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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 17.08.2011, 5 AZR 251/10

   
Schlagworte: Annahmeverzug, Weiterbeschäftigung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 251/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.08.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bielefeld, Urteil vom 13.05.2009, 6 Ca 2276/07
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.02.2010, 8 Sa 1395/09
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


5 AZR 251/10
8 Sa 1395/09
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

17. Au­gust 2011

UR­TEIL

Rad­t­ke, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te, An­schluss­be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungskläger, An­schluss­be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,


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hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. Au­gust 2011 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dr. Müller-Glöge, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Laux, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Biebl so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Zol­ler und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Röth-Ehr­mann für Recht er­kannt:


1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 11. Fe­bru­ar 2010 - 8 Sa 1395/09 - auf­ge­ho­ben, so­weit es der Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Schlus­s­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bie­le­feld vom 13. Mai 2009 - 6 Ca 2276/07 - statt­ge­ge­ben hat, und die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen.


2. Der Kläger hat die Kos­ten des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über An­nah­me­ver­zugs­ansprüche für die Zeit vom 11. Au­gust bis zum 31. De­zem­ber 2007.

Der Kläger war seit 1996 als Ver­pa­ckungs­ent­wick­ler bei der Be­klag­ten zu ei­ner Mo­nats­vergütung von zu­letzt 5.200,00 Eu­ro brut­to beschäftigt. Dem Kläger war ein Dienst­wa­gen zur pri­va­ten Nut­zung über­las­sen.

Mit Schrei­ben vom 15. Mai 2006 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis zum 30. Sep­tem­ber 2006 we­gen der Al­ko­ho­lerkran­kung des Klägers. Das Ar­beits­ge­richt stell­te mit Ur­teil vom 5. Ju­ni 2007 die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung fest und ver­ur­teil­te die Be­klag­te zur vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers als Ver­pa­ckungs­ent­wick­ler zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen.
 


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Nach­dem der Kläger mit Schrift­satz vom 24. Ju­li 2007 die Zwangs­voll­stre­ckung aus dem Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel be­an­tragt hat­te, teil­te ihm die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 2. Au­gust 2007 mit:

„Sehr ge­ehr­ter Herr H,

das Ar­beits­ge­richt Bie­le­feld hat mit Ur­teil vom 5.6.2007 fest­ge­stellt, dass die von uns aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung un­wirk­sam ist. Gleich­zei­tig wur­den wir ver­ur­teilt, Sie bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Ver­fah­rens wei­ter­zu­beschäfti­gen.


Sie ha­ben in­zwi­schen durch ih­ren An­walt Voll­stre­ckungs­maßnah­men an­ge­droht.

Aus­sch­ließlich zur Ver­mei­dung der Zwangs­voll­stre­ckung sind wir be­reit, Sie ur­teils­gemäß tatsächlich wei­ter­zu­beschäfti­gen. Die Wei­ter­beschäfti­gung er­folgt nur bis zum Ta­ge der Ent­schei­dung des LAG, da wir da­von aus­ge­hen, dass die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Bie­le­feld auf­ge­ho­ben wird.


Die Vergütung er­folgt aus­sch­ließlich nach den ar­beits­recht­li­chen Re­geln der er­zwun­ge­nen Wei­ter­beschäfti­gung.

Wir for­dern Sie hier­mit auf, am 07.08.2007 um 10:00 Uhr bei Herrn Dr. S zu er­schei­nen. Er wird ih­nen dann Ih­ren Ar­beits­platz zu­wei­sen.“

Dar­auf­hin erklärte der Kläger mit Schrift­satz vom 6. Au­gust 2007 den Zwangs­geld­an­trag für er­le­digt. Mit Fax­schrei­ben vom 7. Au­gust 2007 teil­te er der Be­klag­ten mit, er wer­de an die­sem Tag nicht um 10:00 Uhr er­schei­nen, um sich sei­nen Ar­beits­platz zu­wei­sen zu las­sen. Mit Schrift­satz vom 20. Au­gust 2007 ließ er vor­tra­gen, er sei zum Zeit­punkt des er­le­di­gen­den Er­eig­nis­ses ar­beits­wil­lig, aber - un­strei­tig - vom 2. bis zum 10. Au­gust 2007 ar­beits­unfähig krank ge­we­sen. Die Ar­beit nahm er nicht auf.

Mit Schrei­ben vom 28. Au­gust 2007 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich krank­heits­be­dingt zum 31. De­zem­ber 2007. Hier­ge­gen er­hob der Kläger Kündi­gungs­schutz­kla­ge.



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Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wies durch Ur­teil vom 29. Ja­nu­ar 2008 die Be­ru­fung der Be­klag­ten hin­sicht­lich des Kündi­gungs­schutz­an­trags be­tref­fend die Kündi­gung vom 15. Mai 2006 zurück und gab ihr hin­sicht­lich des Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trags statt.

Das Ar­beits­ge­richt stell­te mit Teil­ur­teil vom 21. Mai 2008 die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 28. Au­gust 2007 fest und ver­ur­teil­te die Be­klag­te er­neut zur vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung und zur Zah­lung rest­li­cher Vergütung. Am En­de des Kam­mer­ter­mins vor dem Ar­beits­ge­richt am 21. Mai 2008 for­der­te die Be­klag­te den Kläger zur Wei­ter­ar­beit auf. Dar­auf­hin be­rief sich der Kläger erst­mals auf ein Zurück­be­hal­tungs­recht we­gen rückständi­ger Vergütung. Die Be­klag­te leg­te nur hin­sicht­lich der Zah­lungs­ansprüche Be­ru­fung ein. Der Kläger nahm die Ar­beit wie­der­um nicht auf und kündig­te selbst das Ar­beits­verhält­nis zum 30. Ju­ni 2010.


Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­klag­te ha­be sich im An­nah­me­ver­zug be­fun­den. Die Wie­der­auf­nah­me der Ar­beit sei nicht zu­mut­bar ge­we­sen.


Der Kläger hat - so­weit in der Re­vi­si­on von In­ter­es­se - be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 25.327,22 Eu­ro brut­to abzüglich er­hal­te­nen Ar­beits­lo­sen­gelds iHv. 9.909,58 Eu­ro nebst Zin­sen zu zah­len.


Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und Leis­tungs­un­wil­lig­keit des Klägers ein­ge­wandt. Im Übri­gen ha­be er durch die Nicht­auf­nah­me der Ar­beit böswil­lig sei­ne Er­werbs­ob­lie­gen­heit ver­letzt.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Zah­lungs­kla­ge für den noch strei­ti­gen Zeit­raum ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ihr auf die Be­ru­fung des Klägers statt­ge­ge­ben. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt die Be­klag­te die Zurück­wei­sung der Be­ru­fung des Klägers.
 


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Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Be­ru­fung des Klägers zu Un­recht statt­ge­ge­ben. Das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend er­kannt, dass der Kläger für die Zeit vom 11. Au­gust bis zum 31. De­zem­ber 2007 kei­ne Zah­lun­gen be­an­spru­chen kann.


I. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Zah­lung von Vergütung gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Die Be­klag­te be­fand sich nicht im An­nah­me­ver­zug, denn der Kläger war in der streit­be­fan­ge­nen Zeit nicht leis­tungs­wil­lig, § 297 BGB.


1. Die in § 297 BGB nicht aus­drück­lich ge­nann­te Vor­aus­set­zung der Leis­tungs­wil­lig­keit folgt dar­aus, dass ein leis­tungs­un­wil­li­ger Ar­beit­neh­mer sich selbst außer Stan­de setzt, die Ar­beits­leis­tung zu be­wir­ken. Der sub­jek­ti­ve Leis­tungs­wil­le ist ei­ne von dem Leis­tungs­an­ge­bot und des­sen Ent­behr­lich­keit un­abhängi­ge Vor­aus­set­zung, die während des ge­sam­ten Ver­zugs­zeit­raums vor­lie­gen muss (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2003 - 5 AZR 591/02 - zu B I der Gründe, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 5; 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).


2. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist der An­wen­dungs­be­reich des § 297 BGB nicht auf den Fall be­schränkt, in dem der Ar­beit­neh­mer be­reits vor ei­ner Kündi­gung leis­tungs­un­wil­lig war. Die Nicht­auf­nah­me ei­ner vom Ar­beit­ge­ber an­ge­bo­te­nen Beschäfti­gung kann nicht nur zur An­rech­nung böswil­lig nicht er­ziel­ten Ver­diens­tes gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG führen. Viel­mehr kann sie den An­nah­me­ver­zug des Ar­beit­ge­bers gänz­lich ent­fal­len las­sen (BAG 13. Ju­li 2005 - 5 AZR 578/04 - BA­GE 115, 216; Münch­KommBGB/Hens­s­ler 5. Aufl. § 615 Rn. 42; ErfK/Preis 11. Aufl. § 615 BGB Rn. 47; aA Bo­em­ke JuS 2006, 287, 288; KR/Spil­ger 9. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24). Die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­me­ne Ein­gren­zung lässt sich we­der dem Wort­laut noch dem Sinn und Zweck des § 297 BGB ent­neh­men. § 297 BGB be­stimmt schlicht, dass der Gläubi­ger dann nicht in
 


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Ver­zug kommt, wenn der Schuld­ner außer­stan­de ist (oder sich außer­stan­de ge­setzt hat), die Leis­tung zu be­wir­ken. Dies gilt un­abhängig da­von, ob ei­ne Kündi­gung sei­tens des Gläubi­gers aus­ge­spro­chen wor­den ist oder nicht. § 297 BGB lässt den An­nah­me­ver­zug im Fall der Leis­tungs­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers ent­fal­len und ist auch in die­sem An­wen­dungs­be­reich nicht auf die Leis­tungs­unfähig­keit vor ei­ner Kündi­gung be­schränkt. Der Rück­schluss auf ei­nen feh­len­den Leis­tungs­wil­len anläss­lich der Nicht­auf­nah­me ei­ner vom Ar­beit­ge­ber an­ge­bo­te­nen Ar­beit lässt den An­wen­dungs­be­reich der § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 2 KSchG nicht ent­fal­len. Er ist nur dann zulässig, wenn der Ar­beit­neh­mer ein An­ge­bot des Ar­beit­ge­bers ab­lehnt, das trotz Auf­recht­er­hal­tung der Kündi­gung auf ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen ge­rich­tet und des­sen An­nah­me auch sonst zu­mut­bar ist. Bei ei­ner rei­nen An­rech­nung bleibt es hin­ge­gen, wenn ent­we­der das böswil­li­ge Un­ter­las­sen ei­nes Zwi­schen­er­werbs bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber oder als Selbständi­ger in Re­de steht oder die Beschäfti­gungsmöglich­keit bei dem Ar­beit­ge­ber be­steht, der sich mit der An­nah­me der Diens­te in Ver­zug be­fin­det (BAG 24. Sep­tem­ber 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 2 b der Gründe, BA­GE 108, 27; 16. Ju­ni 2004 - 5 AZR 508/03 - BA­GE 111, 123) und die­ser ei­ne zwar nicht ver­trags­gemäße, je­doch gleich­wohl zu­mut­ba­re Beschäfti­gung (vgl. BAG 7. Fe­bru­ar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 16, BA­GE 121, 133) an­ge­bo­ten hat.


3. Der Ar­beit­ge­ber hat dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, dass der Ar­beit­neh­mer zur Leis­tung ob­jek­tiv außer­stan­de oder sub­jek­tiv nicht zur Leis­tung be­reit ist. Dies er­gibt sich aus der Fas­sung des § 297 BGB (zum feh­len­den Leis­tungs­wil­len, BAG 6. No­vem­ber 1986 - 2 AZR 744/85 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 13b Nr. 4; zum Un­vermögen, 23. Ja­nu­ar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; 5. No­vem­ber 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Der Leis­tungs­wil­le ist ei­ne in­ne­re Tat­sa­che. Dass ei­ne Par­tei ei­ne in­ne­re Tat­sa­che zu be­wei­sen hat und die Führung die­ses Be­wei­ses Schwie­rig­kei­ten be­rei­tet, führt nicht zur Be­weis­last­um­kehr, son­dern zur Mo­di­fi­zie­rung der Dar­le­gungs­last. Wen­det der Ar­beit­ge­ber feh­len­den Leis­tungs­wil­len des Ar­beit­neh­mers im An­nah­me­ver­zugs­zeit­raum ein, reicht es aus, dass er In­di­zi­en vorträgt, aus de­nen hier­auf
 


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ge­schlos­sen wer­den kann. In Be­tracht kommt ins­be­son­de­re die Nicht­auf­nah­me der Ar­beit nach er­folg­rei­chem Be­trei­ben der Zwangs­voll­stre­ckung aus ei­nem Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel. Hat der Ar­beit­ge­ber sol­che In­di­zi­en vor­ge­tra­gen oder sind sie un­strei­tig, ist es Sa­che des Ar­beit­neh­mers, die­se In­dizwir­kung zu erschüttern. Trägt er da­zu nichts vor, gilt die Be­haup­tung des Ar­beit­ge­bers, der Ar­beit­neh­mer sei während des Ver­zugs­zeit­raums leis­tungs­un­wil­lig ge­we­sen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zu­ge­stan­den (vgl. BAG 5. No­vem­ber 2003 - 5 AZR 562/02 - aaO).


4. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat of­fen ge­las­sen, ob der Kläger im Kla­ge­zeit­raum leis­tungs­wil­lig war. Doch be­le­gen be­reits die un­strei­ti­gen Tat­sa­chen, dass der Leis­tungs­wil­le des Klägers fehl­te.


a) Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 5. Ju­ni 2007 die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 15. Mai 2006 fest­ge­stellt und auf An­trag des Klägers die Be­klag­te zur vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers als Ver­pa­ckungs­ent­wick­ler zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen ver­ur­teilt. Nach­dem der Kläger mit Schrift­satz vom 24. Ju­li 2007 die Zwangs­voll­stre­ckung aus dem Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel be­an­tragt hat­te, erklärte die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 2. Au­gust 2007 ih­re Be­reit­schaft, den Kläger „ur­teils­gemäß“ zu beschäfti­gen, und for­der­te ihn zur Ar­beits­auf­nah­me auf. Mit Fax­schrei­ben vom 7. Au­gust 2007 teil­te der Kläger der Be­klag­ten je­doch oh­ne nähe­re Be­gründung mit, er wer­de an die­sem Tag nicht er­schei­nen, um sich sei­nen Ar­beits­platz zu­wei­sen zu las­sen.


Wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat, be­inhal­te­te das An­ge­bot der Be­klag­ten ei­ne tatsächli­che Wei­ter­beschäfti­gung als Ver­pa­ckungs­ent­wick­ler bei un­veränder­ten Be­din­gun­gen. Die­ses An­ge­bot war dem Kläger schon des­halb zu­mut­bar, weil er durch die Er­wir­kung des Ti­tels so­wie die ein­ge­lei­te­te Zwangs­voll­stre­ckung selbst die Zu­mut­bar­keit ei­ner „ur­teils­gemäßen“ Wei­ter­beschäfti­gung zu er­ken­nen ge­ge­ben hat­te. An­ge­sichts der ein­ge­lei­te­ten Zwangs­voll­stre­ckung aus dem er­strit­te­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel hätte der Kläger kon­kret be­gründen müssen, war­um ihm die Wei­ter­beschäfti­gung nicht mehr zu­mut­bar war (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2003 - 5 AZR
 


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500/02 - zu II 3 b cc der Gründe, BA­GE 108, 27). An der Be­reit­schaft der Be­klag­ten zur ur­teils­gemäßen Beschäfti­gung hat­te - sei­ner­zeit - of­fen­bar auch der Kläger kei­ne Zwei­fel. An­sons­ten hätte er nicht erklärt, dass sich der Zwangs­geld­an­trag durch das Schrei­ben der Be­klag­ten vom 2. Au­gust 2007 „er­le­digt“ ha­be und der zunächst zulässi­ge und be­gründe­te Voll­stre­ckungs­an­trag un­be­gründet ge­wor­den sei, weil die Be­klag­te be­gon­nen ha­be, das Wei­ter­beschäfti­gungs­ur­teil „zu ach­ten“. Der Kläger ist dem An­ge­bot nicht nach­ge­kom­men.


b) Der Kläger hat kei­ne Umstände vor­ge­tra­gen, die die In­dizwir­kung der ge­nann­ten Tat­sa­chen erschüttern.

aa) Der Kläger war zwar am 7. Au­gust 2007 ar­beits­unfähig. Je­doch hat er die­sen vorüber­ge­hen­den Hin­de­rungs­grund zunächst gar nicht be­nannt und auch mit Schrift­satz vom 20. Au­gust 2007 nur erklären las­sen, dass er zum Zeit­punkt des er­le­di­gen­den Er­eig­nis­ses ar­beits­wil­lig, vom 2. bis zum 10. Au­gust 2007 ar­beits­unfähig ge­we­sen sei. An­stal­ten zu ei­ner Ar­beits­auf­nah­me hat er trotz zwi­schen­zeit­li­cher Ge­ne­sung wei­ter­hin nicht ge­macht, ob­wohl das An­ge­bot der Be­klag­ten zeit­lich un­be­fris­tet war.

bb) Der Leis­tungs­wil­le ist nicht zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt wie­der ein­ge­tre­ten. Der Kläger hat kei­ne Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, wel­che den Schluss zu­ließen, dass er nach Ab­leh­nung des Wei­ter­beschäfti­gungs­an­ge­bots sei­nen Leis­tungs­wil­len zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt vor Ab­lauf des 31. De­zem­ber 2007 wie­der­her­ge­stellt ha­be (vgl. BAG 13. Ju­li 2005 - 5 AZR 578/04 - BA­GE 115, 216). Es ist nicht er­kenn­bar, dass die im Lau­fe des Rechts­streits zur Un­zu­mut­bar­keit der Tätig­keit nach­ge­scho­be­nen Gründe im Zu­sam­men­hang mit sei­nem Leis­tungs­wil­len im Kla­ge­zeit­raum stan­den.


(1) Der Kläger hat nicht vor­ge­tra­gen, dass er die an­ge­bo­te­ne Beschäfti­gung we­gen der Ein­stel­lung ei­nes wei­te­ren Ver­pa­ckungs­ent­wick­lers nicht auf­ge­nom­men ha­be. Der Kläger hat we­der dar­ge­legt, wann er von der „Dop­pel­be­set­zung“ Kennt­nis er­lang­te, noch dass er im Kla­ge­zeit­raum über­haupt von sei­ner Ver­set­zung iSd. § 95 Abs. 3 Be­trVG aus­ge­hen muss­te und die Wei­ter-
 


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beschäfti­gung oh­ne Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats gemäß § 99 Abs. 1 Be­trVG für un­zu­mut­bar er­ach­tet hat­te. Zwar han­delt der Ar­beit­neh­mer nicht böswil­lig iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn er ei­ner oh­ne Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats aus­ge­spro­che­nen Ver­set­zung kei­ne Fol­ge leis­tet (vgl. BAG 7. No­vem­ber 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 2 c cc der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1). Je­doch hat der Kläger die­sen an­geb­li­chen Un­zu­mut­bar­keits­grund erst im Ver­lauf des Rechts­streits über die An­nah­me­ver­zugs­vergütung nach­ge­scho­ben. Von ei­ner feh­len­den Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zu ei­ner ge­plan­ten Ver­set­zung ist in kei­nem bis zum 31. De­zem­ber 2007 ein­ge­reich­ten Schrift­satz des Klägers die Re­de. Hätte der Kläger da­mals an­ge­nom­men, dass sei­ner Wei­ter­beschäfti­gung ir­gend­wel­che Hin­de­rungs­gründe „aus der Sphäre der Be­klag­ten“ ent­ge­genstünden, wäre auch kein Raum für ei­ne Er­le­di­gungs­erklärung ge­we­sen. Zu­dem konn­te der Kläger nicht da­von aus­ge­hen, dass er über­haupt ver­setzt oder ver­trags­wid­rig ha­be beschäftigt wer­den sol­len.


(2) Der Aus­spruch der Fol­gekündi­gung vom 28. Au­gust 2007 be­legt kei­ne Wie­der­her­stel­lung des Leis­tungs­wil­lens des Klägers. Im Übri­gen galt das An-ge­bot der Be­klag­ten trotz des Aus­spruchs der Fol­gekündi­gung für den Streit­zeit­raum, dh. bis zum 31. De­zem­ber 2007, fort. Der Leis­tungs­wil­le des Klägers wur­de auch nicht durch die Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­setzt. Oh­ne den ernst­li­chen Wil­len des Ar­beit­neh­mers, die an­ge­bo­te­ne Leis­tung zu er­brin­gen, sind tatsächli­che und wört­li­che An­ge­bo­te un­be­acht­lich (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).


II. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Entschädi­gung für die ent­gan­ge­ne pri­va­te Nut­zung ei­nes Dienst­fahr­zeugs. Oh­ne Vergütungs­an­spruch be­stand auch kein An­spruch auf Über­las­sung des Dienst­fahr­zeugs zur pri­va­ten Nut­zung (vgl. BAG 11. Ok­to­ber 2000 - 5 AZR 240/99 - zu A II 1 b der Gründe, BA­GE 96, 34; 14. De­zem­ber 2010 - 9 AZR 631/09 - Rn. 14, NZA 2011, 569).
 


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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 und § 91 Abs. 1 ZPO. 


Müller-Glöge 

Laux 

Biebl

Zol­ler 

S. Röth-Ehr­mann

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