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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/191

Be­triebs­über­gang: Kei­ne Pflicht des Er­wer­bers zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung mit al­tem Ar­beit­ge­ber

Be­triebs­über­gang: "Al­ter" Be­triebs­rat kann den "neu­en" Er­wer­ber nicht bin­den: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 22.04.2009, 11 Sa 963/08
Taschenrechner auf Geldscheinen Im Fal­le ei­ner Kün­di­gung steht dem Ar­beit­neh­mer nicht per se ei­ne Ab­fin­dung zu

19.10.2009. Im Fal­le ei­nes Be­triebs­über­gangs, wer­den die bis­her im Be­trieb gel­ten­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen Teil der Ar­beits­ver­trä­ge der ein­zel­nen Be­schäf­tig­ten (§ 613a Abs.1 Satz 2 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch - BGB). Der Be­triebs­er­wer­ber ist al­so an die in Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zwi­schen dem al­ten Ar­beit­ge­ber und dem Be­triebs­rat ge­bun­den.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Mün­chen hat­te jetzt zu ent­schei­den, ob dies auch für Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen gilt, die vor ei­nem Be­triebs­über­gang zwi­schen dem al­ten Ar­beit­ge­ber und dem Be­triebs­rat mit dem Zweck ge­schlos­sen wur­den, aus­schließ­lich den neu­en Er­wer­ber zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung zu ver­pflich­ten: LAG Mün­chen, Ur­teil vom 22.04.2009, 11 Sa 963/08.

Ge­bun­den­heit des Be­triebs­er­wer­bers an Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen des Veräußerers

Vie­le Ar­beit­neh­mer ge­hen wie selbst­verständ­lich da­von aus, dass ih­nen bei der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auch ei­ne Ab­fin­dung zu­steht. Recht­lich ge­se­hen ist die­se An­nah­me je­doch falsch, denn al­lei­ne mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses wird grundsätz­lich noch kein Ab­fin­dungs­an­spruch be­gründet.

Hier­von gibt es je­doch auch Aus­nah­men, so kann sich z. B. ein Ab­fin­dungs­an­spruch aus ei­ner im Rah­men der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­stan­de ge­kom­me­nen ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung oder ei­nem mit der Kündi­gung ver­bun­de­nem An­ge­bot des Ar­beit­ge­bers, mit wel­chem die­ser un­ter Ver­weis auf die Vor­schrift des § 1a Kündi­gungs­schutz­ge­setz ei­ne Ab­fin­dung an­bie­tet, er­ge­ben.

Ei­ne wei­te­re Aus­nah­me bil­det der Ab­fin­dungs­an­spruch auf­grund ei­nes So­zi­al­plans. Recht­lich ge­se­hen ist der So­zi­al­plan ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung, der zwi­schen den Be­triebs­par­tei­en, d. h. zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber und dem Be­triebs­rat zu­stan­de kommt. Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen gel­ten un­mit­tel­bar und zwin­gend für die be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­se, so dass der ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer dar­aus auch un­mit­tel­bar Rech­te, wie z. B. ei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch her­lei­ten können.

Kommt es an­sch­ließend zu ei­nem Be­triebsüber­gang, wer­den die bis­her im Be­trieb gel­ten­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen Teil der Ar­beits­verträge der ein­zel­nen Beschäftig­ten (§ 613a Abs.1 Satz 2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB). Der Be­triebs­er­wer­ber ist al­so an die in Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zwi­schen dem al­ten Ar­beit­ge­ber und dem Be­triebs­rat ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen grundsätz­lich ge­bun­den.

Pro­ble­ma­tisch ist, ob dies auch dann gilt, wenn der Veräußerer mit dem Be­triebs­rat ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung ab­sch­ließt, die nicht ihn sel­ber ver­pflich­tet, son­dern aus­sch­ließlich den neu­en Er­wer­ber bin­den soll.

Über ei­nen der­ar­ti­gen Fall, bei dem der Er­wer­ber durch ei­ne zwi­schen Veräußerer und Be­triebs­rat ab­ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung bei der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­pflich­tet wer­den soll­te, hat­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) München mit Ur­teil vom 22.04.2009 (11 Sa 963/08) zu ent­schei­den.

Be­triebs­rat und Veräußerer ei­ni­gen sich auf Be­triebs­ver­ein­ba­rung, die aus­sch­ließlich den Er­wer­ber bin­den soll

Der Kläger war zunächst bei ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft beschäftigt. In der Fol­ge­zeit wur­de des­sen Ar­beits­verhält­nis im We­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs auf ei­ne Ge­sell­schaft in Form ei­ner GmbH & Co. OHG über­tra­gen, die an­sch­ließend die Ab­tei­lung des Klägers auf ei­ne neu­ge­gründe­te GmbH über­trug, an der sie auch zu 100 % be­tei­ligt war, so dass das Ar­beit­verhält­nis des Klägers auf die­se über­ging.

Auf­grund wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten wur­de über das Vermögen der GmbH (im Fol­gen­den Ge­mein­schuld­ne­rin) das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Zum In­sol­venz­ver­wal­ter wur­de der Be­klag­te be­stellt. Un­abhängig da­von wur­de das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en zunächst fort­ge­setzt und im Fe­bru­ar 2007 mit ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag be­en­det.

Zwi­schen der Rechts­vorgänge­rin und de­ren Ge­samt­be­triebs­rat wur­de vor dem Be­triebsüber­gang ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung ab­ge­schlos­sen, mit der die Über­lei­tung der Ar­beit­neh­mer auf die Ge­mein­schuld­ne­rin ge­re­gelt wur­de. Dar­in wur­de u. a. fest­ge­hal­ten, dass kei­ne be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen ge­plant sei­en. Für den Fall, dass es den­noch vor dem 30.09.2008 zu be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen oder zur Ver­mei­dung ei­ner Kündi­gung zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges kom­men soll­te, wur­de zu Las­ten der Ge­mein­schuld­ne­rin ei­ne Ver­pflich­tung zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung an die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ver­ein­bart.

Mit der beim Ar­beits­ge­richt (ArbG) München ein­ge­reich­ten Kla­ge be­an­trag­te der Kläger u. a. fest­zu­stel­len, dass der be­klag­te In­sol­venz­ver­wal­ter ver­pflich­tet sei, sei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch zur In­sol­venz­ta­bel­le auf­zu­neh­men.

Das Ar­beits­ge­richt ent­schied zu­guns­ten des Klägers, d. h. sei­ne Kla­ge hat­te in der ers­ten In­stanz Er­folg.

Nach An­sicht des ArbG konn­te der Kläger aus der Be­triebs­ver­ein­ba­rung der Rechts­vorgänge­rin und de­ren Ge­samt­be­triebs­rat ei­ne Ab­fin­dung ver­lan­gen. Sei­ner An­sicht nach geht es nicht an, dass mit der Rechts­vorgänge­rin ei­ne Re­ge­lung ge­trof­fen wird, die die Über­lei­tung der Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen auf die Ge­mein­schuld­ne­rin re­gelt, dann aber in­fol­ge feh­len­der Be­tei­li­gung der Ge­mein­schuld­ne­rin nicht wirk­sam sein soll.

LAG München: Kei­ne Kom­pe­tenz des Be­triebs­rats und des Rechts­vorgängers die Ar­beits­be­din­gun­gen der Ar­beit­neh­mer für die Zeit nach ei­nem Be­triebsüber­gang zu re­geln

Die Be­ru­fung des In­sol­venz­ver­wal­ters vor dem LAG München hat­te Er­folg und führ­te zur Auf­he­bung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils.

An­ders als die Vor­in­stanz kam das LAG zu dem Er­geb­nis, dass die Be­triebs­ver­ein­ba­rung un­wirk­sam sei, denn die Rechts­vorgänge­rin und de­ren Be­triebs­rat wa­ren le­dig­lich be­rech­tigt, die Ar­beits­be­din­gun­gen der über­ge­hen­den Ar­beit­neh­mer vor dem Be­triebsüber­gang zu re­geln, die nach der Re­ge­lung des § 613a Abs. 1 Satz 2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch auch für den Be­triebsüber­neh­mer gel­ten.

Die in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ent­hal­te­ne Ver­pflich­tung der Ge­mein­schuld­ne­rin zur Zah­lung der Ab­fin­dun­gen be­traf je­doch ge­ra­de ei­ne Re­ge­lung für die Zeit nach dem Be­triebsüber­gang, für die we­der die Rechts­vorgänge­rin noch de­ren Ge­samt­be­triebs­rat zuständig war. Mit dem Über­gang des Be­trie­bes en­det de­ren Zuständig­keit für die über­ge­hen­den Ar­beit­neh­mer.

Ent­ge­gen der Vor­in­stanz kam es nach An­sicht des LAG auch nicht dar­auf an, dass der Be­trieb erst aus dem Un­ter­neh­mens­be­reich aus­ge­glie­dert wur­de. Ent­schei­dend ist in­so­weit al­lei­ne, dass die GmbH ei­ne ei­genständi­ge ju­ris­ti­sche Per­son dar­stellt.

Dem­nach kann fest­ge­hal­ten wer­den, dass ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung der Be­triebs­par­tei­en des Veräußerungs­un­ter­neh­mens nicht ge­eig­net ist, ei­ne Ver­pflich­tung des Er­wer­bers zur Zah­lung von Ab­fin­dun­gen an die über­ge­hen­den Ar­beit­neh­mer zu be­gründen. Al­les an­de­re würde zu ei­nem un­zulässi­gen Ver­trag zu Las­ten Drit­ter führen.

Un­abhängig da­von hätte mögli­cher­wei­se ein Ab­fin­dungs­an­spruch der über­ge­hen­den Ar­beit­neh­mer durch ei­ne dies­bezügli­che Zu­sa­ge im Über­nah­me­ver­trag selbst er­reicht wer­den können. Hier­zu hätte der Be­triebs­rat auf die Rechts­vorgänge­rin mit dem Ziel ein­wir­ken müssen, dass im Über­nah­me­ver­trag ei­ne Ver­pflich­tung der GmbH zur Zah­lung der Ab­fin­dun­gen ver­ein­bart wird.

In der hier ge­ge­be­nen Si­tua­ti­on wäre dies für den Be­triebs­rat auch nicht all­zu schwer ge­we­sen. Zwar sind durch die Aus­glie­de­rung recht­lich zwei selbstständi­ge Un­ter­neh­men ent­stan­den. Fak­tisch wur­de je­doch die Ent­schei­dung zur Aus­glie­de­rung und ins­be­son­de­re der In­halt des späte­ren Über­nah­me­ver­tra­ges von ei­nem Un­ter­neh­men - nämlich durch die Rechts­vorgänge­rin - be­stimmt.

Ist ei­ne Ab­fin­dungs­zah­lung im Über­nah­me­ver­trag ver­ein­bart, so kann die­ser als ein ech­ter Ver­trag zu­guns­ten Drit­ter aus­ge­legt wer­den, aus dem die Ar­beit­neh­mer dann ei­ne Ab­fin­dung for­dern können. Ob ei­ne Zu­sa­ge im Un­ter­neh­mens­kauf­ver­trag je­doch tatsächlich ge­eig­net ist ei­nen An­spruch der Ar­beit­neh­mer zu be­gründen, hängt ent­schei­dend von de­ren For­mu­lie­rung im Ein­zel­nen ab. Ins­be­son­de­re soll­te be­reits im Über­nah­me- bzw. Kauf­ver­trag klar­ge­stellt wer­den, dass der Ab­fin­dungs­an­spruch ein ei­ge­nes For­de­rungs­recht der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer be­gründet.

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Letzte Überarbeitung: 12. März 2014

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