HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/277

Bleibt die Steu­er­klas­se V?

Par­tei­über­grei­fen­de Kri­tik an der Steu­er­klas­se V
Schreiben des Finanzamts Mitte/Tiergarten mit daraufliegenden Geldscheinen Wie lan­ge wird es die Steu­er­klas­se V noch ge­ben?

27.09.2013. Die Bun­des­tags­wahl liegt hin­ter uns und die "Wahl­ge­win­ne­rin" CDU muss sich um ei­nen neu­en Ko­ali­ti­ons­part­ner um­se­hen.

Po­li­ti­ker von CDU und SPD su­chen da­her nach Ge­mein­sam­kei­ten. Im Grenz­be­reich zwi­schen Ar­beits­markt-, Steu­er- und Gleich­stel­lungs­po­li­tik könn­ten sie fün­dig wer­den.

Denn ei­nes der größ­ten Hin­der­nis­se für den be­ruf­li­chen Wie­der­ein­stieg ver­hei­ra­te­ter jun­ger Müt­ter ist die - mitt­ler­wei­le all­seits - we­nig ge­lieb­te Steu­er­klas­se V.

Wir ha­ben für Sie ei­ni­ge In­for­ma­tio­nen zum Stand der rechts­po­li­ti­schen Dis­kus­si­on zu­sam­men­ge­tra­gen.

Par­teiüberg­rei­fen­der Ap­pell der Gleich­stel­lungs­mi­nis­ter der Länder

An­fang Sep­tem­ber 2013, al­so noch während der heißen Pha­se des Bun­des­tags­wahl­kamp­fes, ap­pel­lier­ten die Gleich­stel­lungs­mi­nis­ter der Bun­desländer mehr­heit­lich für ei­ne Ab­schaf­fung der Steu­er­klas­se V. Von den 16 Bun­desländern stimm­ten nur Bay­ern und Sach­sen dem An­trag nicht zu.

Be­mer­kens­wert an die­sem Auf­ruf war die Tat­sa­che, dass trotz des Wahl­kamp­fes Einmütig­keit zwi­schen Po­li­ti­kern der CDU und der SPD darüber be­stand, dass hier Hand­lungs­be­darf be­ste­he.

So be­gründe­te die SPD-Mi­nis­te­rin für So­zia­les, Ge­sund­heit, Fa­mi­lie und Gleich­stel­lung Schles­wig-Hol­steins, Kris­tin Al­heit, den Vor­s­toß der Gleich­stel­lungs­mi­nis­ter so:

"Das gel­ten­de Ver­fah­ren bringt ei­ne Schief­la­ge zu Las­ten der ge­ring­ver­die­nen­den Part­ne­rin oder des ge­rin­ger ver­die­nen­den Part­ners. Meist sind es Ehe­frau­en, die steu­er­lich über­pro­por­tio­nal hoch be­las­tet wer­den."

Denn die Steu­er­klas­se V, so die hes­si­sche Staats­se­kretärin im So­zi­al­mi­nis­te­ri­um, Pe­tra Müller-Klep­per (CDU), wird bis­lang vor al­lem von Frau­en gewählt, wenn bei­de Part­ner be­rufstätig sei­en. Da­her lau­tet ih­re For­de­rung:

"Die Lohnlücke muss ge­schlos­sen wer­den. Das ist ei­ne Fra­ge der Ge­rech­tig­keit."

Hin­ter­grund: Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on III / V oder IV / IV

Sind bei­de Ehe­part­ner Ar­beit­neh­mer und ver­dient ei­ner der bei­den deut­lich mehr als der an­de­re, können sie die Lohn­steu­er­klas­sen III mit der Lohn­steu­er­klas­se V kom­bi­nie­ren, wo­bei der bes­ser ver­die­nen­de Part­ner (meist der Ehe­mann) die Steu­er­klas­se III und der schlech­ter ver­die­nen­de Part­ner (meist die Frau) die Steu­er­klas­se V wählt.

Die Fol­ge die­ser Kom­bi­na­ti­on von Lohn­steu­er­klas­sen ist ei­ne er­heb­li­che lau­fen­de Ent­las­tung des höhe­ren Ein­kom­mens und ei­ne dem­ent­spre­chend höhe­re Be­las­tung des nied­ri­ge­ren Ein­kom­mens: Wer sein Ge­halt über die Steu­er­klas­se V vom Ar­beit­ge­ber ab­rech­nen lässt, wird steu­er­lich ge­rupft.

Nach ei­ner of­fi­zi­el­len Emp­feh­lung des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums, dem "Merk­blatt zur Steu­er­klas­sen­wahl für das Jahr 2013 bei Ehe­gat­ten, die bei­de Ar­beit­neh­mers sind" rech­net sich die­se Kom­bi­na­ti­on von Steu­er­klas­sen als Dau­men­re­gel in et­wa dann, wenn das Verhält­nis der Ein­kom­men bei et­wa 60 Pro­zent zu 40 Pro­zent des ge­mein­sa­men Ge­samt­ge­hal­tes liegt.

Wer es ge­nau wis­sen will, kann die im Tan­dem zu­ein­an­der pas­sen­den Gehälter in den Ta­bel­len des "Merk­blat­tes zur Steu­er­klas­sen­wahl" nach­le­sen. Über­steigt das Ge­halt des ge­rin­ger ver­die­nen­den Part­ners die Gren­ze von 40 Pro­zent des ge­mein­sa­men Ge­samt­ge­hal­tes, wird im lau­fen­den Jahr zu viel Lohn­steu­er ab­geführt, ist das Ge­halt ge­rin­ger als 40 Pro­zent, wird zu we­nig ab­geführt.

Als Aus­gleich ist da­her bei der Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on III / V die Ab­ga­be ei­ner Steu­er­erklärung vor­ge­schrie­ben. Die­se bringt dann ent­we­der ei­ne Er­stat­tung oder die Pflicht zur Nach­zah­lung.

Dar­an zeigt sich der äußerst be­grenz­te Nut­zen der Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on III / V: Es geht al­lein um das Hand­ling des lau­fen­den mo­nat­li­chen Lohn­steu­er­ab­zugs, der idea­ler­wei­se der vor­aus­sicht­li­chen Ge­samt­jah­res­be­las­tung ent­spre­chen soll­te. An­ders ge­sagt: Wird der Lohn­steu­er­ab­zug bei bei­den Ehe­part­nern "gut" ge­hand­habt, sind am En­de des Jah­res we­der zu viel noch zu we­nig Steu­ern ent­rich­tet.

Da­her gibt es für ver­hei­ra­te­te Ar­beit­neh­mer zwei Al­ter­na­ti­ven zur Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on III / V:

Ers­tens: Bei­de Ehe­leu­te wählen die Steu­er­klas­se IV: Dann wird bei je­dem die Steu­er ab­ge­zo­gen, die sich aus sei­nem Ge­halt er­rech­net, was für die ge­mein­sa­me Steu­er­last bei­der Ehe­leu­te aber nur dann rich­tig ist, wenn sie gleich viel ver­die­nen. Denn ver­dient ei­ner der bei­den deut­lich mehr, kann der Vor­teil des Ehe­gat­ten­split­tings erst am En­de des Jah­res bei der Ein­kom­men­steu­er­erklärung rea­li­siert wer­den. Die­se ist bei die­ser Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on nicht zwin­gend vor­ge­schrie­ben, aber meist sinn­voll.

Zwei­tens: Bei­de Ehe­part­ner wählen die Steu­er­klas­se IV, aber "mit Fak­tor". Die­se Va­ri­an­te der Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on IV / IV führt da­zu, dass be­reits beim lau­fen­den Lohn­steu­er­ab­zug die Steu­er­ermäßigung in­fol­ge des Ehe­gat­ten­split­tings berück­sich­tigt wird. Da­zu wird das vor­aus­sicht­li­che jähr­li­che Ge­samt­ein­kom­men der Ehe­leu­te und die dar­aus fol­gen­de Ge­samt­steu­er­be­las­tung geschätzt, wo­bei die güns­ti­ge­re Steu­er­last auf­grund des Split­ting­ver­fah­rens ins Verhält­nis ge­setzt wird zur Steu­er­last oh­ne Split­ting­ver­fah­ren.

Da­bei er­gibt sich dann z.B., dass die Steu­er­last der Ehe­leu­te mit Split­ting nur 96, 97 oder 98 Pro­zent ih­rer Be­las­tung oh­ne Split­ting be­tra­gen würde. Dar­aus er­rech­net sich ein Fak­tor von z.B. 0,960, 0,970 oder 0,980, mit wel­chem die mo­nat­lich gemäß Steu­er­klas­se IV er­rech­ne­te Lohn­steu­er­vor­aus­zah­lung mul­ti­pli­ziert wird, d.h. die mo­nat­li­chen Lohn­steu­er­vor­aus­zah­lun­gen wer­den im Er­geb­nis um ei­ni­ge Pro­zent­punk­te ver­min­dert.

Dem­ent­spre­chend ist bei der Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on "IV / IV mit Fak­tor" die Ab­ga­be ei­ner Steu­er­erklärung er­for­der­lich.

Nach­tei­le der Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on III / V

Mit der Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on III / V wol­len Ehe­leu­te tra­di­tio­nell ver­hin­dern, im Ver­lauf des Jah­res durch die an­sons­ten zu wählen­de Kom­bi­na­ti­on IV / IV zu ho­he Steu­er­vor­aus­zah­lun­gen leis­ten zu müssen.

Der schlech­ter ver­die­nen­de Part­ner (meist die Part­ne­rin) muss­te da­her ei­ne sehr ungüns­ti­ge Brut­to-Net­to-Re­la­ti­on sei­nes oh­ne­hin nur an zwei­ter Stel­le ste­hen­den Ge­hal­tes hin­neh­men, da­mit die lau­fen­den Ge­samt­be­las­tun­gen der Fa­mi­lie durch Lohn­steu­er­vor­aus­zah­lun­gen möglichst ge­ring blei­ben. Ei­nen Aus­gleich gab es dafür erst am Jah­res­en­de.

Mit der seit 2010 be­ste­hen­den Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on IV / IV mit Fak­tor gibt es aber ei­ne bes­se­re drit­te Al­ter­na­ti­ve: Durch die An­wen­dung des Fak­tor­ver­fah­rens wer­den die steu­er­li­chen Vor­tei­le des Ehe­gat­ten­split­tings be­reits un­terjährig rea­li­siert, d.h. die Li­qui­ditäts­vor­tei­le für das Fa­mi­li­en­kon­to müssen nicht mehr da­durch er­kauft wer­den, dass der schlech­ter ver­die­nen­de Ehe­part­ner übermäßig be­las­tet wird.

Hat die Kom­bi­na­ti­on III / V dem­zu­fol­ge seit 2010 kei­ne greif­ba­ren Vor­tei­le mehr, tre­ten ih­re Nach­tei­le um­so deut­li­cher her­vor:

Ers­tens bleibt für den Ehe­part­ner mit der Steu­er­klas­se III zu we­nig net­to vom brut­to übrig, und das ist de­mo­ti­vie­rend. An­statt ei­ne fi­nan­zi­ell un­at­trak­ti­ve Teil­zeittätig­keit mit der Steu­er­klas­se V zu kom­bi­nie­ren, re­du­zie­ren vie­le be­trof­fe­ne Ehe­frau­en den Um­fang ih­rer Tätig­keit noch wei­ter und wei­chen auf ge­ringfügi­ge Beschäfti­gun­gen aus.

Zwei­tens hängen vie­le Lohn­er­satz­leis­tun­gen vom Net­to­ge­halt ab, so z.B. der Zu­schuss zum Mut­ter­schafts­geld. Ver­hei­ra­te­te Ar­beit­neh­me­rin­nen mit Steu­er­klas­se V sind da­her dop­pelt be­nach­tei­ligt, so­wohl steu­er­lich bzw. beim lau­fen­den Net­to­ge­halt als auch dann, wenn sie Lohn­er­satz­leis­tun­gen in An­spruch neh­men müssen.

Drit­tens wer­den ver­hei­ra­te­te Frau­en durch die Steu­er­klas­se V, die oft nach ei­ner Ba­by­pau­se mit an­sch­ließen­der Teil­zeittätig­keit gewählt wird, über­haupt ins Grübeln darüber ge­bracht, ob sich "das al­les über­haupt lohnt".

Ab­schaf­fung der Steu­er­klas­se V und/oder des Ehe­gat­ten­split­tings?

Vor die­sem Hin­ter­grund hat ei­ne im Ok­to­ber 2010 der Öffent­lich­keit vor­ge­stell­te Stu­die im Auf­trag der Ber­tels­mann Stif­tung mitt­ler­wei­le viel Auf­merk­sam­keit er­fah­ren: Die Ver­fas­ser der Stu­die schla­gen vor, nicht nur die Steu­er­klas­se V ab­zu­schaf­fen, son­dern so­gleich das da­hin­ter ste­hen­de Ehe­gat­ten­split­ting. Zu­min­dest soll­te das Split­ting­ver­fah­ren stark ein­ge­schränkt wer­den.

Denn, so die zen­tra­le Über­le­gung: Wenn in­fol­ge des Split­ting­ver­fah­rens der Al­lein­ver­die­ner und da­mit das ge­mein­sa­me Fa­mi­li­en­kon­to steu­er­lich stark ent­las­tet wird, rech­net sich ei­ne Er­werbstätig­keit für die bis­lang zu Hau­se täti­ge Ehe­frau oft nicht, und wenn über­haupt, dann nur in Teil­zeit oder in Form ei­nes Mi­ni­jobs. Denn der Weg­fall der Steu­er­vor­tei­le, die sich durch Split­ting er­ge­ben, müssen erst ein­mal wie­der her­ein­ge­holt wer­den.

Vor­aus­sicht­lich, so die Mo­dell­rech­nun­gen der von der Ber­tels­mann Stif­tung be­auf­trag­ten Wis­sen­schaft­ler, wäre bei Ab­schaf­fung des Ehe­gat­ten­split­tings mit zusätz­li­chen 77.000 Er­werbstäti­gen zu rech­nen. Würde der Split­ting stark ein­ge­schränkt und auf ge­mein­sa­me Grund­frei­beträge be­schränkt, wären es im­mer noch 42.000 zusätz­li­che Er­werbs­per­so­nen sind. Außer­dem entstünden in­fol­ge der Ab­schaf­fung oder Be­schränkung des Ehe­gat­ten­split­ting er­heb­li­che steu­er­li­che Mehr­ein­nah­men für den Staat, die vor­aus­sicht­lich zwi­schen 9 und 24 Mil­li­ar­den EUR lie­gen würden.

Mit die­sen Vor­schlägen steht die Ber­tels­mann-Stu­die na­he bei den Re­form­vor­schlägen der SPD. Ei­ne seit Ja­nu­ar 2013 pro­pa­gier­te Wahl­kampf­for­de­rung der SPD war der grund­le­gen­de Um­bau der staat­li­chen Fa­mi­li­enförde­rung, Ab­schaf­fung des Split­ting­ver­fah­rens mit in­be­grif­fen.

Fa­zit: Wie tief­grei­fend die Verände­run­gen im Be­reich der Ehe­gat­ten­be­steue­rung und der ge­ringfügi­gen Beschäfti­gung aus­fal­len, die die vor­aus­sicht­lich kom­men­de große Ko­ali­ti­on von CDU und SPD auf den Weg brin­gen wird, kann man der­zeit noch nicht ab­se­hen. Ei­ne ziem­lich un­pro­ble­ma­ti­sche klei­ne Re­form, die trotz­dem viel be­wir­ken würde, wäre fürs ers­te die er­satz­lo­se Ab­schaf­fung der Steu­er­klas­se V.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de