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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 16.09.2010, 25 Sa 1080/10

   
Schlagworte: Kündigung: Außerordentlich, Kündigung: Fristlos
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 25 Sa 1080/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.09.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Neuruppin, Urteil vom 2.03.2010, 4 Ca 1424/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 16.09.2010

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

25 Sa 1080/10

4 Ca 1424/09
Ar­beits­ge­richt Neu­rup­pin

K.,RHS als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 25,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 16. Sep­tem­ber 2010 durch
den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt J. als Vor­sit­zen­den so­wie den
eh­ren­amt­li­chen Rich­ter K. und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Sch.

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Neu­rup­pin vom 02. März 2010 - 4 Ca 1424/09 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens trägt die Kläge­rin.

3. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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T a t b e s t a n d :


Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen so­wie um die Wirk­sam­keit ei­ner hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­nen or­dent­li­chen Kündi­gung.

Die Kläge­rin ist seit dem 01. No­vem­ber 1996 bei der Be­klag­ten, die ein Möbel­haus be­treibt, als Verkäufe­r­in beschäftigt. Sie er­hielt ne­ben ei­nem mo­nat­li­chen Fi­xum ei­ne vom persönlich ge­schrie­be­nen Um­satz abhängi­ge Pro­vi­si­on, wor­aus sich ei­ne durch­schnitt­li­che mo­nat­li­che Vergütung in Höhe von 1.500,- € er­gibt.

Am 26. Sep­tem­ber 2009 ver­kauf­te die Kläge­rin an ei­nen Kun­den ei­nen Com­pu­ter­tisch zu ei­nem Preis in Höhe von 58,- €. Sie ging dar­auf­hin mit dem Kun­den zur Kas­se und bat ih­re Kol­le­gin M. den Kauf­preis ab­zu­kas­sie­ren. Während die Ehe­frau des Kun­den den Kauf­preis in vol­ler Höhe be­glich, ver­lud die Kläge­rin zu­sam­men mit dem Kun­den den Com­pu­ter­tisch in das Au­to des Kun­den. Nach­dem die Kun­den das Geschäfts­lo­kal ver­las­sen hat­ten und die Kläge­rin in das La­den­lo­kal zurück­ge­kehrt war, kam es zwi­schen der Kläge­rin und ih­rer Kol­le­gin M. zu ei­nem kur­zen Gespräch, des­sen In­halt zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist. Ein - an­sons­ten übli­cher – Kauf­ver­trag über den Ver­kauf die­ses Com­pu­ter­ti­sches wur­de nicht ge­schrie­ben und dem Kun­den nur ei­ne hand­schrift­li­che Quit­tung (Bl. 125 d. A.) über ei­nen Be­trag in Höhe von 58,- € aus­gehändigt. Am 28. Sep­tem­ber 2009 wur­de der Ver­kauf die­ses Com­pu­ter­ti­sches als Bar­ver­kauf in der Kas­se er­fasst und an­stel­le des ver­ein­nahm­ten Be­tra­ges in Höhe von 58,- € wur­de le­dig­lich ein Be­trag in Höhe von 8,- € ein­ge­bucht (Bl. 126 d. A.). Der Rest­be­trag in Höhe von 50,- € wur­de in ei­nem Brief­um­schlag mit der Auf­schrift „Weih­nachts­fei­er“ zunächst in der Kas­se auf­be­wahrt.

Bei ei­ner Kon­trol­le fiel der Be­klag­ten auf, dass für den Ver­kauf des Com­pu­ter­ti­sches ein fal­scher Be­trag ein­ge­bucht wor­den war. Die Be­klag­te führ­te mit der Kläge­rin und ih­rer Kol­le­gin M. dies­bezüglich ein Gespräch, in des­sen Fol­ge die Kläge­rin fol­gen­de schrift­li­che Erklärung ab­gab:

„ Ha­be an Kun­din ei­nen Schreib­tisch ver­kauft. Gab den Zet­tel Frau M. zum Ab­kas­sie­ren. Half dem Kun­den die Wa­re ein­zu­la­den. Brach­te die Rol­lis weg. Frau M. erzähl­te mir dann ne­ben­bei, das sei ein ab­ge­wer­te­ter Schreib­tisch und ob wir den für 8 € kas­sie­ren soll und das an­de­re Geld für die Weih­nachts­fei­er neh­men wol­len. Ich stimm­te zu. Außer Frau M. wuss­te nie­mand was.“

 

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Die Kol­le­gin M. gab fol­gen­de schrift­li­che Erklärun­gen ab:

„ Am 26.09.09 kam Kun­de und woll­te Com­pu­ter­tisch kau­fen. Fr. B. kam an Kas­se und leg­te PS hin und bat dar­um den Kun­den ab­zu­kas­sie­ren. Fr. B. ging dann mit Mann der Kun­din zum CT zurück und lud ihn auf Rol­lies und brach­te ihn mit Ihm raus zum Au­to. Kun­din zahl­te in der Zeit 58,- €, ich stell­te Ihr ei­ne Hand­quit­tung aus. Als Kun­den weg wa­ren frag­te ich Frau B. ob wir, da Tisch ab­ge­wer­tet war, für 8,- € ein­bu­chen und 50,- € zur Sei­te le­gen für Weih­nachts­fei­er. Ha­be dann 58,- € im Um­schlag mit Hand­quit­tung in Kas­se ge­legt, da ich Frühschicht hat­te. Am 28.09.09 Mon­tag ha­be ich dann am Nach­mit­tag die 8,- € ge­bucht für Com­pu­ter­tisch und 50,- € in Um­schlag für Weih­nachts­fei­er in Schub­kas­ten an der Kas­se ge­legt.“

Ei­ne wei­te­re Erklärung der Zeu­gin M. hat fol­gen­den Wort­laut:

„Frau B. kam mit PS vom Schreib­tisch zum ab­kas­sie­ren der Kun­din. Hat mit Mann Schreib­tisch raus­ge­fah­ren und Kun­din stand am Tre­sen und be­zahl­te. Ha­be ihr Hand­quit­tung aus­ge­stellt und Kun­din ging. Als Kun­den weg wa­ren Frau B. ge­fragt zwecks Pro­vi­si­on. Ha­be dann Com­pu­ter­tisch am nächs­ten Tag für 8,- € ge­bucht und 50,- € in Um­schlag für Weih­nachts­fei­er in Schub­kas­ten (Kas­se) ge­legt.“

Dar­auf­hin sprach die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 01. Ok­to­ber 2009, der Kläge­rin am sel­ben Tag zu­ge­gan­gen, aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen die streit­ge­genständ­li­che außer­or­dent­li­che frist­lo­se, hilfwei­se or­dent­li­che Kündi­gung zum 28. Fe­bru­ar 2010 aus.

Da­ge­gen hat sich die Kläge­rin mit ih­rer am 21. Ok­to­ber 2009 beim Ar­beits­ge­richt Neu­rup­pin ein­ge­gan­ge­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­wehrt und die Un­wirk­sam­keit die­ser Kündi­gung gel­tend ge­macht. Sie hat ge­meint, es lägen we­der Gründe für ei­ne außer­or­dent­li­che noch ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung vor. Sie ha­be kein Ei­gen­tums­de­likt zum Nach­teil der Be­klag­ten be­gan­gen und sei am Kas­sier­vor­gang auch nicht be­tei­ligt ge­we­sen. Die Kol­le­gin M. ha­be ihr zu­ge­ru­fen, dass es sich bei dem Com­pu­ter­tisch um sog. ab­ge­schrie­be­ne Wa­re han­de­le. Dies ha­be sie le­dig­lich zur Kennt­nis ge­nom­men und sich kei­ne wei­te­ren Ge­dan­ken darüber ge­macht. Ins­be­son­de­re ha­be es kei­ne aus­drück­li­che Ver­ab­re­dung zwi­schen ihr und der Kol­le­gin M. ge­ge­ben. Sie ha­be erst später er­fah­ren, dass die Kol­le­gin M. nur 8,- € ein­ge­bucht ha­be. An die­sen Vorgängen sei sie aber nicht be­tei­ligt ge­we­sen und ha­be in

 

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kei­ner Wei­se mit der Kol­le­gin zu­sam­men­ge­wirkt. Ein ar­beits­ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten lie­ge des­halb nicht vor.

Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht auf­grund der außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung der Be­klag­ten vom 01. Ok­to­ber 2009 am 01. Ok­to­ber 2009 sein En­de ge­fun­den hat.

2. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht auf­grund der hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­nen or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­klag­ten vom 01. Ok­to­ber 2009 am 28. Fe­bru­ar 2010 sein En­de fin­den wird.

3. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht auf­grund an­de­rer Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det oder en­den wird, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen über den 01. Ok­to­ber 2009 hin­aus fort­be­steht.

4. Die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, sie bis zur rechts­kräfti­gen Be­en­di­gung des Rechts­streits über den 01. Ok­to­ber 2009 hin­aus zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen als Verkäufe­r­in wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Zur Be­gründung ih­res Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags hat sie vor­ge­tra­gen, die Kläge­rin ha­be zu­sam­men mit der Kol­le­gin M. ei­nen Be­trag in Höhe von 50,- € un­ter­schla­gen. Hin­sicht­lich des frag­li­chen Com­pu­ter­ti­sches sei ein Kauf­ver­trag über 58,- € zu­stan­de ge­kom­men und die Be­klag­te ha­be dar­aus An­spruch auf die­sen Kauf­preis ge­habt. Tatsächlich sei aber nur ein Be­trag in Höhe von 8,- € ein­ge­bucht wor­den und die Kläge­rin ha­be sich bezüglich der Dif­fe­renz mit der Kol­le­gin M. ab­ge­spro­chen, die­sen an­der­wei­tig für sich zu ver­wen­den. Die

 

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Kläge­rin ha­be sich mit dem Un­ter­schla­gen aus­drück­lich und in kol­lu­si­vem Zu­sam­men­wir­ken ein­ver­stan­den erklärt. Da­durch sei das Ver­trau­ens­verhält­nis endgültig zerstört und ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung un­zu­mut­bar wor­den. Im Übri­gen sei die Kläge­rin im Au­gust 2009 ab­ge­mahnt wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt Neu­rup­pin hat mit sei­nem Ur­teil vom 02. März 2010 die Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung, auf die zur nähe­ren Sach­dar­stel­lung ergänzend Be­zug ge­nom­men wird, hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, die außer­or­dent­li­che Kündi­gung sei wirk­sam und ha­be das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit ih­rem Zu­gang be­en­det, weil ein wich­ti­ger Grund im Sin­ne des § 626 BGB ge­ge­ben sei. Der Vor­wurf ei­nes Ei­gen­tums­de­lik­tes zum Nach­teil der Be­klag­ten sei zur Über­zeu­gung der Kam­mer er­wie­sen. Aus den schrift­li­chen Erklärun­gen so­wohl der Kol­le­gin M. als auch aus der der Kläge­rin er­ge­be sich, dass bei­der­seits die Ab­sicht be­stan­den ha­be, ei­nen Be­trag in Höhe von 50,- € nicht an die Be­klag­te ab­zuführen. Dies sei mit dem Wis­sen und der Dul­dung der Kläge­rin ge­sche­hen und ha­be das er­for­der­li­che Ver­trau­en in die Kläge­rin un­heil­bar zerstört, weil un­mit­tel­bar Ar­beits­pflich­ten be­trof­fen sei­en und ei­ne schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zung vor­lie­ge. Des­halb sei auch ei­ne Ab­mah­nung ent­behr­lich ge­we­sen.

Ge­gen das der Kläge­rin am 20. April 2010 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin am 12. Mai 2010 Be­ru­fung zum Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt und die­se mit dem am 07. Ju­ni 2010 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Sach­vor­trags ist die Kläge­rin wei­ter der Auf­fas­sung, die Kündi­gun­gen sei­en bei­de un­wirk­sam. Das Ar­beits­ge­richt ha­be zu Un­recht ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne des § 626 BGB an­ge­nom­men. Das Ge­richt ha­be feh­ler­haft an­ge­nom­men, die Kläge­rin ha­be ein Vermögens­de­likt be­gan­gen. Sie sei nicht Mittäte­rin ei­nes ggf. von der Kol­le­gin M. be­gan­ge­nen Vermögens­de­likts ge­we­sen; es ha­be we­der ei­nen ge­mein­sa­men Tat­plan, noch ei­nen an­de­ren Ver­ur­sa­chungs­bei­trag ge­ge­ben. Die Kläge­rin ha­be erst im Nach­hin­ein da­von er­fah­ren. Auch die schrift­li­che Erklärung, auf die das Ge­richt die Kla­ge­ab­wei­sung gestützt ha­be, ha­be we­nig Aus­sa­ge­kraft. Dar­in ha­be sie nie­der­ge­schrie­ben, was ihr be­kannt ge­we­sen sei oh­ne da­nach zu dif­fe­ren­zie­ren, wann sie et­was er­fah­ren ha­be. Der Kläge­rin könne auch nicht vor­ge­hal­ten wer­den, sie hätte der Be­klag­ten von den Hand­lun­gen der Kol­le­gin et­was sa­gen müssen. Die Kläge­rin ha­be kei­ne Ga­ran­ten­stel­lung in­ne ge­habt. Im Übri­gen ha­be die Kläge­rin die nähe­ren Ein­zel­hei­ten auch

 

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erst später er­fah­ren. Zu die­sem Zeit­punkt ha­be der Geschäftsführer der Be­klag­ten be­reits al­les ge­wusst.

Dei Kläge­rin be­an­tragt zu­letzt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 16. März 2010 - 52 Ca 17962/09 ab­zuändern und

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en we­der durch die außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung vom 01. Ok­to­ber 2009, noch durch die hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung vom 01. Ok­to­ber 2009 be­en­det wor­den ist,

so­wie

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss die­ses Kündi­gungs­rechts­streits zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 30. Ok­to­ber 1996 als Verkäufe­r­in mit ei­nem durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ge­halt in Höhe von 1.500,- € wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts als recht­lich zu­tref­fend. Da­bei sei un­er­heb­lich, wel­ches Ei­gen­tums­de­likt ver­wirk­licht wor­den sei. Ob dies Dieb­stahl, Un­ter­schla­gung ggf. in Mittäter­schaft, Bei­hil­fe oder An­stif­tung ge­sche­hen sei, sei ne­bensächlich. Ein Vermögens­de­likt lie­ge vor und er­ge­be sich aus den hand­schrift­li­chen Erklärun­gen der Kläge­rin und der Kol­le­gin M.. Die­se sei­en ein­deu­tig, un­wi­der­leg­bar und auch von der Kläge­rin zu kei­nem Zeit­punkt an­ge­grif­fen wor­den. Dar­in ha­be die Kläge­rin aus­drück­lich erklärt, dass sie der Nicht­abführung von 50,- € zu­ge­stimmt ha­be. Die­se Vorwürfe ha­be die Kläge­rin ge­genüber dem Zeu­gen W. in dem des­we­gen geführ­ten Gespräch am 01. Ok­to­ber 2009 auch ein­geräumt. Der Ver­such, die­ses Ver­hal­ten im Nach­hin­ein in ei­nem an­de­ren Licht er­schei­nen zu las­sen, sei un­taug­lich. Es ste­he fest, dass die Kläge­rin ge­wusst ha­be,

 

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dass das Geld ein­be­hal­ten und für die Weih­nachts­fei­er ver­wandt wer­den würde. Im Übri­gen ha­be die Tat auch oh­ne die Kläge­rin nicht be­gan­gen wer­den können. Denn die Kol­le­gin M. ha­be die Zu­stim­mung der Kläge­rin ge­braucht, weil die­se den Com­pu­ter­tisch ver­kauft ha­be und ihr des­halb ei­ne Pro­vi­si­on zu­ge­stan­den ha­be.


Das Be­ru­fungs­ge­richt hat auf Grund­la­ge zwei­er im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung am 16. Sep­tem­ber 2010 verkünde­ter Be­weis­be­schlüsse Be­weis er­ho­ben durch Ver­neh­mung der Zeu­gen Frau M. und Herr W.. Die Zeu­gin M. hat sich auf ein Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht be­ru­fen. Für das Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me im Übri­gen wird auf das Sit­zungs­pro­to­koll vom 16. Sep­tem­ber 2010 (Bl. 120 -123 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Sach­vor­tra­ges der Par­tei­en wird auf die Schriftsätze der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 07. Ju­ni 2010 (Bl. 81 - 84 d. A.) und vom 02. Au­gust 2010 (Bl. 105 – 106) so­wie auf den Schrift­satz des Be­klag­ten­ver­tre­ters vom 08. Ju­li 2010 (Bl. 103 - 104 d. A.) ergänzend Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buch­sta­be c ArbGG statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht i. S. v. § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, § 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

In der Sa­che hat die Be­ru­fung der Kläge­rin je­doch kei­nen Er­folg. So­wohl im Er­geb­nis als auch in der zu­tref­fen­den Be­gründung zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt Neu­rup­pin die Kla­ge ab­ge­wie­sen.


I.


Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 01. Ok­to­ber 2009 mit ih­rem Zu­gang am 01. Ok­to­ber 2009 be­en­det wor­den. Denn die­se Kündi­gung ist durch ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB ge­recht­fer­tigt, oh­ne dass es ei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung be­durft hätte. Der Streit der Par­tei­en um die Wirk­sam­keit der der Kläge­rin im Au­gust 2009 er­teil­te Ab­mah­nung ist da­her nicht

 

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ent­schei­dungs­re­le­vant. Auch ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­abwägung führt nicht zur Un­wirk­sam­keit der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung.

1.

Die zulässi­ge und recht­zei­tig in­ner­halb der ma­te­ri­el­len Aus­schluss­frist der §§ 13, 4, 7 KSchG i. V. m. § 167 ZPO er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge der Kläge­rin ist un­be­gründet. Denn die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 01. Ok­to­ber 2009 ist wirk­sam. Sie hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit ih­rem Zu­gang am 01. Ok­to­ber 2009 wirk­sam be­en­det. Des­halb war die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

2.

Der Be­klag­ten steht ein wich­ti­ger Grund an sich im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB zur Sei­te.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Ar­beits­verhält­nis von je­dem Ver­trags­teil aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist oder bis zu der ver­ein­bar­ten Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Nach die­ser Be­stim­mung ist bei al­len Kündi­gungs­gründen ei­ne Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls und ei­ne Abwägung der je­wei­li­gen In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le er­for­der­lich. Die­ses Er­for­der­nis schließt es aus, be­stimm­te Tat­sa­chen oh­ne Rück­sicht auf die Be­son­der­heit des Ein­zel­falls stets als wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung an­zu­er­ken­nen; es gibt dem­nach im Rah­men des § 626 Abs. 1 BGB kei­ne ab­so­lu­ten Kündi­gungs­gründe (vgl. BAG, Ur­teil vom 23. Ja­nu­ar 1963 – 2 AZR 278/62 – BA­GE 14, 42 = BArbBl. 1963, 693 = AP Nr. 8 zu § 124 a Ge­wO; BAG, Ur­teil vom 15. No­vem­ber 1984 – 2 AZR 613/83 - AP Nr. 87 zu § 626 BGB = NZA 1985, 661;). Im Rah­men der Prüfung ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ist nach der Spruch­pra­xis des Bun­des­ar­beits­ge­richts zunächst zu prüfen, ob ein ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten­ver­s­toß bzw. der Kündi­gungs­sach­ver­halt un­abhängig von den Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­fal­les an sich ge­eig­net ist, ei­nen wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung ab­zu­ge­ben. In ei­ner zwei­ten Prüfungs­stu­fe ist so­dann zu klären, ob es dem Ar­beit­ge­ber im kon­kre­ten Fall un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler in Be­tracht kom­men­der Umstände des Ein­zel­fal­les und der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen zu­mut­bar, den Ar­beit­neh­mer auch nur für

 

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die Dau­er der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist wei­ter­zu­beschäfti­gen (BAG, Ur­teil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – BA­GE 118, 104 = NZA 2006, 977; BAG, Ur­teil vom 07. Ju­li 2005 – 2 AZR 581/04 – BA­GE 115, 195 = AP Nr. 192 zu § 626 BGB = NZA 2006, 98; BAG, Ur­teil vom 15. No­vem­ber 1995 – 2 AZR 974/94 – AP Nr. 73 zu § 102 Be­trVG 1972 = NZA 1996, 419).

a) In An­wen­dung die­ser Grundsätze ist die Kam­mer zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass ein wich­ti­ger Grund für die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 01. Ok­to­ber 2009 vor­liegt.

Vom Ar­beit­neh­mer zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers be­gan­ge­ne Vermögens­de­lik­te sind re­gelmäßig ge­eig­net, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund zu recht­fer­ti­gen. Ein Ar­beit­neh­mer, der im Zu­sam­men­hang mit sei­ner Ar­beits­leis­tung straf­recht­lich re­le­van­te Hand­lun­gen ge­gen das Vermögen sei­nes Ar­beit­ge­bers be­geht, ver­letzt da­mit sei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Rück­sicht­nah­me­pflicht schwer­wie­gend und miss­braucht das in ihn ge­setz­te Ver­trau­en in er­heb­li­cher Wei­se (ständi­ge Recht­spre­chung, vgl. BAG, Ur­teil vom 23. Ju­ni 2009 – 2 AZR 103/08 – NZA 2009, 1098; BAG, Ur­teil vom 13. De­zem­ber 2007 – 2 AZR 537/06 – AP Nr. 210 zu § 626 BGB = NZA 2008, 1008; BAG, Ur­teil vom 11. De­zem­ber 2003 – 2 AZR 36/03 – AP Nr. 179 zu § 626 BGB; BAG, Ur­teil vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 6/83 – AP Nr. 14 zu § 626 BGB).

Ein der­ar­ti­ges Vermögens­de­likt liegt vor. Die Kläge­rin hat im Zu­sam­men­wir­ken mit der Kol­le­gin M. von dem ver­ein­nahm­ten und vom Kun­den kas­sier­ten Kauf­preis in Höhe von 58,- € den Dif­fe­renz­be­trag in Höhe von 50,- € zurück­ge­hal­ten und der Be­klag­ten vor­ent­hal­ten.

Dies steht gemäß § 286 ZPO nach dem ge­sam­ten In­halt der Ver­hand­lung, dem Er­geb­nis der durch­geführ­ten Be­weis­auf­nah­me und ins­be­son­de­re den schrift­li­chen Ein­las­sun­gen der Kläge­rin zum Ab­lauf der Ge­scheh­nis­se am 26. Sep­tem­ber 2009 zur Über­zeu­gung der Kam­mer fest. Sämt­li­che Ein­wen­dun­gen, die die Kläge­rin zu ih­rer Ent­las­tung im vor­lie­gen­den Pro­zess vor­ge­bracht hat, sind ent­we­der un­glaub­haft, wi­der­legt wor­den oder le­bens­fremd.

aa)

Zunächst hat die Kläge­rin selbst in ih­rer schrift­li­chen Erklärung, da­tiert auf den 26. Sep­tem­ber 2009 (Bl. 48 d. A.) den hier vor­ge­wor­fe­nen Sach­ver­halt ein­geräumt. Der Vor­trag

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der Par­tei­en hin­sicht­lich des Ab­laufs bis nach dem ei­gent­li­chen Kas­sier­vor­gang stimmt auch noch übe­rein. Hin­sicht­lich des Ge­sche­hens nach dem Ver­la­den hat die Kläge­rin in die­ser Erklärung, de­ren Ur­he­ber­schaft sie selbst nicht in Zwei­fel zieht – an­ge­ge­ben, mit dem Ein­bu­chen von nur 8,- € aus­drück­lich ein­ver­stan­den ge­we­sen zu sein. Sie führt dies­bezüglich aus:

„(…) Frau M. erzähl­te mir ne­ben­bei, das sei ein ab­ge­wer­te­ter Schreib­tisch, und ob wir den für 8,-€ kas­sie­ren soll und das an­de­re Geld für die Weih­nachts­fei­er neh­men wol­len. Ich stimm­te zu. Außer Frau M. wuss­te nie­mand was.“

Be­reits nach der ei­ge­nen Dar­stel­lung der Kläge­rin von den Ge­scheh­nis­sen am 26. Sep­tem­ber 2009 er­weist sich der von der Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­ne und zum An­lass für die strei­ti­ge Kündi­gung ge­nom­me­ne Sach­ver­halt als zu­tref­fend. Nach dem In­halt die­ser Erklärung muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass nach der Rück­kehr vom Ver­la­den des Com­pu­ter­ti­sches ei­ne Ab­spra­che zwi­schen der Zeu­gin M. und der Kläge­rin ge­trof­fen wur­de, le­dig­lich ei­nen re­du­zier­ten Be­trag (8,- €) in die Kas­se ein­zu­bu­chen, die Dif­fe­renz (50,- €) an­der­wei­tig zu ver­wen­den und da­durch die Be­klag­te um die­sen Be­trag zu schädi­gen und ihr die­ses Geld vor­zu­ent­hal­ten. Es ist kei­nes­falls so ge­we­sen, dass die Kläge­rin von all­dem, was ihr die Be­klag­te vor­wirft, nichts mit­be­kom­men und dies erst später er­fah­ren hat. Die­ser Vor­trag im Pro­zess lässt sich mit der von der Kläge­rin stam­men­den schrift­li­chen Erklärung nicht in Übe­rein­stim­mung brin­gen. Ent­ge­gen dem Vor­trag der Kläge­rin war sie an der Ver­ein­nah­mung und Vor­ent­hal­tung ei­nes Be­tra­ges in Höhe von 50,- € sehr wohl be­tei­ligt. Wie dies straf­recht­lich zu be­wer­ten ist, ist dem­ge­genüber für die Fra­ge der Wirk­sam­keit ei­ner hier­auf gestütz­ten außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zunächst ein­mal oh­ne Be­lang. Der Ver­such, den In­halt ih­rer ei­ge­nen, schrift­li­chen Erklärung in der Be­ru­fungs­in­stanz da­mit zu re­la­ti­vie­ren, dass sie in die­ser Erklärung den ihr be­kann­ten Sach­ver­halt ge­schil­dert ha­be, oh­ne da­nach zu dif­fe­ren­zie­ren, wann sie hier­von – im Nach­hin­ein – et­was er­fah­ren hat, schlägt fehl. Die Kam­mer kann die­sen Vor­trag be­reits nicht nach­voll­zie­hen. Denn in der Erklärung hat sie den Ab­lauf ge­schil­dert, wie er nach ih­rer Rück­kehr vom Ver­la­den des Com­pu­ter­ti­sches ab­ge­spielt hat. Ins­be­son­de­re ist nicht er­sicht­lich, dass sich an ih­rer Zu­stim­mung zu der vor­ge­schla­ge­nen Bu­chungs­wei­se et­was durch im Nach­hin­ein be­kannt ge­wor­de­ne oder erst später be­kann­te Umstände et­was ändert bzw. zu ei­ner an­de­ren Be­wer­tung führen könn­te. So­weit da­mit ge­meint sein soll­te, sie ha­be dem An­sin­nen der Kol­le­gin M. nicht vor­her zu­ge­stimmt, son­dern dies erst nachträglich er­fah­ren und die For­mu­lie­rung „Zu­stim­mung“ sei als nachträgli­che „Ge­neh­mi­gung“ zu ver­ste­hen, ändert dies grundsätz­lich nichts. Die Zeu­gin M. hat ihr vor­ge­schla­gen, ei­nen an­de­ren Be­trag ein­zu­bu­chen und in die Kas­se zu le­gen als den tatsächlich kas­sier­ten. Dem stimm­te die

 

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Kläge­rin zu oder bil­lig­te es im Nach­hin­ein. Da­mit ist je­den­falls ei­ne Ei­ni­gung zu­stan­de ge­kom­men, der Be­klag­ten den Dif­fe­renz­be­trag vor­zu­ent­hal­ten und zu schädi­gen. Die Kläge­rin trägt auch nicht vor, wel­cher Sach­ver­halt erst später be­kannt ge­wor­den sein soll, der ge­eig­net wäre ih­rer Erklärung ei­nen an­de­ren Be­deu­tungs­ge­halt zu ge­ben. So­weit die kon­kre­ten Zah­len der Kläge­rin erst im Nach­hin­ein be­kannt ge­wor­den sein sol­len, ändert dies am Un­rechts­ge­halt und der dar­aus re­sul­tie­ren­den Be­wer­tung für die Kam­mer eben­falls nichts. Im Er­geb­nis be­stand ei­ne Ab­spra­che zwi­schen der Kläge­rin und der Kol­le­gin M. den Dif­fe­renz­be­trag in Höhe von 50,- € dem Vermögen der Be­klag­ten vor­zu­ent­hal­ten. Da­bei ist es für die Kam­mer kein Un­ter­schied, ob Geld aus der Kas­se ge­nom­men, d. h. ent­wen­det wird, oder ob Geld gar nicht erst in die Kas­se ein­ge­legt wird. Im Er­geb­nis ist die­ses Ver­hal­ten – wenn es auch straf­recht­lich im ers­te­ren Fall als Dieb­stahl und im letz­te­ren Fall als Un­ter­schla­gung und da­mit un­ter­schied­lich zu wer­ten sein dürf­te, gleich.

In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass un­be­strit­ten übli­cher­wei­se Kauf­verträge aus­ge­fer­tigt wer­den und dies im vor­lie­gen­den Fall un­ter­blie­ben ist. Da auch der Ver­kauf von Kleinmöbeln wie dem Com­pu­ter­tisch ein pro­vi­si­ons­pflich­ti­ges Geschäft ist, be­durf­te es auch in­so­weit der Ab­spra­che zwi­schen der Kläge­rin und der Zeu­gin M..

bb)

Auch die Zeu­gin M. hat im Er­geb­nis des we­gen die­ses Bu­chungs­vor­fal­les durch­geführ­ten Gespräches zwei schrift­li­che Erklärun­gen ab­ge­ge­ben, die den Kündi­gungs­vor­wurf bestäti­gen. In der zunächst von der Be­klag­ten zur Ak­te ge­reich­ten Erklärung (Bl. 47 d. A.) hat Frau M. aus­drück­lich bestätigt, die Kläge­rin we­gen der Bu­chung ei­nes ge­rin­ge­ren Be­tra­ges ge­fragt zu ha­ben. In der wei­te­ren Erklärung (Bl. 118 d. A.) hat sie an­ge­ge­ben, die Kläge­rin we­gen der Pro­vi­si­on zu der Vor­ge­hens­wei­se ge­fragt zu ha­ben. Auch wenn dort nicht aus­drück­lich von der Zu­stim­mung der Kläge­rin die Re­de ist, lie­fern die­se Erklärun­gen ein In­diz für das Vor­lie­gen ei­ner Zu­stim­mung der Kläge­rin bzw. ei­nes ge­mein­sa­men Tat­plans.
Denn oh­ne die Kläge­rin „mit ins Boot zu ho­len“, wäre die Tat über­haupt nicht möglich ge­we­sen. Spätes­tens bei der Pro­vi­si­ons­ab­rech­nung wäre die Ver­ein­nah­mung der 50,- € bzw. un­ter­blie­be­ne Bu­chung an­sons­ten auf­ge­fal­len, weil die der Kläge­rin zu­ste­hen­de Pro­vi­si­on deut­lich ge­rin­ger aus­ge­fal­len wäre. Auch „ins Bild“ passt der Um­stand, dass kein Kauf­ver­trag aus­ge­fer­tigt wur­de und dem Kun­den le­dig­lich ei­ne hand­schrift­li­che Quit­tung aus­ge­stellt wur­de.

 

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Da­bei konn­te die Be­ru­fungs­kam­mer auch die schrift­li­che Erklärung der Zeu­gin M. ge­genüber der Be­klag­ten (Bl. 47, 118 d. A.) würdi­gen, ob­wohl sich die Zeu­gin M. im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung über die Be­ru­fung auf ein be­ste­hen­des Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rungs­recht be­ru­fen hat. Denn das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht ei­nes Zeu­gen im Zi­vil­pro­zess schließt – an­ders als § 252 St­PO im Straf­pro­zess – die Ver­wer­tung von Nie­der­schrif­ten über frühe­rer Äußerun­gen nicht aus (OLG Köln, Ur­teil vom 15. Ju­ni 1992 – 5 U 191/91 – VersR 1993, 335). Denn die ZPO sieht ein all­ge­mei­nes Be­weis­ver­wer­tungs­ver­bot ge­ra­de nicht vor (OLG Hamm, Ur­teil vom 15- Ju­ni 1988 – 11 W 71/88 – NJW-RR 1989, 573). Die nachträgli­che Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rung schließt des­halb ei­ne Ver­wer­tung be­reits getätig­ter Aus­sa­gen nicht aus (Gre­ger in Zöller, ZPO, 28. Auf­la­ge 2010, § 383 Rn. 6).

cc)

Auch der als präsen­ter Zeu­ge ver­nom­me­ne Fi­li­al­lei­ter W. hat bestätigt, dass die Kläge­rin in ei­nem Gespräch am 01.Ok­to­ber 2009 den ihr ge­mach­ten Tat­vor­wurf ein­geräumt und die Tat bzw. ih­ren Tat­bei­trag aus­drück­lich zu­ge­ge­ben hat. Er hat aus­ge­sagt, dass ein Com­pu­ter­tisch oh­ne den ei­gent­lich da­zu­gehören­den schrift­li­chen Kauf­ver­trag ver­kauft wor­den ist und auch ein fal­scher Kauf­preis (Be­trag) ver­bucht wor­den ist. Ihm ge­genüber hat dann die Kläge­rin an­ge­ge­ben, dass Frau M. ihr den Vor­schlag un­ter­brei­tet hat, den Kauf­preis an­ders zu bu­chen und 50,- € ein­zu­be­hal­ten. Sie hat in dem mit dem Zeu­gen geführ­ten Gespräch nach des­sen Aus­sa­ge auch zum Aus­druck ge­bracht, dass die Kläge­rin die­sem Vor­schlag zu­ge­stimmt ha­be.

Die Kam­mer hat­te kei­ner­lei Grund, die Glaubwürdig­keit des Zeu­gen oder die Glaub­haf­tig­keit sei­ner Aus­sa­ge in Zwei­fel zu zie­hen. Die­se deckt sich viel­mehr mit den schrift­li­chen An­ga­ben der Zeu­gin M. und der Kläge­rin. Die­se sind erst im An­schluss an das mit dem Zeu­gen W. geführ­te Gespräch schrift­lich fi­xiert wor­den und las­sen sich mit der Aus­sa­ge des Zeu­gen in Übe­rein­stim­mung brin­gen. So­weit der Zeu­ge nicht mehr den ge­nau­en Wort­laut die­ses Gesprächs schil­dern konn­te, er­scheint dies auf­grund des Zeit­ab­laufs nach­voll­zieh­bar. Eben­so nach­voll­zieh­bar er­scheint es der Kam­mer, dass trotz des Zeit­ab­laufs der In­halt sei­nem we­sent­li­chen In­halt nach noch präsent war. Denn die­ser Vor­gang ist so außer­gewöhn­lich, dass man ihn auch nach länge­rer Zeit noch nicht ver­ges­sen ha­ben dürf­te. Le­dig­lich hin­sicht­lich der Ver­wen­dung hat der Zeu­ge ei­ne ge­ringfügig an­de­re Dar­stel­lung ge­ge­ben. In­so­weit hat er aus­ge­sagt, die Kläge­rin ha­be ge­sagt, das Geld soll­te ge­teilt wer­den. Dem­ge­genüber ha­ben Frau M. und die Kläge­rin zwar schrift­lich die Ver­wen­dung für

 

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ei­ne Weih­nachts­fei­er an­ge­ge­ben; dies macht je­doch die Aus­sa­ge des Zeu­gen nicht un­glaubwürdig oder wert­los. Die­se Dis­kre­panz spricht dafür, dass der Zeu­ge aus sei­ner Er­in­ne­rung her­aus aus­ge­sagt hat und die Aus­sa­ge nicht ab­ge­spro­chen war. Es wäre leicht möglich ge­we­sen, dem Zeu­gen zur Vor­be­rei­tung der Aus­sa­ge die ent­spre­chen­den schrift­li­chen Erklärun­gen zugäng­lich zu ma­chen. Dann wären ggf. sol­che Dis­kre­pan­zen nicht auf­ge­tre­ten. Im Übri­gen ist auch durch­aus möglich, dass die Kläge­rin hin­sicht­lich der be­ab­sich­tig­ten Ver­wen­dung von ei­nem Tei­len ge­spro­chen, aber ein Tei­len für die Weih­nachts­fei­er ge­meint hat.

dd)

Nach dem Ein­druck von der münd­li­chen Ver­hand­lung und un­ter Berück­sich­ti­gung des Ak­ten­in­halts und dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me ist die Kam­mer über­zeugt, dass die Kläge­rin zu­sam­men mit der Zeu­gin M. ver­ab­re­det hat, den für 58,- € ver­kauf­ten Com­pu­ter­tisch als zum Preis von 8,- € ver­kauft zu bu­chen und den Dif­fe­renz­be­trag der Be­klag­ten vor­zu­ent­hal­ten.

Die Be­klag­te hat­te aber An­spruch auf den ge­sam­ten Kauf­preis in Höhe von 58,- € und zwar un­abhängig da­von, ob es sich tatsächlich um ab­ge­schrie­be­ne Wa­re ge­han­delt hat. Dies ist bis zu­letzt zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ge­blie­ben, für die Ent­schei­dung des Rechts­streits aber ir­re­le­vant. Denn zwi­schen der Be­klag­ten, ver­tre­ten durch die Kläge­rin und dem Kun­den ist gemäß §§ 145 ff, 164, 433 BGB ein Kauf­ver­trag über den Kauf des Com­pu­ter­ti­sches zum Preis von 58,- € zu­stan­de ge­kom­men. Des­halb be­stand zu­guns­ten der Be­klag­ten gemäß § 433 Abs. 2 BGB auch ein An­spruch auf den Kauf­preis in die­ser Höhe. Die Ver­ein­nah­mung der ein­ge­nom­me­nen Gel­der durch die Kläge­rin und die Zeu­gin M. stellt ei­ne schwe­re Ver­let­zung ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten dar, wo­bei of­fen blei­ben kann, ob die Vor­ge­hens­wei­se der Kläge­rin den Tat­be­stand des Dieb­stahls (§ 242 StGB), der Un­ter­schla­gung (§ 246 StGB) oder ei­nes Be­tru­ges (§ 263 StGB) und in wel­cher Be­tei­li­gungs­form (An­stif­tung, Bei­hil­fe, Mittäter­schaft) erfüllt. Denn es kommt letzt­lich auf die straf­recht­li­che Ein­ord­nung nicht ent­schei­dend an (BAG, Ur­teil vom 08. No­vem­ber 2007 – 2 AZR 528/06 – EzA Nr. 19 zu § 616 BGB 2002; BAG, Ur­teil vom 24. No­vem­ber 2005 – 2 AZR 39/05 – AP Nr. 197 zu § 626 BGB = NZA 2006, 484; BAG, Ur­teil vom 21. April 2005 – BA­GE 114, 264 0 NZA 2005, 991; BAG, Ur­teil vom 12. Au­gust 1999 – 2 AZR 832/98 – NZA 2000, 27), son­dern auf den da­durch ein­ge­tre­te­nen Ver­trau­ens­ver­lust.

 

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ee)

Im Übri­gen würde sich auch nach dem als wi­der­legt an­ge­se­he­nen Vor­trag der Kläge­rin kündi­gungs­re­le­van­tes Fehl­ver­hal­ten er­ge­ben. Hätte die Kläge­rin – wie sie be­haup­tet – zwar von dem An­sin­nen der Zeu­gin M. und des be­vor­ste­hen­den Dieb­stahls et­was mit­be­kom­men, hier­auf aber nicht re­agiert, läge dar­in auch ei­ne Ver­trags­pflicht­ver­let­zung. Denn dann wäre es die Pflicht der Kläge­rin ge­we­sen, die­sen Dieb­stahl an­zu­zei­gen. Denn – je­den­falls im Auf­ga­ben­be­reich des Ar­beit­neh­mers – be­steht die Ver­pflich­tung, ge­gen den Ar­beit­ge­ber ge­rich­te­te Hand­lun­gen an­zu­zei­gen (BAG, Ur­teil vom 18. Ju­ni 1970 – 1 AZR 520/69 – BA­GE 22, 375 = AP Nr. 57 zu § 611 BGB Haf­tung des Ar­beit­neh­mers LAG Hamm, Ur­teil vom 29. Ju­li 2004 – 18 (2) Sa 2016/93 – BB 1994, 2352).

Ins­ge­samt hat die Kam­mer die Über­zeu­gung ge­won­nen, dass die Kläge­rin zu­sam­men mit der Zeu­gin M. be­schlos­sen hat, statt des ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses in Höhe von 58,- € nur ei­nen Be­trag in Höhe von 8,- € als kas­siert ein­zu­bu­chen und den Rest der Be­klag­ten vor­zu­ent­hal­ten und an­der­wei­tig zu ver­wen­den. Ein sol­ches Ver­hal­ten verstößt in gra­vie­ren­der Wei­se ge­gen die Vermögens­in­ter­es­sen der Be­klag­ten und ist da­her zwei­fel­los grundsätz­lich ge­eig­net, ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB zu bil­den. Umstände, die das be­tref­fen­de Fehl­ver­hal­ten der Kläge­rin recht­fer­ti­gen könn­ten, sind we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich.

b) An­ge­sichts der Schwe­re der Ver­trags­ver­let­zun­gen be­durf­te es auch kei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung. Un­ter den Umständen des vor­lie­gen­den Fal­les war der vor­he­ri­ge Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung ge­genüber der Kläge­rin ent­behr­lich.

Auf­grund des im An­wen­dungs­be­reich des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes all­ge­mein gel­ten­den Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes und des für ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gun­gen gel­ten­den Pro­gno­se­prin­zips wird vor je­der Kündi­gung, die we­gen ei­nes steu­er­ba­ren Fehl­ver­hal­tens des Ar­beits­neh­mers aus­ge­spro­chen wird, grundsätz­lich ei­ne Ab­mah­nung ge­for­dert. Dies gilt je­den­falls dann, wenn da­mit ge­rech­net wer­den kann, dass die Ab­mah­nung zu ver­trags­gemäßem Ver­hal­ten in der Zu­kunft führen wird und ei­ne Wie­der­her­stel­lung des Ver­trau­ens zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer er­war­tet wer­den kann (BAG, Ur­teil vom 23. Ju­ni 2009 – 2 AZR 103/08 – AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung = NZA 2009, 1198 m. w. N.). Ei­ne Ab­mah­nung ist je­doch dann ent­behr­lich, wenn es um schwe­re Pflicht­ver­let­zun­gen geht, de­ren Rechts­wid­rig­keit dem Ar­beit­neh­mer oh­ne

 

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wei­te­res er­kenn­bar ist und bei de­nen ei­ne Hin­nah­me oder Dul­dung die­ses Ver­hal­tens durch den Ar­beit­ge­ber of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen ist (BAG, Ur­teil vom 23. Ju­ni 2009 – 2 AZR 103/08 – a. a. O.). In ei­nem sol­chen Fall kann durch ei­ne bloße Ab­mah­nung als mil­de­res Mit­tel die Wie­der­her­stel­lung des für ein Ar­beits­verhält­nis not­wen­di­gen Ver­trau­ens nicht er­war­tet wer­den (BAG, Ur­teil vom 12. Au­gust 1999 – 2 AZR 923/98 – AP Nr. 28 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lun­gen). So liegt der Fall hier. Auch wenn die Kläger nach wie vor ihr Ver­hal­ten zu re­la­ti­vie­ren ver­sucht und ei­ne Be­tei­li­gung an der Un­ter­schla­gung / dem Dieb­stahl wei­ter­hin be­strei­tet, konn­te sie nicht mit ver­tret­ba­ren Gründen an­neh­men, das Vor­ent­hal­ten Gel­dern bzw. Un­ter­schla­gun­gen, würde von der Be­klag­ten nicht als ein er­heb­li­ches, den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses gefähr­den­des Fehl­ver­hal­ten an­ge­se­hen. Un­ter die­sen Umständen war der Aus­spruch ei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung ent­behr­lich. Hier­an ändert auch die lan­ge Be­triebs­zu­gehörig­keit der Kläge­rin nichts. In die­sem Fall könn­te auch durch den Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung nicht das für die wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit er­for­der­li­che Ver­trau­en in ei­nen störungs­frei­en Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses wie­der­her­ge­stellt wer­den.

c) Auf Grund der Art und der Schwe­re der Pflicht­ver­let­zung war der Be­klag­ten die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses auch nicht un­ter Berück­sich­ti­gung der wei­te­ren Umstände des Ein­zel­falls so­wie un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le auch nur bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist zu­zu­mu­ten. Dem In­ter­es­se der Be­klag­ten an ei­ner so­for­ti­gen Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses war hier der Vor­zug zu ge­ben.

Zu Guns­ten der Kläge­rin fällt ih­re langjähri­ge, annähernd 14-jähri­ge und bis­lang im We­sent­li­chen be­an­stan­dungs­freie Be­triebs­zu­gehörig­keit ins Ge­wicht. Da­bei lässt die Kam­mer die von der Be­klag­ten an­geführ­te Ab­mah­nung zu Guns­ten der Kläge­rin außer Be­tracht. Den­noch führt dies nicht da­zu, dass der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb Geld un­ter­schla­gen oder steh­len darf. Auch in An­se­hung der langjähri­gen Be­triebs­zu­gehörig­keit der Kläge­rin stellt sich ihr Fehl­ver­hal­ten nicht als Ba­ga­tell­fall dar. Die Pflicht­wid­rig­keit ih­res Ver­hal­tens war für die Kläge­rin oh­ne wei­te­res er­kenn­bar. Mit ei­ner Bil­li­gung konn­te sie nicht rech­nen. Das Fehl­ver­hal­ten ist gra­vie­rend und hat das Ver­trau­ens­verhält­nis der Par­tei­en zerstört. Dies kann nicht wie­der un­ge­sche­hen ge­macht wer­den.

Dies gilt auch un­ter Berück­sich­ti­gung der lan­gen Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit. An­ders als et­wa im Fal­le ei­ner Kas­sie­re­rin, der ei­ne Un­ter­schla­gung von Pfand­bons im Wert von

 

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1,30 € vor­ge­wor­fen wur­de (vgl. BAG, Ur­teil vom 10. Ju­ni 2010 – 2 AZR 541/09 – PM des BAG) lag hier ei­ne di­rek­te Schädi­gung der Be­klag­ten als Ar­beit­ge­ber vor, die auch nicht mehr dem Ba­ga­tell­be­reich zu­zu­ord­nen ist. Un­abhängig da­von, dass fes­te Wert­gren­zen schwer­lich zu be­stim­men sind, han­delt es sich bei ei­nem dro­hen­den Scha­den von 50,- € nicht mehr um ei­ne ge­ring­wer­ti­ge Sa­che bzw. ge­ringfügi­ge wirt­schaft­li­che Schädi­gung. Das Ver­trau­en der Be­klag­ten in die Red­lich­keit der Kläge­rin ist un­wie­der­bring­lich zerstört. Zu­mal die­ses Ver­hal­ten den Kern­be­reich der Ar­beits­auf­ga­ben der Kläge­rin als Verkäufe­r­in be­trifft. Der Ver­trags­ver­s­toß wiegt des­halb schwer. Auch ein durch die lan­ge und be­an­stan­dungs­freie Beschäfti­gung er­wor­be­nes Ver­trau­en­s­ka­pi­tal steht die­sem Er­geb­nis nicht ent­ge­gen. Die Kläge­rin weist zwar ei­ne er­heb­li­che Beschäfti­gungs­zeit auf, dies be­deu­tet aber nicht, dass man zu­min­dest ein­mal sank­ti­ons­los „in die Kas­se grei­fen“ darf.

Berück­sich­tigt man wei­ter das be­rech­tig­te In­ter­es­se der Be­klag­ten, sich auf die Ehr­lich­keit der Verkäufe­r­in­nen und Kas­sie­re­rin­nen ver­las­sen zu können und zu müssen und durch den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung auch ge­genüber den an­de­ren Beschäftig­ten deut­lich zu ma­chen, dass ein der­ar­ti­ges Ver­hal­ten un­ter kei­nen Umständen hin­ge­nom­men wird, er­scheint ei­ne Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist und erst recht darüber hin­aus auch un­ter Berück­sich­ti­gung der be­an­stan­dungs­frei­en Be­triebs­zu­gehörig­keit der Kläge­rin nicht zu­mut­bar. Ab­ge­se­hen von der mit der Tätig­keit ein­her­ge­hen­den Ver­trau­ens­stel­lung und der feh­len­den Kon­trollmöglich­kei­ten hat der Kündi­gungs­vor­wurf auch Aus­wir­kun­gen auf die Kun­den der Be­klag­ten. Denn zu­min­dest der Kun­de vom 26. Sep­tem­ber 2009, der den frag­li­chen Com­pu­ter­tisch zu Preis von 58,- € ge­kauft hat­te, wird sich bei be­kannt wer­den die­ser Vorgänge be­tro­gen fühlen.

Ins­ge­samt er­scheint auch der Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung als an­ge­mes­se­ne Re­ak­ti­on. Auf­grund der Schwe­re der Pflicht­wid­rig­keit, die sich die Kläge­rin hat zu­schul­den kom­men las­sen, be­stand bei der Be­klag­ten nicht mehr die Möglich­keit ei­ner ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit in der Zu­kunft. Nach al­le­dem sind kei­ne Umstände fest­stell­bar, die die Be­klag­te hätten ver­an­las­sen müssen, im kon­kre­ten Ein­zel­fall trotz der Schwe­re der Pflicht­ver­let­zung von ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung ab­zu­se­hen.

3.

Die Kündi­gung ist auch nicht we­gen Versäum­ung der Kündi­gungs­erklärungs­frist des § 626 Abs. 2 BGB un­wirk­sam. Da­nach muss je­de außer­or­dent­li­che Kündi­gung in­ner­halb von zwei Wo­chen er­fol­gen. Bei die­ser Zwei-Wo­chen-Frist han­delt es sich um ei­ne ma­te­ri­ell­recht­li­che

 

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Aus­schluss­frist, die ei­nen ge­setz­li­chen kon­kre­ti­sier­ten Ver­wir­kungs­tat­be­stand dar­stellt (BAG, Ur­teil vom 26. Ju­ni 2008 – 2 AZR 190/07 – EzA Nr. 21 zu § 626 BGB 2002; BAG, Ur­teil vom 01. Fe­bru­ar 2007 – 2 AZR 333/06 – EzA Nr. 3 zu § 626 BGB 2002 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lun­gen). Sie be­ginnt in dem Zeit­punkt, in dem der Kündi­gungs­be­rech­tig­te von den für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen Kennt­nis er­langt, al­so ei­ne zu­verlässi­ge und möglichst vollständi­ge po­si­ti­ve Kennt­nis der für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen vor­liegt, die die Ent­schei­dung ermöglicht, ob die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­mut­bar er­scheint oder nicht (BAG, Ur­teil vom 23. Ok­to­ber 2008 – 2 AZR 388/07 – EzA Nr. 23 zu § 626 BGB 2002). Die Be­klag­te hat vor­lie­gend er­sicht­lich die Kündi­gungs­erklärungs­frist des § 626 Abs. 2 BGB ein­ge­hal­ten.

War nach al­lem die außer­or­dent­li­che Kündi­gung ge­recht­fer­tigt, be­en­de­te die­se das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit so­for­ti­ger Wir­kung im Zeit­punkt des Zu­gangs, mit­hin am 01. Ok­to­ber 2009.


II.


Auf­grund der Wirk­sam­keit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung vom 01. Ok­to­ber 2009 er­weist sich der Kündi­gungs­schutz­an­trag ge­gen die hilfs­wei­se erklärte or­dent­li­che Kündi­gung vom 01. Ok­to­ber 2009 als un­be­gründet. Da das Ar­beits­verhält­nis zum 01. Ok­to­ber 2009 durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung auf­gelöst wor­den ist, be­stand auch nach den Grundsätzen, die der Große Se­nat des Bun­des­ar­beit­ge­richts im Be­schluss vom 27. Fe­bru­ar 1985 auf­ge­stellt hat (BAG GS 1/84 – BA­GE 48,122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäfti­gungs­pflicht = NZA 1985, 702) kein Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch der Kläge­rin.


III.

 

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kläge­rin hat als un­ter­le­ge­ne Par­tei die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen.

 

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IV.


Die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on nach § 72 Abs. 2 ArbGG lie­gen nicht vor.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben. Auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wird hin­ge­wie­sen (§ 72 a ArbGG).

 

(J.) 

(K.)

(Sch.)

 

 

 

 

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