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Frist­lo­se Kün­di­gung we­gen Be­lei­di­gung auf Face­book

Kei­ne Kün­di­gung nach 16 Jah­ren Be­triebs­zu­ge­hö­rig­keit we­gen Face­book-Be­lei­di­gung ei­nes Vor­ge­setz­ten als "fet­tes Schwein" oh­ne Ab­mah­nung: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 22.06.2016, 4 Sa 5/16
Emoticons, Smileys, Social Media, Facebook, Twitter Ein Emo sagt oft mehr als vie­le Wor­te.

30.08.2016. Wer ei­nen Vor­ge­setz­ten be­lei­digt, ver­letzt sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten und muss mit ei­ner Ab­mah­nung oder so­gar mit ei­ner frist­lo­sen Kün­di­gung rech­nen.

In ei­nem ak­tu­el­len Fall des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg hat­te ein Ar­beit­neh­mer ei­nen Vor­ge­setz­ten ge­gen­über Kol­le­gen in ei­nem Face­book-Chat als "fet­tes Schwein" be­zeich­net, und zwar un­ter Ver­wen­dung des ent­spre­chen­den Bild­sym­bols bzw. Emo­ti­cons "". Da­für be­kam er die frist­lo­se Kün­di­gung.

Ob­wohl das LAG von ei­ner Be­lei­di­gung aus­ging, war die Kün­di­gung letzt­lich un­ver­hält­nis­mä­ßig, da der Ar­beit­neh­mer schon 16 Jah­re lang oh­ne Be­an­stan­dun­gen sei­ne Ar­beit ge­macht hat­te: LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 22.06.2016, 4 Sa 5/16.

Be­lei­di­gen­de Kom­men­ta­re in ei­nem Face­book-Chat mit Emo­ti­cons: Grund ge­nug für ei­ne Kündi­gung?

Wer sei­nen Ar­beit­ge­ber, ei­nen Vor­ge­setz­ten oder ei­nen Ar­beits­kol­le­gen grob be­lei­digt, ver­letzt sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten und muss mit ei­ner außer­or­dent­li­chen und frist­lo­sen Kündi­gung rech­nen. Rechts­grund­la­ge ist § 626 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Nach die­ser Vor­schrift kann der Ar­beit­ge­ber "aus wich­ti­gem Grund" oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist kündi­gen, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer ihm

"un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Dienst­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist oder bis zu der ver­ein­bar­ten Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann."

Bei der An­wen­dung von § 626 Abs.1 BGB prüfen die Ar­beits­ge­rich­te erst ein­mal, ob der Kündi­gungs­sach­ver­halt „an sich“ (ty­pi­scher­wei­se) als wich­ti­ger Grund an­zu­se­hen ist, wo­bei die Umstände des Ein­zel­falls zunächst aus­ge­blen­det wer­den. Ist das der Fall, ist in ei­nem zwei­ten Schritt zu prüfen, ob das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an ei­ner so­for­ti­gen Ver­trags­be­en­di­gung oder das Fort­set­zungs­in­ter­es­se des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers wich­ti­ger sind (In­ter­es­sen­abwägung).

Da For­mal­be­lei­di­gun­gen ("Schwach­kopf", A-Wörter usw.) nicht durch das Grund­ge­setz (GG) bzw. durch die Mei­nungs­frei­heit (Art.5 Abs.1 GG) geschützt sind, sind sie in der Re­gel als ein "an sich" für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus­rei­chen­der "wich­ti­ger Grund" an­zu­se­hen. Das gilt auch dann, wenn ein Ar­beit­neh­mer Vor­ge­setz­te oder Kol­le­gen auf Face­book mit Hil­fe von Emo­ti­cons be­lei­digt.

Im Streit: Schweins­na­sen, Smi­leys, Af­fen­ge­sich­ter und Ted­dybären

Ein Me­tall­un­ter­neh­men hat­te ei­nen Mon­ta­ge­ar­bei­ter nach knapp 16jähri­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit An­fang Au­gust 2015 frist­los gekündigt, weil die­ser in ei­nem Face­book-Chat ei­nen sei­ner Vor­ge­setz­ten als "fet­tes Schwein" be­zeich­net ha­ben soll.

In dem Chat ging es um die länge­re Krank­schrei­bung ei­nes Kol­le­gen, zu der sich ins­ge­samt 21 Per­so­nen äußer­ten, dar­un­ter der gekündig­te Mon­ta­ge­ar­bei­ter und vier wei­te­re Ar­beit­neh­mer des Me­tall­un­ter­neh­mens. Die­se Krank­schrei­bung würde vor­aus­sicht­lich, so die Dis­kus­si­ons­beiträge, zur Verärge­rung bei den Vor­ge­setz­ten führen. In die­sem Zu­sam­men­hang äußer­te der Ar­beit­neh­mer

"Das Fet­te dreht durch!!! "

so­wie

"Und der kopf auch!!! "

Aus Sicht des Ar­beit­ge­bers hat­te der Ar­beit­neh­mer mit "" den Pro­duk­ti­ons­lei­ter Herrn F. ge­meint und mit "kopf" bzw. „Bären­kopf“ ei­nen Grup­pen­lei­ter.

Das Ar­beits­ge­richt Pforz­heim gab der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt (Ur­teil vom 08.12.2015, 4 Sa 5/16), da es die Kündi­gung auf­grund der fast 16jähri­gen Be­triebs­zu­gehörig­keit als un­verhält­nismäßig an­sah.

LAG Ba­den-Würt­tem­berg: Die Be­lei­di­gung von Vor­ge­setz­ten in der Kom­men­tar­funk­ti­on der Face­book-Chro­nik ei­nes Ar­beits­kol­le­gen mit Hil­fe von Emo­ti­cons kann ein wich­ti­ger Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung sein

Auch das LAG hielt die Kündi­gung für un­verhält­nismäßig und da­her für un­wirk­sam.

In den Ur­teils­gründen stellt das LAG zunächst klar, dass der Kläger mit "fet­tes " of­fen­bar den Pro­duk­ti­ons­lei­ter ge­meint hat und mit "kopf" ei­nen Grup­pen­lei­ter, der Vor­ge­setz­ter ei­nes Kol­le­gen des Klägers war. Die Über­set­zung von "kopf" mit "Bären­kopf" be­ruht da­bei auf ei­ner ge­mein­sa­men Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on der Pro­zess­be­tei­lig­ten, so das Ge­richt. Denn das Emo­ti­con "" steht für "Af­fen­ge­sicht" bzw. "mon­key face", so dass man für ei­ne Be­bil­de­rung von "Bären­kopf" bes­ser das Emo­ti­con "" ver­wen­den würde.

Die Äußerun­gen des Ar­beit­neh­mers stell­ten wei­ter­hin ei­ne Be­lei­di­gung dar und wa­ren da­mit an sich ei­nen "wich­ti­ger Grund" für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung. Dass der Kläger sei­ne Be­lei­di­gun­gen auf der Face­book-Chro­nik ei­nes Ar­beits­kol­le­gen geäußert hat­te, sprach nicht zu sei­nen Guns­ten, denn da­mit war die Möglich­keit ge­ge­ben, dass die Be­lei­di­gun­gen von ei­ner un­be­stimm­ten Viel­zahl von Per­so­nen ge­le­sen wer­den könn­ten.

Al­ler­dings ging die Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen zu­guns­ten des Klägers aus, da das Ge­richt ihm die Ver­wen­dung ei­nes In­si­der-Jar­gons zu­gu­te hielt. Wer die ge­mein­ten Per­so­nen nicht kennt, so das Ge­richt, wird kaum ver­ste­hen, wer ge­meint ist und/oder war­um der Aus­druck "Bären­kopf" über­haupt ei­ne Be­lei­di­gung sein könn­te. Zu­guns­ten des Klägers sprach ne­ben sei­ner lan­gen Beschäfti­gungs­dau­er auch, dass er mit den bei­den be­lei­dig­ten Vor­ge­set­zen vor­aus­sicht­lich kaum in Kon­takt ge­ra­ten würde, so dass ei­ne Be­ein­träch­ti­gung des Be­triebs­kli­mas im Fal­le der Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers nicht zu befürch­ten war. Letzt­lich hätte ei­ne Ab­mah­nung als Re­ak­ti­on auf den Vor­fall genügt, so das LAG.

Fa­zit: Es gibt bei der ar­beits­recht­li­chen Be­wer­tung von Be­lei­di­gun­gen kei­nen So­ci­al-Me­dia-Bo­nus. Dass ein Bei­trag auf Face­book schnell ge­likt ist oder dass man sich beim an­ony­men Chat­ten mit sei­nen Kom­men­ta­ren ge­gen­sei­tig über­trump­fen will, gibt So­ci­al-Me­dia-Nut­zern kei­ne Nar­ren­frei­heit.

Das gilt erst recht bei der ziel­ge­nau­en Ver­wen­dung von Emo­ti­cons. Ob "fet­tes " oder "fet­tes Schwein", das bleibt sich gleich.

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Letzte Überarbeitung: 3. August 2019

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