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LAG Köln, Be­schluss vom 17.06.2010, 7 Ta 352/09

   
Schlagworte: Zeugnis, Zeugnis: Verzicht, Zeugnis: Zwangsgeld bei Nichterteilung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 7 Ta 352/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 17.06.2010
   
Leitsätze:

1. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann auf den Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses nicht wirksam verzichtet werden. Ob nach Beendigung etwas anderes gilt, bleibt offen.

2. Der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses ist nicht erfüllt, wenn das Zeugnis zwar zur Führung des Arbeitnehmers Stellung nimmt, aber eine Leistungsbewertung nicht vornimmt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Aachen, Beschluss vom 22.09.2009, 6 Ca 3439/08
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, 7 Ta 352/09

 

Te­nor:

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Be­klag­ten ge­gen den
Zwangs­geld­be­schluss des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 22.09.2009 wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

 

Gründe:

I. Die zulässi­ge, frist­ge­recht ein­ge­leg­te so­for­ti­ge Be­schwer­de des Be­klag­ten ge­gen den Zwangs­geld­be­schluss des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 22.09.2009 ist in der Sa­che un­be­gründet.

1. Der Kläger hat ge­gen den Be­klag­ten gemäß Zif­fer 2 Satz 1 des Ver­gleichs der Par­tei­en vom 26.09.2008 ei­nen An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes wohl­wol­len­den qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­zeug­nis­ses. Der in Zif­fer 2 Satz 1 des Ver­glei­ches ti­tu­lier­te An­spruch des Klägers auf ein wohl­wol­len­des qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis ist ent­stan­den. Wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat, stand die­ser An­spruch nicht un­ter der Be­din­gung ei­ner „ord­nungs­gemäßen Räum­ung der Woh­nung“. Des­halb be­darf es auch kei­ner Dis­kus­si­on der Fra­ge, was un­ter ei­ner „ord­nungs­gemäßen Räum­ung der Woh­nung“ zu ver­ste­hen ge­we­sen wäre.

Die in Zif­fer 2 Satz 1 des Ver­gleichs auf­ge­nom­me­ne Ver­pflich­tung des Be­klag­ten 

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zur Er­tei­lung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­zeug­nis­ses hat als sol­che nur de­kla­ra­to­ri­sche Be­deu­tung. Der Kläger hätte auch oh­ne den Ver­gleich vom 26.09.2008 ei­nen An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­zeug­nis­ses ge­habt. Ein sol­cher An­spruch folgt un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz. § 109 Abs. 1 Ge­wO ist grundsätz­lich un­ab­ding­bar. Die For­mu­lie­rung „nach ord­nungs­gemäßer Räum­ung der Woh­nung erhält der Kläger...“ ist so­mit le­dig­lich als Fällig­keits­be­stim­mung für die sei­tens des Be­klag­ten über­nom­me­ne Ver­pflich­tung zur Aus­stel­lung ei­nes Kündi­gungs­schrei­bens und ins­be­son­de­re zur Er­tei­lung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Zeug­nis­ses zu se­hen. Mitt­ler­wei­le ist die Fällig­keit ein­ge­tre­ten, da die Woh­nung zwi­schen­zeit­lich un­strei­tig längst geräumt wur­de.

2. Der Kläger hat durch die strei­ti­ge Ver­gleichs­re­ge­lung auch nicht et­wa nachträglich auf sei­nen Zeug­nis­an­spruch un­ter der Be­din­gung ei­ner ‚nicht ord­nungs­gemäßen‘ Räum­ung der Woh­nung ver­zich­tet.

Während des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses kann auf den Zeug­nis­an­spruch nicht wirk­sam ver­zich­tet wer­den. Ob nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses et­was an­de­res gilt, ist in der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung noch un­geklärt (Er­fur­ter Kom­men­tar/Müller-Glöge, § 109 Ge­wO, Rd­nr. 52).

Ob das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en im Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Ver­glei­ches noch be­stand, war zwi­schen ih­nen ge­ra­de strei­tig. Der Kläger ging vom Fort­be­stand aus und hätte aus sei­ner Sicht so­mit kei­ne wirk­sa­me Ver­zichts­erklärung ab­ge­ben können. Schon dies spricht da­ge­gen, dass er ei­ne sol­che Erklärung hätte ab­ge­ben wol­len.

Der Re­ge­lung in Zif­fer 2 Satz 1 des Ver­gleichs könn­te der Erklärungs­wert ei­nes be­ding­ten Ver­zichts auf ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis – wenn über­haupt recht­lich möglich – aber al­len­falls bei ei­nem kla­ren und ein­deu­ti­gen Wort­laut des Ver­gleichs­tex­tes bei­ge­mes­sen wer­den. Ein sol­cher kla­rer und ein­deu­ti­ger Sinn kommt Zif­fer 2 Satz 1 des Ver­gleichs eben ge­ra­de nicht zu.

Dies gilt um so mehr, als Zif­fer 5 des Ver­gleichs Auf­schluss darüber gibt, dass die Par­tei­en mit den Re­ge­lun­gen des Ver­gleichs of­fen­sicht­lich ei­nen endgülti­gen Schluss­strich un­ter die zwi­schen ih­nen be­ste­hen­den Rechts­verhält­nis­se zie­hen woll­ten. Da­mit stünde die Aus­le­gung der For­mu­lie­rung „nach ord­nungs­gemäßer Räum­ung der Woh­nung“ als ech­te Be­din­gung für den Er­halt ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung zum 30.09.2008 und für die Aus­stel­lung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Zeug­nis­ses aber in Wi­der­spruch; denn die Par­tei­en ha­ben in dem Ver­gleich kei­ner­lei Re­ge­lung für den Fall vor­ge­se­hen, dass die ge­nann­te ver­meint­li­che Be­din­gung nicht ein­tre­ten würde. Soll­te der Ver­gleich dann ins­ge­samt hinfällig sein? Soll­te der Kündi­gungs­schutz­pro­zess dann fort­ge­setzt wer­den?

Darüber­hin­aus hat sich der Be­klag­te in Zif­fer 3 des Ver­gleichs zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe ei­nes Mo­nats­ge­hal­tes ver­pflich­tet, oh­ne dass je­den­falls in die­ser Ver­gleichs­re­ge­lung ir­gend­ein Zu­sam­men­hang zu ei­ner Be­din­gung er­kenn­bar ist.

Auch die­se sys­te­ma­ti­schen Un­stim­mig­kei­ten führen da­zu, dass der Aus­le­gung des Be­klag­ten kei­nes­wegs ge­folgt wer­den kann. Viel­mehr hat das Ar­beits­ge­richt rich­tig er­kannt, dass Zif­fer 2 Satz 1 des Ver­gleichs ei­ne un­be­ding­te Ver­pflich­tung enthält.

3. Der An­spruch des Klägers auf Er­tei­lung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Zeug­nis­ses ist auch nicht durch Erfüllung er­lo­schen.

Ein qua­li­fi­zier­tes Ar­beits­zeug­nis ist, wie auch § 109 Abs. 1 Satz 3 Ge­wO do­ku­men­tiert, ein sol­ches, das sich auf Führung und Leis­tung er­streckt. Das von dem

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Be­klag­ten un­ter dem Da­tum des 12.01.2009 er­teil­te Zeug­nis enthält aber nur Aus­sa­gen zur Führung des Klägers, aber kei­ne Be­wer­tung sei­ner Leis­tung. Auch dies hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend ge­se­hen.
Der Be­klag­te hat so­mit schon die Grund­ver­pflich­tung der Er­tei­lung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­zeug­nis­ses als sol­che nicht erfüllt, so dass der Zwangs­geld­be­schluss des Ar­beits­ge­richts zu Recht er­gan­gen ist.

4. Nur der Klar­stel­lung hal­ber sei – auch hier in vollständi­ger Übe­rein­stim­mung mit dem Ar­beits­ge­richt – dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es für das vor­lie­gen­de Be­schwer­de­ver­fah­ren auf die wei­te­ren in­halt­li­chen Ände­rungswünsche des Klägers (Aus­stel­lungs­da­tum des Zeug­nis­ses, Be­en­di­gungs­da­tum des Ar­beits­verhält­nis­ses, In­halt der Leis­tungs­be­wer­tung) nicht an­kommt. In­halt­li­che Fest­le­gun­gen die­ser Art sind in dem Zwangs­voll­stre­ckungs­ti­tel des Ver­gleichs vom 26.09.2008 nicht er­hal­ten. In­so­fern müss­te der Kläger ein neu­es Er­kennt­nis­ver­fah­ren an­stren­gen.

Zur Ver­mei­dung ei­nes sol­chen sei je­doch be­reits hier dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nach zu­tref­fen­der Aus­le­gung des Ver­glei­ches vom 26.09.2008 am 30.09.2008 sein En­de fin­den soll­te; dass der Ar­beit­neh­mer grundsätz­lich ei­nen An­spruch dar­auf hat, dass das Aus­stel­lungs­da­tum ei­nes Ar­beits­zeug­nis­ses mit dem Be­en­di­gungs­da­tum sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses übe­rein­stimmt; und schließlich, dass die­je­ni­ge Streit­par­tei, die ei­ne an­de­re Leis­tungs­be­ur­tei­lung an­strebt als ei­ne sol­che mitt­le­rer Art und Güte, für die Ab­wei­chung nach oben oder un­ten die vol­le Dar­le­gungs-und Be­weis­last trüge.

II. Ge­gen die vor­lie­gen­de Be­schwer­de­ent­schei­dung ist ein wei­te­res Rechts­mit­tel nicht zu­ge­las­sen.

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