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Fehler bei der Anzeige einer Massenentlassung
16.09.2015. Planen Arbeitgeber eine größere Kündigungswelle bzw. eine "Massenentlassung", müssen sie viele Formalitäten beachten und können dabei auf die Nase fallen.
So sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, der Arbeitsagentur bevorstehende Massenentlassungen anzuzeigen. Dabei müssen sie nachweisen, dass sie den Betriebsrat über die geplanten Entlassungen umfassend informiert und Beratungen mit ihm abgehalten haben. Im Normalfall ist für einen solchen Nachweis eine Stellungnahme des Betriebsrats erforderlich.
Ohne eine solche Stellungnahme sind die später ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen im Normalfall unwirksam.
Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt, wie angreifbar Massenentlassungen dadurch sind: BAG, Urteil vom 26.02.2015, 2 AZR 371/14.
- Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber bei einer geplanten Massenentlassung?
- Der Streitfall: Betriebsrat widerspricht in seiner Stellungnahme einer geplanten Massenentlassung
- BAG: Wirksame Massenentlassungsanzeige erfordert abschließende Stellungnahme des Betriebsrats
Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber bei einer geplanten Massenentlassung?
Ob eine größere Welle betriebsbedingter Kündigungen als Massenentlassung anzusehen ist, wird in § 17 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) definiert und hängt von der Betriebsgröße und der Anzahl der geplanten Entlassungen ab. Liegt eine Massenentlassung vor und gibt es in dem betroffenen Betrieb einen Betriebsrat, muss der Arbeitgeber im Wesentlichen
- den Betriebsrat vorab und umfassend über seine Planungen informieren und mit ihm Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern ("Konsultationsverfahren" gemäß § 17 Abs.2 KSchG),
- mit dem Betriebsrat vorab über einen möglichen Interessenausgleich sprechen ("Interessenausgleichsverhandlung"), denn die meisten Massenentlassungen sind zugleich auch Betriebsänderungen im Sinne von § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG),
- die Arbeitsagentur vorab schriftlich über die geplanten Entlassungen informieren, d.h. über die Anzahl der Entlassungen, die betroffenen Berufsgruppen usw., wobei er auch sein an den Betriebsrat gerichtetes Informationsschreiben sowie eine Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügen muss ("Massenentlassungsanzeige", "Anzeigeverfahren"),
- mit dem Betriebsrat einen Sozialplan aushandeln, den der Betriebsrat (im Unterschied zum Interessenausgleich, über den der Arbeitgeber nur ernsthaft verhandeln muss) gemäß § 112 Abs.4 BetrVG erzwingen kann ("Sozialplanverhandlung").
Patzt der Arbeitgeber beim ersten und/oder dritten Punkte dieser To-do-Liste, d.h. beim Konsultationsverfahren und/oder bei der Massenentlassungsanzeige, sind die später ausgesprochenen Kündigungen nach der Rechtsprechung unwirksam. Führt der Arbeitgeber keine oder keine ernsthaften Interessenausgleichsverhandlungen, muss er den später entlassenen Arbeitnehmern einen Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG zahlen, d.h. die Entlassungen sind wegen dieses Verfahrensfehlers nicht unwirksam, sondern es gibt Geld. Und mauert der Arbeitgeber bei den Sozialplanverhandlungen, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, die dann durch einen Spruch einen Sozialplan aufstellt (§ 112 Abs.4 BetrVG).
Wer als Arbeitnehmer infolge einer Massenentlassung aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird und dagegen vor Gericht zieht, wird versuchen, dem Arbeitgeber Fehler beim Konsultations- und/oder beim Anzeigeverfahren nachzuweisen, denn solche Fehler bringen die Kündigung zu Fall.
Daher wird in solchen Kündigungsschutzverfahren manchmal darüber gestritten, ob der Arbeitgeber beim Anzeigeverfahren auch eine korrekte Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt hat. Der Arbeitgeber hat drei verschiedene Möglichkeiten, diese gesetzliche Pflicht zu erfüllen:
- Er fügt seiner Massenentlassungsanzeige eine Stellungnahme des Betriebsrats zu den geplanten Entlassungen bei (§ 17 Abs.3 Satz 2 KSchG), oder
- er macht gegenüber der Arbeitsagentur glaubhaft, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor seiner Massenentlassungsanzeige korrekt unterrichtet hat und legt der Arbeitsagentur den Stand der Beratungen dar, falls eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vorliegt oder der Betriebsrat mauert (§ 17 Abs.3 Satz 3 KSchG), oder
- er präsentiert der Arbeitsagentur einen Interessenausgleich mit namentlicher Bezeichnung der zu kündigenden Arbeitnehmer, d.h. einen "Interessenausgleich mit Namensliste" im Sinne von § 1 Abs.5 KSchG, denn ein solcher Interessenausgleich ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates (§ 1 Abs.5 Satz 4 KSchG).
Fraglich ist, welche Erklärungen als "Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen" im Sinne von § 17 Abs.3 Satz 2 KSchG gelten können und welche nicht. Was ist zum Beispiel, wenn der Betriebsrat in seiner Stellungnahme gegen die geplanten Entlassungen protestiert und den Arbeitgeber auffordert, von seinen Plänen abzulassen?
Der Streitfall: Betriebsrat widerspricht in seiner Stellungnahme einer geplanten Massenentlassung
In einem zum Telekomkonzern gehörenden Betrieb mit ursprünglich 500 Arbeitnehmern hatten Betriebsrat und Geschäftsleitung im Jahre 2007 einen Interessenausgleich und Sozialplan für eine Betriebsschließung vereinbart, die erst fünf Jahre später durchgeführt werden sollte, nämlich zum Jahresende 2012. In den Vereinbarungen waren Zusagen anderer Konzernunternehmen enthalten, sich um eine Übernahme der 2012 zu entlassenden Arbeitnehmer zu bemühen.
Im März 2012 war es dann so weit: Der Arbeitgeber informierte den Betriebsrat offiziell über die geplante Entlassung der gesamten Belegschaft (155 Arbeitnehmer) infolge der 2007 vereinbarten Betriebsschließung zum Ende 2012 und forderte den Betriebsrat zur Stellungnahme auf.
Schon sechs Tage später reichte der Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige ein, wobei er versprach, die derzeit noch nicht vorliegende Stellungnahme des Betriebsrats nachzureichen.
Anfang April 2012 widersprach der Betriebsrat in einer Stellungnahme den geplanten Entlassungen und berief sich dabei auf die 2007 ausgehandelten Übernahme- bzw. Weiterbeschäftigungszusagen anderer konzernangehöriger Unternehmen. In dem Schreiben hieß es weiter: "Ausreichende Anstrengungen" zur Vermeidung der Entlassungen "konnte der Betriebsrat bisher nicht feststellen".
Diese Stellungnahme leitete der Arbeitgeber an die Arbeitsagentur weiter und kündigte später allen Mitarbeitern nach Ablauf der einmonatigen Sperrfrist zum 31.12.2012. Zum Jahresende wurde die Produktion eingestellt.
Ein gekündigter Qualitätsingenieur erhob vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Kündigungsschutzklage mit dem Argument, dass die Massenentlassungsanzeige nicht korrekt gewesen sei, allerdings ohne Erfolg (Urteil vom 21.02.2013, 4 Ca 3453/12). Auch seine Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf wurde abgewiesen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2014, 4 Sa 528/13). Arbeitsgericht und LAG waren der Ansicht, dass die Massenentlassungsanzeige fehlerfrei und die Kündigung wirksam war.
BAG: Wirksame Massenentlassungsanzeige erfordert abschließende Stellungnahme des Betriebsrats
Anders als die Vorinstanzen bewertete das BAG die Massenentlassungsanzeige als unzureichend bzw. als fehlerhaft und gab dem Arbeitnehmer recht.
Der Grund für die Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige war hier im Streitfall, dass die Stellungnahme des Betriebsrats nicht ausreichend war. Und auf die Stellungnahme des Betriebsrats kam es hier an, da der Arbeitgeber weder einen Interessenausgleich mit Namensliste vorweisen konnte (einen solchen Interessenausgleich gab es nicht) noch gegenüber der Arbeitsagentur den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat dargelegt hatte (was er hätte tun können, aber unterlassen hatte).
Die Kernaussage der Erfurter Richter lautet: Eine Stellungnahme des Betriebsrats zu einer geplanten Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs.3 Satz 2 KSchG liegt nur dann vor,
- wenn sich der Erklärung des Betriebsrats entnehmen lässt, dass er seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht, und
- wenn er eine abschließende Meinung zu den geplanten Kündigungen geäußert hat.
Im vorliegenden Fall hatte der Betriebsrat aber die Ansicht vertreten, dass andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden und Kündigungen daher vermeidbar seien. Diese Möglichkeiten waren aus seiner Sicht noch nicht ausgeschöpft, worüber er mit dem Arbeitgeber verhandeln wollte. Das war gerade keine Bestätigung des Betriebsrats, seine Beteiligung seien gewahrt und er habe daher eine abschließende Meinung zu den bevorstehenden Entlassungen.
Ergänzend meinen die Erfurter Richter, dass der Arbeitgeber wohl auch beim Konsultationsverfahren gepatzt hatte, ließen diesen Punkt aber letztlich offen. Und in der Tat: Der Arbeitgeber hatte den Betriebsrat hier erst am 19.03.2012 über die geplanten Entlassungen informiert, und zwar in einem Schreiben, das mit "Information an den Betriebsrat" und "Anhörung" betitelt war. Eine Aufforderung zum Verhandeln lag darin wohl kaum, was dazu passt, dass der Arbeitgeber schon sechs Tage später seine Massenentlassungsanzeige erstattete.
Fazit: Händigt der Betriebsrat dem Arbeitgeber keine Stellungnahme im Sinne von § 17 Abs.3 Satz 2 KSchG aus oder ist die Stellungnahme nicht abschließend im Sinne des BAG, kann der Arbeitgeber die Arbeitsagentur (ergänzend) darüber informieren, dass er den Betriebsrat schon vor (mehr als) zwei Wochen umfassend unterrichtet hat und mit ihm in Verhandlungen steht; dabei kann er die Arbeitsagentur über den Stand der Beratungen informieren (§ 17 Abs.3 Satz 3 KSchG). Ist der Arbeitgeber an diesem Punkt schlampig, ist seine Massenentlassungsanzeige eben nicht korrekt und die gekündigten Arbeitnehmer haben gute Chancen, ihre Kündigungsschutzverfahren zu gewinnen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.02.2015, 2 AZR 371/14
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2014, 4 Sa 528/13
- Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2013, 4 Ca 3453/12
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- Arbeitsrecht aktuell: 18/158 Kündigung während der Schwangerschaft bei Massenentlassung
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- Arbeitsrecht aktuell: 17/029 Bei Massenentlassung keine Benachteiligung während einer Elternzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/304 Dauer der Konsultation bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 16/192 Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 16/086 Massenentlassungsanzeige bei erneuter Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/369 Massenentlassungsrichtlinie und Arbeitnehmerbegriff
- Arbeitsrecht aktuell: 15/225 Der Begriff des Betriebs bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 15/201 Bei Massenentlassungen zählen Geschäftsführer als Arbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 15/118 Massenentlassung und Personalstruktur
- Arbeitsrecht aktuell: 13/376 Interessenausgleich mit Namensliste in der Insolvenz
- Arbeitsrecht aktuell: 13/307 Auswahlrichtlinie und Interessenausgleich mit Namensliste
- Arbeitsrecht aktuell: 12/314 Massenentlassung und Unterrichtung des Betriebsrats
- Arbeitsrecht aktuell: 11/231 Kündigung mit Sozialauswahl - Namensliste hilft nicht immer
- Arbeitsrecht aktuell: 11/204 Interessenausgleich und Sozialplan: Leiharbeitnehmer zählen mit
Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2021
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