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ARBEITSRECHT AKTUELL // 18/135

Ge­setz­li­che Kran­ken­kas­sen­bei­trä­ge wer­den wie­der pa­ri­tä­tisch

Ab 2019 sol­len Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer den Bei­trag zur Kran­ken­ver­si­che­rung wie­der zu glei­chen Tei­len zah­len: Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Bei­trags­ent­las­tung der Ver­si­cher­ten in der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung vom 06.06.2018
Chipkarten von Krankenversicherungen

06.06.2018. Das Bun­des­ka­bi­nett hat am 06.06.2018 den Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Ent­las­tung ge­setz­lich Kran­ken­ver­si­cher­ter be­schlos­sen.

Trei­ben­de Kraft hin­ter der Neu­re­ge­lung war an­schei­nend der neue Bun­des­mi­nis­ter für Ge­sund­heit, Jens Spahn, der dar­auf hin­ge­wirkt hat, dass der Bei­trag zur ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) wie­der pa­ri­tä­tisch, d.h. von Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer zu glei­chen Tei­len ge­zahlt wird.

Zu den Nutz­nie­ßern des Ge­set­zes sol­len ne­ben Ar­beit­neh­mern und Rent­nern auch Selbst­stän­di­ge und Zeit­sol­da­ten ge­hö­ren. Am 01.01.2019 soll es in Kraft tre­ten: Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Bei­trags­ent­las­tung der Ver­si­cher­ten in der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (Ver­si­cher­ten­ent­las­tungs­ge­setz (GKV-VEG)) vom 06.06.2018.

Ent­wick­lung der Bei­tragssätze in der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV)

Seit 2009 gibt es ei­nen ein­heit­li­chen Bei­trags­satz in der GKV. Er wur­de bei sei­ner Einführung ursprüng­lich auf 15,5 Pro­zent des Brut­to­lohns fest­ge­setzt, während der Wirt­schafts­kri­se 2009 auf 14,9 Pro­zent ge­senkt und im Jahr 2011 wie­der auf 15,5 Pro­zent an­ge­ho­ben. Seit 2014 beträgt er no­mi­nell 14,6 Pro­zent, al­ler­dings ver­bun­den mit dem Recht der Kran­ken­kas­sen zur Er­he­bung ei­nes (je nach Kran­ken­kas­se ver­schie­den ho­hen) Zu­satz­bei­trags.

Der GKV-Bei­trag wird schon lan­ge nicht mehr von Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern zu glei­chen Tei­len ge­tra­gen. Die über Jahr­zehn­te hin­weg hälf­ti­ge ("pa­ritäti­sche") Auf­tei­lung der Beiträge zur GKV wur­de nämlich im Jahr 2005 auf­ge­ge­ben und ein Son­der­bei­trag für Ar­beit­neh­mer in Höhe von 0,9 Pro­zent ein­geführt. Der Son­der­bei­trag von 0,9 Pro­zent wur­de als zusätz­li­cher Kos­ten­bei­trag zur Fi­nan­zie­rung von Zahn­er­satz ge­recht­fer­tigt.

Da­her tei­len sich Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber nur ei­nen Teil der Bei­trags­last in Höhe von 14,6 Pro­zent (= je­weils 7,3 Pro­zent). Die ge­sam­te Bei­trags­last für Ar­beit­neh­mer ist aber höher, denn er trägt zu sei­nen 7,3 Pro­zent seit 2014 noch den von sei­ner Kran­ken­kas­se ver­lang­ten Zu­satz­bei­trag.

Mit der Re­form der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung im Jah­re 2014 wur­de der Bei­trags­er­satz wie erwähnt auf 14,6 Pro­zent ge­senkt, al­so no­mi­nell um den Zu­satz­bei­trag der Ar­beit­neh­mer ver­min­dert (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 14/107 Re­form der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) 2014). Theo­re­tisch wur­den die Beschäftig­ten da­mit in Be­zug auf die So­zi­al­ver­si­che­rungs­ab­ga­ben ent­las­tet. Al­ler­dings wur­de den Kran­ken­kas­sen das Recht ein­geräumt, ei­nen vom Ar­beit­neh­mer zu tra­gen­den Zu­satz­bei­trag fest­zu­set­zen, der sich nach dem Fi­nanz­be­darf der je­wei­li­gen Kran­ken­kas­se rich­tet.

Der durch­schnitt­li­che Zu­satz­bei­trag in der GKV wird je­des Jahr vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ge­sund­heit be­rech­net und liegt ak­tu­ell (2018) bei 1,0 Pro­zent. Im Vor­jahr (2017) be­trug er so­gar 1,1 Pro­zent. Im Er­geb­nis hat der Zu­satz­bei­trag die Bei­trags­ent­las­tung, die die Re­form des Jah­res 2014 ei­gent­lich brin­gen soll­te, vollständig auf­ge­zehrt.

Ent­las­tung der ge­setz­lich Kran­ken­ver­si­cher­ten

In der Be­gründung des ak­tu­el­len Ge­setz­ent­wurfs heißt es, dass die gu­te wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung in den letz­ten Jah­ren mit ei­ner eben­so po­si­ti­ven Ent­wick­lung der Mit­glie­der­zah­len und Bei­trags­ein­nah­men der Kran­ken­kas­sen ein­her­ging. So­wohl der Ge­sund­heits­fonds, aus dem die Kran­ken­kas­sen Gel­der er­hal­ten, als auch vie­le Kran­ken­kas­sen selbst konn­ten er­heb­li­che Rück­la­gen auf­bau­en. Die sol­len nun den Ver­si­cher­ten zu­gu­te kom­men.

Da­her sol­len die Beiträge zur ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung künf­tig wie­der von Ar­beit­ge­bern und Beschäftig­ten zu glei­chen Tei­len ge­tra­gen wer­den. Das gilt auch für Rent­ner und die Ren­ten­ver­si­che­rung. Das be­deu­tet, dass der Zu­satz­bei­trag nicht mehr länger von den Ver­si­cher­ten al­lein über­nom­men wer­den muss, son­dern mit dem Ar­beit­ge­ber bzw. der Ren­ten­ver­si­che­rung ge­teilt wird.

Die pa­ritäti­sche Fi­nan­zie­rung des Zu­satz­bei­trags wer­de die Mit­glie­der ge­setz­li­cher Kran­ken­kas­sen jähr­lich um rund 6,9 Mil­li­ar­den Eu­ro ent­las­ten, heißt es in der Ent­wurfs­be­gründung. Dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ge­sund­heit zu­fol­ge müssen Ar­beit­neh­mer da­durch mo­nat­lich bis zu 38,00 EUR we­ni­ger Beiträge zah­len.

Für die Um­set­zung wird der § 249 Abs.1 Satz 1 Fünf­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB V) wie folgt geändert:

„Beschäftig­te, die nach § 5 Ab­satz 1 Num­mer 1 oder Num­mer 13 ver­si­che­rungs­pflich­tig sind, und ih­re Ar­beit­ge­ber tra­gen die nach dem Ar­beits­ent­gelt zu be­mes­sen­den Beiträge je­weils zur Hälf­te.“

Für Rent­ner wird § 249a SGB V ent­spre­chend an­ge­passt.

Ab­bau von Fi­nanz­re­ser­ven der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen

Um zu ver­hin­dern, dass die Kas­sen mit den ak­tu­ell ho­hen Überschüssen (zu) große Fi­nanz­re­ser­ven auf­bau­en, statt die Zu­satz­beiträge zu sen­ken oder zu­min­dest sta­bil zu hal­ten, soll es künf­tig ei­ne Höchst­gren­ze an Rück­la­gen ge­ben. Gemäß § 260 Abs.2 Satz 1 SGB V (neue Fas­sung) wird die­se Gren­ze ei­ne Mo­nats­aus­ga­be der je­wei­li­gen Kran­ken­kas­se be­tra­gen.

So­lan­ge die Rück­la­gen ei­ner Kran­ken­kas­se über der Höchst­gren­ze lie­gen, dürfen die Zu­satz­beiträge nicht erhöht wer­den. Zu­dem sol­len die über­stei­gen­den Mit­tel in­ner­halb der drei fol­gen­den Haus­halts­jah­re (bei In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zum 01.01.2019 al­so ab dem Haus­halts­jahr 2020) mit­tels Ab­sen­kung der Zu­satz­beiträge ab­ge­schmol­zen wer­den.

Es wird er­war­tet, dass die­se (mögli­chen) Bei­trags­sen­kun­gen ab 2020 die Ver­si­cher­ten um wei­te­re 500 bis 750 Mil­lio­nen Eu­ro jähr­lich ent­las­ten wer­den.

Bei­trags­schul­den aus un­geklärten Mit­glied­schaf­ten

Ein an­de­res The­ma der Ge­set­zes­re­form sind die sog. Bei­trags­schul­den. Sie wur­den von den Kran­ken­kas­sen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in er­heb­li­chem Maße an­gehäuft. Ein Großteil da­von sind auf sog. „un­geklärte pas­si­ve“ Mit­glied­schaf­ten zurück­zuführen.

Da die Mit­glied­schaft bei ei­ner Kran­ken­kas­se nur dann en­det, wenn der Ver­si­cher­te sei­nen Aus­tritt erklärt, be­ste­hen Mit­glied­schaf­ten auch dann fort, wenn das Mit­glied sich nicht ab­mel­det, al­ler­dings kei­ne Beiträge mehr zahlt und z.B. un­be­kannt ver­zo­gen ist. Das Kas­sen­mit­glied wird dann durch ei­ne ob­li­ga­to­ri­sche An­schluss­ver­si­che­rung (oAV) zum Höchst­bei­trag wei­ter­ver­si­chert.

Die Ver­si­che­rer sol­len künf­tig ih­re Mit­glie­der­bestände um die­se "un­geklärten Mit­glied­schaf­ten" und um die da­mit ver­bun­de­nen (no­mi­nel­len) Bei­trags­schul­den be­rei­ni­gen, um die­se auf ei­ne rea­lis­ti­sches Maß zu re­du­zie­ren. Fi­nan­zi­el­le Mit­tel, die die Kas­sen für die auf­zu­he­ben­den Mit­glied­schaf­ten aus dem Ri­si­ko­struk­tur­aus­gleich er­hal­ten ha­ben, müssen an den Ge­sund­heits­fonds zurück­ge­zahlt wer­den.

Bei­trags­be­mes­sungs­grund­la­ge für haupt­be­ruf­lich Selbstständi­ge

Auch haupt­be­ruf­lich Selbstständi­ge können sich un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen frei­wil­lig in der GKV ver­si­chern. Da­bei wer­den sie zur Be­rech­nung der Beiträge mit ei­nem Höchst­be­trag ein­ge­stuft, der der ak­tu­el­len Bei­trags­be­mes­sungs­gren­ze ent­spricht, d.h. ihr Ein­kom­men wird ak­tu­ell (2018) mit 4.425,00 EUR an­ge­setzt (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/249 Bei­trags­be­mes­sungs­gren­zen in der So­zi­al­ver­si­che­rung 2018).

Können Selbstständi­ge nach­wei­sen, dass ihr Ein­kom­men un­ter der Bei­trags­be­mes­sungs­gren­ze liegt, können sie mit ih­rem tatsächli­chen Ein­kom­men ein­ge­stuft wer­den. Da­bei ist je­doch die Min­dest­bei­trags­be­mes­sungs­grund­la­ge zu be­ach­ten, die der­zeit 75 Pro­zent der mo­nat­li­chen Be­zugs­größe ent­spricht (2018 = 2.283,75 Eu­ro). Die mo­nat­li­che Be­zugs­größe wird gem. § 18 SGB IV jähr­lich an­ge­passt und beträgt der­zeit 3.045 Eu­ro.

Da das mo­nat­li­che Ein­kom­men vie­ler Klein­selbstständi­ger noch un­ter­halb die­ses Min­dest­be­tra­ges liegt, sind die dar­aus re­sul­tie­ren­den Kas­sen­beiträge teil­wei­se über­for­dernd. Aus die­sem Grund sieht der Ge­setz­ent­wurf vor, dass die Min­dest­bei­trags­be­mes­sungs­grund­la­ge für haupt­be­ruf­lich Selbstständi­ge zum 01.01.2019 hal­biert wird, d.h. fort­an nur 37,5 Pro­zent der mo­nat­li­chen Be­zugs­größe (2018 = 1.141,88 Eu­ro) ent­spricht.

Der durch­schnitt­li­che Min­dest­bei­trag im Mo­nat beträgt dann 171,28 Eu­ro und be­deu­tet laut Ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um ei­ne mo­nat­li­che Ent­las­tung von bis zu 180 Eu­ro.

Zu­gang zur GKV für ehe­ma­li­ge Sol­da­ten auf Zeit

Sol­da­ten auf Zeit (SaZ) ha­ben während ih­rer Dienst­zeit ei­nen An­spruch auf freie Heilfürsor­ge, d.h. ei­ne kos­ten­lo­se trup­penärzt­li­che Ver­sor­gung. In die­ser Zeit sind sie nicht kran­ken­ver­si­che­rungs­pflich­tig.

So­bald das zi­vi­le Le­ben für die ehe­ma­li­gen Sol­da­ten wie­der be­ginnt, müssen Sie sich auch um ei­ne Kran­ken­ver­si­che­rung kümmern. Da­bei ist der Zu­gang zur ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung nur un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen möglich, et­wa bei Auf­nah­me ei­ner so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung oder wenn während der Dienst­zeit ei­ne ru­hen­de frei­wil­li­ge Mit­glied­schaft in der GKV be­stand. An­dern­falls sind die Sol­da­ten auf ei­ne Kom­bi­na­ti­on aus Bun­des­bei­hil­fe (70 Pro­zent) und pri­va­ter Kran­ken­ver­si­che­rung (30 Pro­zent) an­ge­wie­sen.

Sol­da­ten, die ih­re Dienst­zeit nach Voll­endung des 55. Le­bens­jah­res be­en­den, sind re­gelmäßig von der Ver­si­che­rungs­pflicht in der GKV aus­ge­schlos­sen (§ 6 Abs. 3a SGB V). Das be­deu­tet, für sie gibt es noch we­ni­ger Möglich­kei­ten für ei­nen Weg zurück in die GKV. Vie­le müssen sich des­halb bis ins Ren­ten­al­ter in ei­ner teu­re­ren pri­va­ten Kran­ken­kas­se ver­si­chern.

Der Ge­setz­ent­wurf sieht nun­mehr ei­ne Er­wei­te­rung der ge­ne­rel­len Zu­gangsmöglich­kei­ten zur GKV um ein neu­es, ein­heit­li­ches Bei­tritts­recht zur frei­wil­li­gen Ver­si­che­rung für ehe­ma­li­ge Sol­da­ten vor. Der An­spruch auf Bun­des­bei­hil­fe während des Er­halts von Über­g­angs­gebühr­nis­sen (= fi­nan­zi­el­le Un­terstützung für die Wie­der­ein­glie­de­rung in den zi­vi­len Ar­beits­markt) wird durch ei­nen Zu­schuss zu den Kran­ken­ver­si­che­rungs­beiträgen er­setzt.

Die Möglich­keit, sich nach Diens­ten­de ei­ner pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung an­zu­sch­ließen bleibt je­doch be­ste­hen.

Stim­men zur Re­form der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung

Be­son­ders schar­fe Kri­tik übte die Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Ar­beit­ge­ber­verbände (BDA) in ih­rer Pres­se­mit­tei­lung vom 06.06.2018. Die Ar­beit­ge­ber be­zeich­nen die Re­form als „Tief­schlag für Wett­be­werb, Wachs­tum und Beschäfti­gung“ und „größte Zu­satz­be­las­tung durch Lohn­zu­satz­kos­ten in der deut­schen So­zi­al­ge­schich­te“. Als Grund für die Ab­leh­nung gibt der BDA an, dass die Ar­beit­ge­ber durch die Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall be­reits jetzt mehr als die Hälf­te der Krank­heits­kos­ten tra­gen würden.

Ei­ne di­rek­te Ant­wort auf die Kri­tik der BDA gab der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund (DGB) in ei­ner Mit­tei­lung vom 14.06.2018. Dar­in hält der DGB da­ge­gen, dass die Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall „kei­ner­lei in­halt­li­chen Be­zug zur Fra­ge der pa­ritäti­schen Bei­trags­fi­nan­zie­rung“ ha­be. Zu­dem ha­be die Mehr­be­las­tung seit 2005 bei den Beschäftig­ten ge­le­gen, die durch die al­lei­ni­ge Fi­nan­zie­rung des Zu­satz­bei­tra­ges die jetzt vor­han­de­nen Rück­la­gen der Kas­sen auf­ge­baut hätten.

Zu­frie­den ist der Ge­werk­schafts­bund mit dem Ge­set­zes­vor­ha­ben den­noch nicht wirk­lich. So wird in der Mit­tei­lung kri­ti­siert, dass auch die Un­ter­neh­men durch mögli­che Bei­trags­sen­kun­gen pro­fi­tie­ren würden, dass die Maßnah­men zur Re­du­zie­rung von Bei­trags­schul­den zu kaum kal­ku­lier­ba­ren Be­las­tun­gen für die Kran­ken­kas­sen wer­den könn­ten und dass mit dem Ge­setz in die Bei­trags­satz­au­to­no­mie der Ver­si­che­rer ein­ge­grif­fen würde.

Die Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaf­ten (Ver.di) lob­ten in ei­ner Stel­lung­nah­me die Rück­kehr zur pa­ritäti­schen Fi­nan­zie­rung der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rungs­beiträge. Gleich­zei­tig zwei­fel­te die Ge­werk­schaft die Zu­kunftsfähig­keit der GKV an und for­der­te die Einführung ei­ner Bürger­ver­si­che­rung. Ein Ab­schmel­zen der Rück­la­gen der Kran­ken­kas­sen sei zu­dem nicht sinn­voll, be­vor die Kos­ten zur Fi­nan­zie­rung für die im Ko­ali­ti­ons­ver­trag fest­ge­leg­ten Ver­bes­se­run­gen der Ver­sor­gungs­qua­lität be­zif­fert wer­den könn­ten.

Do­ris Pfeif­fer, Vor­stands­vor­sit­zen­de des GKV-Spit­zen­ver­bands, sieht den Ab­bau der Fi­nanz­re­ser­ven eben­falls kri­tisch. Die Ge­stal­tung der Bei­tragssätze sol­le ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die zu er­war­ten­den Aus­ga­ben­stei­ge­run­gen in die­ser Le­gis­la­tur­pe­ri­ode Sa­che der Kran­ken­kas­sen blei­ben, wie Pfeif­fer be­reits im April im Ge­sund­heits­aus­schuss des Bun­des­tags be­ton­te.

Fa­zit

Das Ver­si­cher­ten­ent­las­tungs­ge­setz trägt sei­nen Na­men zu­recht. Auch wenn die Er­spar­nis des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers von bis zu 38 Eu­ro im Mo­nat ge­ring klin­gen mag, geht es doch um ein beträcht­li­ches Ge­samt­vo­lu­men von et­wa acht Mil­li­ar­den Eu­ro. Al­lein knapp sie­ben Mil­li­ar­den Eu­ro da­von ent­fal­len auf die Rück­kehr zur pa­ritäti­schen Fi­nan­zie­rung der GKV-Beiträge. Das be­deu­tet nicht nur, dass Beschäftig­te die Zu­satz­beiträge nicht länger al­lein tra­gen müssen, son­dern auch, dass sie von künf­ti­gen Erhöhun­gen nur noch zur Hälf­te be­trof­fen sind.

Stei­gen­de Zu­satz­beiträge sind in der na­hen Zu­kunft nicht zu er­war­ten, da die Kran­ken­kas­sen ver­pflich­tet wer­den, ih­re Rück­la­gen bis zu ei­nem ge­wis­sen Punkt ab­zu­schmel­zen, und zwar durch Bei­trags­sen­kun­gen oder durch das Ab­se­hen von Bei­trags­erhöhun­gen. Dass ho­he fi­nan­zi­el­le Rück­la­gen der Kas­sen auf Kos­ten der Bei­trags­zah­ler un­ter­bun­den wer­den sol­len, klingt im ers­ten Mo­ment sinn­voll. Es be­inhal­tet aber das Ri­si­ko, dass die Re­ser­ven für künf­ti­ge Vor­ha­ben zur Ver­bes­se­rung des Ge­sund­heits­sys­tems nicht aus­rei­chen. Be­reits für die­se Le­gis­la­tur­pe­ri­ode sind im Ko­ali­ti­ons­ver­trag zwi­schen SPD und CDU/CSU Maßnah­men ge­plant, die fi­nan­zi­el­le Mehr­be­las­tun­gen für die ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­run­gen vor­se­hen (z.B. das So­fort­pro­gramm im Pfle­ge-Be­reich).

Hin­sicht­lich der Be­rei­ni­gung der Mit­glie­der­bestände um un­geklärte Fälle ist frag­lich, ob da­mit tatsächlich nur Kar­tei­lei­chen aus den Büchern ge­stri­chen wer­den. Denn Ur­sa­che für die pas­si­ven Mit­glied­schaf­ten ist oft ei­ne ob­li­ga­to­ri­sche An­schluss­ver­si­che­rung bei feh­len­der Mit­wir­kung der Be­trof­fe­nen. Der Grund für die Einführung die­ses In­stru­ments in § 188 Abs. 4 SGB V im Jahr 2013 war die Gewähr­leis­tung ei­nes lücken­lo­sen Ver­si­che­rungs­schut­zes auch für je­ne, die sich nicht bei der Kran­ken­kas­se mel­den (Ge­setz zur Be­sei­ti­gung so­zia­ler Über­for­de­rung bei Bei­trags­schul­den in der Kran­ken­ver­si­che­rung). Da­bei han­delt es sich häufig um hilfs­bedürf­ti­ge und ob­dach­lo­se Men­schen. Dass in der Fol­ge ei­ne Viel­zahl die­ser Mit­glied­schaf­ten Bei­trags­schul­den anhäufen würden, war zwar ab­zu­se­hen, soll nun aber wie­der rückgängig ge­macht und für die Zu­kunft ver­mie­den wer­den.

Ins­ge­samt können Ar­beit­neh­mer und Ge­werk­schaf­ten zu­frie­den mit den ge­plan­ten Ent­las­tun­gen sein. Für Un­ter­neh­men und Kran­ken­kas­sen er­ge­ben sich zwar Mehr­be­las­tun­gen, doch dürf­ten die auf­grund der gu­ten Wirt­schafts­la­ge zu ver­schmer­zen sein. Zu­dem stärkt ein höhe­rer Net­to­lohn die Kauf­kraft, was die Bin­nen­nach­fra­ge und da­mit die Kon­junk­tur stärkt. Sch­ließlich pro­fi­tie­ren auch Klein­selbstständi­ge und Sol­da­ten von der Re­form. Ein Fra­ge­zei­chen ist nur bei den mögli­cher­wei­se zu ge­rin­gen Rück­la­gen der Kas­sen zu ma­chen.

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Letzte Überarbeitung: 2. August 2020

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