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Unterzeichnung von Kündigungen bei Massenentlassungen
17.06.2019. Arbeitgeber, die eine Massenentlassung durchführen müssen, haben viele juristische Spielregeln zu beachten.
Meistens führt ein Verstoß gegen diese Regeln dazu, dass die im Rahmen der Entlassungswelle ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind.
Ein Beispiel ist die Massenentlassungsanzeige, die der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigungen der Arbeitsagentur zukommen lassen muss. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) letzte Woche entschieden, dass diese zeitliche Vorgabe den Arbeitgeber nicht dazu zwingt, die Kündigungen erst nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur zu unterschreiben.
Es genügt, wenn die Anzeige bei der Arbeitsagentur eingegangen ist, bevor die Arbeitnehmer die Kündigungen erhalten: BAG, Urteil vom 13.06.2019,6 AZR 459/18.
- Wann ist der rechte Zeitpunkt, bei Massenentlassungen die Kündigungen zu unterschreiben?
- Der Streitfall: Insolvenzverwalter unterschreibt Kündigungserklärungen am Tag der Massenentlassungsanzeige
- BAG: Arbeitgeber dürfen Kündigungen bei Massenentlassungen bereits unterschreiben, bevor die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist
Wann ist der rechte Zeitpunkt, bei Massenentlassungen die Kündigungen zu unterschreiben?
Wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, eine erhebliche Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen zu entlassen (sog. Massenentlassung), ist er gemäß § 17 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dazu verpflichtet, der Arbeitsagentur eine entsprechende Anzeige zu erstatten („Massenentlassungsanzeige“).
Was als erhebliche Anzahl von Entlassungen gilt, ist in § 17 Abs.1 KSchG festgelegt und hängt von der Betriebsgröße und von der Anzahl der geplanten Entlassungen ab. Aus § 17 Abs.1 KSchG ergibt sich auch die Reihenfolge von Anzeige und Entlassungen: Die Pflicht zur Anzeige muss der Arbeitgeber erfüllen, „bevor" er die Entlassungen vornimmt.
Ursprünglich stand hinter der Anzeigepflicht gemäß § 17 Abs.1 KSchG ausschließlich das Interesse der Arbeitsverwaltung, von einer bevorstehenden großen Entlassungswelle frühzeitig zu erfahren, um besser reagieren zu können. Unter „Entlassung“ verstanden die Arbeitsgerichte daher lange Zeit nicht etwa den Ausspruch der Kündigungen durch den Arbeitgeber, sondern einen späteren Zeitpunkt, nämlich die Beendigung der Tätigkeit im Betrieb bzw. den Eintritt der Arbeitslosigkeit.
Da hinter § 17 KSchG allerdings die Massenentlassungsrichtlinie steht (Richtlinie 98/59/EG vom 20.07.1998), die mit dieser Vorschrift umgesetzt werden soll, muss § 17 KSchG europarechtskonform bzw. entsprechend den Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs (EuGH) ausgelegt werden. Und zum Begriff der Entlassung hat der EuGH bereits vor vielen Jahren entschieden, dass damit nicht etwa die Beendigung der Tätigkeit im Betrieb zu verstehen ist, sondern der Ausspruch der Kündigungen durch den Arbeitgeber (EuGH, Urteil vom 27.01.2005, C-188/03 - Junk).
Wie der vom BAG entschiedene Fall zeigt, sind mit dieser EuGH-Entscheidung aber noch nicht alle möglichen Unklarheiten beseitigt. Denn auch der „Ausspruch einer Kündigung“ kann sich hinziehen, jedenfalls dann, wenn die Kündigungserklärungen nicht im Betrieb übergeben werden.
Dann beginnt der „Ausspruch einer Kündigung“ mit dem Unterzeichnen des Kündigungsschreibens, gefolgt von der Aushändigung des Schreibens an einen Boten bis hin zum Zugang des Kündigungsschreibens beim Empfänger, d.h. beim gekündigten Arbeitnehmer.
Es ist daher nicht ganz klar, ob die Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur eingegangen sein muss,
- bevor der Arbeitgeber die Kündigungen unterzeichnet (früher Zeitpunkt), oder
- bevor die Kündigungen den Arbeitnehmern zugehen (späterer Zeitpunkt).
Der Streitfall: Insolvenzverwalter unterschreibt Kündigungserklärungen am Tag der Massenentlassungsanzeige
Im Streitfall hatte sich ein Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat nach vorheriger Konsultation (§ 17 Abs.2 KSchG) per Interessenausgleich über die insolvenzbedingte Schließung des Betriebs geeinigt.
Entsprechend der mit dem Betriebsrat erzielten Einigung zeigte der Insolvenzverwalter der Arbeitsagentur am 26.06.2017 die beabsichtigte Entlassung aller 45 Mitarbeiter des betroffenen Betriebs an, d.h. er erstattete eine Massenentlassungsanzeige. Am selben Tag unterzeichnete er auch die Kündigungsschreiben.
Einer der betroffenen Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung, die ihm am 27.06.2017 zugegangen war. Sein Argument: Laut EuGH muss der Arbeitgeber (angeblich) die geplanten Kündigungen der Arbeitsagentur anzeigen, bevor er sich endgültig zur Kündigung entschließt und diesen Willen durch das Unterschreiben der Kündigungserklärung dokumentiert.
Daraus ergibt sich, so der Arbeitnehmer, folgende zeitliche Reihenfolge: Erst muss die Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur eingehen, und erst danach darf der Arbeitgeber die Kündigungen unterschreiben.
Das Arbeitsgericht Mannheim ließ sich davon nicht beeindrucken und wies die Kündigungsschutzklage ab (Urteil vom 27.11.2017, 11 Ca 219/17). Dagegen war das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg der Meinung, dass der Insolvenzverwalter hier im Streitfall die Kündigungen zu früh unterzeichnet hatte, nämlich (möglicherweise) vor dem Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur. Daher gab das LAG dem Arbeitnehmer recht (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.08.2018, 12 Sa 17/18).
BAG: Arbeitgeber dürfen Kündigungen bei Massenentlassungen bereits unterschreiben, bevor die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist
Diese Auslegung von § 17 Abs.1 KSchG wollte das BAG nicht mitmachen und hob das LAG-Urteil auf. Zur Begründung heißt es in der Pressemeldung des BAG:
Die Pflicht zur Anzeige einer geplanten Massenentlassung dient beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Arbeitsagentur soll sich rechtzeitig auf größere Entlassungswellen einstellen können. Das setzt voraus, dass bereits feststeht, wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung „kann, soll und will“ die Arbeitsagentur keinen Einfluss nehmen, so die Erfurter Richter.
Trotzdem darf die Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer erst dann zugehen, wenn die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit bereits eingegangen ist. Dies ist laut BAG durch die Rechtsprechung des EuGH zur Massenentlassungsrichtlinie geklärt. Daher musste das BAG bzw. sein Sechster Senat den Streitfall nicht dem EuGH vorlegen.
Fazit: Es spricht viel dafür, dass die Interpretation der Junk-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 27.01.2005, C-188/03) durch das BAG korrekt ist, doch ist dies letztlich eben doch eine Interpretation. Es ist daher nicht auszuschließen, dass einige Arbeits- und/oder Landesarbeitsgerichte trotz des BAG-Urteils weiterhin mit der Ansicht des LAG Baden-Württemberg sympathisieren und in einem geeigneten Fall den EuGH anrufen.
Auf der sicheren Seite stehen Arbeitgeber daher letztlich nur, wenn sie bei Massenentlassungen ihre Unterschrift erst dann unter die Kündigungserklärungen setzen, wenn die Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur bereits (nachweisbar) eingegangen ist. Bis dahin sollte der Füller nicht aufgeschraubt werden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.06.2019,6 AZR 459/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.06.2019,6 AZR 459/18 (Pressemeldung des Gerichts)
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.08.2018, 12 Sa 17/18
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 27.01.2005, C-188/03 (Junk)
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Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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