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Abfindung bei Insolvenz des Arbeitgebers
15.03.2019. Manche Kündigungsschutzprozesse enden weder mit einem Obsiegen der einen oder anderen Partei und auch nicht durch Vergleich, d.h. durch eine gütliche Einigung, sondern vielmehr dadurch, dass das Gericht das Arbeitsverhältnis auflöst und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilt.
Grundlage einer solchen Entscheidung, die nur auf einen ausdrücklichen Antrag des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers ergehen kann, ist § 9 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG).
In einem gestern ergangenen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Insolvenzverwalter, der einen Auflösungsantrag stellt, die Abfindung als Masseverbindlichkeit in vollem Umfang begleichen muss und sich nicht darauf beschränken kann, die Abfindungsforderung zur Insolvenztabelle festzustellen: BAG, Urteil vom 14.03.2019, 6 AZR 4/18.
- Wann sind Abfindungsansprüche wertvolle Masseforderungen und wann werlose Insolvenzforderungen?
- Im Streit: Nachdem ein Buchhalter gegen die Kündigung seines später insolventen Arbeitgebers geklagt hatte, wird der Insolvenzverwalter zur Abfindungszahlung verurteilt
- BAG: Beantragt der Insolvenzverwalter die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, ist der Abfindungsanspruch eine Masseforderung, auch wenn die Kündigung noch vom insolventen Arbeitgeber ausgesprochen wurde
Wann sind Abfindungsansprüche wertvolle Masseforderungen und wann werlose Insolvenzforderungen?
Wird der Arbeitgeber insolvent, sind die Lohnansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirtschaftlich meist wertlos. Denn sie sind sog. Insolvenzforderungen.
Insolvenzforderungen müssen die Gläubiger eines insolventen Unternehmens beim Insolvenzverwalter "zur Tabelle anmelden". Sie werden dann im Laufe des Insolvenzverfahrens (nach rechtlicher Prüfung durch den Verwalter) meist zu einem kleinen Bruchteil von wenigen Prozent der Forderung vom Insolvenzverwalter erfüllt.
Zum Ausgleich für diesen wirtschaftlichen Schaden haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, das die Arbeitsagentur bezahlt, doch ist dieser Anspruch begrenzt: Das Insolvenzgeld gleicht nur die Lohnausfälle für die letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung aus. Außerdem erfasst es keine Abfindungsansprüche.
Das kann bitter sein für Arbeitnehmer, die sich kurz vor Insolvenzeröffnung mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung einverstanden erklärt haben, also z.B. einen Aufhebungsvertrag oder einen Prozessvergleich mit Abfindungsregelung vereinbart haben. Denn ein vor Insolvenzeröffnung entstandener Abfindungsanspruch gehört zu den (wertlosen) Insolvenzforderungen.
In einem solchen Fall hat der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis rechtsverbindlich aufgelöst, bekommt aber die dafür versprochene Gegenleistung nicht - die Abfindung. Und nach der Rechtsprechung des BAG hat er meist noch nicht einmal das Recht, vom Aufhebungsvertrag zurückzutreten (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/223 Kein Rücktritt vom Aufhebungsvertrag bei Insolvenz des Arbeitgebers).
Werthaltig sind demgegenüber Zahlungsansprüche, die als sog. Masseforderungen vorab aus der Insolvenzmasse zu erfüllen sind (§ 53 Insolvenzordnung - InsO). Denn sie werden in der Regel in vollem Umfang beglichen.
Dazu gehören Lohnansprüche für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, denn Arbeitsverhältnisse bestehen über die Insolvenzeröffnung hinaus mit Wirkung für die Insolvenzmasse weiter fort (§ 108 Abs.1 Satz 1 InsO), aber auch Abfindungsansprüche aus einer Vereinbarung, die der Insolvenzverwalter getroffen hat (§ 55 Abs.1 Nr.1 InsO).
Auf der Grenze zwischen vorinsolvenzlichen (wertlosen) Abfindungsansprüchen und nachinsolvenzlichen (werthaltigen) Abfindungsansprüchen stehen Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung, die der insolvente Arbeitgeber rechtlich bereits in die Wege geleitet hat, deren Entstehen der Insolvenzverwalter aber noch hätte verhindern können.
Zu diesen Forderungen gehören Abfindungsansprüche,
- die das Gericht im Kündigungsschutzprozess infolge einer vom Insolvenzverwalter beantragten gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses festgesetzt hat (gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 und 2 Kündigungsschutzgesetz - KSchG),
- wenn eine solche Entscheidung einen Prozess beendet, in dem über eine vom insolventen Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung gestritten wird.
In solchen Fällen hat der Arbeitgeber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kündigung ausgesprochen und damit einen Rechtsstreit ausgelöst, der schlussendlich zu der Verurteilung des Insolvenzverwalters zur Abfindungszahlung führte.
Im Streit: Nachdem ein Buchhalter gegen die Kündigung seines später insolventen Arbeitgebers geklagt hatte, wird der Insolvenzverwalter zur Abfindungszahlung verurteilt
Ein noch nicht lange beschäftigter Buchhalter wurde von seinem Arbeitgeber Mitte Dezember 2014 ordentlich zu Mitte Januar 2015 gekündigt.
In dem daraufhin von dem Buchhalter angestrengten Kündigungsschutzprozess eskalierte der Streit und der Arbeitgeber kündigte Ende Januar per Schriftsatz erneut, diesmal fristlos. Gleichzeitig stellte er in diesem Schriftsatz in Aussicht, im Verhandlungstermin einen Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung stellen zu wollen, da eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten sei (§ 9 Abs.1 Satz 2 KSchG).
Dieser Schriftsatz wurde dem Buchhalter bzw. seinem Anwalt allerdings nur formlos vom Arbeitsgericht übersandt, d.h. nicht offiziell zugestellt. Damit war der angekündigte Auflösungsantrag erst einmal noch nicht rechtshängig geworden.
Zu Anfang April 2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem der Buchhalter das (durch die Insolvenzeröffnung unterbrochene) Kündigungsschutzverfahren wieder aufgerufen hatte, kam es im Juni 2016 zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht. In der Verhandlung stellte der Insolvenzverwalter auch den Auflösungsantrag, den der insolvente Arbeitgeber bereits Mitte Januar 2015 angekündigt hatte.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt, löste das Arbeitsverhältnis aber gegen eine Abfindung von 1.558,75 EUR auf. Gemäß dem Urteilsauspruch wurde dieser Abfindungsbetrag "zur Insolvenztabelle festgestellt" (Arbeitsgericht Kaiserslautern, Urteil vom 09.06.016, 6 Ca 572/15).
Dagegen ging der Buchhalter in Berufung, um den Verwalter zur effektiven Zahlung der Abfindung von 1.558,75 EUR als Masseverbindlichkeit verurteilen zu lassen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz wies die Berufung zurück (Urteil vom 19.04.2017, 4 Sa 329/16). Begründung des LAG: Bei der Abgrenzung von Insolvenzforderung und Masseforderung kommt es darauf an, ob der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen war.
BAG: Beantragt der Insolvenzverwalter die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, ist der Abfindungsanspruch eine Masseforderung, auch wenn die Kündigung noch vom insolventen Arbeitgeber ausgesprochen wurde
Vor dem BAG hatte der Buchhalter endlich Erfolg. Das BAG gab seiner Revision statt. In der Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Macht der Insolvenzverwalter einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung nach § 9 KSchG rechtshängig und gibt das Gericht dem Antrag statt, ist der Anspruch auf Abfindung nach § 10 KSchG eine Masseverbindlichkeit. Sie ist nach § 53 InsO vorweg zu berichtigen und muss daher vom Verwalter "wie geschuldet in voller Höhe" erfüllt werden.
Das gilt, so das BAG ausdrücklich, auch in den Fällen, in denen die dem Kündigungsschutzverfahren zugrunde liegende Kündigung noch vom späteren Insolvenzschuldner erklärt worden ist.
Maßgeblich war hier im Streitfall, dass der Schriftsatz des beklagten Arbeitgebers vom Januar 2015, in dem der Auflösungsantrag angekündigt war, dem Anwalt des Buchhalters nicht vom Gericht zugestellt, sondern nur formlos übersandt worden war. Damit war der Auflösungsantrag nicht rechtshängig geworden, so dass erst die Antragstellung durch den Insolvenzverwalter im Juni 2016 zur Rechtshängigkeit führte.
Fazit: Ergibt sich ein Abfindungsanspruch aus einer Entscheidung des Insolvenzverwalters, die er auch anders hätte treffen können, ist die Abfindung eine Masseforderung und muss daher im Allgemeinen in voller Höhe bezahlt werden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2019, 6 AZR 4/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2019, 6 AZR 4/18 (Pressemeldung des Gerichts)
- Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.04.2017, 4 Sa 329/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2018, 6 AZR 868/16
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Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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