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LAG Köln, Urteil vom 27.10.2017, 4 Sa 1067/16
Schlagworte: | Beweislast, Kündigungsschutzprozess, Kündigungsschutzklage | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 4 Sa 1067/16 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 27.10.2017 | |
Leitsätze: | 1. Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Dazu gehört es auch, diejenigen Tatsachen zu widerlegen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund betreffen und diese entlastende Umstände auszuschließen (BAG, Urteil vom 08.05.2014 – 2 AZR 75/13 – Rn. 30). 2. Widerlegung des Rechtfertigungsgrundes im Einzelfall verneint. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 09.11.2016, 2 Ca 1685/16 | |
Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 1067/16
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.11.2016– 2 Ca 1685/16 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
1 | T a t b e s t a n d |
2 | Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, ein Zwischenzeugnis und Annahmeverzugsvergütung. |
3 | Die Beklagte, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt in Köln einen rechtlich selbständigen S -E -Markt im Verbund der M -S Deutschland GmbH. Ein Betriebsrat ist gebildet. |
4 | Der am 02.12.1983 geborene und verheiratete Kläger ist seit dem 01.11.2011 bei der Beklagten als Verkaufsleiterassistent in der Mobilfunkabteilung (GSM) beschäftigt. Zuletzt erzielte er eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 2.630,00. |
5 | Über die GSM-Abteilung der Beklagten werden Mobilfunkverträge zwischen Endkunden und Anbietern, unter anderem der Firma T , vermittelt. Dabei sind als Vermittler sowohl eigene Mitarbeiter der Beklagten als auch so genannte Promotoren tätig. Bei letzteren handelt es sich um professionelle Werbekräfte, die über Agenturen zum Bewerben von T - Tarifen von T beauftragt werden. |
6 | Die Firma T stellte anlässlich Stichproben fest, dass im Unternehmensverbund der M -S Deutschland GmbH Mobilfunkverträge mit einem Rabattcode (=Rahmenvertragsnummer) abgeschlossen worden waren, der für die Märkte des Verbundes nicht freigegeben war. Unter Nutzung des Codes konnten Mobilfunkverträge zu einem Normalpreis von € 39,99 monatlich um € 30,00 auf € 9,99 reduziert werden. Kombiniert mit einem weiteren – in den Märkten des Verbundes freigegebenen – Rabattcode konnte ein Endpreis von € 4,99 monatlich erzielt werden. Das Computersystem, über das die Verträge vor Ort abgeschlossen wurden, beanstandete die Eingabe des nicht freigegebenen Rabattcodes nicht. |
7 | Auch im Markt der Beklagten kam es zum Abschluss entsprechender Verträge. Der Kläger schloss bei dem Promotor A am 30.12.2015 einen Vertrag nach der zuvor beschriebenen Rabattierung zu einem Preis von € 4,99 monatlich für seine Ehefrau ab. Die Überlassung eines Mobiltelefons war dabei nicht enthalten. |
8 | Am 03.02.2016 führte die Geschäftsführerin der Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger, in dem dieser den Vertragsabschluss bestätigte und erklärte, dass der Promoter A ihm den Tarif als Sonderangebot mit begrenzter Stückzahl angeboten habe. |
9 | Mit Schreiben vom 10.02.2016 leitete die Beklagte dem bei ihr gebildeten Betriebsrat ein Anhörungsschreiben zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers zu. In diesem heißt es wie folgt: |
10 | „Herr E hat beim Promoter M A im Namen seiner Frau einen O -Vertrag (Check24 All In L) am 30.12.2015 abgeschlossen. |
11 | Dieser Vertrag basiert auf einer Rahmenvertragsnummer mit einem Rabattcode von Check24 für ausschließlich Check24-Mitarbeiter, der für S nicht freigegeben ist und rabattiert den monatlichen Grundpreis zum einen um € 30,00. Seitens O wurde diese Vergünstigung für unsere Unternehmensgruppe nicht gewährt (…) Es ist auch ausgeschlossen, dass eine Führungskraft in der GSM-Abteilung dieses nicht gewusst hat. (…). |
12 | Das ganze wurde dadurch verschleiert, dass eine Vertragskopie – nicht wie sonst bei GSM-Verträgen vorgeschrieben – im Markt aufbewahrt wurde. Die Vertragskopie haben wir erst auf Nachfrage durch Herrn E erhalten. (…) |
13 | Am 28.01.2016 erhielt Herr E vom zuständigen Außendienstler Herrn D und dem Keyaccount Herrn Z die Info über Betrugsvorfälle (...) im Rahmen der nicht zulässigen Check24-Rahmenvertragsnummer. Herr E hat daraufhin nichts unternommen und schlicht die Geschäftsführung über den Betrugsfall und seine Beteiligung nicht informiert. Am 02.02.2016 ist der Außendienst erneut im Haus gewesen und zeigte dem Verkaufsleiter Herrn N kurz eine Liste mit den Namen der abgeschlossenen Verträge – im Beisein von Herrn E . Herr N stellte dabei fest, dass auch der Familienname E darauf steht und befragt Herrn E . Dieser (...) teilt mit, er wisse davon nichts, er müsse seinen Bruder fragen. (...) |
14 | Im Rahmen seiner Tätigkeit als Führungskraft ist Herr E seiner Sorgfaltspflicht der objektiven Prüfung der Richtigkeit des Angebotes nicht nachgekommen. Er hat einem Familienangehörigen (durch Vertragsschluss durch ihn) einen Vorteil gewähren lassen in Form eines 30,00 €-Rabattes (den er noch mit einem an sich legalen 5,00 €-Rabatt kombinierte) und damit einen Familienangehörigen bereichert. Dies obwohl er wusste (er kennt ja die erlaubten Aktionen), dass es eine solche Aktion für S -Mitarbeiter nicht gibt. Darüber hinaus hat er weder nach Informationserhalt am 28.01.2016 sowie am 02.02.2016 eine Meldung bei der Geschäftsführerin vorgenommen und damit die Sache bewusst verschleiert. Darüber hinaus hat er gelogen, als er mitteilte, mit dem Vertrag nichts zu tun zu haben. (…) |
15 | Herr E hat zu dem Sachverhalt bei seiner Befragung geäußert, seitens des Promoters sei ihm mitgeteilt worden, dass dies ein Sonderangebot mit begrenzter Stückzahl für ihn sei. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Herrn E klar sein musste, dass es dieses Angebot für S -Mitarbeiter nicht gibt (da er als GSM-Mitarbeiter alle Vergünstigungen kennt) und schon gar nicht erscheint es plausibel, wie er ein Check24-Vertrag unterzeichnen konnte, ohne zu merken, dass dieser nicht für ihn bestimmt war. Im Übrigen entlastet ihn das nicht davon, den Betrug verschleiert zu haben und später gelogen zu haben. (…)“ |
16 | Wegen der weiteren Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Blatt 57 bis 59 der Akte Bezug genommen. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten hilfsweise ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 17.02.2016 (Blatt 62 der Akte). |
17 | Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 16.02.216 fristlos, mit Schreiben vom 25.02.2016 hilfsweise ordentlich zum 31.03.2016. |
18 | Mit seiner am 08.03.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigungen gewandt und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, Weiterbeschäftigung sowie Annahmeverzugslohn begehrt. |
19 | Der Kläger hat vorgetragen, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass er den Vertrag nicht habe abschließen dürfen. Der Promotor A habe ihm einen Tarif ohne Endgerät und Gutschein angeboten, den er – A – wegen eines vereinbarten Provisionsverzichts nur zweimal im Monat abschließen könne. Dieses Angebot habe er angenommen und Herr A n habe ihm nach Eingabe der Daten ins System eines der drei ausgedruckten Vertragsexemplare ausgehändigt. |
20 | Der Kläger hat beantragt, |
21 | 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 16.02.2016 beendet worden ist, sondern über den 16.02.2016 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht; |
22 | 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 25.02.2016 aufgelöst worden ist, sondern über den 31.03.2016 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht; |
23 | 3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist; |
24 | 4. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt; |
25 | 5. hilfsweise für den Fall, dass den Feststellungsanträgen zu Ziffer 1. - 4. nicht stattgegeben wird, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt; |
26 | 6. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit einer der Feststellungsanträge zu Ziffer 1. - 3. zu eben dem Arbeitsvertrag vom 23.10.2013 geregelten Bedingungen als Abteilungsleiterassistent in der G -Abteilung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen; |
27 | 7. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen, |
28 | a. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.250,70 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu zahlen; |
29 | b. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.842,51 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2016 zu zahlen; |
30 | c. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.842,51 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen; |
31 | d. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.842,51 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 706,44 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2016 zu zahlen; |
32 | e. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.842,51 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.009,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen; |
33 |
f. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.842,51 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.009,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen; |
34 | g. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.842,51 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.009,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen. |
35 | Die Beklagte hat beantragt, |
36 | die Klage abzuweisen. |
37 | Die Beklagte hat bestritten, dass der Promoter A dem Kläger den Vertrag als ein Sonderangebot mit begrenzter Stückzahl angeboten habe. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger durch die Verwendung des nicht autorisierten Rabattcodes unter Ausnutzung einer Sicherheitslücke im Computersystem seine arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt habe. Hierdurch sei bei ihrem Geschäftspartner T ein potentieller Schaden entstanden. Als verantwortlicher Mitarbeiter der GSM-Abteilung habe der Kläger gewusst, dass er nur auf autorisierte und bekannt gegebene Rabattcodes zugreifen dürfe. Dass es sich bei dem angeblichen Angebot des Herrn A nicht um einen freigegebenen Rabattcode gehandelt habe, habe der Kläger schon deshalb erkennen müssen, weil eine entsprechende Freigabe nicht erfolgt sei, weil der Preis des abgeschlossenen Tarifs extrem niedrig sei und weil der Tarif auf den Online Konkurrenten Check24 lautete. Erschwerend komme hinzu – so hat die Beklagte weiter gemeint – dass der Kläger seine Beteiligung abgestritten und die ihm als Abteilungsverantwortlichem zugetragenen Informationen über die Betrugsvorwürfe nicht weitergeleitet habe. |
38 | Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.11.2016 unter Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrages den Kündigungsschutzanträgen stattgegeben, die Beklagte zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses verurteilt und den Zahlungsanträgen im Wesentlichen – in Höhe eines Bruttobetrages in Höhe von € 2.630,00 – entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte vorrangig eine Abmahnung habe aussprechen müssen. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Kläger, der dem Promoter wie ein Kunde gegenüber gestanden habe, überhaupt eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt habe. Jedenfalls habe es sich nicht um eine so schwere Pflichtverletzung gehandelt, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen sei. Der Kläger habe schon nicht erkennen können, dass durch die Nutzung des nicht autorisierten Codes Nachteile oder gar ein Schaden entstehen könne, den die Beklagte im Übrigen auch nicht konkret aufgezeigt habe. Zu einer möglichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung durch das Nicht Weiterleiten der Informationen über die „Betrugsfälle“ habe es an konkretem Sachvortrag gefehlt. |
39 | Gegen das ihr am 26.11.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.12.2016 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.02.2017 am 24.02.2017 begründet. |
40 | Die Beklagte rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 626 Abs. 1 BGB. Anders als das Arbeitsgericht angenommen habe, liege ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vor. Der Kläger habe dem Promoter A gerade nicht wie ein Kunde gegenüber gestanden, sondern habe mit diesem stattdessen kollusiv zusammengewirkt. Als Leiter der GSM-Abteilung sei dem Kläger klar gewesen, dass ein „Check24-Vertrag“ mit einer nicht freigegebenen Vertragsnummer im Markt der Beklagten nicht vermittelt werde und daher nicht habe abgeschlossen werden dürfen. Dass dem Kläger das Unwert seines Tuns bekannt gewesen sei, zeige auch die Tatsache, dass der Vertrag für die Ehefrau des Klägers nicht in der Warenwirtschaft angelegt worden sei. Ein weiterer Beleg liege darin, dass der Kläger an der Sachverhaltsaufklärung nicht mitgewirkt und zunächst auf Nachfrage nur mitgeteilt habe, ein „Vertrag E “ sei ihm nicht bekannt. Dies zeige, dass – entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts – eine Verhaltensänderung des Klägers in Zukunft selbst nach einer Abmahnung nicht zu erwarten gewesen wäre. |
41 | Die Beklagte beantragt, |
42 | das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.11.2016– 2 Ca 1685/16 – zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. |
43 | Der Kläger beantragt, |
44 | die Berufung zurückzuweisen. |
45 | Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er trägt weiter vor, dass die Beklagte in Parallelverfahren eingeräumt habe, dass die den Mitarbeitern auf so genannten „Spickzetteln“ mitgeteilten Codes nicht abschließend gewesen seien und dass der Vertrag nicht in das Warenwirtschaftssystem habe eingetragen werden müssen, weil keine Hardware zugegeben worden sei. Ohnehin sei er, der Kläger, nicht an der Eingabe des Vertrages und der Vertragsdaten beteiligt gewesen. |
46 | Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze der Parteien, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen. |
47 | E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e |
48 | Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. |
49 | A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO. |
50 | B. Die Berufung ist in der Sache jedoch erfolglos. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Kündigungsschutzanträgen stattgegeben und die Beklagte zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses sowie zur Zahlung von Annahmeverzugslohn verurteilt. |
51 | I. Die Kündigungen sind sowohl in Form der fristlosen Kündigung vom 16.02.2016 ist als auch in Form der hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung vom 25.02.2016 unwirksam. Es liegt weder ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, noch ist die Kündigung durch im Verhalten des Klägers liegende Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Es fehlt an einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung, weil steht nicht feststeht, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Nutzung des Rabattcodes bewusst pflichtwidrig gehandelt hat. |
52 | 1. Anders als das Arbeitsgericht geht die Kammer jedoch zunächst davon aus, dass eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung durch den Kläger nicht bereits deshalb zweifelhaft ist, weil der Vertragsabschluss durch den Promotor A erfolgt ist und der Kläger diesem „wie ein Kunde“ gegenüber gestanden habe. |
53 | Ein Arbeitnehmer, der bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, verletzt damit zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) auf die Vertragsinteressen der Gegenseite und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen (BAG, Urteil vom 03.11.2011 – 2 AZR 748/10 –, Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, Rn. 26, juris; LAG Niedersachsen, Urteil vom 14.04.2016 – 6 Sa 1096/15 –, Rn. 24, juris; KR/Griebeling/Rachor, 11. Aufl. 2016, § 1 KSchG Rn. 496). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber durch das Verhalten seines Arbeitnehmers unmittelbar geschädigt wird oder der Arbeitnehmer einen Geschäftspartner des Arbeitgebers schädigt. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verstoßen hat, nicht entscheidend ist hingegen die sachenrechtliche oder strafrechtliche Bewertung des Sachverhaltes (BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, Rn. 30, juris; LAG Köln, Beschluss vom 16.06.2017 – 10 TaBV 74/16). |
54 | In Anwendung dieser Grundsätze kann auch das bewusste Ausnutzen der pflichtwidrigen Verwendung eines Rabattierungscodes durch einen Dritten zu eigenen Gunsten geeignet sein, einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund „an sich“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 1 Abs. 2 KSchG darzustellen. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, dass er in kollusivem Zusammenwirken mit dem Promoter A einen nicht zugelassenen Rabattierungscode zu seinen Gunsten bzw. zu Gunsten seiner Ehefrau hat nutzen lassen. Ein solcher Sachverhalt ist damit grundsätzlich geeignet, einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG und auch einen wichtigen Grund „an sich“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. |
55 | 2. Anders als die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung ausgeführt hat, kann im vorliegenden Fall jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Nutzung des Rabattierungscodes tatsächlich bewusst pflichtwidrig gehandelt und sich selbst bzw. seiner Ehefrau einen erkennbar rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen wollte. Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Dazu gehört es auch, diejenigen Tatsachen zu widerlegen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund betreffen und diese entlastenden Umstände auszuschließen (BAG, Urteil vom 08.05.2014 – 2 AZR 75/13 –, Rn. 30, juris; BAG 24.11.1983 2 AZR 327/82 –, AP Nr. 76 zu § 626 BGB). Dabei darf sich der Arbeitgeber nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung vorzutragen und muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen. Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe konkret darzulegen (BAG, Urteil vom 21.05.1992 – 2 AZR 10/92 –, Rn. 31, juris). Kommt der Arbeitnehmer seiner ihn insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nach, ist es Sache des Arbeitgebers, den Tatsachen entgegenzutreten und deren Nichtvorliegen ggf. zu beweisen. |
56 | Der Kläger hat sich vorliegend dahingehend eingelassen, dass der Promoter A ihm einen Sondertarif mit begrenzter Stückzahl angeboten und er selbst von der fehlenden Freigabe des Rabattierungscodes keine Kenntnis gehabt habe. Dabei hat der Kläger den Gesprächsablauf konkret geschildert und zum Anlass dafür ausgeführt, dass der Promoter A ihm den Sondertarif angeboten hat. Mit diese Einlassung hat der Kläger seiner ihn treffenden sekundären Darlegungslast genügt. Die Einlassung schließt ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit dem Promoter A zur Verschaffung eines rechtswidrigen Vorteils damit ein bewusst pflichtwidriges Handeln des Klägers aus. Dieser Einlassung ist die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegen getreten. Die Beklagte hat diese Einlassung zwar bestritten, sie hat jedoch beweisfällig dafür geblieben, dass die Einlassung des Klägers nicht den Tatsachen entspricht. Dies geht nach der zuvor dargestellten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten. |
57 | 3. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch aus den weiteren von ihr angeführten Indizien nicht geschlossen werden, dass der Kläger mit dem Promoter A kollusiv zusammengewirkt hat. Im Einzelnen: |
58 | Zwar stellt die Bezeichnung des Rabattierungscodes mit dem Hinweis auf das Portal „Check-24-All-in“ ein gewisses Indiz dafür dar, dass dieser Vertriebsweg für die S -M Deutschland GmbH nicht vorgesehen war. War dem Kläger jedoch – wovon die Kammer auszugehen hat – ein Sonderangebot von dem Promoter A unterbreitet worden, lässt sich aus dieser Tatsache eine bewusst pflichtwidrige Handlungsweise des Klägers nicht zwingend ableiten. Dies gilt insbesondere deshalb, weil das Computersystem die Eingabe des Codes bei Eingabe der Vertragsdaten nicht beanstandet und damit den Eindruck erweckt hat, dass „alles in Ordnung“ sei. Die Beklagte hat hier auf eine bestehende Sicherheitslücke hingewiesen. Dafür dass der Kläger diese – gemeinsam mit dem Promoter A – ausgenutzt hat, ist die Beklagte, wie ausgeführt, beweisfällig geblieben. |
59 | Der fehlende Eintrag des Vertragsschlusses in der so genannten Warenwirtschaft ist ebenfalls kein hinreichend ausschlaggebendes Indiz für ein bewusstes pflichtwidriges Fehlverhalten des Klägers. Tatsächlich wurde der schriftlich abgeschlossene Vertrag der Verwaltung der Beklagten zugeleitet und die Beklagte konnte – wie auch geschehen – von diesem Vertragsschluss Kenntnis nehmen. Dies spricht nach Auffassung der Kammer eher dagegen, dass der Kläger den Vertragsschluss an der Beklagten „vorbei“ kollusiv mit dem Promoter A gestalten wollte. |
60 | Der niedrige Preis des Tarifs ist nach Auffassung der Kammer auch kein Indiz für ein bewusst pflichtwidriges Verhalten des Klägers. Zum einen handelte es sich um einen Tarif, der – wenn auch für einen vorbestimmten Kreis von Abnehmern – zu einem etwas höheren Preis von € 9,99 tatsächlich „im Angebot“ war. Zum anderen war der noch einmal reduzierte Tarif in Höhe von € 4,99 dem Kläger ausdrücklich als Sonderangebot mit begrenzter Stückzahl angeboten worden. |
61 | Schließlich folgt aus dem Hinweis der Beklagten darauf, dass der Kläger gewusst habe, dass der verwendete Rabattierungscode für die S -M -Märkte nicht freigegeben war und deshalb nicht genutzt werden durfte, kein hinreichend ausschlaggebendes Indiz für ein bewusst pflichtwidriges Verhalten des Klägers. Zunächst hatte die Kammer auch an dieser Stelle davon auszugehen, dass der Kläger den Rabattierungscode gerade nicht selbst verwendet hat, sondern der Promoter A die entsprechenden Eingaben vornahm und den Vertrag aufgrund eines Sonderangebotes erstellte. Sodann teilt die Kammer nicht die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger als verantwortlicher Mitarbeiter der GSM-Abteilung alle freigegebenen Rabattierungscodes gekannt hat. Dies nimmt die Beklagte deshalb an, weil sie meint, dass der Kläger alle Rabattierungscodes gekannt haben müsse. Nach Auffassung der Kammer ist es jedoch nicht fernliegend, dass auch jemand, der etwas wissen sollte, dies gleichwohl nicht weiß. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 27.10.2017 zu den so genannten Spickzetteln. Diese Spickzettel, auf denen die Rabattierungsmöglichkeiten abschließend dargestellt sein sollen, werden jedenfalls wöchentlich aktualisiert. Und die Tatsache, dass es solche Spickzettel gibt, führt nicht zwingend zu der Annahme, dass ihr Inhalt den Mitarbeitern jede Woche tagesaktuell tatsächlich auch bekannt ist. |
62 | Zuletzt kann nach Auffassung der Kammer auch aus dem weiteren Verhalten des Klägers nicht auf ein bewusst pflichtwidriges Tun geschlossen werden. Zwar ist der Kläger nach den Gesprächen mit dem Außendienstmitarbeiter der Firma T bzw. dem Verkaufsleiter nicht unmittelbar an die Geschäftsführung herangetreten und hat den Vertragsschluss für seine Ehefrau mitgeteilt. Nach dem unwiderlegten Vorbringen des Klägers, dass er nicht bewusst pflichtwidrig gehandelt hat, hatte er keine Anhaltspunkte dafür ein pflichtwidriges Verhalten seinerseits oder einen vermeintlichen Betrugsfall mitzuteilen. Aus diesem Grund scheidet ein eigenständiger Kündigungssachverhalt insoweit aus. |
63 | Von einem bewusst pflichtwidrigen Verhalten kann mit der für eine Tatkündigung erforderlichen hinreichenden Sicherheit demnach nicht ausgegangen werden. Gleiches gilt für den für eine Verdachtskündigung erforderlichen dringenden Tatverdacht, wobei eine Verdachtskündigung vorliegend bereits auch deshalb ausscheidet, weil die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat nicht zu einer Verdachtskündigung angehört hat. |
64 | II. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Erteilung des geltend gemachten Zwischenzeugnisses im ungekündigt fortbestehenden Arbeitsverhältnis verurteilt. Bei besonderem Anlass steht dem Arbeitnehmer auch außerhalb des Regelungsbereichs des § 109 GewO die Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu (vgl. LAG Köln, Urteil vom 27.07.2015 – 2 Sa 284/15 –, Rn. 101, juris). Der besondere Anlass liegt in der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Beklagte. |
65 | III. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung des geltend gemachten Annahmeverzugslohns verurteilt. Der Anspruch des Klägers folgt aus §§ 611, 615 BGB. Das Arbeitsgericht hat dabei das – in der Antragstellung bereits berücksichtigte – vom Kläger erhaltene Arbeitslosengeld in Abzug gebracht. Einwendungen der Beklagten sind mit Berufung nicht geltend gemacht worden. |
66 | C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagten waren die Kosten für das von ihr erfolglos eingelegte Rechtsmittel aufzuerlegen. |
67 | D. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind von der Rechtsprechung geklärt und die Entscheidung beruht auf den Besonderheiten des Einzelfalles. |
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