Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 05.12.2006, 6 Sa 450/06

   
Schlagworte: Tarifvertrag, Kündigungsfrist, Gleichbehandlung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Aktenzeichen: 6 Sa 450/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.12.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bamberg
   

6 Sa 450/06

1 Ca 1411/05 (Bam­berg)

Verkündet am 05. De­zem­ber 2006

 

Ur­teil

Aus­fer­ti­gung.

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT NÜRN­BERG

IM NA­MEN DES VOL­KES

in dem Rechts­streit

Die 6. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg hat durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg Vet­ter als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hal­ler und Beer auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 10.10.2006

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Bam­berg vom 22.03.2006, Az. 1 Ca 1411/05, wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt wird zu­ge­las­sen.

 

- 2 -

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten zu­letzt noch über die Wirk­sam­keit ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung von Kündi­gungs­fris­ten.

Der über 50-jähri­ge Kläger war seit 24.02.1975 bei der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten als Kfz-Me­cha­ni­ker beschäftigt. Im.— im Zu­ge des im April 1989 durch­geführ­ten Um­zugs von E, nach Hr — geänder­ten Ar­beits­ver­trag vom 01.04.1989 ist, so­weit vor­lie­gend von In­ter­es­se, fol­gen­des auf­geführt (An­la­ge zum Schrift­satz der Be­klag­ten­ver­tre­ter vom 09.12.2005, BI. 13 d.A.):

„1. Die Be­stim­mun­gen des re­gio­nal gel­ten­den Man­tel­ta­rif­ver­trags und Lohn­ta­rif­ver­trags für das Kraft­fahr­zeug­ge­wer­be sind in ih­rer je­weils letz­ten Fas­sung Be­stand­teil die­ses Ver­trags.

2. Der Ar­beit­neh­mer wird als KFZ-Me­cha­ni­ker u. Schlos­ser ein­ge­stellt und in Lohn­grup­pe VII ein­ge­stuft....

3. Wird das Ar­beits­verhält­nis nach Ab­lauf der Pro­be­zeit fort­ge­setzt, so gilt es als auf un­be­stimm­te Zeit be­gründet. Für die Kündi­gung gel­ten so­dann die ta­rif­ver­trag­lich vor­ge­se­he­nen Kündi­gungs­fris­ten...."

 

- 3 -

Mit Schrei­ben vom 29.05.1995 (An­la­ge zum Schrift­satz der Be­klag­ten­ver­tre­ter vom 14.03.2006, Bi. 50 f. d.A.) er­hielt der Kläger ei­nen Aus­zug aus dem Man­tel­ta­rif­ver­trag mit dem Hin­weis, dass hier­in die Kündi­gungs­fris­ten neu fest­ge­legt sei­en. Die Be­stim­mun­gen des vor­ge­leg­ten Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer und An­ge­stell­ten des Kraft­fahr­zeug­ge­wer­bes in Bay­ern. vom 07.02.1994 lau­ten in der Fas­sung vom 05.04.2004 wie folgt:

„Ziff. II Ein­stel­lun­gen und Kündi­gun­gen 1. ...

3.2. Kündi­gung

3.1 Die bei­der­sei­ti­ge Kündi­gungs­frist beträgt während der ers­ten 3 Mo­na­te ei­ner Beschäfti­gung 2 Wo­chen, während des vier­ten bis sechs­ten Beschäfti­gungs­mo­nats 4 Wo­chen, je­weils zum Schluss des Ka­len­der­mo­nats.

3.2 Nach 6 Mo­na­ten beträgt die bei­der­sei­ti­ge Kündi­gungs­frist 6 Wo­chen zum Schluss ei­nes Ka­len­der­mo­nats.

3.3 In Be­trie­ben/Be­triebsstätten mit in der Re­gel min­des­tens 20 Ar­beit­neh­mern (oh­ne Aus­zu­bil­den­de und mit­hel­fen­de Fa­mi­li­en­an­gehöri­ge) beträgt die Frist für ei­ne Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber bei ei­ner Be­triebs­zu­gehörig­keit von
5 Jah­ren 2 Mo­na­te,
8 Jah­ren 3 Mo­na­te,
10 Jah­ren 4 Mo­na­te,
12 Jah­ren 5 Mo­na­te,
15 Jah­ren 6 Mo­na­te,
20 Jah­ren 7 Mo­na­te,
je­weils zum En­de ei­nes Ka­len­der­mo­nats.

Auch in Be­trie­ben/Be­triebsstätten mit in der Re­gel we­ni­ger als 20 Ar­beit­neh­mern können länge­re Kündi­gungs­fris­ten ver­ein­bart wer­den.

Bei der Be­rech­nung der Be­triebs­zu­gehörig­keit wer­den Zei­ten vor der Voll­endung des 25.. Le­bens­jah­res nicht berück­sich­tigt.

Berück­sich­tigt wer­den je­doch auch die Aus­bil­dungs­jah­re im sel­ben Be­trieb nach dem 25. Le­bens­jahr."
Der Kläger be­zog zu­letzt ein Mo­nats­ge­halt von et­wa 2.700,- € brut­to. Die Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 14.11.2005 mit Wir-

 

- 4 -

kung zum 31.12.2005 mit der Be­gründung, der Be­trieb wer­de endgültig ge­schlos­sen.

Mit sei­ner am 02.12.2005 beim Ar­beits­ge­richt Bam­berg ein­ge­gan­ge­nen, der Be­klag­ten am 08.12.2005 zu­ge­stell­ten Kla­ge vorn 29.1.1.2005 hat der Kläger die Un­wirk­sam­keit der aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung gel­tend ge­macht. Er hat vor­ge­tra­gen, die Be­klag­te ha­be vor Aus­spruch der Kündi­gung kei­nes­wegs die.. endgülti­ge Ab­sicht zur Still­le­gung ge­habt; der Geschäftsführer ha­be viel­mehr ge­genüber der Pres­se zum Aus­druck ge­bracht, er hof­fe noch auf ei­ne Be­triebs­nach­fol­ge. Un­abhängig da­von sei die Kündi­gungs­frist nicht ein­ge­hal­ten. Es müss­ten die ge­setz­li­chen Kündi­gungs­fris­ten zur An­wen­dung kom­men, für ihn als 52-jähri­gen Ar­beit­neh­mer mit ei­ner Be­triebs­zu­gehörig­keit von mehr als 30 Jah­ren sie­ben Mo­na­te. Die Kündi­gung könne da­her al­len­falls zum 30.06.2006 Wir­kung ent­fal­ten; bis zu die­sem Zeit­punkt müsse die Be­klag­te das mo­nat­li­che Ent­gelt ein­ge­klagt wer­de zunächst das Ja­nu­a­rent­gelt zah­len. Selbst wenn der Ta­rif­ver­trag ei­ne der­art dras­ti­sche Verkürzung der Kündi­gungs­fris­ten für älte­re Ar­beit­neh­mer auf­wei­se, sei dies nicht wirk­sam.

Sei­ne ursprüng­li­che Auf­fas­sung, dass die Par­tei­en die An­wen­dung des zi­tier­ten Ta­rif­ver­trags nicht ver­ein­bart hätten, hat der Kläger zu­letzt nicht mehr auf­recht­er­hal­ten,

Der Kläger hat im Ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt da­her zu­letzt fol­gen­de Anträge ge­stellt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 14.11.2005 nicht zum 31.12.2005 auf­gelöst wor­den ist.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 2.700,- € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5%-Punk­ten über dem gülti­gen Ba­sis­zins­satz aus dem dar­aus ge­schul­de­ten Net­to­be­trag seit dem 01.02.2006 ZU be­zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

 

- 5 -

Sie hat vor­ge­tra­gen, die Be­triebs­stil­le­gung sei we­gen des Al­ters und schlech­ten Ge­sund­heits­zu­stan­des des Geschäftsführers so­wie we­gen der schlech­ten wirt­schaft­li­chen La­ge er­folgt. An der Gültig­keit der ta­rif­ver­trag­li­chen Kündi­gungs­fris­ten sei nicht zu zwei­feln. Ta­rif­verträge stell­ten ein Er­geb­nis aus Vor- und Nach­tei­len dar, das die Ta­rif­par­tei­en auf glei­cher. Au­genhöhe aus­ge­han­delt hätten. Die ei­genständi­ge Re­ge­lung von Kündi­gungs­fris­ten sei in § 622 Abs. 4 S. 2 BGB den Ta­rif­par­tei­en aus­drück­lich ge­stat­tet. Der Kläger ha­be auch die Vor­tei­le des Ta­rif­ver­tra­ges wie über­durch­schnitt­li­ches Ge­halt und zusätz­li­ches Ur­laubs- und Weih­nachts­geld über all die Jah­re in An­spruch ge­nom­men. Verlänger­te Kündi­gungs­fris­ten sei­en im Ta­rif­ver­trag für Klein­be­trie­be sie selbst ha­be in der Re­gel nicht mehr als zehn Ar­beit­neh­mer beschäftigt — nicht vor­ge­se­hen.

Der Kläger hat ein­ge­wandt, nach herr­schen­der Mei­nung müsse ein Ta­rif­ver­trag we­nigs­tens Ab­stu­fun­gen zwi­schen der Grundkündi­gungs­frist und den verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten für älte­re Ar­beit­neh­mer vor­se­hen, mit de­nen dem ge­setz­ge­be­ri­schen Ge­dan­ken zur Verlänge­rung der Kündi­gungs­frist für älte­re Ar­beit­neh­mer zu­min­dest ent­spre­chend Rech­nung ge­tra­gen wer­de.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit En­dur­teil vom 22.03.2006 ab­ge­wie­sen. Es hat dies im we­sent­li­chen da­mit be­gründet, nach dem Sach­vor­trag der Par­tei­en und der tatsächlich er­folg­ten Still­le­gung sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die Kündi­gung so­zi­al ge­recht­fer­tigt sei. Der Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Beschäftig­ten des Kfz-Ge­wer­bes in Bay­ern sei in zulässi­ger Wei­se pau­schal in Be­zug ge­nom­men wor­den. Die Ta­rif­par­tei­en hätten ei­ne zulässi­ge Re­ge­lung über die Gel­tung von Kündi­gungs­fris­ten ge­trof­fen. Hier­zu sei­en sie nach dem ein­deu­ti­gen Ge­set­zes­wort­laut, der den Ta­rif­par­tei­en um­fas­sen­de Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten ein­geräumt ha­be, auch be­fugt. Die Ta­rif­par­tei­en sei­en bei ei­ner ei­genständi­gen Re­ge­lung nicht ge­zwun­gen, sich am ge­setz­li­chen Leit­bild zu ori­en­tie­ren. Das Ar-

 

- 6 -

beits­verhält­nis sei da­her zum 31.12.2005 be­en­det wor­den, so dass auch der An­spruch auf Zah­lung des Ja­nu­ar­ge­halts nicht be­ste­he.

Das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts ist den Kläger­ver­tre­tern aus­weis­lich ih­res Emp­fangs­be­kennt­nis­ses am 23.05.2006 zu­ge­stellt wor­den (BL 67 d.A.). Der Kläger hat mit Schrift­satz sei­ner Ver­tre­ter vom 19.06.2006, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen am 21.06.2006, Be­ru­fung ein­ge­legt. Er hat die­se Be­ru­fung mit am 21.07.2006 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz vom 19.07.2006 be­gründet.

Der Kläger hat in der Be­ru­fung nicht mehr be­strit­ten, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung vom 14.11.2005 be­en­det wor­den sei; er ver­tritt aber wei­ter die Auf­fas­sung, dass die Be­en­di­gungs­wir­kung erst zum 30.06.2006 ein­ge­tre­ten sei. Er hat sei­nen An­trag in der Ver­hand­lung vom 10.10.2006 ent­spre­chend geändert. Der Kläger be­zieht sich wei­ter­hin auf die auch von Spil­ger im Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum Kündi­gungs­recht ver­tre­te­ne Auf­fas­sung, dass die Ta­rif­par­tei­en zwar die Kündi­gungs­fris­ten für älte­re Ar­beit­neh­mer verkürzen dürf­ten; sie dürf­ten sie aber nicht gänz­lich ab­schaf­fen und auf die Grundkündi­gungs­frist re­du­zie­ren. Das­sel­be er­ge­be sich aus dem Ur­teil des LAG Hamm vom 02.07.1970, wel­ches aus­geführt ha­be, ein Ab­stand zur Re­gel­frist müsse stets ge­wahrt sein. Die­se Ent­schei­dung sei vom Bun­des­ar­beits­ge­richt mit Ur­teil vom 05.08.1971 bestätigt wor­den. Die­se Auf­fas­sung wer­de et­wa auch von Wie­de­mann und Ha­nau gestützt. Hin­ter­grund sei, dass es die älte­ren Ar­beit­neh­mer we­sent­lich schwe­rer hätten, ei­nen neu­en Ar­beits­platz zu fin­den. Hier­durch sol­le durch die verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten we­nigs­tens teil­wei­se ein Aus­gleich ge­schaf­fen wer­den. Die Ta­rif­par­tei­en hätten sich an die­sem ge­setz­li­chen Leit­bild zu ori­en­tie­ren. Wen­de man die ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen an, ver­s­toße dies auch ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, weil der Kläger als langjährig beschäftig­ter älte­rer Ar­beit­neh­mer nicht an­ders be­han­delt wer­de als ein jun­ger und nur ganz kurz beschäftig­ter Kol­le­ge.

 

- 7 -

Der Kläger stellt als Be­ru­fungskläger da­her in der Be­ru­fungs­in­stanz —. un­ter Zurück­nah­me des ursprüng­lich wei­ter­ge­hen­den An­trags fol­gen­de Anträge:

1. Das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Bam­berg vom 22.03.2006 wird auf­ge­ho­ben.

11. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 14.11.2005 nicht mit Wir­kung zum 31.12.2005, son­dern erst zum 30.06.2006 auf­gelöst wor­den ist.

III. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 2.700,- € brut­to nebst 5 Pro­zent­punk­ten über dem gülti­gen Ba­sis­zins­satz aus dem dar­aus ge­schul­de­ten Net­to­be­trag seit dem 01.02.2006 zu zah­len.

IV. Die Be­klag­te trägt die. Kos­ten des Rechts­streits.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt, die Be­ru­fung kos­ten­pflich­tig zurück­zu­wei­sen.

Sie hält die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts für zu­tref­fend. Sie führt aus, die von der Be­klag­ten auf­geführ­ten Zi­ta­te bezögen sich auf § 622 BGB al­te Fas­sung. Die­se Auf­fas­sung sei nach der Neu­re­ge­lung in § 622 Abs. 4 BGB nicht mehr ver­tret­bar. Der Ge­setz­ge­ber ha­be viel­mehr ge­ra­de klar­ge­stellt, dass jeg­li­che Ab­wei­chung bei den Kündi­gungs­fris­ten zulässig sei. Der Kläger ha­be auch die Vergüns­ti­gun­gen des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges (Voll­text als An­la­ge zur Be­ru­fungs­er­wi­de­rung, BI. .103 ff. d.A.) in An­spruch ge­nom­men; er müsse auch die Nach­tei­le, die der Ta­rif­ver­trag ent­hal­te, in Kauf neh­men.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den Tat­be­stand des Erst­ur­teils vom 22.03.2006 (BI. 60 ff. d.A.), die Nie­der­schrift über die münd­li­che Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt vom 10.10.2006 (BI. 134 ff. d.A.) und die

 

- 8 -

zwi­schen den Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

 

 

- 9 -

Ent­schei­dungs­gründe:

I.

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist statt­haft, weil sie sich ge­gen ein ar­beits­ge­richt­li­ches Ur­teil rich­tet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Hin­sicht­lich des Fest­stel­lungs­an­tra­ges ist ein Be­schwer­de­wert nicht er­for­der­lich (§ 64 Abs. 2 c) ArbGG). Der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des über­steigt ins­ge­samt 600,- Eu­ro (§ 64 Abs. 2 b) ArbGG). Die Be­ru­fung ist auch in der ge­setz­li­chen Form und Frist ein­ge­legt und
be­gründet wor­den (§§ 64 Abs. 6 S..1 ArbGG, 519, 520 WO, 66 Abs. 1 5. 1, S. 2 ArbGG).

II.

Die Be­ru­fung ist je­doch nicht be­gründet. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts er­weist sich auch hin­sicht­lich der Kündi­gungs­frist — über die Be­rech­ti­gung der Kündi­gung als sol­che war man­gels ent­spre­chen­der Be­ru­fung nicht mehr zu be­fin­den — als rich­tig. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fungs­kam­mer folgt den sorgfälti­gen Erwägun­gen des Ar­beits­ge­richts, de­nen sie sich in vol­lem Um­fang an­sch­ließt, so dass auf ei­ne er­neu­te, nur wie­der­ho­len­de Dar­stel­lung ver­zich­tet wer­den kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hin­blick auf die in der Be­ru­fung von den Par­tei­en vor­ge­tra­ge­nen Ar­gu­men­te noch hin­zu­zufügen:

1. Der An­spruch des Klägers auf An­wen­dung der ge­setz­li­chen Kündi­gungs­fris­ten er­gibt sich nicht dar­aus, dass die Ta­rif­par­tei­en ver­pflich­tet wären, für länger beschäftig­te Ar­beit­neh­mer ge­genüber den Grundkündi­gungs­fris­ten länge­re Kündi­gungs­fris­ten fest­zu­le­gen.

 

- 10 -

a. Da­bei hat die Be­ru­fungs­kam­mer nach dem vom Kläger nun­mehr zu­ge­stan­de­nen Sach­vor­trag da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en die Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich der Kündi­gungs­fris­ten durch Ver­trag vom 01.02.1989 auf ei­ne neue. Grund­la­ge ge­stellt ha­ben. Sie ha­ben übe­rein­stim­mend erklärt, die­se rich­te­ten sich ins­ge­samt nach den Be­din­gun­gen der Ta­rif­verträge für die Be­trie­be des Kraft­fahr­zeug­ge­wer­bes. Sie ha­ben, was dem vor­ge­leg­ten schrift­li­chen Ver­trags­text und dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 29.05.1995 (a.a.O., BI. 50 f. d.A.) ent­spricht, auch erklärt, dass die Ver­wei­sung auf den ge­sam­ten, von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Man­tel­ta­rif­ver­trag er­folgt sei, dass des­sen Be­stim­mun­gen ins­ge­samt auf das Ar­beits­verhält­nis an­ge­wandt wor­den sind. Da­mit hat die Kam­mer, wor­auf schon das Ar­beits­ge­richt hin­ge­wie­sen hat, von ei­ner nach § 622 Abs. 4 S. 2 BGB wirk­sa­men Ver­ein­ba­rung der zi­tier­ten ta­rif­li­chen Kündi­gungs­be­stim­mun­gen aus­zu­ge­hen.

b. Mit Recht hat das Ar­beits­ge­richt dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich aus dem Wort­laut des § 622 Abs. 4 BGB kein An­halts­punkt für die Pflicht der Ta­rif­par­tei­en, ei­ne be­stimm­te Re­ge­lung zu tref­fen, er­gibt. Der Ge­setz­ge­ber hat mit die­ser um­fas­sen­den Re­ge­lung im Jahr 1993 klar­ge­stellt, dass „von den Absätzen 1 bis 3 ab­wei­chen­de" Re­ge­lun­gen durch die Ta­rif­part­ner ge­trof­fen wer­den können, und zwar auch in Be­zug auf War­te­zei­ten und Kündi­gungs­ter­mi­ne. Die amt­li­che Be­gründung zum Re­gie­rungs­ent­wurf (ab­ge­druckt in RdA 1993, 170 ff.) lau­tet hier­zu:

„Nach Ab­satz 4 Satz 1 kann von den Re­ge­lun­gen über die Grundkündi­gungs­frist (Ab­satz 1), die verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten (Ab­satz 2) und die Kündi­gungs­frist während der Pro­be­zeit (Ab­satz 3) auch zu­un­guns­ten des Ar­beit­neh­mers durch Ta­rif­ver­trag ab­ge­wi­chen wer­den. Be­reits nach gel­ten­dem Recht sind die Grundkündi­gungs­fris­ten und die Kündi­gungs­fris­ten während der Pro­be­zeit für Ar­bei­ter und An­ge­stell­te so­wie die verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten für Ar­bei­ter dis­po­si­tiv. Das ent­spricht dem prak­ti­schen Bedürf­nis nach Re­ge­lun­gen, die die Be­son­der­hei­ten ein­zel­ner Wirt­schafts­be­rei­che oder Beschäfti­gungs­grup­pen berück­sich­ti­gen. In­so­weit lässt die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung der Kündi­gungs­fris­ten auch die be­ste­hen­den ab­wei­chen­den Ta­rif­re­ge­lun­gen un­berührt. Als Kon­se­quenz aus der Ver­ein­heit­li­chung der Kündi­gungs­fris­ten für Ar­bei­ter und An­ge­stell­te gilt die Ta­riföff­nung künf­tig auch für die verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten für An­ge­stell­te, die der­zeit nach dem Ge­setz über die Fris­ten für die Kündi­gung von An­ge­stell­ten von 1926 nicht ta­rif­dis­po­si­tiv sind. Es kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en — wie bis­her von der Möglich­keit ab­wei­chen­der ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen un­ter aus­rei­chen­der Berück­sich­ti­gung der Schutz­in­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer Ge­brauch ma­chen. Im Ver­gleich zur ge­genwärti­gen Fas­sung des § 622 Abs. 3 BGB be­zieht sich die For­mu­lie­rung der Ta­riföff­nungs­klau­se! nicht nur aus-

 

- 11 -

drück­lich auf die Re­ge­lung der Kündi­gungs­fris­ten, son­dern schließt ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen so­wohl hin­sicht­lich der Kündi­gungs­fris­ten und der Kündi­gungs­ter­mi­ne als auch der Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen der An­spruch auf verlänger­te Kündi­gungs­fris­ten ent­steht (Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit, Be­rech­nung der Be­triebs­zu­gehörig­keit ab ei­nem be­stimm­ten Le­bens­al­ter) ein. Während nach herr­schen­der Mei­nung die Nich­terwähnung des Be­griffs „Kündi­gungs­ter­min" in der jet­zi­gen Fas­sung des § 622 Abs. 3 BGB le­dig­lich auf ei­nem Re­dak­ti­ons­ver­se­hen be­ruht, be­ste­hen zu­min­dest nach An­sicht des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. Ur­teil vom 29. Au­gust 1991, 2 AZR 220/91) Zwei­fel dar­an, ob ge­genwärtig auch ei­ne vom Ge­setz ab­wei­chen­de ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung der für die verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten maßgeb­li­chen War­te­zei­ten (Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit) zulässig ist. Die gewähl­te For­mu­lie­rung „von den Absätzen 1 bis 3 ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen" stellt klar, dass auch die­se Ab­wei­chung ge­meint ist."

Die­se Be­gründung zeigt, dass es ge­ra­de der Wil­le des Ge­setz­ge­bers im Jahr 1993 war, den Ta­rif­par­tei­en die Re­ge­lung der Kündi­gungs­fris­ten vollständig zu über­las­sen. Da­zu gehört auch, wann und un­ter wel­chen Uniständen ei­ne verlänger­te Kündi­gungs­frist für länger beschäftig­te Ar­beit­neh­mer ein­zu­hal­ten ist.

c. So­weit sich der Kläger zur Be­gründung sei­ner Auf­fas­sung auf das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 05,08.1971 be­ruft (2 AZR 276/70, AP Nr. 10 zu § 622 BGB), er­scheint dies als nicht über­zeu­gend. Das BAG beschäftigt sich mit der in­zwi­schen über­hol­ten — Neu­fas­sung im Jahr 1969. Es hat sei­ne Ent­schei­dung ent­schei­dend auf das Verhält­nis der zum 01.09.1969 Wirk­sam­keit er­lan­gen­den Ge­set­zesände­rung 1969 zu da­mals be­reits be­ste­hen­den Ta­rif­nor­men gestützt. Es hat fest­ge­stellt, dass nach der Über­g­angs­vor­schrift in Art. 6 Abs. .2 des Ers­ten Ar­beits­rechts­be­rei­ni­gungs­ge­set­zes durch Be­schränkung der Über­g­angs­re­ge­lung auf Satz 1 in § 622 Abs. 2 BGB in der Fas­sung von 1969 klar­ge­stellt sei, dass die Kündi­gungs­fris­ten in schon bis­her gel­ten­den Ta­rif­verträgen nur bei Grundkündi­gungs­fris­ten An­wen­dung fänden, wenn sie ge­genüber der neu­en ge­setz­li­chen Re­ge­lung kürzer sei­en; ta­rif­lich schon früher ver­ein­bar­te, ge­genüber dem neu­en Ge­setz kürze­re Kündi­gungs­fris­ten für länger beschäftig­te Ar­beit­neh­mer sei­en da­ge­gen nicht mehr an­zu­wen­den. Ei­ne Äußerung da­hin­ge­hend, Ta­rif­verträge könn­ten die Kündi­gungs­fris­ten für länger beschäftig­te Ar­beit­neh­mer in An­se­hung des neu-

 

- 12 -

en Ge­set­zes nicht ganz an­ders re­geln oder gar be­sei­ti­gen, lässt sich der Ent­schei­dung nicht ent­neh­men.

Die in der ge­setz­li­chen Über­g­angs­vor­schrift zum Aus­druck kom­men­de Un­ter­schei­dung zwi­schen den Grundkündi­gungs­fris­ten und den Kündi­gungs­fris­ten für länger beschäftig­te Ar­beit­neh­mer er­scheint auch als lo­gisch nach­voll­zieh­bar. Durch die ge­nann­te Ge­set­zesände­rung wur­den sol­che verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten für länger beschäftig­te ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer erst als zwin­gend ein­geführt Die­se ge­setz­li­che. Wer­tent­schei­dung konn­te den Ta­rif­part­nern bei schon früher ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträgen nicht gewärtig sein. Den Ta­rif­part­nern soll­te — und nur die­ser In­halt lässt sich aus dem vom Kläger zi­tier­ten letz­ten Ab­schnitt der Ent­schei­dungs­gründe ent­neh­men — durch die Be­schränkung der Über­g­angs­vor­schrift auf­ge­ge­ben wer­den, „der ge­setz­lich zum Aus­druck kom­men­den Ten­denz.... durch neue Ta­rif­verträge im. Rah­men des je­wei­li­gen Ge­wer­be­zwei­ges Rech­nung" zu tra­gen. Dies be­deu­tet ei­ne Ob­lie­gen­heit der Ta­rif­part­ner, ei­ne Neu­re­ge­lung in An­se­hung der neu­en ge­setz­ge­be­ri­schen Wer­tent­schei­dung zu tref­fen. Ei­ne Ein­schränkung der Ta­rif­au­to­no­mie für sol­che un­ter An­se­hung der 1969 neu ge­schaf­fe­nen ge­setz­li­chen Re­ge­lung kann die Kam­mer hier­in nicht er­ken­nen.

Wie­de­mann führt dem­zu­fol­ge in sei­ner An­mer­kung zu die­ser Ent­schei­dung (Anm. in AP, a.a.O.) auch aus, es sei „be­mer­kens­wert, dass der Se­nat auf die ... Ar­gu­men­ta­ti­on ... des LAG Hamm" nicht ein­ge­gan­gen sei, dass nämlich von dem Prin­zip, dass älte­ren Ar­beit­neh­mern auch ei­ne verlänger­te Kündi­gungs­frist zu­ge­bil­ligt wer­den müsse, auch ta­rif­ver­trag­lich nicht ab­ge­wi­chen wer­den dürfe. Wie­de­mann meint aber den­noch, die ta­rif­li­chen Kündi­gungs­fris­ten müss­ten „gleich­wer­ti­gen" Schutz vor­se­hen. Der Ab­stand der Kündi­gungs­fris­ten des Sat­zes 2 jetzt .§ 622 Abs. .2 BGB — von der. Re­gel­frist müsse er­hal­ten blei­ben.

Dem kann nicht zu­ge­stimmt wer­den. Ab­ge­se­hen da­von, dass ei­ne sol­che Bin­dung der Ta­rif­par­tei­en nach „Leit­idee des Ge­setz­ge­bers" nur

 

- 13 -

schwer prak­ti­ka­bel wäre, kommt die­ser Ge­dan­ke in der im Jahr 1969 ge­trof­fe­nen ge­setz­li­chen Re­ge­lung in kei­ner Wei­se zum Aus­druck. Al­len­falls die vom Ge­setz­ge­ber gewähl­te For­mu­lie­rung „kürze­re ... Kündi­gungs­fris­ten", al­so nicht Ter­mi­ne und War­te­zei­ten, die man mögli­cher­wei­se als Ein­schränkung in­ter­pre­tie­ren konn­te, könn­te auf ei­nen ent­spre­chen­den Wil­len hin­deu­ten — da­zu würde man die Kon­struk­ti­on, dass die Ta­rif­par­tei­en nicht von der ge­setz­li­chen „Leit­idee" ab­wei­chen dürf­ten, aber nicht benöti­gen. Ge­ra­de die­sen Wort­laut hat der Ge­setz­ge­ber durch die zi­tier­te Neu­re­ge­lung des Jah­res 1993 aber aus­drück­lich in dem Sin­ne geändert, dass ei­ne sol­che Ein­schränkung nicht ge­meint sei. Im übri­gen spricht ne­ben der bei ei­ner sol­chen Lösung be­ste­hen­den Rechts­un­si­cher­heit — es blie­be un­klar, was den Ta­rif­part­nern im ein­zel­nen er­laubt oder ver­bo­ten wäre, wie auch Wie­de­mann einräumt — nichts dafür, dass ei­ne sol­che „un­ge­schrie­be­ne" Ein­schränkung der. Be­fug­nis­se der Ta­rif­par­tei­en vom Ge­setz­ge­ber be­ab­sich­tigt war, auch und ge­ra­de im Hin¬blick .auf die den Ta­rif­par­tei­en zu­ste­hen­de. Ta­rif­au­to­no­mie.

Sch­ließlich muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass dem Ge­setz­ge­ber die Auf­fas­sung des LAG Hamm und die ab­wei­chen­den Auf­fas­sun­gen in der Li­te­ra­tur Wie­de­mann, a.a.O., ei­ner­seits, Ri­char­di ZfA 1971, 73 ff. an­de­rer­seits — bei der um­fas­sen­den Neu­re­ge­lung im Jahr 1993 be­kannt ge­we­sen sind. Er hat die Neu­re­ge­lung im Jahr 1993 ge­ra­de zu die­sem Punkt aber ge­trof­fen, oh­ne ei­ne sol­che Ein­schränkung zu nor­mie­ren oder — et­wa in der Be­gründung zum Ge­setz­ent­wurf — auch nur auf die­se mögli­che Ein­schränkung hin­zu­wei­sen. Auch dies spricht ge­gen den Wil­len des Ge­setz­ge­bers zur „un­ge­schrie­be­nen" Ein­schränkung der Ta­rif­au­to­no­mie.

d. Die Kam­mer folgt den vom Kläger zi­tier­ten ab­wei­chen­den Auf­fas­sun­gen ins­be­son­de­re KR-Spil­ger, Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum Kündi­gungs­recht, 7, Aufl.. 2004, § 622 BGB Rn. 214 mit wei­te­ren Nach­wei­sen — da­her nicht. Sie schließt sich viel­mehr den­je­ni­gen Au­to­ren an, die ei­ne sol­che Ein­schränkung nicht er­ken­nen (vgl. ins­be­son­de­re Linck in Ascheid/

 

- 14 -

Preis/Schmidt, Kündi­gungs­recht, 2. Aufl. 2004, § 622 BGB Rn. 113; Müller-Gläge in ErfKomm., 7. Aufl. 2007, § 622 BGB Rri. 42 f.; Müller-Glöge in Fest­schrift für Schaub, München, 1998, S. 497 ff.; Er­man-Bel­ling, BGB, 11. Aufl. 2004, § 622 Rn. 12 f.; Preis in. Stahl­ha­cke/Preis/Vos­sen, Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis, 9. Aufl. 2005, Rn. 524 ff.; Wie­de­mann, TVG, 6. Aufl. 1999, § 1 .Rn. 543 ff.; Linck in Schaub, Ar­beits­rechts­hand­buch, 11. Aufl. 2005,.§ 124 Rn, 45; Pa­landt-Wei­den­kaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 622 Rn. 20; Wank, NZA 1993, 961, 965; Bau­er/Renn­pferdt, AR-Blat­tei SD Kündi­gung V Rn. 42 ff.). Die Ta­rif­par­tei­en sind in ih­rer Ge­stal­tungs­macht auch hin­sicht­lich länge­rer Kündi­gungs­fris­ten nicht ein­ge­schränkt.

e. Die­se Ta­rif­au­to­no­mie gilt erst recht an­ge­sichts des­sen, dass die Ta­rif­par­tei­en im vor­lie­gen­den Ta­rif­ver­trag nicht ein­fach die verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten pau­schal für al­le Ar­beit­neh­mer be­sei­tigt ha­ben. Sie ha­ben viel­mehr ei­ne dif­fe­ren­zier­te Re­ge­lung ge­trof­fen, ha­ben so­wohl hin­sicht­lich der Grundkündi­gungs­frist als auch hin­sicht­lich verlänger­ter Kündi­gungs­fris­ten ei­genständi­ge Re­ge­lun­gen fest­ge­legt. Sie ha­ben al­ler­dings die­se verlänger­ten Re­ge­lun­gen nur für Be­trie­be mit min­des­tens 20 Beschäftig­ten ge­trof­fen. Da­bei war ih­nen die Tat­sa­che, dass es in sol­chen Klein­be­trie­ben bei der Grundkündi­gungs­frist ver­blieb — dies zeigt der Zu­satz „in Be­trie­ben/Be­triebsstätten mit we­ni­ger als 20 Ar­beit­neh­mern können länge­re Kündi­gungs­fris­ten ver­ein­bart wer­den" auch be­wusst; die Dif­fe­ren­zie­rung war von ih­nen ge­wollt. Die Ar­gu­men­ta­ti­on mit der „ge­setz­li­chen Leit­idee", wel­che ein Ab­se­hen von verlänger­ten Fris­ten ver­bie­te, trifft auf den vor­lie­gen­den in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­ver­trag da­her gar nicht zu.

2. An­de­res er­gibt sich auch nicht aus dem Gleich­be­hand­lungs­grund­satz des Art. 3 GG, an den auch die Ta­rif­par­tei­en ge­bun­den sind. Die Ta­rif­par­tei­en ha­ben hier zwi­schen klei­ne­ren Be­trie­ben mit bis zu 20 Ar­beit­neh­mern und größeren Be­trie­ben dif­fe­ren­ziert. Sie ha­ben al­ler­dings mit der Bei­be­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist von sechs Wo­chen zum Schluss ei­nes Ka­len­der­mo-

 

- 15 -

nats von vorn­her­ein ei­ne ge­genüber der ge­setz­li­chen Re­ge­lung länge­re Grundkündi­gungs­frist und hier­durch ei­nen wei­ter­ge­hen­den Schutz für die. Ar­beit­neh­mer. ge­schaf­fen. Die Dif­fe­ren­zie­rung nach der Be­triebs­größe be­geg­net un­ter Berück­sich­ti­gung der Einschätzungs­präro­ga­ti­ve der Ta­rif­par­tei­en und ih­rem wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raum kei­nen Be­den­ken. Auch der Ge­setz­ge­ber hat in § 622 Abs. 5 S..1 Nr. 2 BGB -- al­ler­dings für die Grundkündi­gungs­frist — selbst auf das Größen­maß von zwan­zig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern ab­ge­stellt, Er hat da­mit selbst zum Aus­druck ge­bracht, dass in Klein­be­trie­ben ein Bedürf­nis an fle­xi­ble­ren Re­ge­lun­gen be­ste­hen kann. Der Ge­setz­ge­ber dif­fe­ren­ziert zu­guns­ten der Klein­be­trie­be auch in an­de­ren Vor­schrif­ten, et­wa im Hin­blick auf das Ein­grei­fen des Kündi­gungs­schut­zes erst ab ei­ner be­stimm­ten Be­triebs­größe (§ 23 KSchG).. Die­se Dif­fe­ren­zie­rung ist vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­drück­lich ge­bil­ligt wor­den (Be­schluss vom 27.01.1998, 1 BvL 15/87, EzA § 23 KSchG Nr. 17). Auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt weist aus­drück­lich dar­auf hin, dass es „nicht ernst­haft zu be­zwei­feln" sei, dass sich beim Klein­be­triebs­in­ha­ber die durch das KSchG her­bei­geführ­te Ein­schränkung der Ver­trags­frei­heit persönlich und fi­nan­zi­ell stärker aus­wir­ken kann als beim In­ha­ber. ei­nes Mit­tel- oder Großbe­trie­bes (Ur­teil vom 19.04.1990, 2 AZR 487/89, EzA § 23 KSchG Nr, 8). Auf wei­te­re Dif­fe­ren­zie­run­gen, in de­nen der Ge­setz­ge­ber die Not­wen­dig­keit zu fle­xi­ble­ren und we­ni­ger be­las­te­ten Re­ge­lun­gen in Klein­be­trie­ben ab­stellt - et­wa § 99 Abs. 1 oder § 111 ff. Be­trVG — sei hin­ge­wie­sen. Die Kam­mer kann kei­nen Grund dafür er­ken­nen, dass die­se vom Ge­setz­ge­ber selbst gewähl­te Dif­fe­ren­zie­rung den Ta­rif­par­tei­en ver­bo­ten wäre. Vie­les spricht dafür, dass auch im Be­reich des Kraft­fahr­zeug­ge­wer­bes, in dem viel­fach Klein­be­trie­be exis­tie­ren, von den Ta­rif­par­tei­en ein star­kes Bedürf­nis für Fle­xi­bi­lität die­ser Klein­be­trie­be auch im Hin­blick auf die Möglich­keit, bei Kon­junk­tur­schwan­kun­gen auch hin­sicht­lich länger Beschäftig­ter ei­ne schnel­le­re Tren­nung her­beiführen zu können, oh­ne die Exis­tenz des Be­trie­bes zu gefähr­den, er­kannt und berück­sich­tigt wor­den ist.

Un­abhängig da­von kann die Kam­mer nicht er­ken­nen, wel­che Re­ge­lung die Ta­rif­par­tei­en ge­trof­fen hätten, wäre die Dif­fe­ren­zie­rung tatsächlich gleich-

 

- 16 -

heits­wid­rig. Nach dem Vor­trag der .Par­tei­en ist nicht ein­mal klar, in wel­chem Um­fang die Re­ge­lun­gen für klei­ne Be­trie­be un­ter 20 Ar­beit­neh­mern und für größere Be­trie­be im Kfz-Ge­wer­be zum Tra­gen kom­men. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer liegt es nicht fern, dass es in die­sem Ge­wer­be weit mehr Klein-als Großbe­trie­be gibt. Es er­scheint als frag­lich, ob ei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes in ei­nem sol­chen Fall da­zu führen würde, dass die für die große Mehr­heit der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Re­ge­lun­gen un­wirk­sam wären.

3. Nach all­dem ist das Ar­beits­verhält­nis zum 31.12.2005 be­en­det wor­den. Dem Kläger steht auch die Vergütung für Ja­nu­ar 2006 nicht mehr zu. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts er­weist sich als rich­tig, so dass die Be­ru­fung — so­weit sie auf­recht­er­hal­ten wor­den ist zurück­zu­wei­sen ist.

4. Der Kläger, Be­ru­fungskläger, hat die Kos­ten sei­nes er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on ist ver­an­lasst we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung im Hin­blick auf die Viel­zahl mögli­cher be­trof­fe­ner Ar­beits­verhält­nis­se.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil kann vorn Kläger Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

 

- 17 -

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat nach der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils beim Bun­des­ar­beits­ge­richt, Hu­go-Preuß-Platz .1, 99084 Er­furt (Te­le­fax-Nr. 0361/2636.— 20 00) ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich be­gründet wer­den.

Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

Vet­ter Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hal­ler Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

Beer Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter
 

 

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 6 Sa 450/06