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Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern ("Whistleblower") unterliegen der Mitbestimmung.
22.08.2008. Ethikrichtlinien haben Konjunktur. Immer mehr Arbeitgeber entwerfen umfangreiche betriebliche Verhaltensrichtlinien.
Sie schreiben Arbeitnehmern unter anderem vor, den Arbeitgeber über das Fehlverhalten anderer Mitarbeiter zu informieren. Solche Vorgaben zum "Verpfeifen" bzw. "Whistleblowing" betreffen das Ordnungsverhalten. Daher haben Betriebsräte hier ein Mitbestimmungsrecht.
Einzelne Regelungen, die der Mitbestimmung unterliegen, machen Ethik-Richtlinien aber nicht komplett mitbestimmungspflichtig. Die Frage nach der Mitbestimmungspflicht ist für jede Regelung gesondert zu prüfen: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.07.2008, 1 ABR 40/07.
- Muss der Arbeitgeber den Betriebsrat fragen, wenn er Regelungen zum "Verpfeifen" / "Whistleblowing" aufstellen will?
- Der Streitfall: Der "code of business conduct and ethics" des Konzerns Honeywell soll auch in Deutschland gelten
- BAG: Ethik-Regelungen unterliegen der Mitbestimmung in den Punkten, in denen es um die Betriebsordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb geht
Muss der Arbeitgeber den Betriebsrat fragen, wenn er Regelungen zum "Verpfeifen" / "Whistleblowing" aufstellen will?
Spätestens seit dem "Liebesverbot" von Wal Mart (vgl. Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2005, 10 TaBV 46/05) sind sie wieder verstärkt in den Blickwinkel der Öffentlichkeit gelangt: Ethik-Richtlinien, d.h. Verhaltenskodices für Mitarbeiter von Unternehmen. In einigen Staaten besteht die rechtliche Verpflichtung, diese einzuführen. In den USA ist das beispielsweise für börsennotierte Unternehmen durch den Sarbanes-Oxley Act vorgeschrieben. Dieses Gesetz wurde im Juli 2002 als Reaktion auf die damaligen Bilanzskandale (Enron, Worldcom) erlassen und sollte dazu beitragen, das Vertrauen der Anleger in die Richtigkeit von veröffentlichten Finanzdaten der Unternehmen wiederherzustellen.
Viele der in Ethik-Richtlinien geregelten Inhalte sind, zumindest aus deutscher Sicht, unproblematisch, wie etwa das Verbot sexueller Belästigungen oder das Verbot der Einnahme von Alkohol oder Drogen am Arbeitsplatz. Weniger selbstverständlich sind Regelungen zur Einrichtung von Hinweisgebersystemen - damit verbunden ist insbesondere die Pflicht, Interessenkonflikte und Fehlverhalten gegen den Kodex oder gegen Gesetze zu melden - sowie Regelungen zum Schutz der Hinweisgeber ("Whistleblowern").
Führt ein Unternehmen, beispielsweise die deutsche Tochter einer amerikanischen Konzernmutter, in Deutschland Ethik-Richtlinien ein, stellen sich stets zwei Fragen:
- Sind Regelungen enthalten, bei denen er Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat?
- Führen diese Regelungen dazu, dass die gesamte Richtlinie mitbestimmungspflichtig wird?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte kürzlich zu diesen beiden Problemkreisen zu entscheiden (Beschluss vom 22.07.2008, 1 ABR 40/07).
Der Streitfall: Der "code of business conduct and ethics" des Konzerns Honeywell soll auch in Deutschland gelten
Der amerikanische börsennotierte Konzern Honeywell, ein Hersteller von Luftfahrt-, Verteidigungs- und Gebäudetechnik, ist nach US-amerikanischem Recht dazu verpflichtet, einen "Code of business conduct and ethics" einzuführen. Er soll Regelungen enthalten zur Verhinderung von Interessenkonflikten sowie zum Umgang mit diesen, zur Verschwiegenheitspflicht, zu lauterem und fairem Geschäftsgebaren, zum Schutz von Unternehmenseigentum, zur Verpflichtung der Mitarbeiter zu gesetzeskonformem Verhalten und zur Ermutigung der Mitarbeiter, Gesetzes- und Kodexverstöße zu melden.
Im Jahr 2004 begann der Konzern weltweit mit der Einführung eines solchen Verhaltenskodexes. Er enthält unter anderem eine "Whistleblower"-Klausel, d.h. die an die Arbeitnehmer adressierte, sanktionsbewehrte Verpflichtung, Verstöße anderer Arbeitnehmer gegen den Kodex an die eingerichteten, unternehmensinternen Stellen zu melden. Schon die abstrakte Gefahr eines Verstoßes, beispielsweise aufgrund familiärer Verbundenheit, löst diese Meldepflicht aus.
Auch die deutsche Holding-Tochtergesellschaft, die spätere Beschwerdegegnerin, erhielt die Anweisung zur Einführung des Regelwerks. Deren Konzernbetriebsrat, der spätere Beschwerdeführer, war der Auffassung, ihm stünden dabei Mitbestimmungsrechte zu und leitete daher zur Klärung der Rechtslage ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren ein.
Das Arbeitsgericht Offenbach (Beschluss vom 24.11.2005, 3 BV 44/04) entschied, dass der Kodex mitbestimmungspflichtige Regelungen enthalte. Insbesondere die "Whistleblower"-Klausel sah es als solche an, ohne jedoch daraus die Mitbestimmungspflichtigkeit des Kodexes insgesamt abzuleiten. Die zweite Instanz, das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG), war in seiner Entscheidung (Beschluss vom 18.01.2007, 5 TaBV 31/06) anderer Auffassung. Die Meldepflicht könne nicht losgelöst vom Inhalt des zu Meldenden gesehen werden. Deshalb sei der gesamte Kodex mitbestimmungspflichtig.
BAG: Ethik-Regelungen unterliegen der Mitbestimmung in den Punkten, in denen es um die Betriebsordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb geht
Das BAG teilte - zumindest im Ergebnis - die Rechtsauffassung der ersten Instanz (Beschluss vom 22.07.2008, 1 ABR 40/07): Eine oder mehrere mitbestimmungspflichtige Regelungen, insbesondere eine Hinweispflicht wie die in der "Whistleblower"-Klausel verankerte, machen "Ethik-Richtlinien" nicht notwendigerweise insgesamt mitbestimmungspflichtig. Die Frage nach der Mitbestimmungspflicht ist für jede Regelung getrennt zu beurteilen.
Die Entscheidungsgründe liegen bisher nicht vor. Lediglich eine Pressemitteilung (Pressemitteilung Nr.58/08) wurde bisher veröffentlicht. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Argumentation des BAG in wesentlichen Punkten dem Gedankengang des ArbG Offenbach entspricht. Danach gilt Folgendes:
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 87 Abs.1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das sogenannte "Ordnungsverhalten". Nicht erfasst sind hingegen Vorgaben zum "Arbeitsverhalten", d.h. Konkretisierungen der vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht.
Die "Whistleblower"-Klausel geht über die bloße Regelung des Arbeitsverhaltens hinaus. Der Arbeitnehmer ist auf Grund seiner Treuepflicht zum Arbeitgeber lediglich gehalten, von ihm und von Kollegen konkret drohende Schäden abzuwenden, soweit dies möglich und zumutbar ist ("Schadensabwendungspflicht"). Die Klausel gebietet jedoch, schon bei der abstrakten Gefahr von Schäden Meldung zu erstatten. Zudem ist in der Klausel zusätzlich das Meldeverfahren selbst geregelt. Jedenfalls dieser Aspekt betrifft ausschließlich das (mitbestimmungspflichtige) Ordnungsverhalten.
Das BAG stellte zudem klar, dass ausländische Vorschriften, die für börsennotierte Unternehmen die Einführung von Ethik-Richtlinien vorsehen, Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG nicht ausschließen. Entgegen dem LAG ging das BAG offenbar auch davon aus, dass die Meldepflicht losgelöst von dem Inhalt der Meldung gesehen werden kann und hat daher ein Mitbestimmungsrecht am Kodex als Gesamtwerk verneint. In der ersten Instanz wurde dieser Ansatzpunkt nicht thematisiert. Die diesbezügliche Begründung des BAG muss daher abgewartet werden.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.07.2008, 1 ABR 40/07
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.01.2007, 5 TaBV 31/06
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarung
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Whistleblowing, Anzeige gegen den Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 18/124 Kein Konzernbetriebsrat bei ausländischer Konzernspitze
- Arbeitsrecht aktuell: 18/058 Mitarbeiterbefragung und Mitbestimmung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/188 Gesetzesentwurf für Whistleblower-Schutzgesetz
- Arbeitsrecht aktuell: 12/134 Mitbestimmung des Betriebsrates bei Mitarbeiterjahresgesprächen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/217 Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ethikrichtlinie im Konzern
- Arbeitsrecht aktuell: 11/175 Verpfeifen / Whistleblowing ohne Risiko einer Kündigung?
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 29. Mai 2018
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