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LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 10.07.2009, 9 Sa 348/08

   
Schlagworte: Schadensersatz, Asbest
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen: 9 Sa 348/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.07.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 1.07.2008, 6 Ca 236/07
   

Ak­ten­zei­chen:
9 Sa 348/08
6 Ca 236/07
ArbG

verkündet am
10. Ju­li 2009

, Jus­tiz­an­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

SACHSEN-AN­HALT

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

- Be­ru­fungskläger und Kläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

g e g e n

- Be­ru­fungs­be­klag­te und Be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

 

 

 

w e g e n Scha­den­er­satz

hat die 9. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 10. Ju­li 2008 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­de, die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter als Bei­sit­zer

für R e c h t er­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts vom 1. Ju­li 2008 - 6 Ca 236/07 – wird

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z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Kos­ten der Be­ru­fung trägt der Kläger.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

T a t b e s t a n d :

Die Par­tei­en strei­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz über die Pflicht der Be­klag­ten, dem Kläger sämt­li­che künf­ti­ge Schäden, die er in­fol­ge sei­nes Ar­bei­tens an as­best­hal­ti­gen Bau­tei­len in der Zeit vom 1. Fe­bru­ar bis 5. Mai 1995 er­lei­det, so­wie vor­ge­richt­li­che Mahn­kos­ten zu er­set­zen.

Der am ge­bo­re­ne Kläger ist seit 1. Fe­bru­ar 1992 bei der Be­klag­ten als voll­beschäftig­ter An­ge­stell­ter tätig. Sein mo­nat­li­ches Ge­halt hat zu­letzt 2.778,59 € brut­to be­tra­gen.

Von 1994 bis Mai 1995 ar­bei­te­te der Kläger im So­zi­al­amt der Be­klag­ten als Be­treu­er für Asyl­be­wer­ber, Asy­lan­ten und Flücht­lin­ge im Asyl­be­wer­ber­heim in …

Die Be­klag­te be­ab­sich­tig­te An­fang des Jah­res 1995, das Asyl­be­wer­ber­heim in …, Au­en­weg 1 b, grund­le­gend zu sa­nie­ren. Der Kläger führ­te ge­mein­sam mit drei wei­te­ren An­ge­stell­ten der Be­klag­ten, drei Zi­vil­dienst­leis­ten­den und 12 bis 15 Asyl­be­wer­bern auf Wei­sung des Ab­tei­lungs­lei­ters So­zi­al­amt ….. so­wie des Heim­lei­ters …. in Zeit vom 1. Fe­bru­ar bis 5. Mai 1995 fol­gen­de Sa­nie­rungs­ar­bei­ten aus: Ab­s­pach­teln der auf­geblühten Wand­oberflächen, Ent­fer­nen vor­han­de­ner Ta­pe­ten­res­te, Auf­brin­gen der Kle­be­mas­se, An­brin­gen von Gips­kar­ton­plat­ten auf den Wänden, Ver­spach­teln der Fu­gen und Auf­tra­gen ei­nes Farb­an­stri­ches. Das Tra­gen von Schutz­klei­dung und Atem­schutz­geräten war nicht an­ge­wie­sen. An­fang Mai 1995 wies ein Mit­ar­bei­ter der Bau­fir­ma der die Fol­ge­ar­bei­ten vor Ort ab­stim­men woll­te, u. a. den Kläger dar­auf hin, dass bei den Sa­nie­rungs­ar­bei­ten as­best­hal­ti­ger Staub frei­ge­setzt wer­de und sol­che Ar­bei­ten nur von spe­zia­li­sier­ten Fir­men aus­geführt wer­den dürf­ten. Der Kläger lei­te­te die­se In­for­ma­ti­on an den Ab­tei­lungs­lei­ter Sti­e­ler wei­ter. Die­ser erklärte, das Vor­han­den­sein as­best­hal­ti­gen Ma­te­ri­als sei all­ge­mein be­kannt, und dräng­te auf die Fort­set­zung der Ar­bei­ten. Ei­ner der be­tei­lig­ten Zi­vil­dienst­leis­ten­den schal­te­te dar­auf­hin das Staat­li­che Ge­wer­be­auf­sichts­amt …. ein. Die­ses verfügte am 5. Mai 1995 die Ein­stel­lung der Ar­bei­ten. Das

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Ge­wer­be­auf­sichts­amt stell­te u. a. fest, dass durch das Ab­krat­zen und Ab­scha­ben der So­ka­lit­plat­ten mit­tels Spach­tel ei­ne ex­tre­me Ex­po­si­ti­on von As­best­fa­sern aus dem lo­cke­ren Fa­ser­ver­band be­wirkt wor­den war.

Dem da­ma­li­gen Bürger­meis­ter der Be­klag­ten war die As­best­kon­ta­mi­nie­rung der In­nenwände des Gebäudes auf­grund des Ein­sat­zes des Bau­stof­fes „So­ka­lit“ aus ei­nem Schrei­ben des Hoch­bau­am­tes vom 11.11.1991 (Bl. 11 d. A.) be­kannt.

Anläss­lich ei­ner Er­kran­kung des Klägers im Jahr 2006 ver­mu­te­te der be­han­deln­de Arzt das Vor­han­den­sein von Krebs­er­re­gern als Auslöser. Die­ser Ver­dacht, der sich nicht bestätig­te, ver­an­lass­te den Kläger, sich näher mit der Pro­ble­ma­tik aus­ein­an­der­zu­set­zen, ob die da­ma­li­gen Sa­nie­rungs­ar­bei­ten für ihn das Ri­si­ko ei­ner Krebs­er­kran­kung erhöht ha­ben oder in Zu­kunft zum Aus­bruch ei­ner Krebs­er­kran­kung führen könn­ten. Er for­der­te die Be­klag­te mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 06.09.2006 auf, ih­re un­ein­ge­schränk­te Scha­den­er­satz­pflicht dem Grun­de nach für sämt­li­che ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Schäden, die ihm auf­grund der in der Zeit vom 1. Fe­bru­ar bis 5. Mai 1995 ge­leis­te­ten Sa­nie­rungs­ar­bei­ten im Asyl­be­wer­ber­heim Des­sau, Au­en­weg 1 b, ent­stan­den sind und noch ent­ste­hen, an­zu­er­ken­nen. Die Be­klag­te lehn­te ei­ne Haf­tung un­ter Hin­weis auf den Haf­tungs­aus­schluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII mit Schrei­ben vom 20.12.2006 ab.

Am 20. Ju­li 2007 hat der Kläger ge­gen die Be­klag­te beim Ar­beits­ge­richt we­gen Schmer­zens­geld, Scha­den­er­satz und der Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Mahn­kos­ten Kla­ge er­ho­ben.

Von der wei­te­ren Dar­stel­lung des Tat­be­stan­des wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab-ge­se­hen und auf die Dar­stel­lung des Tat­be­stan­des im Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Des­sau-Roßlau vom 1. Ju­li 2008 – 6 Ca 236/07 – (S. 2 bis 6 des Ur­teils = Bl. 120 bis 124 d. A.) ver­wie­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Zur Be­gründung sei­ner Ent­schei­dun­gen hat das Ar­beits­ge­richt u. a. aus­geführt, der Fest­stel­lungs­an­trag sei nicht be­gründet. Die Be­klag­te müsse sich das ob­jek­tiv pflicht­wid­ri­ge Ver­hal­ten des da­ma­li­gen Ab­tei­lungs­lei­ters so­wie des Heim­lei­ters , den Kläger

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und an­de­re Ar­beit­neh­mer bzw. Zi­vil­dienst­leis­ten­de und Asyl­be­wer­ber an­zu­wei­sen, oh­ne Schutz­klei­dung und Ein­wei­sung Sa­nie­rungs­ar­bei­ten an as­best­hal­ti­gen Wänden durch­zuführen, über § 831 BGB zu­rech­nen las­sen. Der Ab­tei­lungs­lei­ter und der Heim­lei­ter hätten ge­gen § 15 a der da­mals gel­ten­den Ver­ord­nung zur No­vel­lie­rung der Ge­fahr­stoff­ver­ord­nung zur Auf­he­bung der Gefähr­lich­keits­merk­ma­le­ver­ord­nung und zur Ände­rung der ers­ten Ver­ord­nung zum Spreng­stoff­ge­setz vom 26. Ok­to­ber 1993 ver­s­toßen. Es lie­ge je­doch kei­ne Ge­sund­heitsschädi­gung gemäß § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB i. V. m. § 223 StGB vor. Es be­ste­he zwar ei­ne ho­he Wahr­schein­lich­keit dafür, dass der Kläger ei­ne nicht un­er­heb­li­che Men­ge von As­best­fa­sern ein­ge­at­met ha­be. An­ders als der Kläger mei­ne, lie­ge aber im Vor­han­den­sein von As­best­fa­sern im Körper noch kei­ne Ge­sund­heits­ver­let­zung. Es ge­be kein me­di­zi­ni­sches Un­ter­su­chungs­er­geb­nis, aus dem auf ei­ne phy­si­sche oder psy­chi­sche Krank­heit des Klägers ge­schlos­sen wer­den könne. Auf die Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Mahn­kos­ten ha­be der Kläger kei­nen An­spruch. Sol­che Kos­ten sei­en we­gen § 12 a Abs. 1 ArbGG im Ar­beits­ge­richts­ver­fah­ren nicht zu er­set­zen.

We­gen der Ein­zel­hei­ten der Ent­schei­dungs­gründe wird auf die Sei­ten 7 bis 9 des oben ge­nann­ten Ur­teils (Bl. 125 bis 127 d. A.) ver­wie­sen.

Der Kläger hat ge­gen das ihm am 24. Ju­li 2008 zu­ge­stell­te Ur­teil am 20. Au­gust 2008 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Sach­sen-An­halt Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 23. Sep­tem­ber 2008 be­gründet.

Der Kläger nimmt auf sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen Be­zug. Er ver­tritt die Auf­fas­sung, das Ar­beits­ge­richt sei feh­ler­haft zu der Einschätzung ge­langt, dass die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 823 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB nicht erfüllt sei­en, dass durch das Ein­at­men as­best­fa­ser­hal­ti­ger Luft kei­ne Ge­sund­heitsschädi­gung vor­lie­ge. Ei­ne Ge­sund­heitsschädi­gung lie­ge je­doch nicht erst beim Aus­bruch ei­ner auf das Ein­at­men von As­best­fa­sern zurück­zuführen­den Krank­heit vor. Nach wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­sen be­wir­ke das Ver­ha­ken der As­best­fa­sern im Lun­gen­ge­we­be be­reits ei­nen vom nor­ma­len ge­sun­den Or­gan­zu­stand ab­wei­chen­den Zu­stand, wel­cher das Ri­si­ko des Aus­bru­ches ei­ner Krebs­er­kran­kung mit ei­ner sehr lan­gen In­ku­ba­ti­ons­zeit von 10 bis 40 Jah­ren erhöhe. Die Be­ein­träch­ti­gung / Verände­rung der Lun­gen­funk­ti­on er­ge­be sich dar­aus, dass die im Lun­gen­ge­we­be für die Ent­fer­nung von Fremdkörpern zuständi­gen Fress­zel­len beim Ver­such des Körpers, die im Lun­gen­ge­we­be hängen

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ge­blie­be­nen As­best­fa­sern zu ent­fer­nen, fak­tisch über­stra­pa­ziert würden. Das Ar­beits­ge­richt hätte im Zwei­fels­fal­le zur Klärung der wis­sen­schaft­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen die von ihm an­ge­bo­te­nen Be­wei­se er­he­ben müssen. Auf­grund der lan­gen Ka­renz­zeit bis zum Aus­bruch ei­ner durch as­best­fa­ser­hal­ti­ge Atem­luft be­ding­ten Krebs­er­kran­kung wäre es un­bil­lig, das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se von ei­nem kon­kre­ten Men­gen­nach­weis der in sei­nem Körper vor­han­de­nen As­best­fa­sern abhängig zu ma­chen, was zu­dem ei­nen schwe­ren körper­li­chen Ein­griff mit Ge­sund­heits­ri­si­ken zur Fol­ge hätte. Selbst, wenn die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ge­sund­heitsschädi­gung nicht vor­lie­gen soll­ten, lägen zu­min­dest die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner körper­li­chen Miss­hand­lung im Sin­ne von § 223 StGB vor. Durch ei­ne grob fahrlässi­ge Un­ter­las­sung der Be­reit­stel­lung von Ar­beits­schutz­mit­teln sei ein Ein­griff in die körper­li­che Un­ver­sehrt­heit an­ge­sichts der Erhöhung des Ri­si­kos des Aus­bru­ches ei­ner Krebs­er­kran­kung ver­ur­sacht wor­den.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts vom 01.07.2008, Az. 6 Ca 236/07,

1. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Kläger sämt­li­che ma­te­ri­el­le und im­ma­te­ri­el­le Schäden, wel­che er auf­grund der nach Wei­sung der Be­klag­ten im Zeit­raum vom 01.02. bis 05.05.1995 an as­best­fa­ser­hal­ti­gen Bau­tei­len im da­ma­li­gen ..., aus­geführ­ten Ar­bei­ten er­lei­det, un­ter Zu­grun­de­le­gung ei­ner Haf­tungs­quo­te von 100 % zu er­set­zen, so­weit die Ansprüche nicht auf So­zi­al­ver­si­che­rungs­träger oder sons­ti­ge Drit­te über­ge­hen,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger vor­ge­richt­li­che Mahn­kos­ten von 561,00 Eu­ro nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz p. a. seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

1. die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen,

2. der Kläger und Be­ru­fungskläger trägt die Kos­ten des Rechts­strei­tes.

Die Be­klag­te ver­tei­digt un­ter Be­zug­nah­me auf ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts. Sie weist dar­auf hin, dass kei­ne be­gründe­ten An­halts­punk­te dafür vorlägen, dass beim Kläger als Fol­ge der Tat­sa­che, dass er in der Zeit vom 1. Fe­bru­ar bis 5. Mai 1995 as­best­hal­ti­ger Luft aus­ge­setzt ge­we­sen sei, ein Ge­sund­heits­scha­den ein­ge­tre­ten sei. Ins­be­son­de­re man­ge­le es an ei­nem me­di­zi­ni­schen

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Be­fund. Der Kläger las­se le­dig­lich ei­nen so ge­nann­ten spe­ku­la­ti­ven Ge­sund­heits­scha­den vor­tra­gen.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf die Be­ru­fungs­be­gründung vom 23.09.2008 und den Schrift­satz des Klägers vom 14.05. 2009, auf die Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung vom 29.10.2008 und das Pro­to­koll vom 10.07. 2009 Be­zug ge­nom­men.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Die statt­haf­te Be­ru­fung des Klägers ist frist- und form­ge­recht beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Sach­sen-An­halt ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. b u. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO). Die Be­ru­fung ist zulässig.

II. Die Be­ru­fung ist nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te we­der ei­nen An­spruch auf Scha­den­er­satz noch auf Er­satz vor­ge­richt­li­cher Mahn­kos­ten.

1. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf die be­gehr­te Fest­stel­lung, dass die Be­klag­te ihm zum Er­satz sämt­li­cher ma­te­ri­el­ler und im­ma­te­ri­el­ler Schäden, wel­che er auf­grund der im Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar bis 5. Mai 1995 an as­best­fa­ser­hal­ti­gen Bau­tei­len im da­ma­li­gen , aus­geführ­ten Ar­bei­ten er-lei­det, ver­pflich­tet ist.

a) Der Kläger ver­langt von der Be­klag­ten Scha­den­er­satz nach § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 618 BGB. Die de­lik­ti­sche Haf­tung der Be­klag­ten setzt vor­aus, dass ein Per­so­nen­scha­den (Ge­sund­heits­scha­den) ein­ge­tre­ten ist, der durch ein schuld­haf­tes Pflicht ver­let­zen­des Han­deln der Be­klag­ten bzw. ei­ner für sie be­trieb­lich täti­gen Per­son zu­min­dest fahrlässig ver­ur­sacht wur­de. Das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen ist vom Kläger dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen.

b) Der Kläger hat sub­stan­ti­iert dar­ge­legt, dass die Be­klag­te zu dem Zeit­punkt, in dem die Ausführung der Sa­nie­rungs­ar­bei­ten im da­ma­li­gen , im ers­ten Halb­jahr 1995 an­ge­wie­sen wur­den, auf­grund des vom 11. No­vem­ber 1991 stam­men­den, an den Bürger­meis­ter ge­rich­te­ten Hin­weis­schrei­bens des Amts­lei­ters ih­res Hoch­bau­am­tes po­si­ti­ve

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Kennt­nis da­von hat­te, dass in der Ein­rich­tung As­best­ze­ment­pro­duk­te ver­baut, dass auf der In­nen­sei­te der Außenwände So­ka­lit­plat­ten ver­ar­bei­tet wor­den wa­ren. Ihr war aus dem ge­nann­ten Schrei­ben auch po­si­tiv be­kannt, dass von sol­chen Pro­duk­ten ei­ne kon­kre­te Ge­fahr für die Ge­sund­heit der­je­ni­gen aus­geht, die sich in den Räum­en auf­hal­ten. Die­se po­si­ti­ve Kennt­nis bestätig­te der da­ma­li­ge Ab­tei­lungs­lei­ter So­zi­al­amt Sti­e­ler An­fang Mai 1995 auf die Mit­tei­lung des Klägers, dass ein Mit­ar­bei­ter der Fir­ma dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass bei den Sa­nie­rungs­ar­bei­ten as­best­hal­ti­ger Staub frei­ge­setzt wer­de und des­halb sol­che Ar­bei­ten nur von spe­zia­li­sier­ten Fir­men mit be­son­de­rer Schutz­klei­dung durch­geführt wer­den dürf­ten. Es ist un­verständ­lich, dass der da­ma­li­ge Ab­tei­lungs­lei­ter Sti­e­ler trotz der po­si­ti­ven Kennt­nis von dem Gefähr­dungs­po­ten­ti­al den Kläger so­wie an­de­re Ar­beit­neh­mer bzw. Zi­vil­dienst­leis­ten­de und Asyl­be­wer­ber an­wies, oh­ne Schutz-klei­dung und Ein­wei­sung Sa­nie­rungs­ar­bei­ten an den as­best­hal­ti­gen Wänden durch­zuführen. Da­mit hat der Kläger im Zu­sam­men­hang mit § 823 BGB ein zu­min­dest fahrlässi­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten dar­ge­legt, das zu ei­ner Ge­sund­heits­ver­let­zung beim Kläger führen könn­te. Denn, wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat, muss sich die Be­klag­te das ob­jek­tiv pflicht­wid­ri­ge Ver­hal­ten ih­res da­ma­li­gen Ab­tei­lungs­lei­ters so­wie des Heim­lei­ters über § 831 BGB zu­rech­nen las­sen.

c) Wie das Ar­beits­ge­richt ausführt, ist ei­ne Ge­sund­heits­ver­let­zung i. S. v. § 823 Abs. 1 und 2 BGB, aus der ma­te­ri­el­le und im­ma­te­ri­el­le Fol­geschäden re­sul­tie­ren könn­ten, dann ge­ge­ben, wenn ein Zu­stand be­steht, der von den nor­ma­len körper­li­chen Funk­tio­nen ab­weicht, stellt die Ge­sund­heits­ver­let­zung ei­ne Störung der phy­si­schen, psy­chi­schen oder men­ta­len Be­find­lich­keit ei­nes Men­schen mit Krank­heits­cha­rak­ter dar. Vor­lie­gend gibt es kei­ne be­gründe­ten An­halts­punk­te dafür, dass beim Kläger als Fol­ge des Ar­bei­tens in as­best­fa­ser­hal­ti­ger Raum­luft in der Zeit vom 1. Fe­bru­ar bis 5. Mai 1995 ei­ne Ge­sund­heits­ver­let­zung ein­ge­tre­ten ist. Wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat, fehlt es an ei­nem me­di­zi­ni­schen Un­ter­su­chungs­er­geb­nis, aus dem auf ei­ne phy­si­sche oder psy­chi­sche Krank­heit des Klägers ge­schlos­sen wer­den kann. Im Ge­gen­teil, der Kläger trägt vor, dass der im Jah­re 2006 von sei­nem be­han­deln­den Arzt geäußer­te Ver­dacht, für sei­ne da­ma­li­ge Er­kran­kung könn­ten krebs­er­re­gen­de Stof­fe ursächlich sein, sich nicht bestätigt hat. Dem Kläger ist es nicht ge­lun­gen, das Be­ru­fungs­ge­richt da­von zu über­zeu­gen, dass je­der, der über ei­ne ge­wis­se Zeit as­best­hal­ti­ge Raum­luft ein­at­met, un­wei­ger­lich ei­ne Ge­sund­heits­ver­let­zung er­lei­det. Al­lein die sub­jek­ti­ve Ver­mu­tung bzw. Befürch­tung des Klägers, bei ihm hätten sich As­best­fa­sern im Lun­gen­ge­we­be ver­hakt, genügt nicht, um auf das Vor­lie­gen ei­nes Ge­sund­heits-

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scha­dens beim ihm schließen zu können, der ei­ne Scha­den­er­satz­pflicht der Be­klag­ten auslöst. In­so­weit sind die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten nicht erfüllt.

So­weit sich der Kläger im ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­ho­fes vom 30. April 1991 – VI ZR 178/90 – be­ru­fen hat, ist Fol­gen­des zu be­mer­ken: Im dem dort ent­schie­de­nen Fall war es er­wie­sen, dass ein Ge­sund­heits­scha­den in Form der In­fi­zie­rung mit dem Hu­man-Im­mun­de­fi­zi­ens-Vi­rus (HIV) in­fol­ge der Über­tra­gung mit HIV kon­ta­mi­nier­ten Blut vor­liegt. Die­ser Ent­schei­dung liegt eben ge­ra­de kein spe­ku­la­ti­ver Ge­sund­heits­scha­den zu­grun­de.

Die Fest­stel­lung, ob der Straf­tat­be­stand des § 223 StGB erfüllt ist, fällt nicht in die Zuständig­keit der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen.

2. Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Er­satz vor­ge­richt­li­cher Mahn­kos­ten, denn nach § 12 a Abs. 1 ArbGG ist die Kos­ten­er­stat­tung so­wohl im erst­in­stanz­li­chen Ur­teils­ver­fah­ren, im Mahn­ver­fah­ren als auch im Ar­rest- und Verfügungs­ver­fah­ren aus­ge­schlos­sen. Das be­trifft den pro­zes­sua­len Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch aus § 91 ZPO wie den ma­te­ri­ell-recht­li­chen Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch in Form ei­nes Scha­den­er­satz­an­spru­ches, z. B. auf­grund von Ver­zug oder Ver­let­zung ei­ner pro­zes­sua­len Pflicht, die bei dem Geschädig­ten da­zu geführt hat, dass er mit außer­ge­richt­li­chen Kos­ten be­las­tet wor­den ist. Nach § 12 a Abs. 1 ArbGG ist je­der Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch un­abhängig von sei­ner An­spruchs­grund­la­ge aus­ge­schlos­sen (BAG vom 27. Ok­to­ber 2005, DB 2006, 284, 285; BAG vom 30. April 1992 – 8 AZR 288/91 – AP Nr. 6 zu § 12a ArbGG 1979; Ger­mel­mann / Mat­thes / Prütting, Müller-Glöge, Komm. zum ArbGG, 6. Aufl., § 12 a Rn. 5, 8).

Im Übri­gen ist die Be­ru­fung des Klägers dies­bezüglich par­ti­ell un­zulässig, da der Kläger sich mit den Ent­schei­dungs­gründen des Ar­beits­ge­richts, auf­grund de­rer es sei­nen An-trag auf Er­satz vor­ge­richt­li­cher Mahn­kos­ten nicht ent­spro­chen hat, über­haupt nicht aus­ein­an­der­setzt.

Nach all­dem war die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 64 Abs. 6 ZPO.


IV.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :

Ge­gen die­ses Ur­teil kann der Kläger Re­vi­si­on ein­le­gen. Die Be­klag­te hat kein Rechts­mit­tel.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

ein­ge­hen. Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt sind außer Rechts­anwälten auch Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­ber­verbänden so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der als Be­vollmäch­tig­te ver­tre­tungs­be­fugt. Als Be­vollmäch­tig­te zu­ge­las­sen sind auch ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Zif­fer 5 ArbGG erfüllen. Die han­deln­den Per­so­nen müssen die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.
Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.

Auf die Möglich­keit der Ein­rei­chung elek­tro­ni­scher Do­ku­men­te beim Bun­des­ar­beits­ge­richt nach § 46 b ArbGG i. V. m. den be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen nach der Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 9. März 2006, BGBl. 2006 Teil I Nr. 12, aus­ge­ge­ben zu Bonn am 15. März 2006, wird hin­ge­wie­sen.

 

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