HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 06/02

So­zi­al­ge­richt Frank­furt - Ar­beits­un­fall bei Weih­nachts­fei­er

"Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps" - das gilt bei Weih­nachts­fei­ern nicht: So­zi­al­ge­richt Frank­furt am Main, Ur­teil vom 24.01.2006, 10 SU 2623/03
Krankenhaus Al­koh­lo­be­ding­te Un­fäl­le bei Weih­nachts­fei­ern sind kei­ne Sel­ten­heit

25.01.2006. Weih­nachts­fei­ern sol­len ei­ne feucht-fröh­li­che Ver­an­stal­tung sein.

Je spä­ter die St­un­de, des­to öf­ter ge­ra­ten sol­che Ver­an­stal­tun­gen zum Ab­sa­cker, und dem­ent­spre­chend steigt die Al­ko­ho­li­sie­rung der noch ver­blie­be­nen Teil­neh­mer. 

Nicht sel­ten kommt es dann zu Un­fäl­len un­ter Al­ko­hol­ein­fluss und es stellt sich die Fra­ge, ob der ver­un­fall­te Ar­beit­neh­mer Leis­tun­gen der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung be­an­spru­chen kann.

In ei­nem vor ei­ni­gen Ta­gen er­gan­ge­nen Ur­teil hat das So­zi­al­ge­richt Frank­furt am Main da­zu ent­schie­den: Wer zu spä­ter St­un­de und un­ter Al­ko­hol­ein­fluß auf ei­ner Weih­nachts­fei­er stürzt, steht un­ter dem Schutz der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung, wenn der Vor­ge­setz­te noch an­we­send war: So­zi­al­ge­richt Frank­furt am Main, Ur­teil vom 24.01.2006, S 10 U 2623/03.

Wann en­det der Ver­si­che­rungs­schutz in der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung bei ei­ner Weih­nachts­fei­er?

Als Ar­beit­neh­mer bzw. "Beschäftig­ter" ist man un­ter an­de­rem durch die ge­setz­li­che Un­fall­ver­si­che­rung geschützt, d.h. man erhält Leis­tun­gen, falls ein Ver­si­che­rungs­fall vor­liegt. Ein prak­tisch be­son­ders wich­ti­ger Ver­si­che­rungs­fall ist der "Ar­beits­un­fall".

Frag­lich ist, ob ein Ar­beit­neh­mer, der bei ei­ner be­trieb­li­chen Weih­nachts­fei­er un­ter Al­ko­hol­ein­fluß stürzt und ei­nen Körper­scha­den er­lei­det, ei­nen ver­si­cher­ten "Ar­beits­un­fall" er­lit­ten hat - oder ob ein sol­cher Vor­gang dem pri­va­ten und da­mit ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Be­reich zu­zu­rech­nen ist. In die­sem Fal­le bestünde kein An­spruch auf Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen.

Zu die­ser Fra­ge hat sich das So­zi­al­ge­richt Frank­furt mit Ur­teil vom 24.01.2006, S 10 U 2623/03 geäußert.

Der Streit­fall: Amts­lei­ter und Mit­ar­bei­ter sit­zen um 03:00 Uhr noch beim Ab­sa­cker im Lo­kal

Dem Ur­teil des So­zi­al­ge­richts Frank­furt lag fol­gen­der Fall zu­grun­de:

Der Kläger war Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ter der Stadt D. Er ar­bei­te­te im Kul­tur- und Sport­amt der Stadt, des­sen Lei­ter Herr H war. Am 23.11.1996 fand in ei­nem Re­stau­rant ei­ne vom Kul­tur- und Sport­amt der Stadt D. or­ga­ni­sier­te und von des­sen Amts­lei­ter H. ge­neh­mig­te Weih­nachts­fei­er statt, an der ne­ben dem Amts­lei­ter und des­sen Stell­ver­tre­ter et­wa 25 wei­te­re Mit­ar­bei­ter des Am­tes teil­nah­men. Ver­zehr­kos­ten wur­den von den Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mern selbst be­zahlt.

Ge­gen 01.20 Uhr hat­te die Mehr­heit der Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mer die Fei­er ver­las­sen. Im Re­stau­rant wa­ren nur noch der Kläger, der Amts­lei­ter H. so­wie zwei Re­stau­rant­mit­ar­bei­ter an­we­send. Ge­gen 03.15 Uhr kam der Kläger auf dem zur Toi­let­te führen­den Trep­pen­ab­gang zu Fall und zog sich da­bei u.a. ein schwe­res Schädel-Hirn-Trau­ma zu. Bei der Ein­lie­fe­rung ins Kran­ken­haus wur­de bei dem Kläger ein Blut­al­ko­hol­ge­halt von 2.89 Pro­mil­le fest­ge­stellt, der nach den An­ga­ben der Ärz­te al­ler­dings fo­ren­sisch nicht ver­wert­bar ist. Nach Aus­kunft der Stadt D. war die Fei­er be­reits ge­gen 1.20 Uhr zu En­de.

Die Un­fall­ver­si­che­rung ver­wei­ger­te die vom Kläger be­an­trag­te An­er­ken­nung sei­nes Stur­zes als Ar­beits­un­fall und gewähr­te dem­ent­spre­chend kei­ne Leis­tun­gen. Hier­ge­gen er­hob der Ar­beit­neh­mer nach er­folg­lo­ser Durchführung des Wi­der­spruchs­ver­fah­rens Kla­ge.

So­zi­al­ge­richt Frank­furt: Da der Vor­ge­setz­te noch an­we­send war, war die "be­trieb­li­che Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung" noch nicht be­en­det

Das So­zi­al­ge­richt Frank­furt gab dem Kläger recht und hob die Ent­schei­dung der Un­fall­ver­si­che­rung auf. Zur Be­gründung heißt es:

Ein Ar­beits­un­fall im Sin­ne des Rechts der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung ist ein Un­fall, den ein Ver­si­cher­ter bei ei­ner ver­si­cher­ten Tätig­keit er­lei­det.

Bei der Weih­nachts­fei­er des Sport- und Kul­tur­am­tes der Stadt D. han­del­te es sich nach An­sicht des Ge­richts um ei­ne ver­si­cher­te Tätig­keit, da hier ei­ne sog. "be­trieb­li­che Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung" vor­lag, die grundsätz­lich un­ter dem Schutz der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung steht.

Da­bei ist es un­er­heb­lich, ob der ge­sam­te Be­trieb (hier: die ge­sam­te Ver­wal­tung der Stadt D.) oder nur ei­ne ih­rer Ab­tei­lun­gen (hier: das Sport- und Kul­tur­amt) ei­ne sol­che Weih­nachts­fei­er durchführt. Ei­ne be­trieb­li­che Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung liegt in bei­den Fällen vor.

Ent­schei­dend ist, daß der Be­triebs­ab­tei­lung ge­stat­tet ist, ei­ne Weih­nachts­fei­er durch­zuführen, daß der Lei­ter der Ab­tei­lung die Or­ga­ni­sa­ti­on und Durchführung der Fei­er ge­neh­migt und daß er später als Ver­ant­wort­li­cher an ihr teil­nimmt. Un­ter sol­chen Umständen ist die Fei­er als be­trieb­li­che Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung an­zu­se­hen. Dar­an ändert sich auch nichts da­durch, daß die Teil­neh­mer die Ver­zehr­kos­ten selbst zu tra­gen hat­ten.

Wei­ter­hin stand der Kläger auch noch im Zeit­punkt des Un­fall­er­eig­nis­ses un­ter dem Schutz der Un­fall­ver­si­che­rung, denn die Weih­nachts­fei­er war zu die­sem Zeit­punkt noch nicht be­en­det.

Zwar hat­ten ge­gen 01.20 Uhr bis auf den Kläger und den Amts­lei­ter H. sämt­li­che Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mer das Re­stau­rant ver­las­sen, doch liegt es nach An­sicht des Ge­richts "in der Na­tur von Fei­er­lich­kei­ten", daß am En­de nur noch we­ni­ge Per­so­nen an­we­send sind, noch ei­ne Wei­le lang sit­zen blei­ben und sich über Pri­va­tes un­ter­hal­ten. Außer­dem war der Vor­ge­setz­te des Klägers, Herr H., noch an­we­send, so daß der Kläger auch des­halb da­von aus­ge­hen konn­te, daß die Fei­er noch nicht be­en­det war.

Sch­ließlich kann dem Kläger nach An­sicht des So­zi­al­ge­richts Frank­furt auch nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, daß er zu später St­un­de noch Al­ko­hol ge­trun­ken und sich über pri­va­te Gesprächs­the­men un­ter­hal­ten hat. "Wenn nicht vor­her kon­kret ein Al­ko­hol­ver­bot aus­ge­spro­chen wird, ist es üblich, daß auf Weih­nachts­fei­ern Al­ko­hol ge­trun­ken wird und zwar bis zum En­de." Da­bei wer­de selbst­verständ­lich auch über pri­va­te The­men ge­spro­chen.

Fa­zit: Bis zu dem of­fi­zi­el­len En­de ei­ner be­trieb­li­chen Weih­nachts­fei­er be­steht Un­fall­ver­si­che­rungs­schutz. Ist die­ses of­fi­zi­el­le En­de nicht be­stimmt, können die Teil­neh­mer von der Fort­dau­er der Ver­an­stal­tung aus­ge­hen, so­lan­ge der Vor­ge­setz­te an­we­send ist.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 20. Dezember 2017

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de