Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 04.11.2014, 17 Sa 637/14

   
Schlagworte: Fristlose Kündigung, Kündigung: Fristlos
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 17 Sa 637/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 04.11.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Solingen, 4 Ca 142/14
   

17 Sa 637/14
4 Ca 142/14
Ar­beits­ge­richt So­lin­gen

Verkündet am 04.11.2014

Will­ms Re­gie­rungs­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

der Frau Dr. H. I., T. straße 8, M.,

- Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter: Rechts­an­walt Dr. N. T., W. straße 33, C.,

g e g e n

die Spar­kas­se M., An­stalt des öffent­li­chen Rechts, ge­setz­lich ver­tre­ten durch ih­ren Vor­stand, G.-F.-Straße 39, M.,

- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: I. Rechts­anwälte PartGmbH G.-L.-Straße 2, M.,

hat die 17. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 04.11.2014
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Jan­sen als
Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Sie­ben und den
eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schmidt

für R e c h t er­kannt:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts So­lin­gen vom 02.06.2014 – 4 Ca 142/14 lev – wird ein­sch­ließlich des Auflösungs­an­trags der Be­klag­ten kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

- 2 -

T a t b e s t a n d:

Die 50-jähri­ge Kläge­rin ist bei der Be­klag­ten auf­grund An­stel­lungs­ver­trag vom 26.03.2008 seit dem 01.04.2008 zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ent­gelt von zu­letzt durch­schnitt­lich 5.400,00 € beschäftigt. Sie wur­de in die Grup­pe E 12 Stu­fe 5 ein­grup­piert.

Ihr wur­de die Ab­tei­lung Markt­ser­vice mit den Be­rei­chen Ver­triebs­un­terstützung Pas­siv und Dienst­leis­tun­gen (VPD), Dar­le­hens­buch­hal­tung, Zah­lungs­ver­kehr und De­pot­buch­hal­tung über­tra­gen. We­gen der Auf­ga­ben­schwer­punk­te wird auf das Zwi­schen­zeug­nis vom 05.03.2010 (Bl. 154 d.A.) Be­zug ge­nom­men. Ihr wa­ren drei Teams mit ins­ge­samt 28 Mit­ar­bei­tern, die von drei Team­lei­tern geführt wur­den, un­ter­stellt. Im Zu­ge ei­ner Um­struk­tu­rie­rung ent­fie­len die Auf­ga­ben Dar­le­hens- und De­pot­buch­hal­tung. Die Zahl der un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­ter nahm ab.

Bei der Ein­stel­lung bestätig­te die Kläge­rin in der Nie­der­schrift vom 01.04.2008 u.a., dass ihr die Dienst­an­wei­sun­gen für Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se M. eröff­net wor­den sei­en (vgl. An­la­ge HNH 17, Bl. 158 d.A.). Zu­dem wur­de die Kläge­rin über Geschäfts- und Ar­beits­an­wei­sun­gen per Push-E-Mail in­for­miert. Sämt­li­che Geschäfts- und Ar­beits­an­wei­sun­gen wa­ren im In­tra­net der Spar­kas­se M. ein­seh­bar.

Die Kläge­rin nahm im Zeit­raum vom 04.05.2010 bis zum 18.06.2012 ins­ge­samt 33 Verfügun­gen über das Kon­to ih­rer Mut­ter vor. Sie buch­te Beträge zwi­schen 500,00 € und 12.000,00 € vom Spar­buch ih­rer Mut­ter auf an­de­re Kon­ten um, da­von 29 Mal auf ihr ei­ge­nes Kon­to, drei Mal auf das Kon­to ih­rer Mut­ter und in ei­nem Fall auf das Spar­buch ih­rer min­derjähri­gen Toch­ter. Die­se Verfügun­gen er­folg­ten on­line. We­gen der ein­zel­nen Verfügun­gen wird auf den Prüfbe­richt der Be­klag­ten (An­la­ge HNH 1 Bl. 40 d.A.) Be­zug ge­nom­men. Die Zah­lungs­vorgänge wur­den von ei­nem zwei­ten Mit­ar­bei­ter frei­ge­ge­ben.

Die Kläge­rin verfügte über ei­ne Ge­ne­ral­voll­macht ih­rer Mut­ter, die sie auch zu Verfügun­gen über das Kon­to der Mut­ter ermäch­tig­te. So­wohl die Mut­ter der

 

- 3 -

Kläge­rin als auch die Kläge­rin selbst wa­ren be­reits vor der Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses Kun­din­nen der Be­klag­ten.

Bei der Be­klag­ten be­ste­hen zahl­rei­che An­wei­sun­gen zur Ab­wick­lung des Zah­lungs­ver­kehrs. Da­nach dürfen Geschäfte für Drit­te nicht über das ei­ge­ne Kon­to vor­ge­nom­men und ab­ge­wi­ckelt wer­den (Zif­fer 6.3 der Geschäfts­an­wei­sung für Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se M.; Do­ku­men­ten­num­mer 01670440), die bis zum April 2012 galt (An­la­ge HNH 2, Bl. 48 bis 51 d.A.). Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se dürfen in ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten we­der be­ra­tend noch ent­schei­dend mit­wir­ken, wenn die Ent­schei­dung ih­nen selbst, ih­rem Ehe­gat­ten oder Ver­wand­ten bis zum drit­ten Grad bzw. Ver­schwäger­ten bis zum zwei­ten Grad oder ei­ner kraft ge­setz­li­cher oder rechts­geschäft­li­cher Voll­macht ver­tre­ten­den Per­son ei­nen un­mit­tel­ba­ren Vor­teil oder Nach­teil brin­gen kann (Zif­fer 1.6 die­ser Geschäfts­an­wei­sung). Die vor­ge­nann­te Geschäfts­an­wei­sung wur­de durch die Dienst­an­wei­sung für Beschäftig­te der Spar­kas­se M. (An­la­ge HNH 3, Bl. 52 bis 57 d. A.) ab­gelöst, de­ren § 2 Abs. 4 vor­sieht, dass Beschäftig­te der Spar­kas­se nicht in An­ge­le­gen­hei­ten mit­wir­ken dürfen, in de­nen sie be­fan­gen sind. Zu­dem dürfen Verfügun­gen über Spar­ein­la­gen grundsätz­lich nur bei Vor­la­ge des Spar­bu­ches er­fol­gen (Ar­beits­an­wei­sung „Spar­ein­la­ge: Verfügun­gen/Auflösung-All­ge­mei­nes“; er­setzt durch die Ar­beits­an­wei­sung „Ein­la­gen­geschäft“; An­la­ge HNH 4, Bl. 58-60; An­la­ge HNH 5, Bl. 61 ff.). Zu­dem sind nach der Ar­beits­an­wei­sung „Voll­mach­ten/ Ge­ne­ral­voll­macht“, Ge­ne­ral­voll­mach­ten nur über die in der Da­ten­bank der Be­klag­ten hin­ter­leg­ten For­mu­la­re zu er­fas­sen.

Die Be­klag­te er­hielt von den Bu­chungs­vorgängen auf Nach­fra­ge ei­nes Er­ben der zwi­schen­zeit­lich ver­stor­be­nen Mut­ter der Kläge­rin Kennt­nis, der Bu­chungs­vorgänge auf dem Spar­buch der ver­stor­be­nen Mut­ter hin­ter­frag­te. Dar­auf­hin be­auf­trag­te die Be­klag­te ih­re Re­vi­si­on mit der Über­prüfung der Verfügun­gen. Nach Er­halt des Prüfungs­be­rich­tes (An­la­ge HNH 1, Bl. 40 - 47 d. A.) wur­de die Kläge­rin am 23.01.2014 zu den Vorwürfen be­fragt. Sie ver­wies auch schrift­lich dar­auf, dass ihr die „da­zu gehöri­ge Ar­beits­an­wei­sung be­kannt ge­we­sen sei, sie aber über ei­ne Kon­to­voll­macht verfüge und sämt­li­che Verfügun­gen in Ab-

 

- 4 -

stim­mung mit ih­ren Brüdern und im Sin­ne ih­rer Mut­ter getätigt wor­den sei­en.“ Die sei­tens der Kläge­rin vor­ge­leg­te Ge­ne­ral­voll­macht (An­la­ge HNH 7, Bl. 66 d. A.) ent­spricht nicht der bei der Be­klag­ten gel­ten­den Ar­beits­an­wei­sung. Da­nach dürfen von Kun­den hand­schrift­lich ein­ge­reich­te Ge­ne­ral­voll­mach­ten kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­den (An­la­ge HNH 8, Bl. 67 ff. d. A.).

Mit Schrei­ben vom 29.01.2014 hörte die Be­klag­te den Per­so­nal­rat zur be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen und hilfs­wei­sen or­dent­li­chen Kündi­gung an. Die frist­lo­se Kündi­gung nahm er zur Kennt­nis, der hilfs­wei­sen frist­ge­rech­ten stimm­te er zu. Mit Schrei­ben vom 29.01.2014 kündig­te die Be­klag­te das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich, hilfs­wei­se frist­gemäß zum 30.06.2014.
Mit Schrei­ben vom 17.03.2014 hörte die Be­klag­te den Per­so­nal­rat zu ei­ner wei­te­ren vor­sorg­li­chen or­dent­li­chen Kündi­gung an. Der Per­so­nal­rat stimm­te ihr mit Schrei­ben vom 26.03.2014 zu. Mit Schrei­ben vom 26.03.2014 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis er­neut or­dent­lich zum 30.06.2014.

Mit der am 03.02.2014 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kündi­gungs­schutz-kla­ge und der am 31.03.2014 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge­er­wei­te­rung wen­det sich die Kläge­rin ge­gen die Kündi­gun­gen.

Die Kläge­rin hat be­haup­tet, dass sie nicht als Ab­tei­lungs­lei­te­rin, son­dern als Sach­be­ar­bei­te­rin beschäftigt wor­den sei. Ihr Ar­beits­be­reich sei mehr sach­be­ar­bei­ten­der denn lei­ten­der Na­tur ge­we­sen. Die Ge­ne­ral­voll­macht für das Kon­to ih­rer Mut­ter ha­be der Be­klag­ten schon lan­ge vor Be­ginn des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses vor­ge­le­gen. Bei Bu­chungs­vorgängen im Bar­ver­kehr sei das Spar­buch vor­ge­legt wor­den. Ihr sei­en vor­her die Ar­beits­an­wei­sun­gen nicht im vor­ge­schrie­be­nen Maße be­kannt ge­ge­ben wor­den. Es ha­be dies­bezüglich kei­ne Schu­lun­gen, Be­leh­run­gen und kei­ne Kon­trol­len oder ähn­li­ches ge­ge­ben, ob­wohl sie ei­ne Quer­ein­stei­ge­rin sei, die kei­ne ban­kenähn­li­che Aus­bil­dung ab­sol­viert ha­be. Es sei nicht er­kenn­bar, wann ihr die Geschäfts­an­wei­sun­gen zur Kennt­nis ge­bracht wor­den sei­en und wann ei­ne Geschäfts­an­wei­sung durch ei­ne an­de­re ab­gelöst wor­den sei. Zu­dem sei­en die Geschäfts­an­wei­sun­gen kom­plex und in­trans­pa­rent. Die Verfügun­gen sei­en un­ter Wah­rung des Vier-

 

- 5 -

Au­gen-Prin­zips durch­geführt wor­den, wo­bei der zwei­te Mit­ar­bei­ter, der am je­wei­li­gen Schal­ter verfügba­re Ver­triebs­kol­le­ge der Kläge­rin ge­we­sen sei und nicht ein ihr un­ter­stell­ter Mit­ar­bei­ter. Die In­ter­es­sen­abwägung sei feh­ler­haft. Als Re­ak­ti­on für ihr Fehl­ver­hal­ten hätte ei­ne Ab­mah­nung aus­ge­reicht. Zu­dem lie­ge kei­ne ord­nungs­gemäße Per­so­nal­rats­anhörung vor.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass das An­stel­lungs­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en we­der durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 29.01.2014, noch durch die frist­gemäße Kündi­gung vom 29.01.2014 bzw. vom 26.03.2014 zum 30.06.2014 auf­gelöst wor­den ist.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat be­haup­tet, dass die Kläge­rin als Ab­tei­lungs­lei­te­rin Markt­ser­vice tätig ge­we­sen sei. In die­ser Ei­gen­schaft ha­be sie den ge­sam­ten Be­reich Zah­lungs-ver­kehr mit den Auf­ga­ben­schwer­punk­ten In­lands- und Aus­lands­zah­lungs­ver­kehr, Kon­toführung, Buch­hal­tung, Er­ar­bei­tung von Gebühren und Kon­di­tio­nen­vor­schlägen zur Ent­schei­dung durch den Vor­stand so­wie Zu­sam­men­ar­beit mit an­de­ren Kre­dit­in­sti­tu­ten in Ab­wick­lungs­fra­gen des Zah­lungs­ver­kehrs ver­ant­wor­tet. Ent­spre­chend sei die Kläge­rin auch in ei­nem Rund­schrei­ben vom 31.03.2008 den Mit­ar­bei­tern vor­ge­stellt und in den Geschäfts­ver­tei­lungs­plänen auf­geführt wor­den. Auch im Zwi­schen­zeug­nis vom 05.03.2010 sei die Kläge­rin als Ab­tei­lungs­lei­te­rin für die Ab­tei­lung Markt­ser­vice be­nannt. Sie sei an den Gesprächen mit dem Vor­stand und bei der Ab­stim­mung un­ter Führungs­kräften be­tei­ligt ge­we­sen. Die Ge­ne­ral­voll­macht über das Kon­to der Mut­ter ha­be erst vor­ge­le­gen, als die Kläge­rin die­se mit E-Mail vom 25.01.2014 über­mit­telt ha­be. Das Spar­buch sei bei den streit­ge­genständ­li­chen On­line-Bu­chun­gen nicht vor­ge­legt wor­den, son­dern al­len­falls bei den Ba­rab­he­bun­gen. Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die außer­or­dent­li­che, frist­lo­se Kündi­gung ge­recht­fer­tigt sei. Die on­line Verfügun­gen hätten ge­gen die dar­ge­leg­ten Dienst­an­wei­sun­gen ver­s­toßen. Es han­de­le sich um der­art ekla­tan­te Pflicht­verstöße, dass in Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen das In­ter­es­se

 

- 6 -

an der Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung das In­ter­es­se der Kläge­rin am Er­halt des Ar­beits­plat­zes über­wie­ge.

Mit Ur­teil vom 02.05.2014 hat das Ar­beits­ge­richt der Kla­ge statt­ge­ge­ben und im We­sent­li­chen aus­geführt, dass so­wohl die frist­lo­se Kündi­gung vom 29.01.2014 als auch die hilfs­wei­se frist­ge­rech­te Kündi­gung so­wie die wei­te­re frist­ge­rech­te Kündi­gung vom 26.03.2014 nicht ge­recht­fer­tigt sei­en. Die wie­der­hol­ten Verstöße ge­gen die Ar­beits­an­wei­sun­gen ge­ra­de vor dem Hin­ter­grund der Ver­ant­wort­lich­keit der Kläge­rin für den Zah­lungs­ver­kehr sei­en zwar als so gra­vie­rend an­zu­se­hen, dass sie an sich ge­eig­net sei­en, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Bei der bei je­der Kündi­gung vor­zu­neh­men­den In­ter­es­sen­abwägung über­wie­ge aber das In­ter­es­se der Kläge­rin am Er­halt des Ar­beits­plat­zes das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. So­wohl für die frist­lo­se als auch für die frist­ge­rech­te ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung gel­te das Pro­gno­se­prin­zip. Zweck der Kündi­gung sei nicht die Sank­ti­on ver­gan­ge­ner Pflicht­ver­let­zun­gen, son­dern die Ver­mei­dung des Ri­si­kos wei­te­rer er­heb­li­cher Pflicht­ver­let­zun­gen. In­so­fern set­ze ei­ne Kündi­gung we­gen ei­ner Ver­trags­pflicht­ver­let­zung re­gelmäßig ei­ne Ab­mah­nung vor­aus. Ei­ne Ab­mah­nung sei nur ent­behr­lich, wenn ei­ne Ver­hal­tensände­rung in Zu­kunft selbst nach ei­ner Ab­mah­nung nicht zu er­war­ten ste­he oder es sich um ei­ne der­art schwe­re Pflicht­ver­let­zung han­de­le, dass ei­ne Hin­nah­me durch den Ar­beit­ge­ber of­fen­sicht­lich, auch für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar, aus­ge­schlos­sen sei. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sei­en hier nicht erfüllt. Die wie­der­hol­ten Verstöße ge­gen die Ar­beits­an­wei­sun­gen sei­en zwar vor dem Hin­ter­grund der Ver­ant­wort­lich­keit der Kläge­rin für den Zah­lungs­ver­kehr so gra­vie­rend, dass sie an sich ge­eig­net sei­en, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Der Um­stand, dass die Kläge­rin un­ter­stell­te Mit­ar­bei­ter in den Ab­lauf hin­ein­ge­zo­gen ha­be, sei aber nicht stärker be­las­tend zu berück­sich­ti­gen, da die Verfügun­gen zum ei­nen nach den gel­ten­den Ar­beits­an­wei­sun­gen zur Über­prüfung ei­nem wei­te­ren Mit­ar­bei­ter vor­zu­le­gen ge­we­sen sei­en und zum an­de­ren die Mit­ar­bei­ter, die die Frei­ga­be vor­ge­nom­men hätten, ei­ne ei­ge­ne Prüfungs­pflicht ge­habt hätten. Dass die Zeu­gen genötigt wor­den sei­en, die Frei­ga­be zu er­tei­len, las­se sich dem Vor­trag nicht ent­neh­men. Je­den­falls ha­be sich die Kläge­rin in dem Punkt an das Vier-Au­gen-Prin­zip ge­hal­ten. Es sei auch im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung und

 

- 7 -

der Be­ur­tei­lung der Er­for­der­lich­keit ei­ner Ab­mah­nung zu berück­sich­ti­gen, dass trotz be­ste­hen­der Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen den Par­tei­en in der Ver­gan­gen­heit kei­ne Ab­mah­nun­gen er­teilt wor­den sei. Die Aus­wir­kun­gen des Fehl­ver­hal­tens sei­en auch nicht der­art gra­vie­rend, dass ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung nicht möglich sei. Der an­ge­spro­che­ne Ima­ge­scha­den sei re­la­tiv eng be­grenzt, da nur der ge­setz­li­che Ver­tre­ter ei­nes Mit­er­ben ei­ne Klärung des Sach­ver­halts be­an­tragt ha­be. Dass sons­ti­ge Per­so­nen von den Umständen er­fah­ren hätten, er­ge­be sich nicht. Es sei auch nicht von ei­ner Wie­der­ho­lungs­ge­fahr aus­zu­ge­hen. Die­se las­se sich nicht aus der Viel­zahl der Verfügun­gen über ei­nen länge­ren Zeit­raum ent­neh­men. Es han­de­le sich um ei­nen sich wie­der­ho­len­den glei­chen Sach­ver­halt. Da die Mut­ter der Kläge­rin mitt­ler­wei­le ver­stor­ben sei, sei ein sol­ches Ver­hal­ten in Zu­kunft nicht mehr zu er­war­ten. Letzt­lich sei die Pflicht­ver­let­zung auch nicht so schwer­wie­gend, dass die Kläge­rin er­ken­nen konn­te, dass ihr Ver­hal­ten oh­ne Ab­mah­nung di­rekt zu ei­ner Kündi­gung führt.

Ge­gen das der Be­klag­ten am 06.06.2014 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts hat die Be­klag­te mit dem am 01.07.2014 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit dem am 05.08.2014 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, dass die frist­lo­se Kündi­gung, zu­min­dest die frist­ge­rech­te Kündi­gung so­zi­al ge­recht­fer­tigt sei. Die Kläge­rin sei als Ab­tei­lungs­lei­te­rin Ser­vice ein­ge­stellt wor­den. Zu ih­rem Auf­ga­ben­be­reich ha­be die Ab­wick­lung des Zah­lungs­ver­kehrs gehört. Die Kläge­rin ha­be von Mai 2010 bis 2012, al­so über zwei Jah­re, oh­ne die be­ste­hen­den Dienst­an­wei­sun­gen zu be­ach­ten, Verfügun­gen vom Spar­buch ih­rer Mut­ter vor­ge­nom­men. Die­ses Ver­hal­ten sei als wich­ti­ger Grund im Sin­ne des § 626 Abs. 2 BGB für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ge­eig­net. So­weit das Ge­richt kei­ne Wie­der­ho­lungs­ge­fahr se­he, könne dem nicht ge­folgt wer­den. Da­ge­gen spre­che schon, dass sich die Kläge­rin im Rah­men der Vor­hal­tun­gen und auch im Pro­zess aus­sch­ließlich in Aus­flüch­ten er­gan­gen sei und mit kei­nem Wort zum Aus­druck ge­bracht ha­be, dass sie sich künf­tig an die Geschäfts-, Dienst- und Ar­beits­an­wei­sun­gen der Be­klag­ten hal­ten wol­le. Dass die Verfügun­gen im Sin­ne der Mut­ter und auf Ba­sis der ihr er­teil­ten Voll­macht er­folgt sei­en, sei für die Be­ur­tei­lung nicht maßge­bend. Es

 

- 8 -

sei zu berück­sich­ti­gen, dass die Kläge­rin in lei­ten­der Stel­lung Pflicht­ver­let­zun­gen be­gan­gen ha­be. Es han­de­le sich auch nicht nur um ei­nen ein­ma­li­gen Ver­s­toß. Sie ha­be über ei­nen länge­ren Zeit­raum be­wusst ge­gen die Vor­schrif­ten ver­s­toßen. Die Kläge­rin könne auch nicht dar­auf ver­wei­sen, dass ihr die Geschäfts-, Dienst- und Ar­beits­an­wei­sun­gen nicht hin­rei­chend be­kannt ge­we­sen sei­en. Zum ei­nen ha­be sie die Kennt­nis der Dienst­an­wei­sun­gen bestätigt, zum an­de­ren sei sie in lei­ten­der Stel­lung tätig ge­we­sen, ha­be schon des­we­gen die Vor­schrif­ten ken­nen müssen. Der Ver­weis auf die Schwie­rig­keit des Re­gel­werks sei an­ge­sichts ih­rer Stel­lung und Aus­bil­dung nicht nach­voll­zieh­bar. Es kom­me hin­zu, dass sie durch ihr Fehl­ver­hal­ten wei­te­re Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se, de­nen sie vor­ge­setzt war, zu ei­ner Pflicht­ver­let­zung ver­an­lasst ha­be. Sie ha­be mit ih­ren Verfügun­gen den Mit­ar­bei­tern ge­zeigt, dass sie das Re­gel­werk nicht in­ter­es­sie­re, wenn es um sie selbst und ihr nach­ste­hen­de Per­so­nen ge­he. Mit dem Ver­hal­ten ha­be sie auch die an­de­ren Mit­ar­bei­ter in ei­ne Zwangs­la­ge ge­bracht, sich ent­we­der dem Wil­len ih­rer Vor­ge­setz­ten nach ei­ner un­kom­pli­zier­ten und in­for­mel­len Frei­ga­be ei­ner ir­re­gulären Bu­chung zu wi­der­set­zen oder das Re­gel­werk der Be­klag­ten zu miss­ach­ten. Das sei ein für ei­nen Vor­ge­setz­ten in­ak­zep­ta­bles Ver­hal­ten. An­ge­sichts die­ser be­son­de­ren Umstände sei ei­ne Ab­mah­nung ent­behr­lich ge­we­sen. Bei der In­ter­es­sen­abwägung dürfe nicht außer Acht ge­las­sen wer­den, dass die Kläge­rin ei­ne ver­gleichs­wei­se ge­rin­ge Be­triebs­zu­gehörig­keit be­sit­ze. Fi­nan­zi­el­le Pro­ble­me in ih­rem Um­feld sei­en nicht be­kannt. In je­dem Fall sei das Ar­beits­verhält­nis auf ih­ren Auflösungs­an­trag zum 30.06.2014 un­ter Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung auf­zulösen. Dies er­ge­be sich aus den von der Kläge­rin vor­ge­tra­ge­nen nicht nach­voll­zieh­ba­ren Ent­schul­di­gungs­gründen. In der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung ha­be sie dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie langjähri­ger Kun­de der Spar­kas­se auch vor der Ein­stel­lung ge­we­sen sei, sie le­dig­lich ihr frühe­res Ver­hal­ten bei den Geschäfts­vorfällen bei­be­hal­ten ha­be und es nie Be­an­stan­dun­gen ge­ge­ben ha­be. Dies sei ab­we­gig und zei­ge, dass die Kläge­rin trotz des Lip­pen­be­kennt­nis­ses, dass es ihr leid tue, sich nach­hal­tig in Aus­flüch­ten er­ge­he. Es kom­me auch nicht dar­auf an, ob die Kläge­rin bei den Ba­rab­he­bun­gen dem Wunsch der Mut­ter ent­spro­chen ha­be. Kündi­gungs­re­le­vant sei­en al­lei­ne die 33 vor­ge­tra­ge­nen Verfügun­gen on­line. Auch nach acht-mo­na­ti­ger Pro­zess­dau­er ha­be die Kläge­rin nicht ver­in­ner­licht, was der zen­tra­le

 

- 9 -

Vor­wurf sei, dass sie sich be­wusst über Geschäfts-, Dienst- und Ar­beits­an­wei­sun­gen der Be­klag­ten hin­weg­ge­setzt ha­be. Wenn die Kläge­rin in ih­rer schrift­li­chen Er­wi­de­rung zur Anhörung des Prüfbe­richts per E-Mail vom 23.01.2014 mit­tei­le, dass ihr die da­zu­gehöri­ge Ar­beits­an­wei­sung be­kannt ge­we­sen sei, die­se Bu­chun­gen aber von ih­rer Sei­te nur des­we­gen ver­an­lasst wor­den sei­en, weil die­se de­tail­liert mit der Mut­ter und den Brüdern ab­ge­stimmt wor­den sei­en und sie letzt­lich der Wil­le ih­rer Mut­ter ge­we­sen sei­en, so do­ku­men­tie­re das in nicht zu über­bie­ten­der Ein­deu­tig­keit, dass sich die Kläge­rin be­wusst über die be­ste­hen­den An­wei­sun­gen hin­weg­ge­setzt ha­be. Da­bei sei noch in Er­in­ne­rung zu ru­fen, dass es nicht nur um ei­nen Ver­s­toß ge­gen ei­ne Geschäfts­an­wei­sung, son­dern ge­gen meh­re­re ge­he. Zu­letzt sei zu berück­sich­ti­gen, dass die Kläge­rin im Ver­fah­ren noch gerügt ha­be, als Ab­tei­lungs­lei­te­rin tätig ge­we­sen zu sein, ob­wohl ihr 28 Mit­ar­bei­ter, da­von drei Team­lei­ter un­ter­stellt ge­we­sen sei­en. Da­mit ha­be sie das für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses not­wen­di­ge Ver­trau­ens­verhält­nis zerstört. Ei­ne ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit der Par­tei­en sei auch auf­grund des Par­tei­vor­brin­gens in der zwei­ten In­stanz nicht mehr zu er­war­ten. An­ge­sichts der nur kur­zen Beschäfti­gungs­zeit sei die Ab­fin­dung nicht über 16.200,00 € fest­zu­set­zen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge wird un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts So­lin­gen vom 02.05.2014, 4 Ca 142/14 lev, ab­ge­wie­sen,

hilfs­wei­se

das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en wird zum 30.06.2014 ge­gen Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Ab­fin­dung, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, de­ren Be­trag über 16.200,00 € nicht über­schrei­ten soll­te, auf­gelöst.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen und den Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin folgt der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts, dass die Kündi­gun­gen nicht ge­recht­fer­tigt sei­en. Vor Be­ginn des An­stel­lungs­verhält­nis­ses sei sie, eben­so wie ih­re Mut­ter, langjähri­ge Kun­din der Be­klag­ten ge­we­sen. Be­reits

 

- 10 -

zum da­ma­li­gen Zeit­punkt ha­be ei­ne umfäng­li­che Ge­ne­ral­voll­macht der Mut­ter für sie vor­ge­le­gen und sie ha­be das vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten prak­ti­ziert. Dies sei al­len Mit­ar­bei­tern an den Stand­or­ten in M. (Haupt­stand­ort) und der X. sied­lung be­kannt ge­we­sen. Ihr Ver­hal­ten sei auch während des ge­sam­ten Verfügungs­zeit­raums nie be­an­stan­det wor­den. Sie wis­se heu­te, dass sie ge­gen die Ver­trags­pflich­ten ver­s­toßen ha­be und be­dau­re dies. Dies wer­de nicht wie­der vor­kom­men. Sie sei al­ler­dings nicht als Ab­tei­lungs­lei­te­rin geführt und be­han­delt wor­den. Be­reits in ers­ter In­stanz ha­be sie dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie nicht wie die an­de­ren Ab­tei­lungs­lei­ter ent­spre­chend in­for­miert wor­den sei. Zu­dem ha­be man ih­re Auf­ga­ben durch Um­struk­tu­rie­rung ver­rin­gert. Die Ar­beits­an­wei­sun­gen sei­en ihr nicht ex­pli­zit be­kannt­ge­ge­ben wor­den. Spe­zi­el­le Be­leh­run­gen hätte es nicht ge­ge­ben. Ge­ra­de bei ihr als Quer­ein­stei­ge­rin wäre ei­ne spe­zi­el­le Aus­bil­dung er­for­der­lich ge­we­sen. Verände­run­gen sei­en auch le­dig­lich als Pusch-E-Mail an die Ab­tei­lun­gen ver­sandt wor­den. An ent­spre­chen­den Ände­run­gen der Ar­beits­an­wei­sun­gen, Geschäfts­an­wei­sun­gen oder Dienst­an­wei­sun­gen der Fach­ab­tei­lun­gen sei sie nicht be­tei­ligt wor­den. Es sei auch nicht rich­tig, dass in al­len Fällen Verstöße ge­gen die Geschäfts­an­wei­sung er­folgt sei­en. Sie ha­be Ba­rab­he­bun­gen un­ter Vor­la­ge des Spar­buchs er­fasst. Die Bu­chun­gen sei­en in den dafür vor­ge­se­he­nen Pro­zes­sen und Sys­te­men der Be­klag­ten vor-ge­nom­men wor­den. Die Über­wei­sun­gen sei­en un­ter Auf­recht­er­hal­tung des Vier­au­gen­prin­zips von an­de­ren Mit­ar­bei­tern nach Prüfung der Ord­nungs­gemäßheit un­ter Ein­hal­tung der sys­tem­tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen frei­ge­ge­ben wor­den. Sie ha­be im Übri­gen nicht in der Zen­tra­le ge­ar­bei­tet, son­dern nach Vor­nah­me ei­ner Verfügung te­le­fo­nisch ei­nen an­de­ren Mit­ar­bei­ter in der Zen­tra­le zur not­wen­di­gen Frei­ga­be an­ge­ru­fen. Der ha­be dann den Vor­gang auf sei­nem Bild­schirm auf­ge­ru­fen und frei­ge­ge­ben. Kri­tik oder Be­an­stan­dun­gen sei­tens ei­ner der Mit­ar­bei­ter ha­be es nicht ge­ge­ben. Der Team­lei­ter T., der viel länger als sie bei der Be­klag­ten beschäftigt sei und al­le Geschäfts­an­wei­sun­gen ge­nau­es­tens ge­kannt ha­be, ha­be auch nie ih­re Vor­ge­hens­wei­se kri­ti­siert. Un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­samt­umstände sei die Kündi­gung nicht ge­recht­fer­tigt. Es sei ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung er­for­der­lich ge­we­sen. Es lie­ge kei­ne Straf­tat ge­gen das Vermögen des Ar­beit­ge­bers son­dern nur ei­ne Ver­let­zung von Ne­ben­pflich­ten vor. Es beständen kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass sie ei­ner Be-

 

- 11 -

leh­rung über die Feh­ler­haf­tig­keit ih­res Ver­hal­tens nicht ge­folgt wäre. Nach ih­rem Verständ­nis sei die Dienst­an­wei­sung nicht so weit­ge­hend ge­we­sen, dass sie auch Verfügun­gen er­fass­te, de­nen ei­ne Ge­ne­ral­voll­macht zu­grun­de lag und die dem aus­drück­li­chen Wil­len ih­rer Mut­ter ent­spra­chen. Im Übri­gen sei die Anhörung des Per­so­nal­rats feh­ler­haft, da die Be­klag­te auch Er­mah­nun­gen vor­ge­tra­gen ha­be, die schon seit zwei Jah­ren aus der Per­so­nal­ak­te hätten ent­fernt wer­den müssen. An­ge­sichts der Ge­samt­umstände sei auch der Auflösungs­an­trag nicht ge­recht­fer­tigt. Ihr Ver­hal­ten ha­be nicht ei­ne ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit für die Zu­kunft unmöglich ge­macht bzw. das für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses not­wen­di­ge Ver­trau­ens­verhält­nis zerstört. Sie ha­be im Pro­zess le­dig­lich die nach ih­rer Auf­fas­sung zu berück­sich­ti­gen­den Recht­fer­ti­gungs­gründe vor­ge­tra­gen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­halts so­wie des wi­der­strei­ten­den Sach­vor­trags und der un­ter­schied­li­chen Rechts­auf­fas­sun­gen der Par­tei­en wird ergänzend Be­zug ge­nom­men auf die in bei­den In­stan­zen zu den Ak­ten ge­reich­ten Schriftsätzen der Par­tei­en nebst An­la­gen so­wie Pro­to­kol­le der münd­li­chen Ver­hand­lun­gen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:

A. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist zulässig.

Sie ist an sich statt­haft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziff. B ArbGG) so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

B. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te kei­nen Er­folg. Die Be­ru­fungs­kam­mer folgt der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en we­der durch die frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29.01.2014, noch durch die hilfs­wei­se frist­ge­rech­te und wei­te­re frist­ge­rech­te Kündi­gung vom 26.03.2014 be­en­det wor­den ist.

 

- 12 -

I. Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten ist un­wirk­sam. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 626 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Es kommt zunächst dar­auf an, ob der Sach­ver­halt oh­ne be­son­de­re Umstände „an sich“, dh. ty­pi­scher­wei­se als wich­ti­ger Grund ge­eig­net ist. So­dann be­darf es der Prüfung, ob dem Kündi­gen­den die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le-je­den­falls bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist oder nicht.

Als wich­ti­ger Grund ist ne­ben der Ver­let­zung ver­trag­li­cher Haupt­pflich­ten auch die schuld­haf­te Ver­let­zung von Ne­ben­pflich­ten „an sich“ ge­eig­net (BAG, Ur­teil vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13 –, ju­ris; BAG, Ur­teil vom 27.01.2011 - 2 AZR 825/09 -, BA­GE 137, 54; BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – AP Nr. 229 zu § 626 BGB; BAG, Be­schluss vom 12.03.2009 - 2 ABR 24/08 - NZA-RR 2010, 180 - 184). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist je­de Par­tei des Ar­beits­ver­tra­ges zur Rück­sicht­nah­me auf die Rech­te, Rechtsgüter und In­ter­es­sen ih­res Ver­trags­part­ners ver­pflich­tet. Bei der Prüfung, ob dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers trotz Vor­lie­gens ei­ner er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zung je­den­falls bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist, ist in ei­ner Ge­samtwürdi­gung das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der so­for­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an des­sen Fort­be­stand ab­zuwägen.

2. Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze ist der Würdi­gung des Ar­beits­ge­richts zu fol­gen.

a) Der Kläge­rin sind war er­heb­li­che Verstöße ge­gen ih­re Haupt­pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis vor­zu­wer­fen, da sie bei Zah­lungs­vorgängen ge­gen Ge-

 

- 13 -

schäfts­an­wei­sun­gen der Be­klag­ten ver­s­toßen hat. Sie hat im Zeit­raum vom 04.05.2010 bis zum 18.06.2012 ins­ge­samt 33 Verfügun­gen über das Kon­to ih­rer Mut­ter ver­an­lasst und es wur­den Beträge zwi­schen 500,00 € und 12.000,00 € vom Spar­buch ih­rer Mut­ter auf an­de­re Kon­ten, da­von 29 Mal auf ihr ei­ge­nes Kon­to, drei Mal auf das Kon­to ih­rer Mut­ter und in ei­nem Fall auf das Spar­buch ih­rer min­derjähri­gen Toch­ter, um­ge­bucht. Da­mit hat sie ge­gen Zif­fer 1.6 und 6.3 der Geschäfts­an­wei­sung für Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se M. (Do­ku­men­ten­num­mer 01670440) ver­s­toßen, wo­nach zu­sam­men­ge­fasst, Mit­ar­bei­ter nicht in ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten be­ra­tend oder ent­schei­dend mit­wir­ken dürfen bzw. Geschäfte für Drit­te nicht über das ei­ge­ne Kon­to vor­ge­nom­men und ab­ge­wi­ckelt wer­den dürfen. Darüber hin­aus hat sie ge­gen die Ar­beits­an­wei­sung „Spar­ein­la­ge: Verfügun­gen/Auflösung- All­ge­mei­nes“, er­setzt durch die Ar­beits­an­wei­sung „Ein­la­gen­geschäft“ ver­s­toßen, weil sie bei die­sen Verfügun­gen das Spar­buch nicht vor­ge­legt hat und auch kei­ne der Ar­beits­an­wei­sung „Voll­mach­ten/ Ge­ne­ral­voll­macht“, ent­spre­chen­de Ge­ne­ral­voll­macht hin­ter­legt hat. Da dies auch über ei­nen länge­ren Zeit­raum er­folg­te, und die Kläge­rin in ei­ner Vor­ge­setz­ten­funk­ti­on tätig war, liegt nach Auf­fas­sung der Kam­mer ei­ne die Schwel­le zum wich­ti­gen Grund über­schrei­ten­de Pflicht­ver­let­zung vor.

b) Die frist­lo­se Kündi­gung ist aber bei Be­ach­tung al­ler Umstände des vor­lie­gen­den Falls und un­ter Abwägung der wi­der­strei­ten­den In­ter­es­sen gleich­wohl nicht ge­recht­fer­tigt. Mit dem Ar­beits­ge­richt ist da­von aus­zu­ge­hen, dass als Re­ak­ti­on der Be­klag­ten auf das Fehl­ver­hal­ten der Kläge­rin ei­ne Ab­mah­nung aus­ge­reicht hätte.

aa) Bei der Prüfung, ob dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers trotz Vor­lie­gens ei­ner er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zung je­den­falls bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist, hat ei­ne Be­wer­tung des Ein­zel­falls un­ter Be­ach­tung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes zu er­fol­gen. In ei­ner Ge­samtwürdi­gung ist das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der so­for­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an des­sen Fort­be­stand ab­zuwägen (BAG, Ur­teil vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13 –, ju­ris; BAG, Ur­teil vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 - AP Nr 53 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung; BAG, Ur­teil vom 19.04.2012 - 2 AZR 258/11 - AP

 

- 14 -

Nr. 238 zu § 626 BGB mwN; BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – aaO). Da­bei las­sen sich die Umstände, an­hand de­rer zu be­ur­tei­len ist, ob dem Ar­beit­ge­ber die Wei­ter­beschäfti­gung zu­mut­bar ist oder nicht, nicht ab­sch­ließend fest­le­gen. Zu berück­sich­ti­gen sind aber re­gelmäßig das Ge­wicht und die Aus­wir­kun­gen der in Re­de ste­hen­den Pflicht­ver­let­zung, der Grad des Ver­schul­dens des Ar­beit­neh­mers, ei­ne mögli­che Wie­der­ho­lungs­ge­fahr so­wie die Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses und des­sen störungs­frei­er Ver­lauf (BAG, Ur­teil vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 -aaO). Ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung kommt nur in Be­tracht, wenn es kei­nen an­ge­mes­se­nen Weg gibt, das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen, weil dem Ar­beit­ge­ber sämt­li­che mil­de­ren Re­ak­ti­onsmöglich­kei­ten un­zu­mut­bar sind (BAG 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 - AP Nr. 236 zu § 626 BGB; BAG, Ur­teil vom 16.12.2010 - 2 AZR 485/08 - AP Nr. 232 zu § 626 BGB). Ein ge­genüber der frist­lo­sen Kündi­gung in die­sem Sin­ne mil­de­res Mit­tel ist u.a. die or­dent­li­che Kündi­gung (BAG, Ur­teil vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - aaO). Das Er­for­der­nis wei­ter­ge­hend zu prüfen, ob nicht schon ei­ne Ab­mah­nung aus­rei­chend ge­we­sen wäre, folgt aus dem Wort­laut des § 626 Abs. 1 BGB und dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz (die Kündi­gung als „ul­ti­ma ra­tio“) und trägt zu­gleich dem Pro­gno­se­prin­zip bei der ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung Rech­nung (BAG, Ur­teil vom 19.04.2007 - 2 AZR 180/06 - AP BGB § 174 Nr. 20; BAG, Ur­teil vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 – AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 54). Das Er­for­der­nis gilt auch bei Störun­gen im Ver­trau­ens­be­reich. Es ist nicht stets und von vor­ne­her­ein aus­ge­schlos­sen, ver­lo­re­nes Ver­trau­en durch künf­ti­ge Ver­trags­treue zurück­zu­ge­win­nen (BAG, Ur­teil vom 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 - AP Nr. 137 zu § 626 BGB).

bb) Be­ruht die Ver­trags­pflicht­ver­let­zung auf steu­er­ba­rem Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers, ist grundsätz­lich da­von aus­zu­ge­hen, dass das künf­ti­ge Ver­hal­ten schon durch die An­dro­hung von Fol­gen für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses po­si­tiv be­ein­flusst wer­den kann (BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – aaO; Schlach­ter NZA 2005, 433, 436). Die or­dent­li­che wie die außer­or­dent­li­che Kündi­gung we­gen ei­ner Ver­trags­pflicht­ver­let­zung set­zen des­halb

 

- 15 -

re­gelmäßig ei­ne Ab­mah­nung vor­aus. Sie dient der Ob­jek­ti­vie­rung der ne­ga­ti­ven Pro­gno­se (BAG, Ur­teil vom 23.06.2009 - 2 AZR 283/08 - AP KSchG 1969 § 1 Ab­mah­nung Nr. 5; Stau­din­ger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Ar­beit­neh­mer ord­nungs­gemäß ab­ge­mahnt wor­den und ver­letzt er den­noch sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten er­neut, kann re­gelmäßig da­von aus­ge­gan­gen wer­den, es wer­de auch zukünf­tig zu wei­te­ren Ver­tragsstörun­gen kom­men (BAG, Ur­teil vom 13.12.2007 - 2 AZR 818/06 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64). Ei­ner Ab­mah­nung be­darf es in An­se­hung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes des­halb nur dann nicht, wenn ei­ne Ver­hal­tensände­rung in Zu­kunft selbst nach Ab­mah­nung nicht zu er­war­ten steht oder es sich um ei­ne so schwe­re Pflicht­ver­let­zung han­delt, dass ei­ne Hin­nah­me durch den Ar­beit­ge­ber of­fen­sicht­lich - auch für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar - aus­ge­schlos­sen ist (BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – aaO; BAG 23.06.2009 - 2 AZR 103/08 - AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 59; BAG, Ur­teil vom 19.04.2007 - 2 AZR 180/06 - AP BGB § 174 Nr. 20). Die­se Grundsätze gel­ten un­ein­ge­schränkt selbst bei Störun­gen des Ver­trau­ens­be­reichs durch Straf­ta­ten ge­gen Vermögen oder Ei­gen­tum des Ar­beit­ge­bers (BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – aaO; BAG, Ur­teil vom 23.06.2009 - 2 AZR 103/08 - aaO; BAG, Ur­teil vom 27.04.2006 - 2 AZR 415/05 - AP BGB § 626 Nr. 203).

c) Da­nach war hier ei­ne Ab­mah­nung nicht ent­behr­lich.

aa) Das Fehl­ver­hal­ten ist nicht so schwer­wie­gend, dass es für die Kläge­rin of­fen­sicht­lich war, dass die Ar­beit­ge­be­rin die­ses Ver­hal­ten in je­dem Fall oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung zum An­lass für ei­ne Kündi­gung nimmt.

(1) Die Be­klag­te, die mit Kun­den­gel­dern um­geht, muss sich zwar dar­auf ver­las­sen können, dass die Mit­ar­bei­ter die Geschäfts­an­wei­sun­gen ge­nau ein­hal­ten und dass nicht nach außen der Ein­druck ent­steht, dass Mit­ar­bei­ter oh­ne Be­ach­tung der Re­geln in ei­ge­ner Sa­che tätig wer­den. Mit dem Ar­beits­ge­richt ist auch zu Las­ten der Kläge­rin zu berück­sich­ti­gen, dass sie wie­der­holt ge­gen meh­re­re Geschäfts­an­wei­sun­gen über ei­nen länge­ren Zeit­raum ver­s­toßen hat und sie als Ab­tei­lungs­lei­te­rin tätig war, zu de­ren Auf­ga­ben­be­reich ge­ra­de der Zah­lungs­ver­kehr gehörte. Als Ab­tei­lungs­lei­te­rin und Vor­ge­setz­te von Mit­ar­bei­tern war sie

 

- 16 -

zu­dem in be­son­de­rem Maße ver­pflich­tet, die zu Er­le­di­gung ih­rer Auf­ga­ben be­ste­hen­den Geschäfts­an­wei­sun­gen zu be­ach­ten.

(2) Es ist aber auch zu berück­sich­ti­gen, dass der Be­klag­ten durch das Ver­hal­ten der Kläge­rin kein Scha­den ent­stan­den ist. Es han­delt es sich trotz mehr­fa­cher Verfügun­gen um ei­nen ein­heit­li­chen Le­bens­sach­ver­halt. Es ging um Über­wei­sun­gen vom Spar­kon­to der Mut­ter. Die Kläge­rin hat auch nicht ei­gen-mäch­tig über das Kon­to ih­rer Mut­ter verfügt, son­dern sie hat­te ei­ne Ge­ne­ral-voll­macht für das Kon­to und die Verfügun­gen wa­ren nach ih­rem un­wi­der­spro­che­nen Vor­trag mit ih­rer Mut­ter und ih­ren Brüdern ab­ge­stimmt. Dass der Kläge­rin vom Sach­ver­halt ver­gleich­ba­re Pflicht­ver­let­zun­gen in der Ver­gan­gen­heit vor­ge­wor­fen wor­den sind, hat die Be­klag­te auch nicht vor­ge­tra­gen. Zu­dem hat die Kläge­rin das bei der Be­klag­ten vor­ge­schrie­be­ne Vier-Au­gen-Prin­zip bei On­line Bu­chun­gen ein­ge­hal­ten. Dass sich die Kläge­rin bezüglich der Frei­ga­be an ihr un­ter­stell­te Mit­ar­bei­ter ge­wandt hat, führt nicht da­zu, dass Fehl­ver­hal­ten er­heb­lich schwe­rer zu be­wer­ten. Sie hat da­mit zwar an­de­re in das feh­ler­haf­te Ver­hal­ten mit ein­be­zo­gen. Die­sen Mit­ar­bei­tern ob­liegt aber, selbst wenn sie der Kläge­rin un­ter­stellt wa­ren, auch ei­ne ei­ge­ne Prüfungs­pflicht. Ihr Un­ter­las­sen kann der Kläge­rin oh­ne wei­te­re Umstände nicht er­schwe­rend an­ge­las­tet wer­den. Im Übri­gen ist in vie­len Fällen ein Team­lei­ter, der un­strei­tig er­heb­lich länger bei der Be­klag­ten beschäftigt ist, und dem eben­falls die Vor­schrif­ten be­kannt ge­we­sen sein müss­ten, tätig ge­wor­den. Nach dem un­wi­der­spro­che­nen Vor­trag der Kläge­rin wur­de aber die Art und Wei­se der Verfügung bzw. die Zulässig­keit des Ver­fah­rens sei­tens der Mit­ar­bei­ter nicht in Fra­ge ge­stellt. Dass die Kläge­rin in be­son­de­rer Wei­se, auf die Mit­ar­bei­ter ein­ge­wirkt hat, ist nicht dar­ge­tan. Die Kläge­rin hat zu­dem in der münd­li­chen Ver­hand­lung den Ab­lauf der Zah­lungs­vorgänge be­schrie­ben. Da­nach hat sie die Verfügun­gen in das Sys­tem ein­ge­stellt und te­le­fo­nisch bei der/dem Mit­ar­bei­ter/in um Frei­ga­be ge­be­ten. Die­se/r hat die Verfügung am Sys­tem auf­ge­ru­fen und so­dann frei­ge­ge­ben.

(3) Der von der Be­klag­ten an­ge­spro­che­ne Ima­ge­scha­den er­scheint nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht der­art gra­vie­rend, dass das Ver­hal­ten of­fen­sicht­lich ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung bei der Be­klag­ten aus­sch­ließt. Aus ei­nem sol­chen

 

- 17 -

Son­der­fall kann ein Außen­ste­hen­der nicht den Schluss zie­hen, dass die Be­klag­te nicht die Ein­hal­tung der be­ste­hen­den Geschäfts­an­wei­sun­gen von den Mit­ar­bei­tern ein­for­dert und Verstöße Ein­zel­ner nicht ver­folgt und ab­stellt.

(4) So­weit die Be­klag­te im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung auf die ge­rin­ge Beschäfti­gungs­zeit der Kläge­rin ver­weist, ins­be­son­de­re dass die Kläge­rin noch kei­nen er­heb­li­chen Ver­trau­ens­vor­rat er­wor­ben hat, führt das nicht zu ei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Zum Zeit­punkt der Kündi­gung war die Kläge­rin na­he­zu sechs Jah­re beschäftigt und hat da­mit be­reits ei­nen er­heb­li­chen Be­stands­schutz er­wor­ben. Es ist zwar ei­ner­seits zu berück­sich­ti­gen, dass sich die Verfügun­gen über ei­nen länge­ren Zeit­raum (ca. zwei Jah­re) er­stre­cken, an­de­rer­seits hat­ten sie, wie be­reits aus­geführt, als Hin­ter­grund den­sel­ben Le­bens­sach­ver­halt. Letzt­lich darf auch nicht außer Acht ge­las­sen wer­den, dass da­von aus­zu­ge­hen ist, dass das Ar­beits­verhält­nis an­sons­ten störungs­frei ver­lau­fen ist. Da­mit ist nicht ge­meint, dass es zwi­schen den Par­tei­en kei­ne Aus­ein­an­der­set­zun­gen ge­ge­ben ha­ben mag. Es er­gibt sich aber nicht, dass der Kläge­rin an­de­re er­heb­li­che Ver­trags­ver­let­zun­gen vor­zu­zu­wer­fen sind, die ei­ne Ab­mah­nung recht­fer­ti­gen.

Nach al­le­dem war nicht be­reits auf­grund der Art und des Um­fangs der Pflicht­ver­let­zung ei­ne Ab­mah­nung ent­behr­lich.

bb) Be­ruht die Ver­trags­pflicht­ver­let­zung, wie im vor­lie­gen­den Fall auf ei­nem steu­er­ba­rem Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers, kommt es für das Er­for­der­nis ei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung folg­lich dar­auf an, ob von ei­ner ne­ga­ti­ven oder po­si­ti­ven Zu­kunfts­pro­go­se aus­ge­gan­gen wer­den kann, wo­bei nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts grundsätz­lich da­von aus­ge­gan­gen wer-den kann, dass das künf­ti­ge Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers schon durch die An­dro­hung von Fol­gen für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses po­si­tiv be­ein­flusst wer­den kann (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – aaO).

(1) Nach Auf­fas­sung der Kam­mer kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass ei­ne Ver­hal­tensände­rung der Kläge­rin in Zu­kunft selbst nach ei­ner Ab­mah­nung nicht zu er­war­ten ge­we­sen wäre. Die Kam­mer folgt in­so­weit den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts. Bei der Be­ur­tei­lung darf nicht außer Acht ge­las­sen wer­den,

 

- 18 -

dass die Kläge­rin vor­ge­tra­gen hat, sich der Trag­wei­te der Vor­schrif­ten nicht be­wusst ge­we­sen zu sein. Sie rügt zu­dem ei­ne nicht aus­rei­chen­de Schu­lung für sie als Quer­ein­stei­ge­rin und ver­weist dar­auf, die Bu­chun­gen nur des­we­gen ver­an­lasst zu ha­ben, weil die­se de­tail­liert mit ih­rer Mut­ter und den Brüdern ab-ge­stimmt wor­den sei und ei­ne Ge­ne­ral­voll­macht vor­ge­le­gen ha­be. Wenn auch der Kläge­rin nicht da­hin­ge­hend ge­folgt wer­den kann, dass die be­ste­hen­den Geschäfts­an­wei­sun­gen auf­grund ih­res In­halt, Um­fangs und ih­rer Verände­run­gen nur schwer verständ­lich sind. Für ei­nen Ar­beit­neh­mer mit dem Bil­dungs-stand der Kläge­rin dürf­te sich der In­halt er­sch­ließen. Zu­dem hat sie auch in ih­rer schrift­li­chen Stel­lung­nah­me zu den Vorwürfen bestätigt, dass ihr die da­zu gehören­de Ar­beits­an­wei­sung be­kannt ge­we­sen sei. Die Kläge­rin hat aber auf­grund ih­rer Erklärun­gen und des persönli­chen Ein­drucks, den sie in der münd­li­chen Ver­hand­lung hin­ter­las­sen hat, zur Über­zeu­gung der Kam­mer dar­ge­tan, dass ihr die Geschäfts­an­wei­sun­gen nicht in der Be­deu­tung und ih­ren Aus­wir­kun­gen auch in Be­zug auf ih­re da­ma­li­gen persönli­chen Umstände in ei­ner Wei­se präsent wa­ren, wie es für ei­ne ord­nungs­gemäße Er­le­di­gung der Auf­ga­ben er­for­der­lich war. Dies verändert den Schuld­vor­wurf und steht der Be­ur­tei­lung der Be­klag­ten, dass die Kläge­rin auf ei­ne Ab­mah­nung nicht re­agiert hätte, ent­ge­gen. So­weit die Be­klag­te die dar­ge­leg­ten Recht­fer­ti­gungs­gründe nur als Lip­pen­be­kennt­nis­se be­wer­tet, kann dem an­ge­sichts der Ge­samt­umstände nicht ge­folgt wer­den. Zu­dem kann nicht außer Acht ge­las­sen wer­den, dass sich die Vorgänge über ei­nen lan­gen Zeit­raum er­streck­ten, oh­ne dass die Kläge­rin dar­auf an­ge­spro­chen wor­den ist. Letzt­lich ist auch für die Be­ur­tei­lung von Be­deu­tung, dass die letz­te feh­ler­haf­te Verfügung zum Zeit­punkt ih­rer Ent­de­ckung und Über­prüfung meh­re­re Mo­na­te zurück liegt und der Kläge­rin da­nach kei­ne ver­gleich­ba­ren Ver­trags­ver­let­zun­gen mehr vor­zu­wer­fen sind. Dem kann die Be­klag­te nicht mit Er­folg als Ar­gu­ment für ei­ne Nicht­be­lehr­bar­keit der Kläge­rin ent­ge­gen­hal­ten, dass sie ihr Ver­hal­ten wei­ter­geführt hätte, wenn ih­re Mut­ter nicht ver­stor­ben wäre. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer spre­chen die tatsächli­che Abläufe eher dafür, dass die Pflicht­ver­let­zun­gen ge­ra­de und nur mit den be­son­de­ren Umständen, ins­be­son­de­re der feh­ler­haf­ten Be­ur­tei­lung der Geschäfts­an­wei­sung durch die Kläge­rin zu­sam­men­hin­gen, oh­ne dass dem die Hal­tung der Kläge­rin ent­nom­men wer­den kann, sich auch nach ei­ner Ab­mah­nung oder

 

- 19 -

so­gar nur nach ei­ner Be­leh­rung in Zu­kunft in ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten nicht an die Geschäfts­an­wei­sun­gen der Be­klag­ten zu hal­ten.

(2) Das Ver­hal­ten der Kläge­rin nach Ent­de­ckung der Pflicht­ver­let­zun­gen und im Pro­zess min­dert ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten eben­so we­nig das bei der In­ter­es­sen­abwägung zu berück­sich­ti­gen­de Maß des ver­blie­be­nen Ver­trau­ens. Auch für des­sen Er­mitt­lung ist auf den Zeit­punkt des Kündi­gungs­zu­gangs ab­zu­stel­len. Aus die­ser Per­spek­ti­ve und im Hin­blick auf den bis da­hin ver­wirk­lich­ten Kündi­gungs­sach­ver­hal­tes ist zu fra­gen, ob mit der Wie­der­her­stel­lung des Ver­trau­ens in ei­ne künf­ti­ge kor­rek­te Ver­trags­erfüllung ge­rech­net wer­den kann (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 – aaO). In die­ser Hin­sicht ist das Ver­tei­di­gungs­vor­brin­gen oh­ne Aus­sa­ge­kraft. Dar­aus lässt sich nicht aus­rei­chend ei­ne Un­ein­sich­tig­keit der Kläge­rin ent­neh­men. Die Kläge­rin stellt da­mit nicht die Ein­hal­tung der Geschäfts­an­wei­sung in Fra­ge, son­dern ver­sucht ihr Ver­hal­ten zu recht­fer­ti­gen bzw. die Schwe­re ih­res Fehl­ver­hal­tens in ei­nem an­de­ren Licht er­schei­nen zu las­sen. Zu­dem hat sie in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung ihr Ver­hal­ten aus­drück­lich be­dau­ert und die künf­ti­ge Ein­hal­tung der Vor­schrif­ten bestätigt.

Nach al­le­dem konn­te auf­grund der Ge­samt­umstände nicht von ei­ner ne­ga­ti­ven Pro­gno­se für die Zu­kunft auch nach ei­ner Ab­mah­nung aus­ge­gan­gen wer­den. Sie war mit­hin nicht ent­behr­lich.

Die frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten ist nicht ge­recht­fer­tigt.

II. Die hilfs­wei­se erklärte or­dent­li­che Kündi­gung zum 30.06.2014 und die wei­te­re or­dent­li­che Kündi­gung eben­falls zum 30.06.2014 sind so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt gem. § 1 Abs. 2 KSchG. Sie sind auf den­sel­ben Le­bens­sach­ver­halt gestützt wie die außer­or­dent­li­che Kündi­gung. Der Be­klag­ten war es aus den oben aus­geführ­ten Gründen zu­zu­mu­ten, die Kläge­rin zunächst ab­zu­mah­nen.

III. Da die Kündi­gun­gen be­reits aus den oben ge­nann­ten Gründen un­wirk­sam sind, kam es nicht mehr dar­auf an, ob die von der Kläge­rin gerügten Mängel der Per­so­nal­rats­anhörung ih­rer Wirk­sam­keit ent­ge­gen­ste­hen.

IV. Der Auflösungs­an­trag ist zulässig, aber nicht be­gründet.

 

- 20 -

1. Der Auflösungs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin be­darf der Aus­le­gung. Der Auflösungs­an­trag ist zwar hilfs­wei­se für den Fall des Un­ter­lie­gens mit dem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag ge­stellt und um­fasst da­mit auch die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei Un­wirk­sam­keit der frist­lo­sen Kündi­gung. Die Be­klag­te als Ar­beit­ge­be­rin kann aber die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses im Zu­sam­men­hang mit ei­ner für un­wirk­sam erklärten außer­or­dent­li­chen Kündi­gung nicht be­an­tra­gen. Ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Fälle der für un­wirk­sam erklärten frist­lo­sen ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Kündi­gung kommt nicht in Be­tracht (BAG 30.09.2010 – 2 AZR 160/09 –, AP Nr. 66 zu § 9 KSchG 1969; BAG 14.09.1994 - 2 AZR 75/94 - EzA Be­trVG 1972 § 103 Nr. 36; BAG 26.10.1979 - 7 AZR 752/77 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 5). Der Ge­setz­ge­ber sieht ei­ne un­wirk­sa­me außer­or­dent­li­che Kündi­gung als ei­ne be­son­ders schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zung des Ar­beit­ge­bers an mit der Fol­ge, dass ihm gänz­lich die Möglich­keit ver­wehrt wird, sei­ner­seits ei­nen Auflösungs­an­trag zu stel­len (Be­gründung zum Ent­wurf ei­nes KSchG, BT-Drucks. I/2090 S. 15; BAG 15. 03. 1978 - 5 AZR 831/76 - zu III der Gründe, AP BGB § 620 Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag Nr. 45 = EzA BGB § 620 Nr. 34).

Der An­trag ver­weist aber auf die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30.06.2014 und be­zieht sich da­mit auf die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne und wei­te­re or­dent­li­che Kündi­gung. In­so­fern kann der An­trag nur da­hin­ge­hend ver­stan­den wer­den, dass er für den Fall der Un­wirk­sam­keit der or­dent­li­chen Kündi­gung ge­stellt ist.

2. Der Auflösungs­an­trag hat­te aber kei­nen Er­folg.

a) Als Auflösungs­gründe für den Ar­beit­ge­ber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kom­men sol­che Umstände in Be­tracht, die das persönli­che Verhält­nis zum Ar­beit­neh­mer, ei­ne Wer­tung sei­ner Persönlich­keit, sei­ner Leis­tung oder sei­ner Eig­nung für die ihm ge­stell­ten Auf­ga­ben und sein Verhält­nis zu den übri­gen Mit­ar­bei­tern be­tref­fen. Die Gründe, die der Er­war­tung ei­ner den Be­triebs­zwe­cken dien­li­chen wei­te­ren Zu­sam­men­ar­beit ent­ge­gen­ste­hen, müssen nicht im Ver­hal­ten, ins­be­son­de­re nicht im schuld­haf­ten Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers lie­gen. Ent­schei­dend ist, ob die ob­jek­ti­ve La­ge bei Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in der Tat­sa­chen­in­stanz die Be­sorg­nis recht­fer­tigt, dass die wei­te-

 

- 21 -

re ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit gefähr­det ist (BAG, Ur­teil vom 11.07. 2013 – 2 AZR 994/12 –, NZA 2014, 250-254; BAG, Ur­teil vom - 24.11.2011 - 2 AZR 429/10 - BA­GE 140, 47; BAG, Ur­teil vom 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52).

b) Der Ar­beit­ge­ber darf sich zur Be­gründung sei­nes Auflösungs­an­trags nicht auf sol­che Gründe be­ru­fen, mit de­nen er zu­vor - er­folg­los - die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung be­gründet hat. Der Ar­beit­ge­ber muss in die­sen Fällen zusätz­lich greif­ba­re Tat­sa­chen dafür vor­tra­gen, dass der Kündi­gungs­sach­ver­halt, ob­wohl er die Kündi­gung nicht recht­fer­tigt, gleich­wohl so be­schaf­fen ist, dass er ei­ne wei­te­re ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit nicht er­war­ten lässt (BVerfG, Be­schluss vom 22.10.2004 - 1 BvR 1944/01 - AP Nr. 49 zu § 9 KSchG 1969; BAG, Ur­teil vom 23.02.2010 - 2 AZR 554/08 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 61; BAG 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52). Als Auflösungs­grund ge­eig­net sind da­nach et­wa Be­lei­di­gun­gen, sons­ti­ge ehr­ver­let­zen­der Äußerun­gen oder persönli­che An­grif­fe des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Ar­beit­ge­ber, Vor­ge­setz­ten oder Kol­le­gen (so schon BAG, Ur­teil vom 30.06.1959 - 3 AZR 111/58 - AP KSchG § 1 Nr. 56). Auch das Ver­hal­ten ei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Ar­beit­neh­mers im Kündi­gungs­schutz­pro­zess kann die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­din­gen (BAG, Ur­teil vom 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 - aa; BAG, Ur­teil vom 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42). Liegt ein Grund vor, der an sich zur Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­eig­net er-scheint, so muss in ei­nem zwei­ten Schritt ge­prüft wer­den, ob in An­be­tracht der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Umstände noch ei­ne den Be­triebs­zwe­cken dien­li­chen Zu­sam­men­ar­beit möglich ist. Bei der An­wen­dung des § 9 KSchG sind die wech­sel­sei­ti­gen Grund­rechts­po­si­tio­nen des be­trof­fe­nen Ar­beit­ge­bers und Ar­beit­neh­mers zu berück­sich­ti­gen und ab­zuwägen (BAG 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 - aaO).

c) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze ist kein Auflösungs­grund ge­ge­ben. Der Auflösungs­an­trag wird über­wie­gend mit den Kündi­gungs­gründen be­gründet. Die­se können aber nur un­terstützend, bei wei­te­ren Ver­hal­tens­wei­sen, her­an­ge­zo­gen wer­den. Das Ver­hal­ten der Kläge­rin bis zum Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung recht­fer­tigt aber nicht die Be­sorg­nis, dass ei­ne den

 

- 22 -

Be­triebs­zwe­cken dien­li­che wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Par­tei­en nicht mehr möglich ist. Be­lei­di­gen­de oder sons­ti­ge ehr­ver­let­zen­der Äußerun­gen ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber, Vor­ge­setz­ten oder Kol­le­gen wer­den nicht ab­ge­ge­ben. Sie ver­weist auch im Pro­zess nur auf den Um­fang und den In­halt der Geschäfts­an­wei­sun­gen, feh­len­de Schu­lun­gen für sie als Quer­ein­stei­ge­rin so­wie ih­re ma­te­ri­el­le Be­rech­ti­gung auf­grund der Ge­ne­ral­voll­macht über das Kon­to der Mut­ter verfügen zu dürfen. So­weit die Be­klag­te dar­auf ver­weist, dass die Kläge­rin mit ih­ren Ein­las­sun­gen deut­lich macht, dass sie die ge­gen sie er­ho­be­nen Vorwürfe nicht ver­steht oder ver­ste­hen will und dies ei­ner wei­te­ren ge­deih­li­chen Zu­sam­men­ar­beit ent­ge­gen­steht, kann dem nicht ge­folgt wer­den. Die Kläge­rin stellt da­mit nicht die Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung der Geschäfts­an­wei­sun­gen in Fra­ge, son­dern legt nur Umstände dar, die aus ih­rer Sicht das Ge­wicht der Ver­trags­ver­let­zung her­ab­min­dern sol­len. Da­mit nimmt sie in zulässi­ger Wei­se ih­re In­ter­es­sen wahr. Zu­dem hat sie in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung aus­drück­lich den Ver­s­toß ge­gen ih­re Ver­trags­pflich­ten an­er­kannt, ihr Ver­hal­ten be­dau­ert und dar­auf hin­ge­wie­sen, dass dies nie­mals mehr vor­kom­men wird.

Nach al­le­dem war auch der Auflösungs­an­trag zurück­zu­wei­sen.

C. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO iVm § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.

D. Die Re­vi­si­on war gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG nicht zu­zu­las­sen, da we­der Rechts­fra­gen von grundsätz­li­cher Be­deu­tung ent­schie­den wur­den, noch die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Di­ver­genz­re­vi­si­on er­sicht­lich sind.

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G:

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

We­gen der Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

Jan­sen 

Sie­ben 

Schmidt

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 17 Sa 637/14