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Befristung von Arbeitsverträgen mit Schauspielern
31.08.2017. Lange Jahre standen sie ihrem Chefermittler in der ZDF-Serie "Der Alte" als Nachwuchskommissare zur Seite. Gestern war vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) endgültig Dienstschluss für die Fernsehkriminalisten "Axel Richter" alias Pierre Sanoussi-Bliss und "Werner Riedmann" alias Markus Böttcher.
Denn das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Vertragsbefristungen, über deren Wirksamkeit Sanoussi-Bliss und Böttcher mit der ZDF-Produktionsfirma gestritten hatten, wirksam waren. Sachgrund für die Befristung war die "Eigenart der Arbeitsleistung" gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG): BAG, Urteile vom 30.08.2017, 7 AZR 864/15 und 7 AZR 440/16 (Pressemeldung des BAG).
- Wie lange können Arbeitsverträge mit Schauspielern immer erneut aufgrund der "Eigenart der Arbeitsleistung" befristet werden?
- Im Streit: Das ZDF besetzt die Krimiserie "Der Alte" neu, so dass für Sanoussi-Bliss nach 18 Jahren und für Böttcher nach 28 Jahren Schluss ist
- BAG: Die Eigenart der Arbeitsleistung eines Schauspielers kann auch langjährig wiederholte Befristungen rechtfertigen
Wie lange können Arbeitsverträge mit Schauspielern immer erneut aufgrund der "Eigenart der Arbeitsleistung" befristet werden?
Im Allgemeinen sollten Arbeitnehmer auf der Grundlage unbefristeter Arbeitsverträge tätig sein, d.h. die Befristung von Arbeitsverträgen sollte die Ausnahme sein. Denn mit befristeten Arbeitsverträgen ist die Gefahr verbunden, dass Kündigungsfristen und/oder der gesetzliche Kündigungsschutz umgangen werden.
Daher sieht § 14 Abs.1 TzBfG vor, dass Befristungen im Allgemeinen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein müssen. Keinen Sachgrund braucht der Arbeitgeber bei befristeten Neueinstellungen bis zur Höchstdauer von zwei Jahren (§ 14 Abs.2 TzBfG) und bei der befristeten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zur Höchstdauer von fünf Jahren (§ 14 Abs.3 TzBfG).
Aus diesen gesetzlichen Regelungen folgt, dass Befristungen auf der Grundlage eines sachlichen Grundes im Prinzip endlos aneinander gereiht werden können. Trotzdem kann eine solche "Kettenbefristung" mit zunehmender Gesamtvertragsdauer rechtsmissbräuchlich und daher letztlich unwirksam sein (Arbeitsrecht aktuell: 17/138 Wann sind Sachgrundbefristungen missbräuchlich?).
Bei der befristeten Beschäftigung von Schauspielern, Redakteuren und Profisportlern ist vor allem einer der in § 14 Abs.1 TzBfG genannten Sachgründe wichtig, nämlich der in § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG genannte Grund. Er liegt vor, wenn "die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt".
Hinter diesem Befristungsgrund steht u.a. die grundrechtlich geschützte Kunstfreiheit (Art.5 Abs.3 Satz 1 Grundgesetz - GG) von Arbeitgebern, die mit angestellten Schauspielern zusammenarbeiten. Denn da Fernsehproduktionen, Theaterstücke und ähnliche "Formate" je nach Publikumsgeschmack und künstlerischer (Neu-)Ausrichtung immer wieder einmal geändert oder auch eingestellt werden müssen, können sich die für die künstlerische Konzeption verantwortlichen Arbeitgeber (Theater, Fernsehanstalten) nicht dauerhaft an bestimmte Schauspieler binden.
Fraglich ist allerdings, ob auch jahrzehntelange Kettenbefristungen mit Schauspielern durch § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG gerechtfertigt sind.
Diese Frage stellt sich zum einen deshalb, weil das BAG bei der rechtlichen Überprüfung von befristeten Schauspielerverträgen immer wieder betont, dass die Kunstfreiheit des Arbeitgebers und sein Befristungsinteresse im Rahmen einer Interessenabwägung mit der Berufsfreiheit des Schauspielers und seinem Interesse an einer dauerhaften Beschäftigung verglichen werden müssen. Diese vom BAG geforderte Interessabwägung legt nahe, dass extrem lange Kettenbefristungen zu "arbeitgeberlastig" und daher unzulässig sein könnten.
Unabhängig davon fragt sich auch, ob kettenbefristete Arbeitsverträge mit Schauspielern nicht (ebenso wie andere Kettenbefristungen) ab einer sehr langen Gesamtvertragsdauer missbräuchlich sind.
Im Streit: Das ZDF besetzt die Krimiserie "Der Alte" neu, so dass für Sanoussi-Bliss nach 18 Jahren und für Böttcher nach 28 Jahren Schluss ist
Der 1962 geborene Pierre Sanoussi-Bliss wirkte seit 1997 in der ZDF-Fernsehserie "Der Alte" als Nachwuchskriminalist „Axel Richter“ mit. Grundlage seiner insgesamt 18-jährigen Tätigkeit waren zeitlich befristete „Mitarbeiterverträge“ bzw. „Schauspielerverträge“, die er mit einer für das ZDF arbeitenden Produktionsfirma abschloss. Die Schauspielerverträge bezogen sich jeweils nur auf einzelne Folgen der Krimiserie oder auf die Folgen, die in einem Kalenderjahr produziert werden sollten.
Zuletzt wurde Sanoussi-Bliss durch einen im Oktober 2014 geschlossenen Vertrag in der Zeit bis zum 18.11.2014 für insgesamt 16 Drehtage zur Produktion der Folgen Nr.391 und Nr.392 verpflichtet. Danach war Schluss, d.h. ZDF und Produktionsfirma wollten die Serie künftig anders besetzen. Um die Vertragsbeendigung rechtlich wasserdicht zu gestalten, berief sich die Produktionsfirma nicht nur auf die Befristung, sondern sprach ergänzend bzw. vorsorglich einige Kündigungen aus. Sanoussi-Bliss klagte gegen die Befristung bzw. die Entlassung, hatte damit aber weder vor dem Arbeitsgericht München (Urteil vom 21.04.2015, 3 Ca 14163/14) noch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) München Erfolg (LAG München, Urteil vom 29.10.2015, 4 Sa 527/15).
Ähnlich wie Sanoussi-Bliss erging es seinem 1964 geborenen Schauspieler-Kollegen Markus Böttcher, der 28 Jahre lang (von 1986 bis 2014) als Chef der Spurensicherung „Werner Riedmann“ in der Serie mitwirkte und in 280 Folgen zu sehen war. Auch mit ihm wollte man Ende 2014 nicht mehr weitermachen, und auch er klagte gegen die Kettenbefristung seiner Schauspielerverträge. Ebenso wie Sanoussi-Bliss zog Böttcher vor dem Arbeitsgericht München (Urteil vom 08.04.2015, 3 Ca 14162/14) und vor dem LAG München den Kürzeren (LAG München, Urteil vom 11.05.2016, 8 Sa 541/15).
BAG: Die Eigenart der Arbeitsleistung eines Schauspielers kann auch langjährig wiederholte Befristungen rechtfertigen
Das BAG wies mit seinen gestern ergangenen Urteilen die Revisionen von Sanoussi-Bliss und Böttcher zurück, die damit in allen drei Instanzen verloren hatten. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Der in § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG genannte Sachgrund soll Befristungen ermöglichen, die durch die Kunstfreiheit des Arbeitgebers (Art.5 Abs.3 Satz 1 GG) gerechtfertigt sind. Dabei steht die Kunstfreiheit des Arbeitgebers der Berufsfreiheit des Schauspielers gegenüber. Sie ist ebenfalls durch die Verfassung geschützt (Art.12 Abs.1 GG) und beinhaltet einen rechtlichen "Mindestbestandsschutz des künstlerisch tätigen Arbeitnehmers". Daher ist § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG "verfassungskonform" auszulegen und anzuwenden, d.h. unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen beider Vertragspartner.
Daraus folgt, so das BAG in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung, dass die beiderseitigen Interessen bzw. Belange der Vertragsparteien gegeneinander abzuwägen sind. Bei dieser Abwägung muss "auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen Berücksichtigung finden", so die Erfurter Richter. Diese Interessenabwägung hat nichts mit der Missbrauchskontrolle einer Kettenbefristung zu tun, sondern muss bereits einen Schritt zuvor stattfinden, nämlich als "Bestandteil der Sachgrundprüfung nach § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG".
Im Ergebnis hatten aber weder Sanoussi-Bliss noch Böttcher einen Vorteil von dieser Interessenabwägung, denn sie ging in beiden Fällen zugunsten des Arbeitgebers aus. Dessen Entscheidung, die Rollen der Kläger nur befristet zu besetzen, beruht nach Ansicht des BAG auf künstlerischen Erwägungen. Trotz der jahre- bzw. jahrzehntelangen Mitwirkung von Sanoussi-Bliss und Böttcher an der Krimiserie war das Arbeitgeberinteresse hier vorrangig, nämlich das Interesse "an einer kurzfristig möglichen Fortentwicklung des Formats", ggf. auch durch die Streichung der von den Klägern besetzten Rollen.
Fazit: Die gestrigen BAG-Urteile machen deutlich, dass die Kunstfreiheit von Theatern und Fernsehanstalten praktisch immer Vorfahrt hat, d.h. das Beschäftigungsinteresse eines langjährig mit derselben Rolle betrauten Serienschauspielers hat selbst dann keine überwiegende Bedeutung, wenn der Schauspieler seine Rolle mehr als 28 Jahre (!) verkörpert hat. Und offenbar ist diese Bewertung der widerstreitenden Interessen aus Sicht der Erfurter Richter so eindeutig, dass sie kein Wort zur Missbrauchskontrolle verlieren.
Außerdem ergibt sich aus den BAG-Urteilen, dass nicht nur die beauftragende Sendeanstalt (hier das ZDF), sondern auch die beauftragte Produktionsfirma sämtliche Arbeitgeberrechte (vor allem die Kunstfreiheit) in Anspruch nehmen kann, die eine Befristung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.4 TzBfG juristisch rechtfertigen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- BAG, Urteile vom 30.08.2017, 7 AZR 864/15 und 7 AZR 440/16 (Pressemeldung des BAG)
- BAG, Urteil vom 30.08.2017, 7 AZR 864/15
- BAG, Urteil vom 30.08.2017, 7 AZR 440/16
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 29.10.2015, 4 Sa 527/15 ("Axel Richter" alias Pierre Sanoussi-Bliss)
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 11.05.2016, 8 Sa 541/15 ("Werner Riedmann" alias Markus Böttcher)
- Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.02.2016, 4 Sa 202/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.06.2010 - 7 AZR 1021/08
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Die vollständig begründeten Urteile des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 9. Oktober 2020
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