Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 13.02.2007, 7 Sa 294/06

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Schadensersatz
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Aktenzeichen: 7 Sa 294/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 13.02.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Würzburg
   

Aus­fer­ti­gung

7 Sa 294106

7 Ca 698/04 (Würz­burg)

 

Verkündet am 13. Fe­bru­ar 2007

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT NÜRN­BERG

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

in dem Rechts­streit

Die 7. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg hat durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg Prof.Dr.Dr. Hol­zer-Thie­ser und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hölz­lein und Ad­a­cker auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 13. Fe­bru­ar 2007

für Rech­ter­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Würz­burg vom 19.12.2005 - Az. 7 Ca 698/04 - wird auf Kos­ten des Be­ru­fungsführers zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um Lohn­ansprüche we­gen ge­leis­te­ter Ar­beit.

Der Kläger war bei der Fir­ma B GmbH als Mar­ke­ting- und Ver­triebs­lei­ter tätig.
Sei­ne mo­nat­li­che Vergütung be­lief sich auf EUR 6.000,-- brut­to. Für den Zeit­raum Au­gust 2002 bis Mai 2003 wa­ren Vergütungs­ansprüche in Höhe von EUR 54.288,35 of­fen. We­gen der aus­ge­blie­be­nen Lohn­zah­lun­gen kündig­te der Kläger mit Schrei­ben vom 19.08.2003 ge­genüber der Fir­ma B GmbH „frist­los".

Der Kläger hat die Mei­nung ver­tre­ten, dass am 11.09.2003 der Be­trieb auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen sei und sie für die Ge­haltsrückstände haf­te, da sei­ne ei­ge­ne Kündi­gung man­gels Vor­lie­gens aus­rei­chen­der Kündi­gungs­gründe un­wirk­sam sei.

 

- 2 -

Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, ein Be­triebsüber­gang lie­ge nicht vor, die außer­or­dent­li­che Kündi­gung sei wirk­sam und im Übri­gen sei es treu­wid­rig, wenn sich der Kläger auf die Un­wirk­sam­keit sei­ner ei­ge­nen Kündi­gung be­ru­fe.

We­gen des erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Par­tei­en im Ein­zel­nen und der zu­letzt ge­stell­ten Anträge der Par­tei­en wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen En­dur­teils vom 19.122005 (BI. 190-193 d.A.), mit dem die Kla­ge ab­ge­wie­sen wor­den ist, Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen das dem Kläger am 05.04.2006 zu­ge­stell­te Ur­teil hat er mit Schrift­satz vom 02.05.2006, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg am sel­ben Tag ein­ge­gan­gen, Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se — nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis 21.06.2006 — mit Schrift­satz vom 19.06.2006, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg am 20.06.2006 ein­ge­gan­gen, be­gründet.

Der Kläger trägt vor, 'ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten ge­genüber der Be­klag­ten lie­ge nicht vor, zu­mal die Kündi­gung nicht ihr ge­genüber erklärt wor­den sei und durch ihn kei­ne Ver­trau­en­stat­bestände ge­schaf­fen wor­den sei­en. Im Übri­gen wie­der­holt er im We­sent­li­chen sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen.

Der Kläger be­an­tragt:

Die Be­klag­te wird als Ge­samt­schuld­ne­rin ne­ben ei­nem an­de­ren un­ter Auf­he­bung des am 19.12.2005 verkünde­ten und am 05.04.2006 zu­ge­stell­ten Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Würz­burg, Az. 7 Ca 698/04, ver­ur­teilt, an den Kläger EUR 54.288,35 brut­to nebst Zin­sen i.H.v. 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der Eu­ropäischen Zen­tral­bank aus EUR 2.688,35 seit 01.09.2002, so­wie aus je­weils wei­te­ren EUR 6.000,-- seit 01.10.2002, 01.11.2002, 01.12.2002, 01.01.2003, 01.02.2003, 01.03.2003, 01.04.2003, 01.05.2003 und aus wei­te­ren EUR 3.600,-- seit 01.06.2003, zu be­zah­len.

 

- 3 -

2. Die Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

 

 

 

- 4 -

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te nimmt auf ihr ge­sam­tes erst­in­stanz­li­ches. Vor­brin­gen Be­zug und wie­der­holt die­ses im We­sent­li­chen. Sie wen­det wei­ter­hin ei­nen Ver­s­toß ge­gen Treu und Glau­ben ein.

Ent­schei­dungs­gründe:

We­gen des Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz im Ein­zel­nen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 19.06.2006 (BI. 245-251 d.A.) und vorn 27.10.2006 (BI. 27.1 f. d.A.) so­wie den Schrift­satz der Be­klag­ten vom 26.07.2006 (BI. 264¬270 d.A.) Be­zug ge­nom­men (§ 69 Abs. 3 S. 2 ArbGG).

Die zulässi­ge Be­ru­fung ist nicht be­gründet.

1. Der Kläger stützt sei­ne Ansprüche auf § 611 BGB i.V.m. § 613a Abs. 2 BGB. Nach § 613a Abs. 2 BGB haf­tet nach ei­nem Be­triebsüber­gang der neue In­ha­ber (ne­ben dem al­ten In­ha­ber) für Ver­pflich­tun­gen, die im Zeit­punkt des Über­gangs ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses (§ 613a Abs. 1 BGB) be­stan­den ha­ben.

Die Haf­tung des neu­en In­ha­bers setzt gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB ein „im Zeit­punkt des Über­gangs (be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis)" vor­aus. Für be­reits

 

- 5 -

aus­ge­schie­de­ne Ar­beit­neh­mer haf­tet der neue In­ha­ber nicht (Pa­lan­clt BGB-Komm., 66. Aufl., Rd­nr. 18 zu § 613a).

2. Es kann im vor­lie­gen­den Fall die Prüfung der Fra­gen da­hin­ste­hen, ob ein Be­triebsüber­gang von der Fir­ma E GmbH auf die Be­klag­te statt­ge­fun­den hat und ob im Zeit­punkt des vom Kläger be­haup­te­ten Be­triebsüber­gangs (11.09.2003) we­gen un­wirk­sa­mer Ar­beit­neh­merkündi­gung noch ein Ar­beits­ver-

 

- 6 -

hält­nis zwi­schen dem Kläger und der Fir­ma B: - GmbH be­stan­den hat. Denn auch dann, wenn ent­spre­chend der. Rechts­mei­nung des Klägers ein Be­triebsüber­gang vorläge und die von ihm am 19.08.2003 erklärte frist­lo­se Kündi­gung man­gels aus­rei­chen­der Gründe im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB un­wirk­sam wäre, könn­te der Kläger mit sei­ner Kla­ge kei­nen Er­folg ha­ben.

3.Das. Ver­hal­ten des Klägers verstößt ge­gen Treu und Glau­ben.

a) Schran­ke je­der Rechts­an­wen­dung ist das aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ab­zu­lei­ten­de Ver­bot wi­dersprüchli­chen Ver­hal­tens (ständi­ge Recht­spre­chung des BAG, z.B. Ur­teil vom 04.12.1997, Az.: 2 AZR 799/96). Der Grund­satz von Treu und Glau­ben bil­det ei­ne al­len Rech­ten, Rechts­la­gen und. Rechts­nor­men im­ma­nen­te In­halts­be­gren­zung. Un­ter Berück­sich­ti­gung der Umstände des Ein­zel­fal­les ist zu prüfen, ob ei­ne ge­gen § .242 BGB ver­s­toßen­de Rechts­ausübung oder Aus­nut­zung ei­ner Rechts­la­ge we­gen der Rechtsüber­schrei­tung als un­zulässig an­zu­se­hen ist (BAG a.a.O.).

Dies gilt auch, wenn sich je­mand zu sei­nem Vor­teil auf ei­ne Rechts­vor­schrift be­ruft, die er selbst miss­ach­tet, so z.B. wenn ein Ar­beit­neh­mer ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung aus­spricht und sich dann später dar­auf be­ruft, die Kündi­gung sei man­gels Vor­lie­gens der von § 626 Abs. 1 BGB ge­for­der­ten Kündi­gungs­gründe un­wirk­sam (BAG a.a.O.).

Bei der Wer­tung des Ver­hal­tens ei­nes Ar­beit­neh­mers nach ei­ner ei­ge­nen Kündi­gung ist von maßgeb­li­cher Be­deu­tung der Schutz­zweck des § 626 BGB. Die­ser be­zieht sich in ers­ter Li­nie auf den Kündi­gungs­empfänger (BAG a.a.O.). Da es nach un­se­rer Rechts­ord­nung bei ein­sei­tig emp­fangs­bedürf­ti­gen Wil­lens­erklärun­gen kein Reue­recht gibt und ge­ne­rell der Grund­satz „vo­len­ti non fit in ju­ria" gilt, muss sich der Kündi­gen­de an sei­ner Erklärung fest­hal­ten las­sen, wenn es an ei­nem wich­ti­gen Grund fehlt (BAG a.a.O.).

Die­ses Er­geb­nis wird noch durch fol­gen­de Über­le­gun­gen gestützt:

 

- 7 -

Der Ar­beit­neh­mer hat je­der­zeit die Möglich­keit, Auf­he­bungs­verträge mit so­for­ti­ger Wir­kung ab­zu­sch­ließen. Das Ge­setz er­laubt al­so auch dann, wenn kein wich­ti­ger Grund be­steht, ei­ne Be­en­di­gung mit so­for­ti­ger Wir­kung (BAG a.a.O.)

Würde man dem Ar­beit­neh­mer das Recht zu­bil­li­gen, sich auf die Un­wirk­sam­keit der ei­ge­nen Kündi­gung zu be­ru­fen, müss­te dies fol­ge­rich­tig auch für den Ar­beit­ge­ber gel­ten. Die­ser könn­te dann nach Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung, die der Ar­beit­neh­mer nicht mit ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge an­ge­grif­fen hat, die Un­wirk­sam­keit sei­ner Kündi­gung man­gels Vor­han­den­seins ei­nes wich­ti­gen Grun­des gel­tend ma­chen und den Ar­beit­neh­mer, der die Kündi­gung mögli­cher­wei­se des­halb nicht an­ge­grif­fen hat, zur Wie­der­auf­nah­me der Ar­beit auf­for­dern. Dies ist dem Ar­beit­ge­ber eben­so wie dem Ar­beit­neh­mer zu ver­weh­ren, zu­mal § 626 BGB für bei­de Ver­trags­part­ner un­ter­schieds­los for­mu­liert ist (BAG a.a.O.).

Da­mit kann sich ein Ar­beit­neh­mer ge­ne­rell nicht auf die Un­wirk­sam­keit der ei­ge­nen außer­or­dent­li­chen Kündi­gung be­ru­fen.

Die­ses Er­geb­nis ent­spricht der all­ge­mei­nen Rechts­mei­nung, dass die ein­sei­ti­ge Rück­nah­me ei­ner Kündi­gung, gleichgültig ob sie wirk­sam oder un­wirk­sam ge­we­sen wäre, als nicht zulässig an­er­kannt wird (BAG a.a.O.; KR-Fried­rich, 8. Aufl., Rd­nr. 51 ff. zu § 4 KSchG; Stahl­ha­cke/Preis­Nos­sen, Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis, 9. Aufl., Rd­nr. 234 ff.). Die Be­ru­fung auf ei­ne be­ste­hen­de Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung mit der Fol­ge, dass dar­auf­hin die Rechts­la­ge doch nicht um­ge­stal­tet sein soll, käme der ein­sei­ti­gen Rück­nah­me im Er­geb­nis gleich (BAG a.a.O.).

Der Ver­s­toß ge­gen Treu und Glau­ben ist von Amts we­gen zu be­ach­ten (BA­Ga.a.O.).

 

- 8 - 

Un­ter An­wen­dung die­ser Grundsätze auf den vor­lie­gen­den Fall kommt die Kam­mer zum Er­geb­nis, dass der Kläger sich auf ei­ne even­tu­el­le Un­wirk­sam­keit der ei­ge­nen Kündi­gung nicht be­ru­fen kann. An­halts­punk­te, die ein von der vor­ste­hend auf­geführ­ten Rechts­la­ge ab­wei­chen­des Er­geb­nis recht­fer­ti­gen könn­ten, sind nicht er­sicht­lich. Im Ge­gen­teil: Der Kläger hat mit sei­ner E-Mail vom 20.08.2003 an das „B. ;Team" die am Vor­tag aus­ge­spro­che­ne schrift­li­che Kündi­gung noch­mals bestätigt.

4. Kann sich der Kläger nicht auf ei­ne even­tu­el­le Un­wirk­sam­keit der ei­ge­nen Kündi­gung be­ru­fen, so gilt dies ent­ge­gen der Mei­nung des. Klägers — auch ge­genüber der Be­klag­ten. Denn selbst dann, wenn es am 11.09.2003 ei­nen Be­triebsüber­gang ge­ge­ben hat, konn­te sich da­durch die Rechts­po­si­ti­on des Klägers nicht ver­bes­sern. Gemäß § 613a Abs. 1 S. 1. BGB geht das Ar­beits­verhält­nis in dem Rechts­zu­stand über, wie er vor dem Be­triebsüber­gang be­stan­den hat. Auch nach ei­nem Be­triebsüber­gang blie­be es da­mit dem Kläger ver­wehrt, sich ge­genüber der Be­klag­ten auf den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses zu be­ru­fen.

5. Das Erst­ge­richt hat im Er­geb­nis zu Recht die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung ist des­halb mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO er­ge­ben­den Kos­ten­fol­ge zurück­zu­wei­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil ist die Re­vi­si­on nicht zulässig; auf § 72a ArbGG wird ver­wie­sen.

 

Prof.Dr. Dr. Hol­zer-Thie­ser Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Rich­ter 

Hölz­lein Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

Ad­a­cker Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 7 Sa 294/06