu­den­ten" dif­fa­mier­te.

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1.5.
Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten ist die Gel­tend­ma­chung des Entschädi­gungs­an­spru­ches des Klägers nicht rechts­miss­bräuch­lich i.S.v. § 242 BGB.

Der Grund­satz von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) bil­det ei­ne al­len Rech­ten, Rechts­la­gen und Rechts­nor­men im­ma­nen­te In­halts­be­gren­zung, wo­bei ei­ne ge­gen § 242 BGB ver­s­toßene Rechts­ausübung oder Aus­nut­zung ei­ner Rechts­la­ge we­gen der Rechtsüber­schrei­tung als un­zulässig an­ge­se­hen wird. § 242 BGB eröff­net da­mit die Möglich­keit, je­de aty­pi­sche In­ter­es­sen­la­ge zu berück­sich­ti­gen, bei der ein Ab­wei­chen von der ge­setz­li­chen Rechts­la­ge zwin­gend er­scheint. Zur Kon­kre­ti­sie­rung aty­pi­schen In­ter­es­sen­la­gen wur­den Fall­grup­pen ge­bil­det, in de­nen ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten na­he liegt. Hier­zu zählt die Fall­grup­pe des un­red­li­chen Er­werbs der ei­ge­nen Rechts­stel­lung. Im Fal­le von Ansprüchen nach § 15 AGG kann un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls der Er­werb der Recht­stel­lung als Be­wer­ber dann un­red­lich er­schei­nen, wenn die Be­wer­bung al­lein des­halb er­folg­te, um Entschädi­gungs­ansprüche zu er­lan­gen. Bei Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren ist die Aus­nut­zung der Recht­stel­lung dann rechts­miss­bräuch­lich, wenn dem Be­wer­ber sub­jek­tiv die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung fehlt und der ob­jek­tiv für die zu be­set­zen­de Stel­le nicht in Be­tracht kommt. Von ei­nem sol­chen Aus­nah­me­fall ist nur aus­zu­ge­hen, wenn von vorn­her­ein der Wil­le fehlt, die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le tatsächlich ein­zu­neh­men und in Wirk­lich­keit nur ei­ne Entschädi­gung an­ge­strebt wird (BAG vom 21.07.2009 — 9 AZR 431/08, NZA 2009, 1087). Dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig für die feh­len­de Ernst­haf­tig­keit und da­mit den Rechts­miss­brauch ist der Ar­beit­ge­ber (BAG vom 13.10.2011 — 8 AZR 608/10, EzA § 15 AGG Nr. 16).

Tat­sa­chen, die Zwei­fel an der Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung des Klägers be­gründen hat die hierfür dar­le­gungs- und be­weis­pflich­ti­ge Be­klag­te nicht dar­ge­tan.
Der Kläger verfügt über ei­nen Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund, so dass er in­so­weit die ein­zi­ge, womöglich nicht dis­kri­mi­nie­ren­de Vor­aus­set­zung der Stel­len­an­zei­ge erfüllt und da­mit ob­jek­tiv ge­eig­net ist. Wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen sieht die Stel­len­an­zei­ge nicht vor.
Ins­be­son­de­re be­gründet das Stu­di­um des Klägers nicht die An­nah­me, die Be­wer­bung sei nicht ernst­lich ge­wollt, da der Kläger zum ei­nen für das le­dig­lich 18 mo­na­ti­ge Vo­lon­ta­ri­at hätte Ur­laubs­se­mes­ter in An­spruch neh­men können und zum an­de­ren auch nicht ge­hin­dert wäre, sein Stu­di­um ab­zu­bre­chen.
Un­er­find­lich bleibt, was ei­nen „Lang­zeit­stu­den­ten" für die Stei­le dis­qua­li­fi­ziert. Des­sen un­ge­ach­tet be­fand sich der Kläger zum Zeit­punkt sei­ner Be­wer­bung im 2. Stu­di­en­jahr und da­mit noch in der re­gulären Stu­di­en­dau­er ei­nes Psy­cho­lo­gie­stu­den­ten.

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2.
Auf­grund ih­res Un­ter­lie­gens hat die Be­klag­te gemäß § 91 ZPO die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.
Der Streit­wert war in Höhe der zu­ge­spro­che­nen Entschädi­gung fest­zu­set­zen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von d. Be­klag­ten Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss von ei­nem zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt oder ei­nem Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft bzw. ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung oder ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses sol­cher Verbände ein­ge­reicht wer­den.
Die Be­ru­fungs­schrift muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

bei dem

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg,
Mag­de­bur­ger Platz 1, 10785 Ber­lin ,

ein­ge­gan­gen sein.

Die Be­ru­fungs­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, so­wie die Erklärung ent­hal­ten, dass Be­ru­fung ge­gen die­ses Ur­teil ein­ge­legt wer­de.
Die Be­ru­fung ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

in glei­cher Form schrift­lich zu be­gründen.

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments im Sin­ne des § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te un­ter www.ber­lin.de/erv.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Da­bei ist zu be­ach­ten, dass das Ur­teil mit der Ein­le­gung in den Brief­kas­ten oder ei­ner ähn­li­chen Vor­rich­tung für den Pos­t­emp­fang als zu­ge­stellt gilt. Dies gilt nicht bei Zu­stel­lun­gen ge­gen Emp­fangs­be­kennt­nis gemäß § 174 ZPO.
Wird bei der Par­tei ei­ne schrift­li­che Mit­tei­lung ab­ge­ge­ben, dass das Ur­teil auf der Geschäfts­stel­le ei­nes Amts­ge­richts oder ei­ner von der Post be­stimm­ten Stel­le nie­der­ge­legt ist, gilt das Schriftstück mit der Ab­ga­be der schrift­li­chen Mit­tei­lung als zu­ge­stellt, al­so nicht erst mit der Ab­ho­lung der Sen­dung.
Das Zu­stel­lungs­da­tum ist auf dem Um­schlag der Sen­dung ver­merkt.
 


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Für d. Kläger/in ist kei­ne Be­ru­fung ge­ge­ben.


Von der Be­gründungs­schrift wer­den zwei zusätz­li­che Ab­schrif­ten zur Un­ter­rich­tung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­be­ten.

Wei­te­re Statt­haf­tig­keits­vor­aus­set­zun­gen er­ge­ben sich aus § 64 Abs.2 ArbGG. "Die Be­ru­fung kann nur ein­ge­legt wer­den,
a) wenn sie in dem Ur­teil zu­ge­las­sen wor­den ist,
b) wenn der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600 Eu­ro über­steigt,
c) in Rechts­strei­tig­kei­ten über das Be­ste­hen, das Nicht­be­ste­hen oder die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses oder
d) wenn es sich um ein Versäum­nis­ur­teil han­delt, ge­gen das der Ein­spruch an sich nicht statt­haft ist, wenn die Be­ru­fung oder An­schluss­be­ru­fung dar­auf gestützt wird, dass der Fall schuld­haf­ter Versäum­ung nicht vor­ge­le­gen ha­be."

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