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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/015

Kei­ne per­so­nen­be­ding­te Kün­di­gung bei Ent­zug ei­ner be­trieb­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on

Kann ei­ne "be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis" vom Ar­beit­ge­ber oh­ne An­ga­be von Grün­den ent­zo­gen wer­den, recht­fer­tigt dies kei­ne Kün­di­gung: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 05.06.2008, 2 AZR 984/06
Kündigung Wall-Street-Karton mit Frau Der Ar­beit­ge­ber kann sich nicht selbst Grün­de für ei­ne Kün­di­gung schaf­fen

06.02.2009. Im Ju­ni 2008 in­for­mier­ten wir Sie über ein Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG), des­sen In­halt zu­nächst nur über ei­ne ge­richt­li­che Pres­se­mel­dung be­kannt war (Ar­beits­recht ak­tu­ell: 08/089 Kün­di­gung: Kei­ne Kün­di­gung ei­nes Bus­fah­rers we­gen des Ent­zugs ei­ner „be­trieb­li­chen Fahr­er­laub­nis“). 

In dem Fall ging es um ei­ne Bus­fah­rer, der Streit mit dem Be­triebs­lei­ter hat­te und dem die­ser da­her ei­ne "be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis" ent­zo­gen hat­te.

Dar­auf­hin er­hielt der Bus­fah­rer die Kün­di­gung - zu Un­recht, so das BAG.

Zwi­schen­zeit­lich hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de pu­bli­ziert (BAG, Ur­teil vom 05.06.2008, 2 AZR 984/06). Sie wer­den hier kurz be­spro­chen.

Der Streit­fall: Der Be­triebs­lei­ter ei­nes Fuhr­un­ter­neh­mens ent­zieht ei­nem Bus­fah­rer die be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis, der dar­auf­hin gekündigt wird

In dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall ging es um ei­nen Bus­fah­rer, der bei ei­nem öffent­lich-recht­li­chen Nah­ver­kehrs­un­ter­neh­men beschäftigt war.

Im öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr sind Un­ter­neh­men ver­pflich­tet, durch all­ge­mei­ne Dienst­an­wei­sun­gen die Befähi­gung des Fahr­per­so­nals si­cher­zu­stel­len. Dafür gab es bei dem Ver­kehrs­un­ter­neh­men ei­nen be­stell­ten Be­triebs­dienst­lei­ter, der dem Bus­fah­rer zusätz­lich zu des­sen ge­setz­li­chen Fahr­er­laub­nis ei­ne be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis aus­stell­te.

Nach­dem ein Fahr­meis­ter ei­ne Über­prüfung der Fahr­wei­se des Bus­fah­rers vor­ge­nom­men hat­te, warf er dem Fah­rer meh­re­re gra­vie­ren­de Ver­kehrs­verstöße vor, die die­ser be­stritt. Kurz dar­auf ent­zog der Be­triebs­lei­ter dem Bus­fah­rer die „be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis“.

Auf­grund des­sen wie­der­um kündig­te das Ver­kehrs­un­ter­neh­men das Ar­beits­verhält­nis, und zwar aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen. Da­bei ar­gu­men­tier­te es, dass es den Fah­rer oh­ne die er­for­der­li­che be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis nicht mehr ein­set­zen könne.

Der Bus­fah­rer er­hob dar­auf­hin Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt Es­sen, das sei­ner Kla­ge statt­gab. Auch das in der Be­ru­fungs­in­stanz zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düssel­dorf be­fand die Kündi­gung für un­wirk­sam. Sch­ließlich ent­schied auch das BAG zu­guns­ten des Klägers.

BAG: Kann ei­ne "be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis" vom Ar­beit­ge­ber oh­ne An­ga­be von Gründen ent­zo­gen wer­den, recht­fer­tigt dies kei­ne Kündi­gung

Im we­sent­li­chen stützt das Bun­des­ar­beits­ge­richt sei­ne Ent­schei­dung dar­auf, dass ei­ne be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis, an­ders als die „nor­ma­le“ Fahr­er­laub­nis, kei­ne ge­setz­li­che Vor­aus­set­zung für das Führen ei­nes Bus­ses sei.

In­ner­be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis­se würden nach vom Ar­beit­ge­ber selbst auf­ge­stell­ten Re­geln zusätz­lich zum Führer­schein er­teilt bzw. ent­zo­gen. Ei­ne Gleich­stel­lung mit der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Fahr­er­laub­nis ver­bie­te sich des­halb, weil es an­sons­ten der Ar­beit­ge­ber weit­ge­hend in der Hand hätte, sich selbst Kündi­gungs­gründe zu schaf­fen. Je­den­falls bedürfe es für den Ent­zug ei­ner be­trieb­li­chen Fahr­er­laub­nis ei­ner kla­ren Rechts­grund­la­ge, die hier feh­le.

Der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ge­bie­te es zu­dem, dass die Vor­aus­set­zun­gen für den Ent­zug ei­ner sol­chen Fahr­er­laub­nis näher fest­ge­legt würden. Der Ar­beit­neh­mer müsse ab­se­hen können, wie er sich zu ver­hal­ten ha­be und un­ter wel­chen Umständen er sei­ne be­trieb­li­che Fahr­er­laub­nis und da­mit sei­nen Ar­beits­platz ris­kie­re.

Mit Blick auf den vor­lie­gen­den Fall gel­te dies um so mehr, als der Be­triebs­lei­ter sei­ne Ent­schei­dung für den Ent­zug we­der erläutert ha­be noch dies nach den in­ner­be­trieb­li­chen Re­gel ha­be tun müsse. Dem­ent­spre­chend sei­en die Gründe für den Ent­zug der in­ner­be­trieb­li­chen Fahr­er­laub­nis und da­mit die­se selbst nicht nach­prüfbar. Auch ei­ne mögli­cher­wei­se willkürli­che Ent­schei­dung des Be­triebs­lei­ters sei da­mit prak­tisch nicht an­greif­bar.

Fa­zit: Vom Ar­beit­ge­ber "selbst­ge­mach­te" und dem Ar­beit­neh­mer ver­lie­he­ne in­ner­be­trieb­li­che Qua­li­fi­ka­tio­nen ha­ben kei­ne Be­deu­tung für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses

Das BAG will of­fen­bar ver­hin­dern, dass Ar­beit­ge­ber die von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten An­for­de­run­gen an ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung um­ge­hen können.

Wol­len Ar­beit­ge­ber ei­ne Kündi­gungs­ent­schei­dung auf Pflicht­verstöße (im vor­lie­gen­den Fall Ver­kehrs­verstöße) ei­nes Ar­beit­neh­mers stützen, müssen sie die an­geb­li­chen Verstöße im ein­zel­nen dar­le­gen und im Be­strei­tens­fall auch be­wei­sen.

Außer­dem ist im Re­gel­fall - ei­ne Aus­nah­me gilt bei be­son­ders schwer­wie­gen­den Verstößen - zunächst ein­mal ei­ne Ab­mah­nung er­for­der­lich, um dem Ar­beit­neh­mer die Chan­ce zu ge­ben, sein Ver­hal­ten zu ändern. Erst im Wie­der­ho­lungs­fall wäre grundsätz­lich ei­ne Kündi­gung möglich.

An­ders verhält es sich bei per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gun­gen, die in der Re­gel bei ei­nem vom Ar­beit­neh­mer nicht steu­er­ba­ren As­pekt sei­nes Ver­hal­tens oder sei­ner Per­son in Be­tracht kom­men, falls die­ser As­pekt da­zu führt, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ner Ar­beits­pflicht nicht mehr ord­nungs­gemäß nach­kom­men kann: Hier ist ei­ne Ab­mah­nung sinn­los, da der Ar­beit­neh­mer es nicht in der Hand hat, ei­ne (et­wai­ge) ar­beits­recht­li­che Pflicht­ver­let­zung ab­zu­stel­len.

Als Grund für ei­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung ei­nes Be­rufs­kraft­fah­rers ist z.B. der Ent­zug der ge­setz­li­chen Fahr­er­laub­nis an­er­kannt. Kündigt der Ar­beit­ge­ber und er­hebt der Ar­beit­neh­mer Kündi­gungs­schutz­kla­ge, muss der Ar­beit­ge­ber nur die Tat­sa­che des Ent­zu­ges der Fahr­er­laub­nis dar­le­gen und im Be­strei­tens­fall be­wei­sen.

Die Tat­sa­chen hin­ge­gen, die zu dem Ent­zug der Fahr­er­laub­nis geführt ha­ben, brau­chen ihn nicht zu in­ter­es­sie­ren. Beim Ent­zug ei­ner ge­setz­li­chen Fahr­er­laub­nis ist das auch sinn­voll, da der Ar­beit­ge­ber mit die­ser behörd­li­chen Ent­schei­dung nichts zu tun hat. Im Fall ei­ner be­trieb­li­chen Fahr­er­laub­nis ist das je­doch an­ders.

Fa­zit: Vom Ar­beit­ge­ber "selbst­ge­mach­te" und dem Ar­beit­neh­mer ver­lie­he­ne in­ner­be­trieb­li­che Qua­li­fi­ka­tio­nen ha­ben grundsätz­lich kei­ne Be­deu­tung für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses. Ent­zieht der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer ei­ne sol­che Qua­li­fi­ka­ti­on, recht­fer­tigt die­ser Ent­zug als sol­cher kei­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung

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Letzte Überarbeitung: 14. September 2016

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