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ARBEITSRECHT AKTUELL // 01/04

Thü­rin­ger LAG schützt Mob­bing­op­fer

Thü­rin­ger LAG: Wenn es An­halts­punk­te für sys­te­ma­ti­sches Mob­bing gibt, müs­sen dem Be­trof­fe­nen vor Ge­richt Be­wei­ser­leich­te­run­gen zu­ge­stan­den wer­den: Thü­rin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 10.04.2001, 5 Sa 403/00
Gelbgekleidete Person im Vordergrund, acht von ihr abwandte rotgekleidete Personen im Hintergrund Mob­bing­op­fer vor Ge­richt wer­den oft ein wei­te­res Mal zum Op­fer

12.06.2001. Bis­lang sind Ur­tei­le zum The­ma "Mob­bing" lei­der dünn ge­sät. Ein we­sent­li­ches Pro­blem von Be­trof­fe­nen, die als Klä­ger vor Ge­richt ste­hen und z.B. Scha­dens­er­satz we­gen mob­bing­be­ding­ter Ge­sund­heits­schä­den und/oder be­ruf­li­cher Nach­tei­le oder auch Schmer­zens­geld ein­kla­gen, be­steht in der Be­weis­not: Ge­mobbt wird ty­pi­scher­wei­se durch stän­di­ge klei­ne Na­cken­schlä­ge, die für sich ge­nom­men we­nig aus­sa­ge­kräf­tig sind und von den Tä­tern vor Ge­richt nicht zu­ge­stan­den, son­dern ab­ge­strit­ten oder ba­ga­tel­li­siert wer­den.

Hier hat sich das Thü­rin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) mit ei­nem mu­ti­gen Ur­teil her­vor­ge­tan und sich aus­führ­lich mit den Be­son­der­hei­ten die­ser Form von Schi­ka­ne am Ar­beits­platz aus­ein­an­der­ge­setzt. Vor al­lem hat das Ge­richt den Be­trof­fe­nen erst­mals Be­wei­ser­leich­te­run­gen zu­stan­den: Thü­rin­ger LAG, Ur­teil vom 10.04.2001 - 5 Sa 403/00.

Die Fort­set­zung des Spießru­ten­laufs: Mob­bing­op­fer vor Ge­richt

Wer am Ar­beits­platz ge­mobbt wird, hält das nicht lan­ge aus. Ein we­sent­li­cher Teil des Pro­blems be­steht dar­in, dass es von al­len an­de­ren ge­leug­net wird - von Vor­ge­setz­ten, Kol­le­gen, vom Be­triebs­rat und vom Ar­beit­ge­ber.

Zieht der Be­trof­fe­ne dann ir­gend­wann vor Ge­richt und klagt auf ver­trags­ge­rech­te Beschäfti­gung oder gar auf Scha­dens­er­satz oder Schmer­zens­geld, setzt sich die­se Si­tua­ti­on fort. Und nicht nur, dass die Ver­tre­ter des Ar­beit­ge­bers von Mob­bing nichts wis­sen (oder so tun, als wüßten sie nichts), auch die Rich­ter rol­len oft ge­nervt mit den Au­gen, wenn der Kläger ih­nen et­was von Mob­bing be­rich­tet.

Denn Mob­bing ist ge­setz­lich nicht ge­re­gelt, es gibt kei­nen "Mob­bing-Pa­ra­gra­phen", auf den sich der Kläger be­ru­fen könn­te, und da­her emp­feh­len Ar­beits­rechts­anwälte oft mit gu­tem Grund, das Wort "Mob­bing" vor Ge­richt erst ein­mal zu ver­mei­den und sich statt des­sen auf an­de­re, recht­lich "greif­ba­re" The­men zu kon­zen­trie­ren.

Es wird al­ler­dings Zeit, dass sich auch Ar­beits­ge­rich­te be­wusst mit dem Pro­blem Mob­bing aus­ein­an­der­set­zen, d.h. die Be­son­der­hei­ten die­ser rechts­wid­ri­gen Be­hand­lung von Ar­beit­neh­mern am Ar­beits­platz er­ken­nen und bei der Ent­schei­dungs­fin­dung berück­sich­ti­gen.

Ei­nen wich­ti­gen Schritt in die­se Rich­tung hat das Thürin­ger LAG ge­macht.

Der Streit­fall: Qua­li­fi­zier­ter Spar­kas­sen­an­ge­stell­ter wird oh­ne Grund von sei­nen Auf­ga­ben und viel­fach zu Un­recht ab­ge­mahnt

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer war als Markt­be­reichs­lei­ter und Fi­li­al­lei­ter ei­ner Spar­kas­se beschäftigt und er­hielt ei­ne Vergütung nach BAT II. Sei­ne Ar­beits­leis­tun­gen wur­den von Kun­den so­wie - zunächst - auch von der Be­klag­ten als sehr gut be­wer­tet.

Nach ei­nem Wech­sel im Vor­stand der be­klag­ten Spar­kas­se zum 1.1.2000 sah er sich mas­si­ven, von meh­re­ren Mit­glie­dern des Spar­kas­sen­vor­stan­des sys­te­ma­tisch ge­steu­er­ten An­grif­fen aus­ge­setzt, die sei­ne Tätig­keit be­tra­fen. Auf­grund an­ony­mer Be­schwer­den und nicht kon­kre­ter Vorwürfe ent­zog man ihm sei­nen Ar­beits­platz und bot ihm ei­ne Tätig­keit an, die meh­re­re Stu­fen un­ter sei­ner bis­her aus­geübten Ar­beit lag. Dies hat der Kläger ab­ge­lehnt, wor­auf­hin er von sei­ner Tätig­keit ent­bun­den und so­dann mit ei­ner Fülle un­sin­ni­ger Maßnah­men und of­fen­kun­dig rechts­wid­ri­ger Ab­mah­nun­gen über­zo­gen wur­de.

Zu­letzt zog der An­ge­stell­te vor Ge­richt und wehr­te sich im We­ge des ge­richt­li­chen Eil­ver­fah­rens ge­gen den Ein­satz als Pfändungs­sach­be­ar­bei­ter. Das Ar­beits­ge­richt Ge­ra gab ihm Recht (Ur­teil vom 11.08.2000, 2 Ga 8/2000).

Thürin­ger LAG: Der Ar­beit­ge­ber muss Mit­ar­bei­ter ak­tiv am Mob­bing von Kol­le­gen hin­dern, und vor Ge­richt müssen Be­trof­fe­ne Be­wei­ser­leich­te­run­gen ha­ben

Das LAG Thürin­gen hat eben­falls im we­sent­li­chen zu­guns­ten des An­ge­stell­ten. Da­bei lässt sich das LAG im we­sent­li­chen von fol­gen­den Grundsätzen lei­ten:

Weil es bis­her kei­ne spe­zi­el­len ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen gibt, die Mob­bing be­tref­fen, stellt das LAG zunächst rich­tig fest, daß "Mob­bing" bis­lang (noch) kein Rechts­be­griff ist. Es han­delt sich da­her bis­lang (noch) nicht um ei­nen ju­ris­ti­schen Tat­be­stand, aus dem sich kon­kre­te Rechts­fol­gen her­lei­ten las­sen. Wenn es da­her im Rah­men des Mob­bings z.B. zu Be­lei­di­gun­gen kommt oder dem Ar­beit­neh­mer Ar­bei­ten zu­ge­wie­sen wer­den, die er gemäß sei­nem Ar­beits­ver­trag nicht über­neh­men muß, kann er sich ge­gen die­se (ein­zel­nen) Maßnah­men nur weh­ren, in­dem er sei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch (ge­gen die Be­lei­di­gung) und sei­nen ar­beits­ver­trag­li­chen Beschäfti­gungs­an­spruch (auf Zu­wei­sung ei­ner ver­trags­gemäßen Ar­beit) gel­tend macht.

Den­noch kann es auf der Grund­la­ge des LAG-Ur­teils für die Durch­set­zung der Rech­te des ge­mobb­ten Ar­beit­neh­mers wich­tig sein, das Ge­richt da­von zu über­zeu­gen, daß sein Pro­blem ein Fall von Mob­bing ist. Dies er­gibt sich aus fol­gen­den Aus­sa­gen des Thürin­ger LAG:

Ers­tens können die Rechts­ansprüche, die der Ar­beit­neh­mer nach bis­her gel­ten­dem Recht hat (al­so zum Bei­spiel der An­spruch auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung), un­ter er­leich­ter­ten Vor­aus­set­zun­gen ge­richt­lich gel­tend ge­macht wer­den, wenn deut­lich wird, daß der Ar­beit­neh­mer Mob­bing­op­fer ist. So wäre der Ar­beit­ge­ber - in der Kon­se­quenz der Ent­schei­dung des Thürin­ger LAG - et­wa da­zu ver­pflich­tet, den ge­mobb­ten Ar­beit­neh­mer mit an­de­ren Auf­ga­ben zu be­trau­en und / oder ggf. zu ver­set­zen, wenn er nur da­durch vor dem Mob­bing geschützt wer­den kann - und zwar auch dann, wenn dem Ar­beit­neh­mer "an sich" (oh­ne Mob­bing) ei­ner sol­cher An­spruch nicht bzw. nicht ein­deu­tig zustünde.

Zwei­tens fin­det sich in der Ent­schei­dung des Thürin­ger LAG ei­ne De­fi­ni­ti­on von "Mob­bing" (Ur­teil, Punkt 5 der Leitsätze). Die­ser De­fi­ni­ti­ons­ver­such ist des­halb wich­tig, weil der Be­griff "Mob­bing" arg in Mo­de ge­kom­men ist und da­her nicht we­ni­ge alltägli­che Pro­ble­me mit dem Chef oder mit Kol­le­gen, die noch im Rah­men des übli­chen lie­gen und recht­lich hin­zu­neh­men sind, oh­ne viel Fe­der­le­sen mit dem Schlag­wort "Mob­bing" be­legt wer­den.

Drit­tens hat das LAG Thürin­gen die Be­weis­la­ge des Ge­mobb­ten im Pro­zeß ver­bes­sert, in­dem es klar­ge­stellt hat, daß die Anhörung ei­ner Par­tei (al­so vor al­lem des Mob­bing­op­fers) als Be­weis­mit­tel her­an­ge­zo­gen wer­den kann und muß.

Fa­zit: Da die bis­her veröffent­lich­ten Ge­richts­ent­schei­dun­gen zum The­ma Mob­bing an ei­ner Hand ab­gezählt wer­den können und sich außer­dem nur am Ran­de mit dem Pro­blem beschäfti­gen, hat das Ur­teil des Thürin­ger LAG al­lein schon des­halb große Be­deu­tung, weil es ei­ne der ers­ten Ent­schei­dun­gen ei­nes deut­schen Ar­beits­ge­richts ist, die sich sys­te­ma­tisch mit dem Pro­blem des Mob­bing aus­ein­an­der setzt.

Trotz­dem wird es in vie­len Fällen aus pro­zesstak­ti­schen Gründen bes­ser sein, sich ge­gen ei­ne rechts­wid­ri­ge Ab­mah­nung, ei­ne rechts­wid­ri­ge Ver­set­zung oder ei­ne rechts­wid­ri­ge Ar­beits­platz­aus­stat­tung oh­ne Be­zug­nah­me auf das Reiz­wort Mob­bing zu weh­ren.

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Letzte Überarbeitung: 6. Mai 2014

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