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Befristung auf der Grundlage des Normalvertrags Bühne
14.12.2017. Abgesehen von Neueinstellungen und der Beschäftigung schwer vermittelbar älterer Arbeitnehmer sind befristete Arbeitsverträge im Allgemeinen nur möglich, wenn es dafür einen Sachgrund gibt.
Die wichtigsten sachlichen Gründe für Befristungsvereinbarungen sind in § 14 Abs.1 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) genannt. Auf dieser gesetzlichen Grundlage sind befristete Arbeitsverträge mit Schauspielern und Profisportlern durch die „Eigenart der Arbeitsleistung“ gerechtfertigt (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG).
Aber genügt es auch, mit nachgeordneten Bühnenmitarbeitern wie z.B. Maskenbildnern oder Beleuchtern arbeitsvertraglich zu vereinbaren, dass sie „überwiegend künstlerisch“ tätig sein sollen? Im Prinzip ja, so das Bundesarbeitsgericht (BAG): BAG, Urteil vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16 (Pressemeldung des Gerichts).
- Kann der Normalvertrag (NV) Bühne Befristungsmöglichkeiten schaffen?
- Der Streitfall: Maskenbildnerin klagt über fünf Instanzen gegen Befristung und Nichtverlängerungsmitteilung
- BAG: Maskenbildner gehören zum künstlerischen Bühnenpersonal, wenn sie nach ihrem Arbeitsvertrag überwiegend künstlerisch tätig sind
Kann der Normalvertrag (NV) Bühne Befristungsmöglichkeiten schaffen?
Der Normalvertrag (NV) Bühne ist ein Tarifvertrag, der zwischen dem Deutschen Bühnenverein (als Arbeitgeberverband) und der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (als Gewerkschaft) im Jahre 2002 vereinbart wurde. Er gilt für sog. Solomitglieder wie z.B. Schauspieler, Regisseure und Dirigenten, daneben aber auch für Bühnentechniker, Opernchormitglieder und Tanzgruppenmitglieder (§ 1 Abs.1 und 2 NV Bühne), die an Bühnen der Länder und Gemeinden tätig sind.
Bei den Bühnentechnikern unterscheidet § 1 Abs.3 NV Bühne zwischen Ensemblemitgliedern mit künstlerischen Leitungsaufgaben, für die der NV Bühne ohne weiteres gilt, und nachgeordneten Bühnentechnikern wie z.B. Beleuchtern, Bühnenplastikern, Maskenbildnern, Requisiteuren oder Tontechnikern, auf deren Arbeitsverhältnisse der NV Bühne nur dann anzuwenden ist, „wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind“. Im Ergebnis entscheidet damit so etwas wie eine „Kunstklausel“ im Arbeitsvertrag über die Anwendbarkeit des NV Bühne auf nachgeordnete Bühnentechniker.
Eine der wesentlichen Rechtsfolgen, die sich aus dem NV Bühne ergeben, ist die Befristung der Arbeitsverträge. Denn nach § 2 Abs.2 NV Bühne ist der Arbeitsvertrag „mit Rücksicht auf die künstlerischen Belange der Bühne ein Zeitvertrag.“
Der Zeitvertrag verlängert sich automatisch um eine weitere Periode (z.B. um ein oder zwei Jahre, eine Spielsaison usw.), wenn der Arbeitgeber dem Bühnenmitglied nicht schriftlich mitteilt, dass sein Engagement nicht verlängert wird (§§ 42, 61, 69, 83, 96 NV Bühne). Vor einer solchen Nichtverlängerungsmitteilung muss das betroffene Bühnenmitglied angehört werden. Bei Streitigkeiten entscheidet die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit (§ 53 NV Bühne).
Fraglich ist, ob diese Befristungswirtschaft mit dem Europarecht vereinbar ist. Denn immerhin sieht die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 bzw. die in diese Richtlinie aufgenommene „Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge“ vor, dass die EU-Mitgliedstaaten effektive Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs von Befristungsvereinbarungen treffen. Dazu müssen befristete Arbeitsverträge von einem Sachgrund abhängig gemacht werden (§ 5 Nr.1a) und/oder es muss eine Höchstdauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge festgelegt werden (§ 5 Nr.1b) und/oder es muss eine Höchstzahl zulässiger Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge vorgeschrieben werden (§ 5 Nr.1c).
Im Gegensatz zu diesen europarechtlichen Vorgaben sind Kettenbefristungen mit nachgeordneten Bühnentechnikern gemäß dem NV Bühne im Prinzip ohne Einschränkungen rechtlich zulässig. Das ist mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kaum zu vereinbaren, da der EuGH erst vor kurzem betont hat, dass auch die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern beim Theater, Film und Fernsehen der Missbrauchskontrolle unterliegen müssen (Urteil vom 26.02.2015, C-238/14 - Kommission gg. Luxemburg, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/083 EuGH begrenzt Befristungen in der Kulturbranche).
Aber auch nach deutschem Arbeitsrecht wäre eine Befristungspraxis nach dem Motto „Kunst ist was im Arbeitsertrag steht“ gesetzeswidrig. Denn die Befristungsschranken nach dem TzBfG sind zugunsten der Arbeitnehmer zwingend (§ 22 TzBfG), und auch § 14 Abs.1 TzBfG enthält keinen Tarifvorbehalt. Der NV Bühne bzw. die hinter diesem Tarifvertrag stehenden Tarifparteien haben daher nicht die Regelungsmacht, ganze Arbeitnehmergruppen von dem gesetzlichen Befristungsschutz auszunehmen.
Es ist daher unter Arbeitsrechtlern umstritten, ob Befristungsvereinbarungen mit nachgeordneten Bühnentechnikern wie z.B. mit Tontechnikern oder Maskenbildnern auf der Grundlage von § 1 Abs.3 NV Bühne und einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Kunstklausel wirksam sind.
Der Streitfall: Maskenbildnerin klagt über fünf Instanzen gegen Befristung und Nichtverlängerungsmitteilung
Eine an einem Landestheater auf der Grundlage des NV Bühne arbeitende Maskenbildnerin war gemäß Arbeitsvertrag überwiegend künstlerisch tätig. Daher war das Arbeitsverhältnis befristet, zuletzt bis zum 31.08.2014. Im Juli 2013 sprach der Arbeitgeber nach vorheriger Anhörung eine Nichtverlängerungsmitteilung aus, der zufolge das Arbeitsverhältnis wie vereinbart zum 31.08.2014 enden sollte.
Die Maskenbildnerin klagte vor dem örtlich zuständigen Bühnenschiedsgericht München gegen die Befristung und die Nichtverlängerungsmitteilung, hatte dort aber keinen Erfolg (Schiedsspruch vom 12.05.2014). Auch die Berufung beim Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt am Main scheiterte (Spruch vom 19.01.2015).
Daraufhin erhob die Maskenbildnerin im März 2015 Aufhebungsklage beim zuständigen Arbeitsgericht Köln, das die Klage abwies (Urteil vom 03.09.2015, 5 Ha 7/15). Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln als zuständiges Berufungsgericht entschied zugunsten des Arbeitgebers (LAG Köln, Urteil vom 17.05.2016, 12 Sa 991/15).
Argument des LAG Köln: Die Parteien hatten arbeitsvertraglich vereinbart, dass die Klägerin als Maskenbildnerin überwiegend künstlerisch arbeiten sollte. Diese Vereinbarung und die dazugehörige tarifvertragliche Grundlage (§ 1 Abs.3 NV Bühne) indizieren eine künstlerische Tätigkeit der Klägerin, so die Kölner Richter. Daher hätte die Klägerin vor Gericht konkret darlegen müssen, dass sie in Wahrheit nicht mit künstlerischen, sondern mit anderen Arbeitsaufgaben befasst war. An dieser Stelle hatte die Klägerin nur vorgetragen, dass sie teilweise rein technische Zuarbeiten ohne jeden künstlerischen Spielraum erledigt hätte. Das genügte dem LAG nicht.
BAG: Maskenbildner gehören zum künstlerischen Bühnenpersonal, wenn sie nach ihrem Arbeitsvertrag überwiegend künstlerisch tätig sind
Auch in Erfurt vor dem BAG und damit in der letzten von insgesamt fünf Instanzen hatte die Maskenbildnerin keinen Erfolg. Das BAG wies ihre Revision zurück. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung heißt es zur Begründung:
Die streitige Befristung des Arbeitsvertrags war durch die Eigenart der Arbeitsleistung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG gerechtfertigt. Befristungsvereinbarungen mit künstlerisch tätigen Bühnenmitarbeitern sind auf der Grundlage des NV Bühne rechtens, so das BAG, das dabei auf die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit des Arbeitgebers verweist. Auch Maskenbildner gehören zum künstlerisch tätigen Bühnenpersonal, wenn sie nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen überwiegend künstlerisch tätig sind, so die Erfurter Richter.
Fazit: Ob das BAG die arbeitsvertragliche Vereinbarung als solche genügen lässt oder aber (ergänzend) auch die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit überprüft, lässt sich der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung nicht sicher entnehmen. Hier muss man die Urteilsbegründung abwarten.
Sicher ist allerdings, dass es Bühnentechniker, die keine Solomitglieder sind, künftig schwerer haben werden, gegen die Befristung ihrer Arbeitsverträge und gegen entsprechende Nichtverlängerungsmitteilungen vorzugehen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 17.05.2016, 12 Sa 991/15
- Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 03.09.2015, 5 Ha 7/15
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.02.2015, C-238/14 (Kommission gg. Luxemburg)
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung von Vertragsbestandteilen
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
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- Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang.
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 9. Oktober 2020
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