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Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag: Nach­träg­li­che Ver­ein­ba­rung ei­ner Be­fris­tung

Die nach­träg­li­che Ver­ein­ba­rung ei­ner Be­fris­tung ist mög­lich - Ri­si­ken für Ar­beit­neh­mer: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 08.02.2010, 16 Sa 1032/09
Wanduhr
16.08.2010. Be­fris­te­te Ar­beits­ver­hält­nis­se sind nur beim "Erst­kon­takt" zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber oh­ne sach­li­chen Grund mög­lich. In al­len an­de­ren Fäl­len müs­sen -ernst­haf­te- Sach­grün­de wie Ver­tre­tung ei­nes an­de­ren Ar­beit­neh­mers oder vor­über­ge­hen­der Be­darf vor­lie­gen. Ent­schei­dend ist auch, in wel­cher Form die Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung vor­liegt. Nur ei­ne schrift­li­cher be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag, der vor Ar­beits­auf­nah­me un­ter­schrie­ben wur­de, ent­hält ei­ne form­wirk­sa­me Be­fris­tung.

Ar­beit­neh­mer, die zu­nächst nach münd­li­cher Ab­spra­che ih­re Ar­beit auf­neh­men, soll­ten sich da­her sehr gut über­le­gen, ob sie tat­säch­lich noch et­was un­ter­schrei­ben wol­len, was ihr un­ver­hofft un­be­fris­te­tes Ar­beits­ver­hält­nis doch wie­der be­fris­ten könn­te. Sonst er­geht es ih­nen wo­mög­lich wie der Klä­ge­rin in: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 08.02.2010, 16 Sa 1032/09.

Können Ar­beits­verträge nachträglich be­fris­tet wer­den?

Die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen Ar­beits­verträge be­fris­tet wer­den dürfen, sind im Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ge­re­gelt. Die be­kann­tes­te Form ist da­bei die ka­len­dermäßige Be­fris­tung (vgl. § 3 Abs.1 Tz­B­fG), bei der in al­ler Re­gel je­weils ein kon­kre­tes Da­tum für den Be­ginn und das En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­nannt wer­den.

Ei­ne ka­len­dermäßige Be­fris­tung ist in der Re­gel bis zu zwei Jah­re lang oh­ne ei­nen sach­li­chen Grund möglich, wenn zu­vor über­haupt kein Ar­beits­verhält­nis zu dem Ar­beit­ge­ber be­stan­den hat (§ 14 Abs.2 Tz­B­fG). Aus­nah­men gel­ten für Ar­beit­neh­mer ab 52 und nach Un­ter­neh­mens­gründun­gen.

Dau­ert das Ar­beits­verhält­nis länger oder wenn der Ar­beit­neh­mer vor­her schon für den Ar­beit­ge­ber tätig, dann muss für die Be­fris­tung ein sach­li­cher Grund vor­lie­gen (§ 14 Abs.1 Tz­B­fG). Das Tz­B­fG zählt nicht ab­sch­ließend auf, was sol­che Gründe sein können, son­dern nennt ei­ne gan­ze Rei­he von Bei­spie­len. Ne­ben der Ver­tre­tung ei­nes an­de­ren Ar­beit­neh­mers (z.B. während der El­tern­zeit) und der Haus­halts­mit­tel-Be­fris­tung ist die Be­fris­tung we­gen vorüber­ge­hen­den Be­darfs be­son­ders ver­brei­tet.

Egal ob ein Sach­grund benötigt wird oder nicht: Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ist nur dann wirk­sam, wenn sie die zi­vil­recht­li­che Schrift­form (§ 126 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB) einhält, d.h. grundsätz­lich müssen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber den glei­chen Ver­trag un­ter­schrei­ben (§ 14 Abs.4 Tz­B­fG), und zwar vor Ar­beits­be­ginn. Ist die Be­fris­tung un­wirk­sam, gilt der Ver­trag als von An­fang an un­be­fris­tet (§ 16 Tz­B­fG).

Es genügt al­so nicht, wenn der Ar­beit­ge­ber mit sei­nem Ar­beit­neh­mer zunächst münd­lich ei­nen be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag ver­ein­bart und bei­de dann später, nach Ar­beits­an­tritt, ei­nen schrift­li­chen Ver­trag mit dem glei­chen In­halt un­ter­schrei­ben. Denn hier soll­te mit den Un­ter­schrif­ten kein neu­er Ver­trag ent­ste­hen, son­dern nur der be­reits be­ste­hen­de (feh­ler­haft be­fris­te­te) schrift­lich fest­ge­hal­ten wer­den.

Das­sel­be gilt, wenn ein Ar­beit­ge­ber zunächst ei­nen Ar­beit­neh­mer münd­lich be­fris­tet "ins Boot" holt und ihm nach Ar­beits­auf­nah­me ei­nen Nach­weis nach dem Nach­weis­ge­setz (NachwG) über­gibt. Auch kommt kei­ner neu­er Ver­trag zu Stan­de, son­dern es wird le­dig­lich der be­reits be­ste­hen­de Ver­trag schrift­lich wie­der­ge­ge­ben.

Ob ei­ne Be­fris­tung wirk­sam ist oder nicht, ist je­doch nicht im­mer so ein­deu­tig zu be­ant­wor­ten wie in die­sen bei­den Fällen. Wie sieht die Si­tua­ti­on bei­spiels­wei­se aus, wenn ein ursprüng­lich münd­lich oh­ne Be­fris­tung ver­ein­bar­tes Ar­beits­verhält­nis später schrift­lich be­fris­tet wird, ob­wohl auch ei­ne un­be­fris­te­te Wei­ter­beschäfti­gung möglich ge­we­sen wäre? Die­sen durch­aus nicht un­ty­pi­schen Fall un­ter­such­te das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) in ei­ner Ent­schei­dung aus dem Fe­bru­ar 2010 (Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 08.02.2010, 16 Sa 1032/09).

Der Fall: Sai­son­ar­beit in ei­nem Er­leb­nis­camp

Ein ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein be­treibt un­ter an­de­rem ein Sport-, Na­tur- und Er­leb­nis­camp. Das Camp ist im Win­ter ge­schlos­sen. Gäste wer­den ab Win­te­r­en­de bis tief in den Herbst hin­ein emp­fan­gen. Im Jahr 2007 war in die­ser Ein­rich­tung vom 01.03.2007 bis 31.10.2007 ei­ne Rei­ni­gungs­kraft beschäftigt.

Die glei­che Rei­ni­gungs­kraft nahm im Fe­bru­ar 2008 das te­le­fo­ni­sche An­ge­bot an, Rei­ni­gungs­ar­bei­ten zu ver­rich­ten. Von ei­ner Be­fris­tung war (das war zwi­schen Rei­ni­gungs­fach­kraft und Ver­ein stets un­strei­tig) nicht die Re­de. AbMärz 2008 wur­de sie im Dienst­plan im Um­fang ei­ner ge­ringfügi­gen Beschäfti­gung ein­ge­teilt. Im Mai 2008 un­ter­zeich­ne­te sie ei­ne ihr von dem Ver­ein zu­ge­lei­te­te und be­reits un­ter­schrie­be­ne "Nie­der­schrift über ein ge­ringfügi­ges Beschäfti­gungs­verhält­nis" für die Zeit vom 01.03.2008 bis 30.11.2008.

Die­ser Zeit­raum ent­sprach den Öff­nungs­zei­ten des Camps im Jahr 2008.

Im Sep­tem­ber 2008 er­hob die Rei­ni­gungs­kraft Ent­fris­tungs­kla­ge. Sie ging da­von aus, seit Fe­bru­ar in ei­nem un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis beschäftigt zu sein und be­stritt, dass die Nie­der­schrift ein nachträgli­cher, d.h. neu­er, Ar­beits­ver­trag mit Be­fris­tung ist. Es sei pro­blem­los möglich, die Ar­beits­zei­ten oh­ne Ar­beits­an­fall durch ein Ar­beits­kon­to oder durch Ru­hen­las­sen des Ar­beits­verhält­nis­ses zu über­brücken.

Das Ar­beits­ge­richt gab ih­rer Kla­ge statt (Ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 05.02.2009, 3 Ca 381/08).
Dar­auf­hin leg­te der be­klag­te Ver­ein Be­ru­fung beim Hes­si­schen LAG ein.

Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt: Sai­son­ar­beit ist Grund für nachträglich Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses

Das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt gab der Be­ru­fung des Be­klag­ten statt und stell­te die Wirk­sam­keit der Be­fris­tung fest (Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 08.02.2010, 16 Sa 1032/09).

In sei­nen Ent­schei­dungs­gründen weist das Ge­richt zu Recht zunächst dar­auf hin, dass im­mer nur der zu­letzt ge­schlos­se­ne be­fris­te­te Ver­trag ge­richt­lich über­prüft wird. Das Ar­beits­verhält­nis aus dem Jahr 2007 war da­her ir­re­le­vant.

Die schrift­li­che Be­fris­tung im hier vor­lie­gen­den Fall, so das LAG wei­ter, un­ter­schei­det sich von Fällen deut­lich, in de­nen nur die be­reits ver­ein­bar­te Re­ge­lung schrift­lich fest­ge­hal­ten wird. Denn hier wur­de ei­ne von der ursprüng­li­chen Ver­ein­ba­rung ab­wei­chen­de Re­ge­lung, nämlich die Be­fris­tung, ge­trof­fen. Außer­dem wur­de das Schriftstück von Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber un­ter­schrie­ben. Des­halb sei die "Nie­der­schrift" trotz ih­res ir­reführen­des Ti­tels nicht nur ein Nach­weis nach dem Nach­weis­ge­setz, son­dern ein be­fris­te­ter Ver­trag.

Die Schrift­form war da­mit zwar ein­ge­hal­ten. Da es aber im Jahr 2007 und Fe­bru­ar 2008 be­reits an­de­re Ar­beits­verhält­nis­se gab, muss­te für die form­wirk­sam ver­ein­bar­te Be­fris­tung auch ein sach­li­cher Grund vor­lie­gen. Den sah das Ge­richt hier im vorüber­ge­hen­den Be­darf, der für Sai­son­be­trie­be - wie eben das Camp - ty­pisch ist.

Sch­ließlich nütz­te es der Kläge­rin auch nichts, dass al­ter­na­ti­ve, be­fris­te­te Ver­trags­ge­stal­tun­gen möglich wa­ren. Denn ei­ne Ent­fris­tungs­kla­ge dient nicht der Kon­trol­le, ob und in wel­cher Form an­de­re Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten denk­bar oder sinn­voll ge­we­sen wären (vgl. Bun­des­ar­beits­ge­richt - BAG, Ur­teil vom 11.02.2004, 7 AZR 362/03).

Fa­zit: Dreh- und An­gel­punkt der Ent­schei­dung ist die la­pi­da­re Fest­stel­lung, die "Nie­der­schrift" sei ein Ver­trag, weil das Schriftstück von bei­den Ver­trags­par­tei­en un­ter­schrie­ben wur­de und das Ge­schrie­be­ne vom münd­lich Ver­ein­bar­ten ab­weicht. Es ist aber all­ge­mein be­kannt, das Ar­beit­neh­mer in der Druck­si­tua­ti­on da­zu nei­gen, al­les zu un­ter­schrei­ben, was ih­nen vor­ge­legt wird. Ob die Rei­ni­gungs­fach­kraft hier die Reich­wei­te ih­rer Un­ter­schrift tatsächlich über­blickt hat und wirk­lich ei­nen neu­en Ar­beits­ver­trag ab­sch­ließen woll­te, dürf­te zu­min­dest zwei­fel­haft sein.

Ar­beit­neh­mer sind da­her gut be­ra­ten, sich nach Ar­beits­auf­nah­me nicht mehr oh­ne vor­he­ri­ge recht­li­che Be­ra­tung ir­gend­wel­che Un­ter­schrift ent­lo­cken zu las­sen. Stets soll­te Be­denk­zeit er­be­ten und si­cher­heits­hal­ber ein Rechts­an­walt ge­fragt wer­den. Viel­leicht er­in­nert sich der Ar­beit­neh­mer in die­ser Zeit bei­spiels­wei­se dar­an, dass ge­nau das, was man schrift­lich vor­ge­legt be­kommt hat, auch vor­her münd­lich ver­ein­bart wur­de und da­her kein neu­er Ver­trag un­ter­schrie­ben, son­dern nur der al­te schrift­lich fest­ge­hal­ten wird ... da aber auch hier recht­li­che Fall­stri­cke (ins­be­son­de­re ei­ne Kündi­gungsmöglich­keit) dro­hen, ist kom­pe­ten­ter Rechts­rat un­erläss­lich.

Trotz ih­rer Nie­der­la­ge in zwei­ter In­stanz ist die Kläge­rin übri­gens wei­ter kamp­fes­lus­tig. Sie leg­te beim BAG ei­ne Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de ein (Ak­ten­zei­chen 7 AZN 296/10). Ob sie er­folg­reich sein wird, ist schon aus sta­tis­ti­schen Gründen zwei­fel­haft - nur et­wa 10 % die­ser Be­schwer­den führen zur Zu­las­sung der Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt.

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Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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