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LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.03.2012, 5 Sa 336/11
Schlagworte: | Schadensersatz, Rücksichtnahmepflicht, Direktionsrecht, Arbeitsunfähigkeit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 336/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 22.03.2012 | |
Leitsätze: | 1. Die Fortzahlung des Gehalts während der Freistellungsphase setzt voraus, dass der Arbeitnehmer - mit Ausnahme des tatsächlichen oder mündlichen Arbeitsangebots - die sonstigen gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs ohne Arbeitsleistung erfüllt (§§ 616, 615 Satz 2 BGB). 2. Der Anspruch auf Verzugslohn ist gemäß § 297 BGB ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig ist. Der Arbeitnehmer, der aufgrund einer körperlichen Einschränkung nur einen Teil der ihm kraft Direktionsrecht zugewiesenen Arbeiten ausführen kann, ist nicht leistungsfähig i. S. v. § 297 BGB und damit arbeitsunfähig. Eine teilweise oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit ist dem Arbeitsrecht fremd. 3. Solange der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zuge seines Direktionsrechts keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Verzugslohn. Dem Arbeitnehmer kann jedoch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB zustehen, wenn der Arbeitgeber schuldhaft seine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 1 BGB dadurch verletzt, dass er den Arbeitnehmer nicht durch Neuausübung seines Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist (BAG Urteil vom 19.05.2010 - 5 AZR 162/09 -). |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 23.06.2011, 2 Ca 64 c/11 | |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 5 Sa 336/11
2 Ca 64 c/11 ArbG Elmshorn
(Bitte bei allen Schreiben angeben!)
Verkündet am
22.03.2012
Gez....
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 22.03.2012 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
für Rechterkannt:
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1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.06.2011 - Az.: 2 Ca 64 c/11 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren im Wesentlichen über Verzugslohnansprüche des Klägers ab Dezember 2009 bis einschließlich Oktober 2010.
Der 48-jährige Kläger ist seit dem 01.11.1992 bei der Beklagten, einer Grundstücks- und Bauträgergesellschaft, als Gärtner zu einem Monatsgehalt von € 2.515,00 brutto zzgl. vermögenswirksame Leistungen über € 40,00 beschäftigt. Mit dem Junigehalt und dem Dezembergehalt erhielt der Kläger regelmäßig zusätzlich jeweils ein volles Bruttomonatsgehalt als Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld. In dem Arbeitsvertrag vom 01.09.1992 (Bl. 5 - 7 d. A.) ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig beschrieben. Neben seiner Tätigkeit bei der Beklagten übt er noch eine selbstständige gärtnerische Erwerbstätigkeit aus. Im Rahmen dieser Nebentätigkeit hatte der Kläger am 31.12.2007 ohne eigenes Verschulden einen Autounfall. Er erlitt Verletzungen insbesondere an der Hüfte und war bis zum Oktober 2008 durchgehend arbeitsunfähig krank. Auf Empfehlung des BAD nahm der Kläger vom 22.09.2008 bis zum 17.10.2008 an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teil. Im Anschluss daran nahm der Kläger seine Tätigkeit bei der Beklagten wieder auf. Der Kläger war indessen – unstreitig – aufgrund seiner erlittenen Verletzungen nicht wieder in vollem Umfang leistungsfähig. Mit Schreiben vom 29.04.2009 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.10.2009 aus personenbedingten Gründen (Bl. 149 f. d. A.). Zugleich stellte sie den Kläger von der Arbeitsleistung frei. Der Kläger erhob sodann im Rahmen eines Vorprozesses Kündigungsschutzklage (Beiakte = BA, ArbG Elmshorn: 2 Ca 881 d/09 = LAG Schl.-H. 5 Sa 518/10). Am 03.03.2010 musste sich der Kläger als Folge des Verkehrsunfalls einer Fußoperation unterziehen, sodass er ca. fünf Wochen seinen linken Fuß nicht voll belasten konnte. Ab dem 06.05.2010 nahm der Kläger an einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme teil. Nachdem das Arbeitsgericht in dem Vorprozess der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 14.10.2010 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben hatte, forderte die Beklagte den Kläger auf, seine Arbeit wieder aufzunehmen und wies ihm einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz zu. Ab dem 01.11.2010 arbeitet der Kläger wieder für die Beklagte. Auch nach November 2010 musste der Kläger noch an zahlreichen therapeutischen Maßnahmen teilnehmen, sodass er die ihm nunmehr
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von der Beklagten zugewiesene und seiner Leistungsfähigkeit entsprechende vertraglich geschuldete Arbeitsleistung in zeitlicher Hinsicht nur eingeschränkt erbringen konnte.
Für die Zeit vom 01.12.2009 bis zum 31.10.2010 erhielt der Kläger Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 11.335,50 EUR netto (Bl. 77 d. A.). Mit Schreiben vom 12.11.2010 bat die Beklagte den Kläger, auf das 14. Gehalt für 2010 zu verzichten (Bl. 11 d. A.). Der Kläger unterzeichnete die entsprechende Verzichtserklärung nicht (Bl. 15 d. A.).
Mit seiner am 14.01.2011 beim Arbeitsgericht erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger restliche Vergütungszahlungen für den Zeitraum von Dezember 2009 bis zum April 2011 geltend gemacht.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des weiteren streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23.06.2011 teilweise stattgegeben. Die Beklagte schulde dem Kläger das 14. Gehalt (Weihnachtsgeld) für das Jahr 2009 in Höhe von € 2.515,00 brutto. Es könne dahingestellt bleiben, ob der diesbezügliche Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag einer AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB standhalte, denn die Beklagte habe sich mit dem Schreiben vom 12.11.2010 selbst zur bestehenden Zahlungspflicht gebunden. Darüber hinaus könne der Kläger Verzugslohn für die Monate Januar bis Februar 2010 in Höhe von jeweils € 2.555,00 brutto beanspruchen. Durch die Freistellung habe die Beklagte auf das tatsächliche Arbeitsangebot des Klägers verzichtet. Ein Annahmeverzug scheide auch nicht deshalb aus, weil der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, die ihm obliegenden Arbeitsleistungen zu verrichten. Denn aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 14.10.2010 stehe fest, dass für die Beklagte die Möglichkeit bestanden habe, den Kläger mit bestimmten, seinem Arbeitsvertrag entsprechenden Tätigkeiten weiter zu beschäftigen. Für März 2010 habe der Kläger infolge der Fußoperation gegenüber der Beklagten
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Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von € 2.555,00 brutto. Auch für April 2010 stehe dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der Entgeltfortzahlung und des Annahmeverzugs das ungekürzte Monatsgehalt in Höhe von € 2.555,00 brutto zu. Wegen der zu leistenden Entgeltfortzahlung stünden der Beklagten lediglich Erstattungsansprüche gegenüber dem Versicherer des Unfallgegners des Klägers nach § 6 EFZG zu. Auch für Mai 2010 habe der Kläger gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung einer Bruttomonatsvergütung von € 2.555,00, §§ 611, 615 BGB, § 9 Abs. 1 EFZG. Soweit dies die zu zahlende Entgeltfortzahlung nach § 9 Abs. 1 EFZG betreffe, könne die Beklagte Regressansprüche gegenüber dem Versicherer des Unfallgegners des Klägers nehmen. Da der Kläger von Juni bis Oktober 2010 bereits an ambulanten Therapiemaßnahmen teilgenommen habe und somit seine volle Arbeitskraft in zeitlicher Hinsicht der Beklagten habe nicht zur Verfügung stellen können, stehe ihm, dem Kläger, nur ein monatlicher Vergütungsanspruch in Höhe von 75 % des vertraglich vereinbarten Gehalts (€ 2.515,00) zzgl. € 40,00 VWL, mithin monatlich insgesamt € 1.926,25 brutto, zu. Für das Jahr 2010 habe der Kläger Anspruch auf das 13. und 14. Gehalt in Höhe von jeweils € 1.886,25 brutto (75 % von € 2.515,00). Dementsprechend stehe dem Kläger restliche Vergütung für die Zeit von Dezember 2009 bis Oktober 2010 in Höhe von insgesamt € 28.653,75 brutto zu, auf die er sich den Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von € 11.335,50 netto anrechnen lassen müsse. Ferner könne der Kläger für betrieblich veranlasste Fahrten mit seinem Privatfahrzeug Aufwendungsersatz in Höhe von € 7,76 netto beanspruchen. Die darüberhinausgehenden Klagansprüche seien indessen unbegründet.
Gegen dieses ihr am 29.08.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.09.2011 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 29.11.2011 am 29.11.2011 begründet.
Die Beklagte trägt vor,
das Arbeitsgericht habe in unzulässiger Weise unterstellt, dass der Kläger während des Freistellungszeitraums durchgängig leistungsfähig im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung gewesen sei. Allein der Hinweis auf das rechtskräftige Urteil vom 14.10.2010, Az. 2 Ca 811 b/09, in dem Kündigungsschutzverfahren belege die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht. Das Arbeitsgericht verkenne den Prü-
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fungsmaßstab einer personenbedingten Kündigungsschutzklage und einer Verzugslohnklage. Für die Anspruchsvoraussetzungen einer Verzugslohnklage komme es nicht auf eine Prognose an, sondern auf die aktuelle Leistungsfähigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum. Aus dem Sachverständigengutachten vom 17.11.2009 folge, dass der Kläger aufgrund seiner unfallbedingten körperlichen Einschränkungen nur in der Lage gewesen sei, weniger als 50 % der vertraglich geschuldeten Arbeiten zu erledigen. Der Kläger habe aber auch keinen dementsprechenden Schadensersatzanspruch. Sie, die Beklagte, habe dem Kläger zwar grundsätzlich im Rahmen des Direktionsrechts eine leidensgerechte Tätigkeit zuweisen müssen. Diese Verpflichtung bestünde indessen erst dann, wenn der Arbeitnehmer dies verlange und zugleich darlege, welche Tätigkeiten er trotz der körperlichen Einschränkungen noch ausüben könne. Dies habe der Kläger indessen nicht getan.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.06.2011 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt
das angefochtene Urteil, zumindest stünde ihm ein Schadenersatzanspruch in Höhe des zuerkannten Verzugslohns zu, weil die Beklagte es unterlassen habe, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Dem Schadenersatzanspruch stehe auch nicht entgegen, dass er der Beklagten nach seiner Freistellung nicht ausdrücklich erklärt habe, welche Arbeiten er trotz seiner körperlichen Einschränkungen noch ausüben könne. Durch die Freistellungserklärung habe die Beklagte auf ein tatsächliches und wörtliches Angebot seinerseits verzichtet. Ungeachtet dessen habe er in dem Kündigungsschutzprozess bereits mit Schriftsatz vom 29.07.2009 und damit vor Ablauf der Kündigungsfrist vorgetragen, inwieweit er noch in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Letztlich ergebe sich dies aber auch aus dem im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 17.09.2009. Letztlich habe der Kläger bereits mit Erhebung der Kündigungsschutzklage (2 Ca 811 b/09) deutlich gemacht, dass er
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arbeiten wolle und auch leistungsfähig sei. Die Leistungsfähigkeit habe er im dortigen Schriftsatz vom 29.07.2009 konkretisiert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 22.03.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Beklagten ist nur teilweise zulässig und im Übrigen unzulässig. Die Berufung ist nur in Bezug auf die zuerkannten Verzugslohnansprüche des Klägers für Januar und Februar 2010, für die zweite Hälfte April 2010, den halben Mai 2010 sowie Juni bis Oktober 2010 in Höhe von insgesamt € 17.336,25 zulässig.
Die Berufung ist zwar dem Beschwerdewert nach insgesamt statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, aber nur teilweise ordnungsgemäß begründet worden. Letzteres gilt in Bezug auf den Klagabweisungsantrag, in Bezug auf das 14. Gehalt (Weihnachtsgeld) 2009 sowie das 13. und 14. Gehalt (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) 2010 sowie die zuerkannten Entgeltfortzahlungsansprüche betreffend März, halber April und halber Mai 2010 und Fahrtkostenerstattung.
Die Berufungsbegründung vom 28.11.2011 erfüllt insoweit nicht die formellen Anforderungen gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung (Entscheidungsgründe unter A. Ziff. I., III., IV. und V. sowie VII. und B.) nicht ausreichend i. S. v. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt insoweit an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene
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Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urt. v. 18.05.2011 - 4 AZR 552/09 -, zit. n. Juris; Urt. v. 15.03.2011 – 9 AZR 813/09 -, zit. n. Juris, jew. m. w. Rspr.-Nachw.). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG, Urt. v. 28.05.2009 - 2 AZR 223/08 -, AP Nr. 2 zu § 520 ZPO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG, Urt. 17.01.2007 - 7 AZR 20/06 -, AP Nr. 30 zu § 14 TzBfG m. w. Rspr.-Nachw.). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG, Urt. v. 18.05.2011 - 4 AZR 552/09 -, a.a.O.).
2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 28.11.2011 in Bezug auf die zuerkannten Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Entgeltfortzahlungsansprüche nicht.
a) Die Beklagte setzt sich in der Berufungsbegründung mit den einzelnen zuerkannten Klagansprüchen, die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen basieren, nicht im Einzelnen auseinander. Vielmehr beruft sie sich zur Begründung ihrer Berufung einzig und allein darauf, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2009 bis Dezember 2010 nicht in vollem Umfang leistungsfähig gewesen sei und ihr gegenüber auch nicht angezeigt habe, in welchem Umfang er noch die vertraglich geschuldeten Arbeiten ausführen könne. Dieser Einwand der Beklagten be-
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trifft indessen einzig und allein die durch das angefochtene Urteil zuerkannten Verzugslohnansprüche. Insbesondere setzt sich der Kläger im Hinblick auf die zuerkannten Ansprüche auf Zahlung der 13. und 14. Gehälter für 2009 und 2010 nicht mit der tragenden Argumentation in den Entscheidungsgründen unter A. I. sowie A. VII. auseinander. Das Arbeitsgericht hatte den Anträgen auf Zahlung der 13. und 14. Gehälter (Weihnachtsgeld 2009 und Weihnachts- und Urlaubsgeld 2010) erkennbar unter dem Gesichtspunkt geschuldeter Gratifikationen stattgegeben (Entscheidungsgründe: A.I. Absatz 2) und weil die Beklagte sich zur Zahlung derselben durch ihr Schreiben vom 12.11.2010 selbst gebunden habe, müsse die Beklagte diese auch an den Kläger zahlen. Weder erstinstanzlich noch in der Berufungsbegründung hat die Beklagte bestritten, dass es sich bei den 13. und 14. Gehältern um Gratifikationen bzw. freiwillige Leistungen handele. Erstmals in der Berufungsverhandlung hat der Beklagtenvertreter pauschal und unbewiesen und damit in unbeachtlicher Weise eingewandt, dass es sich bei den Ansprüchen auf ein 13. und 14. Gehalt um reine Vergütungsbestandteile handele, die im Synallagma mit der erbrachten Arbeitsleistung stünden.
b) Die Beklagte hat das Urteil aber auch in Bezug auf die zuerkannten Ansprüche auf Zahlung von Entgeltfortzahlung nicht ausreichend ordnungsgemäß angegriffen. Das Arbeitsgericht hat das Urteil insoweit auf §§ 3 Abs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG gestützt. In beiden Fällen ist die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers gerade nicht Anspruchsvoraussetzung. Von Anfang März bis Mitte April 2010 war der Kläger unstreitig arbeitsunfähig. Anspruchsgrundlage ist mithin nicht § 615 BGB, sondern § 3 EFZG. Unstreitig hat der Kläger auch im Mai 2010 an einer Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen, sodass das Arbeitsgericht ihm insoweit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 9 Abs. 1 EFZG zuerkannt hat. Auch mit dieser Anspruchsbegründung hat sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt. Insbesondere ist die Beklagte nicht auf die Urteilsgründe unter A. III. Abs. 2, IV. und V. der Entscheidungsgründe eingegangen.
c) Den zuerkannten Anspruch auf Fahrtkostenerstattung (Entscheidungsgründe: B.) hat der Kläger nicht einmal pauschal bestritten. Hierzu fehlt in der Berufungsbegrün-
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dung jeglicher Einwand. Auch insoweit ist die Berufung der Beklagten mithin unzulässig.
d) Insgesamt ist die Berufung mithin in Bezug auf einen zuerkannten Bruttobetrag von € 12.615,00 abzgl. der hierauf entfallenden Leistungen der Bundesagentur für Arbeit sowie einen Nettobetrag von € 7,76 unzulässig. An dieser Stelle weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Addition der zuerkannten und in den Entscheidungsgründen unter A. I. bis VII. aufgelisteten Bruttobeträge nicht - wie im Tenor unter Ziff. 1 ausgewiesen - € 28.653,75, sondern € 29.951,25 ergibt.
II.
In Bezug auf die zuerkannten Verzugslohnansprüche für Januar und Februar 2010, jeweils den halben April und Mai 2010 und die reduziert zuerkannten Ansprüche für Juni bis Oktober 2010 (insgesamt: € 17.336,25 brutto abzgl. der darauf bezogenen Leistungen der Bundesagentur für Arbeit) ist die Berufung zwar zulässig, aber unbeg-ründet.
Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage mithin auch insoweit im zuerkannten Umfang und im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten insgesamt einen Anspruch auf Zahlung von € 28.653,75 brutto abzgl. € 11.335,50 netto sowie € 7,76 netto.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Zahlungsklage auch in Bezug auf die Monate Januar, Februar, 1/2 April, 1/2 Mai sowie Juni bis Oktober 2010 begründet. Der Kläger hat - und nur insoweit folgt die Kammer der Argumentation der Beklagten - keinen Anspruch auf Verzugslohn, indessen steht ihm ein entsprechender Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt € 17.336,25 brutto abzgl. des hierauf entfallenden Arbeitslosengeldes zu.
1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums keinen Anspruch auf Verzugslohn gegenüber der Beklagten.
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a) Nach § 615 S. 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Der Arbeitnehmer muss die infolge des Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nicht nachleisten. Der Arbeitgeber kommt in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Voraussetzung ist ein zur Erfüllung taugliches Arbeitsangebot. Die Leistung muss grundsätzlich gemäß § 294 BGB so, wie sie geschuldet ist, tatsächlich angeboten werden. Hat der Arbeitgeber jedoch erklärt, er werde die Leistung nicht annehmen, genügt ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, § 295 S. 1 BGB. Nicht einmal eines wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung bedarf es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – wie vorliegend – von der Arbeitsleistung freigestellt hat.
Die Beklagte hatte den Kläger unstreitig zeitgleich mit Ausspruch der ordentlichen personenbedingten Kündigung vom 29.04.2009 von der Arbeitspflicht unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche freigestellt. Die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet regelmäßig nur einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung, sodass der Annahmeverzug des Arbeitgebers auch ohne tatsächliches oder wörtliches Arbeitsangebot des Arbeitnehmers gemäß §§ 294, 295 BGB eintritt (BAG, Urt. v. 23.09.2009 – 5 AZR 518/08 -, NZA 2010, 781 ff.; BAG, Urt. v. 23.01.2008 – 5 AZR 393/07 -, NZA 2008, 595 f.; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22.12.2011 – 5 Sa 297/11 -, zit. n. Juris). Die Fortzahlung des Gehaltes während der Freistellungsphase setzt daher voraus, dass der Arbeitnehmer – mit Ausnahme des tatsächlichen oder mündlichen Arbeitsangebots - die sonstigen gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs ohne Arbeitsleistung erfüllt (§§ 616 BGB, 615 Satz 2 BGB).
Gemäß § 297 ist der Annahmeverzug des Arbeitgebers jedoch ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig ist. Annahmeverzug setzt daher Leistungsfähigkeit des Gläubigers im Annahmeverzugszeitraum voraus. Die Leistungsfähigkeit bezieht sich wiederum auf die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung auf dem konkret zugewiesenen Arbeitsplatz und nicht nach dem im Arbeitsvertrag umschriebenen Berufsbild. Der Arbeitnehmer, der beispiels-
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weise aufgrund einer körperlichen Einschränkung nur einen Teil der ihm kraft Direktionsrecht zugewiesenen Arbeiten ausführen kann, ist nicht leistungsfähig i. S. v. § 297 ZPO und damit folgerichtig arbeitsunfähig. Eine teilweise oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit ist dem Arbeitsrecht fremd. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Schuldners an, sondern nur auf die objektiven Umstände seiner Leistungsfähigkeit. Ist ein Arbeitnehmer objektiv aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die vereinbarte Leistung zu erbringen, so kann das fehlende Leistungsvermögen nicht allein durch den Willen des Arbeitnehmers ersetzt werden, trotz objektiver Leistungsunfähigkeit einen Arbeitsversuch zu unternehmen (BAG Urt. v. 29.10.1998 – 2 AZR 666/97 -, AP Nr. 77 zu § 615 BGB).
b) Hieran gemessen hatte der Kläger keinen Anspruch auf Verzugslohn für den hier streitgegenständlichen Zeitraum.
Kann der Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist das Angebot einer „leidensgerechten Arbeit“ ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der i. S. v. § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat. Anderenfalls könnte der Arbeitnehmer den Inhalt der arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebenen Arbeitsleistung selbst konkretisieren. Das widerspräche § 106 Satz 1 GewO. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht ist nach § 106 Satz 1 GewO Sache des Arbeitgebers. Verlangt der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich einwandfreier Art und Weise, kommt er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeit ablehnt und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet (BAG Urt. v. 19.05.2010 – 5 AZR 162/09 -, AP Nr. 10 zu § 106 GewO). Mit der Ausübung des Direktionsrechts wird die vertraglich geschuldete Tätigkeit näher bestimmt und ist ab diesem Zeitpunkt bis zur - wirksamen - Neuausübung des Direktionsrechts die konkret geschuldete Leistung (BAG Urt. v. 27.04.1960 - 4 AZR 584/58 -, AP Nr. 10 zu § 615 BGB).
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Der Kläger war bei der Beklagten ausweislich des Arbeitsvertrages als Gärtner eingestellt. Im Zuge des Direktionsrechts hatte die Beklagte den Kläger vor der Freistellung im Wesentlichen mit Gartenarbeiten (Entfernung von Wildkräutern 45 %; Schneiden von Hecken und Sträuchern: 10%, Rasenmähen: 10 %, Reinigung der Mülltonnenstandorte: 10 %, Wohnungsräumung: 5 %, Winterdienst: 10 %, Fahrdienste: 5 %) betraut. Die dem Kläger von der Beklagten hiernach konkret zugewiesene arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als Gärtner konnte dieser im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr in vollem Umfang verrichten. Es ist durch Einholung des Sachverständigengutachtens bewiesen und mittlerweile auch unstreitig, dass der Kläger Ende 2009 bis Ende 2010 die von ihm arbeitsvertraglich geschuldeten und kraft Direktionsrecht vor der Freistellung von der Beklagten zugewiesenen Arbeiten aufgrund eines hochgradigen Hüftverschleißes und der Einnahme von Marcumar sowie der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gerade nicht mehr in vollem Umfang ausüben konnte. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die funktionelle Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund des von der Beklagten zugrunde gelegten Tätigkeitsprofils tatsächlich weit unter 50 % lag. Denn der Sachverständige kommt auch unter Zugrundelegung des vom Kläger erstellten Tätigkeitsprofils zu dem Ergebnis, dass aus sozialmedizinischer Sicht dem Kläger nur noch leichte bis mittelschwere, überwiegend sitzende Arbeiten zuzumuten seien.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 296 BGB. Die Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer überhaupt die Arbeitsmöglichkeit zu eröffnen, den Arbeitsablauf fortlaufend zu planen und die Arbeitsmittel bereitzustellen (vgl. ErfK/Preis, 12. Aufl., Rn. 40 zu § 615 BGB). Aus § 296 BGB lässt sich aber keine Verpflichtung des Arbeitgebers herleiten, die von ihm wirksam konkretisierte Arbeitspflicht nach den Wünschen des Arbeitnehmers neu zu bestimmen. Davon zu trennen ist die Frage, ob die vom Arbeitgeber unterlassene Zuweisung leidensgerechter und vertragsgemäßer Arbeit einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz begründen kann (BAG Urt. v. 19.05.2010 – 5 AZR 162/09 -, a.a.O.).
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2. Der Kläger kann jedoch einen dem (Verzugs-)Lohn entsprechenden Schadensersatz von der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB beanspruchen, weil die Beklagte schuldhaft ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dadurch verletzt hat, dass sie dem Kläger nicht durch Neuausübung ihres Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuwies.
a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Im Arbeitsverhältnis können die Vertragspartner deshalb zur Verwirklichung des Leistungsinteresses zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein. Dazu gehört auch die Pflicht, im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrags zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen bzw. zu beseitigen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht kann es auch geboten sein, auf den Wunsch nach Vertragsanpassung als Reaktion auf unerwartete Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse einzugehen, insbesondere wenn anderenfalls in Dauerschuldverhältnissen Unvermögen des Schuldners droht (BAG Urt. v. 13.08.2009 - 6 AZR 330/08 -, AP Nr. 4 zu § 241 BGB).
Ist der Arbeitnehmer mithin aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen, kann es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht und die vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens anderweitig derart konkretisiert, dass dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung wieder möglich wird. Dementsprechend ist kündigungsrechtlich der Arbeitgeber auch bei dauernder Unmöglichkeit, den Arbeitnehmer in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich zu beschäftigen, erst dann zur Kündigung berechtigt, wenn das aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers resultierende Hindernis nicht nur einer Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz, sondern auch einer Beschäftigung an anderer Stelle entgegensteht (st. Rspr., vgl. nur: BAG Urt. v. 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 -, m. w. N. Rspr.-Nachw., NZA 2010, 628).
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aa) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Neubestimmung der Tätigkeit des Arbeitnehmers setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlangt und dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, wie er sich seine weitere, die aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorstellt. Dem Verlangen des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber regelmäßig entsprechen, wenn ihm die in der Zuweisung einer anderen Tätigkeit liegende Neubestimmung der zu bewirkenden Arbeitsleistung zumutbar und rechtlich möglich ist.
bb) Zumutbar ist dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen auch wirtschaftliche Erwägungen zählen können, oder die Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmern entgegenstehen. Betriebliche Gründe werden in der Regel der Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit nicht entgegenstehen, wenn ein entsprechender Arbeitsplatz frei ist und der Arbeitgeber Bedarf für die Tätigkeit hat. Ist ein entsprechender Arbeitsplatz nicht frei, kann also die Zuweisung einer anderen Tätigkeit nur durch den Austausch mit anderen Arbeitnehmern erfolgen, ist weiter zu prüfen, ob einer Umsetzung neben betrieblichen Gründen die dem Arbeitgeber gegenüber allen Arbeitnehmern obliegende Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB entgegensteht. Letzteres ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der den anderweitigen Arbeitsplatz innehat, nicht im Wege des Direktionsrechts eine andere Tätigkeit zuweisen kann oder die Neuausübung des Direktionsrechts diesem Arbeitnehmer gegenüber nicht billigem Ermessen entsprechen würde. Unzumutbar ist ein Austausch ferner dann, wenn der auszutauschende Arbeitnehmer einem Arbeitsplatzwechsel seine Zustimmung verweigert und der Arbeitgeber Gefahr liefe, bei Ausübung seines Direktionsrechts einem Prozess über die Wirksamkeit der Maßnahme ausgesetzt zu sein. Die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verlangt vom Arbeitgeber nicht, die Belange eines Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener Belange oder solcher anderer Arbeitnehmer durchzusetzen.
cc) Rechtlich möglich ist die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn ihr keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Insbesondere kann die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB den Arbeitgeber nicht verpflichten, sich betriebsverfassungs-
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widrig zu verhalten. Stimmt der Betriebsrat den mit einem Austausch von Arbeitnehmern verbundenen Versetzungen (§ 95 Abs. 3 BetrVG) nicht gem. § 99 Abs. 1 BetrVG zu, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem seine bisherige Tätigkeit nicht mehr verrichten könnenden Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Ebenso wenig verlangt die Rücksichtnahmepflicht vom Arbeitgeber, ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen (zur krankheitsbedingten Kündigung im Ergebnis ebenso BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - BAGE 85, 107).
b) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger schon im Freistellungszeitraum und insbesondere in dem hier allein maßgeblichen Zeitraum ab Januar 2010 einen seinen körperlichen Einschränkungen entsprechenden, leidensgerechten Arbeitsplatz als Gärtner zuzuweisen bzw. bereitzuhalten. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe seinerseits nicht die Zuweisung einer leidensgerechten Arbeit verlangt und ihr gegenüber nicht dargetan, welche konkreten Arbeiten er unter Berücksichtigung seiner Hüftprobleme noch ausüben könne, geht fehl. Der Kläger hatte bereits nach der Eingliederungsphase seine Arbeit bei der Beklagten wieder aufgenommen. Nach Ausspruch der personenbedingten Kündigung vom 29.04.2009 und zeitgleicher Freistellung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und damit zugleich kund getan, dass er sich in der Lage sah, auf „einem leidensgerechten Arbeitsplatz“ weiterzuarbeiten (Klagschrift vom 15.05.2009, Bl. 2 d. BA.). Spätestens in dem Schriftsatz vom 29.07.2009 hat er auch im Einzelnen vorgetragen, in welchem Umfang er noch leistungsfähig ist und inwieweit er Arbeiten als Gärtner – ggf. mit Hilfsmitteln – noch ausüben kann. Es wird insoweit insbesondere auf Ziff. 5 des genannten Schriftsatzes verwiesen (Bl. 43 ff. d. BA.). Schlussendlich ergab sich aber auch für die Beklagte aus dem Sachverständigengutachten, welches ihr am 19.11.2009 und damit vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum zugestellt wurde, inwieweit der Kläger noch unter Beachtung seiner körperlichen Einschränkungen und sozialmedizinischer Gesichtspunkte in der Lage war, als Gärtner zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch keiner vorhergehenden Mitwirkungshandlung des Klägers, zumal die Beklagte ihn bereits im April 2009 von der Arbeit freigestellt hatte. Der Kläger hatte im Verlaufe des Kündigungsschutzverfahrens die Beklagte nicht nur konkludent, sondern ausdrücklich aufgefordert, ihn auf
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einem konkret benannten leidensgerechten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Mehr kann vom Kläger nicht verlangt werden.
Die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes war der Beklagten auch möglich und zumutbar. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Kläger sogleich nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vom 14.10.2010 in dem Kündigungsschutzprozess (Beiakte 2 Ca 881 d/09 = 5 Sa 518/10) unstreitig mit Wirkung ab dem 01.11.2010 einen leidensgerechten Arbeitsplatz zugewiesen und zur Arbeitsaufnahme aufgefordert hat. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren nicht einmal behauptet, dass es ihr vor diesem Zeitpunkt, d. h. ab Januar 2010, gerade noch nicht möglich oder unzumutbar war, durch entsprechende Ausübung ihres Direktionsrechts und/oder Bereitstellung von Hilfsmitteln den Kläger leidensgerecht zu beschäftigen. Für das Vorliegen solcher Unzumutbarkeitsgründe sind auch ansonsten keine Anhaltspunkte ersichtlich.
III. Nach alledem war die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Gesetzlich vorgesehene Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.
gez. ... gez. ... gez. ...
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