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ARBEITSRECHT AKTUELL // 06/15

Ar­beits­ge­richt Ber­lin: Frist­lo­se Kün­di­gung we­gen Aus­län­der­feind­lich­keit

Frem­den­feind­li­che Äu­ße­run­gen ge­gen­über Koll­ge­gen kön­nen ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung recht­fer­ti­gen.: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 05.09.2006, 96 Ca 23147/05
Kinder verschiedener Hautfarbe Ras­sis­mus ge­gen­über Kol­le­gen kann den Job kos­ten

15.09.2006. Der Ar­beit­ge­ber kann ei­nen Ar­beit­neh­mer trotz lan­ger Be­schäf­ti­gungs­dau­er und trotz mög­li­cher­wei­se be­ste­hen­der Un­künd­bar­keit aus au­ßer­or­dent­lich und oh­ne Ge­wäh­rung ei­ner Kün­di­gungs­frist kün­di­gen, wenn er da­für ei­nen "wich­ti­gen Grund" im Sin­ne von § 626 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) hat.

Ein wich­ti­ger Grund ist ein Kün­di­gungs­an­lass, auf­grund des­sen es dem Ar­beit­ge­ber nicht zu­zu­mu­ten ist, das Ar­beits­ver­hält­nis bis zum Ab­lauf der Kün­di­gungs­frist fort­zu­set­zen. Ein sol­cher Grund kann in ras­sis­ti­schem Fehl­ver­hal­ten lie­gen.

Denn wer Ar­beits­kol­le­gen im Be­trieb lan­ge Zeit hin­weg fort­ge­setzt in ras­sis­ti­scher Wei­se her­ab­wür­digt, ris­kiert ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 05.09.2006, 96 Ca 23147/05.

Wie re­agie­ren auf frem­den­feind­li­che Äußerun­gen ge­genüber Ar­beits­kol­le­gen?

Äußert sich ein Ar­beit­neh­mer während der Ar­beit in ausländer­feind­li­cher Wei­se über ei­nen Be­triebs­an­gehöri­gen, so stellt dies grundsätz­lich ei­nen so gra­vie­ren­den Ver­s­toß ge­gen ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten dar, daß der Ar­beit­ge­ber dies zum An­laß für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung neh­men kann.

Das folgt aus der Fürsor­ge­pflicht des Ar­beit­ge­bers ge­genüber dem in die­ser Wei­se dis­kri­mi­nier­ten Be­triebs­an­gehöri­gen. Seit In­kraft­tre­ten des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) er­gibt sich dies auch aus den Vor­schrif­ten die­ses Ge­set­zes (§ 12 Abs.3 AGG).

Da der­ar­ti­ge Äußerun­gen auf steu­er­ba­rem Ver­hal­ten be­ru­hen und da­her vom Täter un­ter­las­sen wer­den können, fragt sich al­ler­dings, ob der Ar­beit­ge­ber bei der­ar­ti­gen Vor­komm­nis­sen nicht zu­vor ei­ne Ab­mah­nung er­tei­len müss­te.

Sind die ras­sis­ti­schen Äußerun­gen so ex­trem ag­gres­siv, dass ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung nicht er­for­der­lich ist, fragt sich wei­ter­hin, ob der Ar­beit­ge­ber or­dent­lich aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen oder so­gar außer­or­dent­lich kündi­gen.

Zu bei­den Fra­gen hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin in sei­nem Ur­teil vom 05.09.2006 Stel­lung be­zo­gen.

Im Streit: Frist­lo­se Kündi­gung we­gen mehr­fa­cher Be­lei­di­gung ei­nes Kol­le­gen mit dem Aus­druck "Po­len­sau" und ähn­li­chen Schimpfwörtern

In dem vom Ar­beits­ge­richt Ber­lin ent­schie­de­nen Fall war der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer 47 Jah­re alt, ver­hei­ra­tet und ei­ner 11jähri­gen Toch­ter zum Un­ter­halt ver­pflich­tet. Er war seit 1991 bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber als ge­werb­li­cher Mit­ar­bei­ter beschäftigt.

Nach ei­ner vom Ar­beits­ge­richt durch­geführ­ten Be­weis­auf­nah­me durch Ver­neh­mung zwei­er Zeu­gen ging das Ge­richt da­von aus, daß der Kläger ei­nen pol­nischstämmi­gen Ar­beits­kol­le­gen mor­gens vor Ar­beits­be­ginn und in der Frühstücks­pau­se re­gelmäßig über meh­re­re Jah­re na­he­zu täglich mit dis­kri­mi­nie­ren­den, be­lei­di­gen­den und volks­ver­het­zen­den ausländer­feind­li­chen Äußerun­gen wie "Po­len­sau", "Po­len­fot­ze", "Po­len­schwein" oder "Po­la­cke" her­abwürdig­te. Auch bei der Dienstein­tei­lung äußer­te sich der Kläger her­abwürdi­gend und ausländer­feind­lich über die­sen Ar­beits­kol­le­gen, in­dem er äußer­te, dass er "nicht mit ei­ner Po­len­sau " ar­bei­ten wol­le.

Auf­grund die­ser Vor­komm­nis­se kündig­te der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung frist­los. Hilfs­wei­se, d.h. für den Fall der Un­wirk­sam­keit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung, kündig­te er or­dent­lich zum nächstmögli­chen Zeit­punkt. Ge­gen die­se Kündi­gung er­hob der Ar­beit­neh­mer vor dem Ar­beits­ge­richt Ber­lin Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Ar­beits­ge­richt Ber­lin: Es ist ei­nem Ar­beit­ge­ber nicht zu­zu­mu­ten, ei­nen Ar­beit­neh­mer zu beschäfti­gen, der ausländer­feind­li­che Ten­den­zen of­fen zur Schau trägt

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat ge­gen den Ar­beit­neh­mer ent­schie­den, d.h. die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung heißt es in dem Ur­teil:

Ausländer­feind­li­che Äußerun­gen während der Ar­beit stel­len grundsätz­lich ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 BGB für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung dar.

Die Fra­ge, ob hier im Streit­fall ei­ne Ab­mah­nung er­for­der­lich war, be­ant­wor­tet das Ar­beits­ge­richt mit nein. Denn hier konn­te der gekündig­te Ar­beit­neh­mer von vorn­her­ein nicht mit ei­ner Dul­dung durch sei­nen Ar­beit­ge­bers rech­nen. Kein Ar­beit­neh­mer kann er­war­ten, so das Ar­beits­ge­richt, dass sein Ar­beit­ge­ber ausländer­feind­li­che Äußerun­gen dul­den und ei­ne Her­ab­set­zung von an­de­ren Ar­beit­neh­mern im Be­trieb hin­neh­men würde.

Im vor­lie­gen­den Fall kam er­schwe­rend hin­zu, dass der gekündig­te Ar­beit­neh­mer sein Fehl­ver­hal­ten nicht als ei­nen ein­ma­li­gen Aus­rut­scher dar­stel­len konn­te. Denn der Ar­beit­ge­ber konn­te ihm nach­wei­sen, dass er schon ei­ne lan­ge Zeit hin­weg mit ausländer­fein­li­chen Be­lei­di­gun­gen in Er­schei­nung ge­tre­ten war.

Fa­zit: Wer Ar­beits­kol­le­gen in ras­sis­ti­scher Wei­se be­lei­digt, muss mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung rech­nen.

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Letzte Überarbeitung: 14. Juli 2020

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