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SG Frank­furt am Main, Ur­teil vom 24.01.2006, S 10 U 2623/03

   
Schlagworte: Arbeitsunfall, Weihnachtsfeier
   
Gericht: Sozialgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: S 10 U 2623/03
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.01.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Nachgehend Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.02.2008, L 3 U 71/06
   

Ent­schei­dung

1. Der Be­scheid vom 25.04.1997 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 27.06.2003 wird auf­ge­ho­ben.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, das Er­eig­nis vom 23.11.1996 als Ar­beits­un­fall an­zu­er­ken­nen und in ge­setz­li­chem Um­fang zu entschädi­gen.

3. Die Be­klag­te hat dem Kläger die not­wen­di­gen außer­ge­richt­li­chen Kos­ten zu er­stat­ten.

Tat­be­stand:

Der Kläger strei­tet um die An­er­ken­nung ei­nes Er­eig­nis­ses als Ar­beits­un­fall.

Der im Jah­re 1940 ge­bo­re­ne Kläger war im Zeit­punkt des strei­ti­gen Un­fall­er­eig­nis­ses Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ter der Stadt D. und als sol­cher Mit­ar­bei­ter der Bürger­haus­ver­wal­tung. Die­se wie­der­um war or­ga­ni­sa­to­risch dem Kul­tur- und Sport­amt der Stadt D. zu­ge­ord­net, des­sen Lei­ter im Un­fall­zeit­punkt Herr H. war.

Dem Bürger­haus der Stadt D. war sei­ner­zeit das Re­stau­rant "A.", an­ge­schlos­sen, wel­ches von dem Pächter­ehe­paar P. be­trie­ben wur­de. Zwi­schen dem Bürger­haus und dem Re­stau­rant be­fand sich ei­ne alarm­ge­si­cher­te Tür, die abends zu schließen und die Alarm­an­la­ge ein­zu­schal­ten war. Die­se Auf­ga­be ob­lag in der Re­gel dem Haus­meis­ter H., der ei­ne Woh­nung im Bürger­haus be­wohn­te.

Am 23.11.1996 fand in dem Re­stau­rant "A." ei­ne vom Kul­tur- und Sport­amt der Stadt D. or­ga­ni­sier­te und von des­sen Amts­lei­ter H. ge­neh­mig­te Weih­nachts­fei­er statt, an der ne­ben dem Amts­lei­ter und des­sen Stell­ver­tre­ter et­wa 25 wei­te­re Mit­ar­bei­ter des Am­tes teil­nah­men. Sämt­li­che Ver­zehr­kos­ten wur­den nach Aus­kunft der Stadt D. von den Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mern selbst be­zahlt.

Ge­gen 1.20 Uhr hat­te die Mehr­heit der Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mer die Fei­er ver­las­sen, und es wa­ren im Re­stau­rant an­we­send nur noch der Kläger, der Amts­lei­ter H. so­wie das Pächter­ehe­paar. Der Dienst des Haus­meis­ters H. hat­te an die­sem Abend ge­gen 22.00 Uhr ge­en­det.

Ge­gen 3.15 h kam der Kläger auf dem zur Toi­let­te führen­den Trep­pen­ab­gang zu Fall und zog sich da­bei u.a. ein schwe­res Schädel-Hirn-Trau­ma zu. Bei der Ein­lie­fe­rung ins Kran­ken­haus war bei dem Kläger ein Blut­al­ko­hol­ge­halt von 2.89 Pro­mil­le fest­ge­stellt wor­den, der nach den An­ga­ben der Ärz­te al­ler­dings fo­ren­sisch nicht ver­wert­bar ist.

Die Be­klag­te lei­te­te Er­mitt­lun­gen ein und nahm den Durch­gangs­arzt­be­richt so­wie die Un­fal­l­an­zei­ge der Stadt D. zu den Ak­ten. Aus de­ren Aus­kunft vom 17.03.1997 geht u.a. her­vor, dass die Fei­er ge­gen 1.20 Uhr zu En­de ge­we­sen ist, nach­dem sämt­li­che Gäste mit Aus­nah­me des Klägers und des Amts­lei­ters das Lo­kal ver­las­sen hat­ten.

Dar­auf­hin lehn­te die Be­klag­te mit Be­scheid vom 25.04.1997 die An­er­ken­nung des Er­eig­nis­ses vom 23.11.1996 als Ar­beits­un­fall ab, weil sich der Un­fall nicht mehr im Zu­sam­men­hang mit der ver­si­cher­ten, be­trieb­li­chen Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung er­eig­net ha­be. Die Fei­er sei ge­gen 1.20 Uhr be­en­det ge­we­sen. Der Un­fall ha­be sich in­des erst 2 St­un­den später und mit­hin bei ei­nem dem pri­va­ten Be­reich zu­zu­ord­nen­den Bei­sam­men­sein er­eig­net.

Mit dem da­ge­gen am 16.05.1997 ein­ge­leg­ten Wi­der­spruch mach­te der Kläger gel­tend, er sei ver­pflich­tet ge­we­sen, nach En­de der Ver­an­stal­tung ei­nen Kon­troll­gang durch­zuführen um zu prüfen, ob die alarm­ge­si­cher­te Ver­bin­dungstür ge­schlos­sen und die Alarm­an­la­ge ak­ti­viert sei. Dies ha­be er erst ma­chen können, nach­dem al­le Gäste ge­gan­gen sei­en. Hier­zu leg­te er ei­ne Erklärung sei­nes di­rek­ten Vor­ge­setz­ten, dem Geschäftsführer der Bürger­haus­ver­wal­tung Herrn H. vor, der bestätigt hat­te, dass der Kläger als Gast der Fei­er zu­gleich be­auf­tragt war, als Beschäftig­ter der Bürger­haus­ver­wal­tung den letz­ten Kon­troll­gang im Haus zu über­neh­men. Es ha­be über­haupt die Pra­xis be­stan­den, dass der zu­letzt noch an­we­sen­de Mit­ar­bei­ter die alarm­ge­si­cher­te Zwi­schentür zwi­schen Re­stau­rant und Bürger­haus ab­zu­sch­ließen hat­te, falls dies noch nicht ge­sche­hen war.

Die Be­klag­te hol­te Auskünf­te ein von dem Geschäftsführer der Bürger­haus­ver­wal­tung Herrn H., dem Haus­meis­ter H., dem Pächter­ehe­paar P. so­wie von dem Amts­lei­ter H ... Die­ser gab an, dass es ei­ne of­fi­zi­el­le Be­en­di­gung der Ver­an­stal­tung nicht ge­ge­ben hat­te. We­gen der Er­geb­nis­se im Übri­gen wird auf den In­halt der Ver­wal­tungs­ak­te ver­wie­sen.

Nach er­neu­ter Über­prüfung der Sach- und Rechts­la­ge wies die Be­klag­te den Wi­der­spruch durch Wi­der­spruchs­be­scheid vom 27.06.2003 zurück. Es ha­be für den Kläger kei­ne dienst­li­che Ver­an­las­sung ge­ge­ben, nach dem of­fi­zi­el­len En­de der Ver­an­stal­tung um 1.20 Uhr wei­ter im Re­stau­rant des Bürger­hau­ses D. zu blei­ben. Selbst wenn der Kläger noch die Ab­sicht ge­habt hätte, die Zwi­schentür zwi­schen Re­stau­rant und Bürger­haus­ver­wal­tung zu schließen und die Alarm­an­la­ge ein­zu­schal­ten, so hätte er dies so­fort tun können, nach­dem der Großteil der Teil­neh­mer ge­gan­gen sei. Es sei kein Grund er­sicht­lich, war­um er ha­be war­ten wol­len, bis Herr H. das Re­stau­rant ver­las­sen hat­te. Der Kläger ha­be sich des­halb nicht mehr aus be­trieb­li­chen Gründen im Re­stau­rant auf­ge­hal­ten, Dies wer­de bestätigt durch das Schrei­ben der Stadt D. vom 07.03.2001. Da­nach ha­be sich der Un­fall des Klägers zu ei­nem Zeit­punkt er­eig­net, als die Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung be­reits seit 2 St­un­den be­en­det ge­we­sen sei und dienst­li­che Ver­rich­tun­gen nicht mehr ge­for­dert wa­ren. Der wei­te­re Auf­ent­halt in der Gaststätte des Bürger­hau­ses sei je­den­falls aus­sch­ließlich dem ei­gen­ver­ant­wort­li­chen, pri­va­ten Be­reich des Klägers zu­zu­ord­nen.

Mit der da­ge­gen am 18.07.2003 er­ho­ben Kla­ge setzt der Kläger sein Be­geh­ren fort. Für ihn sei die Ver­an­stal­tung so­lan­ge nicht be­en­det ge­we­sen, wie Herr H. noch an­we­send ge­we­sen sei. Im­mer­hin sei dies sein Vor­ge­setz­ter ge­we­sen. Es ha­be auch kein Ver­tre­ter der Ge­mein­de­ver­wal­tung das of­fi­zi­el­le En­de der Ver­an­stal­tung verkündet. Wei­sungs­gemäß ha­be er bis zum En­de der Ver­an­stal­tung war­ten müssen, be­vor er sei­ner dienst­li­chen Ver­pflich­tung des Kon­troll­gangs ha­be nach­kom­men können, um die not­wen­di­gen Si­cher­heits­maßnah­men durchführen.

Der Kläger be­an­tragt,

den Be­scheid vom 25.04.1997 in der Ge­stalt es Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 27.06.2003 auf­zu­he­ben und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, das Er­eig­nis vom 23.11.1996 als Ar­beits­un­fall an­zu­er­ken­nen und in ge­setz­li­chem Um­fang zu entschädi­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt sinn­gemäß,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hält an ih­rer Auf­fas­sung fest, dass die Ver­an­stal­tung ge­gen 1.20 Uhr be­en­det ge­we­sen sei. Es wi­der­spre­che jeg­li­cher Le­bens­er­fah­rung, den Fort­gang ei­ner be­trieb­li­chen Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung an­zu­neh­men, wenn le­dig­lich noch 2 Be­triebs­an­gehöri­ge er­heb­li­che Zeit, nach­dem die an­de­ren Be­tei­lig­ten die Ver­an­stal­tung ver­las­sen hätten, sich mit ei­nem be­triebs­frem­den Pächter­ehe­paar noch an ei­nem Re­stau­rant­tisch befänden, Ge­tränke zu sich neh­men und sich pri­vat un­ter­hal­ten würden. Da­ge­gen spre­che auch nicht, dass ei­ner der noch an­we­sen­den Per­so­nen der (da­ma­li­ge) Amts­lei­ter ge­we­sen sei, denn auch die­ser könne sich nach En­de ei­ner Ver­an­stal­tung aus ei­gen­wirt­schaft­li­chen Gründen wei­ter­hin dort auf­hal­ten. Un­ter Hin­weis auf di­ver­se Ur­tei­le hat die Be­klag­te wei­ter vor­ge­tra­gen, dass ei­ne War­te­zeit zu­dem nur dann be­triebs­be­dingt ist, wenn be­triebs­be­ding­te Zwänge die War­te­zeit ver­ur­sacht hätten. Dies sei vor­lie­gend nicht der Fall, da der Kläger die Türen schon gleich nach En­de der Ver­an­stal­tung hätte schließen können. Auch im Rah­men von Be­reit­schafts­diens­ten sei­en Hand­lun­gen nicht mehr ver­si­chert, wenn sie durch ei­gen­wirt­schaft­li­che Tätig­kei­ten un­ter­bro­chen wor­den sei­en.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den übri­gen In­halt der Ge­richts­ak­ten und auf die Ver­wal­tungs­ak­ten der Be­klag­ten, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­we­sen sind, Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die recht­zei­tig er­ho­be­ne Kla­ge ist zulässig und in der Sa­che auch be­gründet. Die Be­klag­te hat das Er­eig­nis vom 23.11.1996 als Ar­beits­un­fall gem. § 548 Ab­satz 1 Nr. 1 Reichs­ver­si­che­rungs­ord­nung - RVO - bzw. § 56 Ab­satz 1 Sieb­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch VII) an­zu­er­ken­nen und in ge­setz­li­chem Um­fang zu entschädi­gen. Die Vor­schrif­ten der RVO fin­den gemäß § 212 ff. SGB VII vor­lie­gend wei­ter­hin An­wen­dung, weil Ansprüche aus ei­nem vor dem 1. Ja­nu­ar 1997 ein­ge­tre­te­nen Ver­si­che­rungs­fall gel­tend ge­macht wer­den.

Ein Ar­beits­un­fall im Sin­ne der ge­nann­ten Vor­schrift ist ein Un­fall, den ein Ver­si­cher­ter bei ei­ner ver­si­cher­ten Tätig­keit er­lei­det. Bei der Weih­nachts­fei­er des Sport- und Kul­tur­am­tes der Stadt D. han­delt es sich nach Auf­fas­sung der Kam­mer um ei­ne be­trieb­li­che Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung, die grundsätz­lich un­ter dem Schutz der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung steht. Hier­an ändert auch nichts der Um­stand, dass nicht die ge­sam­te Stadt­ver­wal­tung, son­dern nur ei­ne ih­rer Ab­tei­lun­gen, nämlich das Sport- und Kul­tur­amt die­se Weih­nachts­fei­er durch­geführt hat, denn die Pfle­ge der Ver­bun­den­heit zwi­schen Be­leg­schaft und Be­triebs­lei­tung kann auch ge­ge­ben sein, wenn Größe des Un­ter­neh­mens oder des­sen be­son­de­re Ge­ge­ben­hei­ten es für sinn­voll er­schei­nen las­sen, nicht für die ge­sam­te Be­leg­schaft ei­ne ein­zi­ge be­trieb­li­che Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung vor­zu­se­hen. Wenn - wie hier - den ein­zel­nen Ab­tei­lun­gen ge­stat­tet ist, ei­ne Weih­nachts­fei­er durch­zuführen und die Lei­ter ei­ner sol­chen Ab­tei­lung die Or­ga­ni­sa­ti­on und Durchführung der Fei­er ge­neh­mi­gen und später als Ver­ant­wort­li­che auch dar­an teil­neh­men, be­ste­hen kei­ner­lei Be­den­ken, die­se Fei­er als be­trieb­li­che Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tung an­zu­se­hen. Dem steht auch nicht ent­ge­gen, dass die Teil­neh­mer die Ver­zehr­kos­ten zu tra­gen hat­ten, wie die Stadt D. nun­mehr mit­ge­teilt hat. Der Zweck des be­trieb­li­chen Bei­sam­men­seins wird da­durch nicht be­ein­träch­tigt.

Im Zeit­punkt des streit­be­fan­ge­nen Un­fall­er­eig­nis­ses stand der Kläger noch un­ter dem Schutz der Un­fall­ver­si­che­rung, denn die Weih­nachts­fei­er war zu die­sem Zeit­punkt noch nicht be­en­det, zu­min­dest durf­te der Kläger nach Auf­fas­sung der Kam­mer an­ge­sichts der Ge­samt­umstände da­von aus­ge­hen, dass sie auch noch nach 1.20 Uhr fort­dau­er­te. Zwar hat­ten zu die­sem Zeit­punkt bis auf den Kläger und den Amts­lei­ter H. sämt­li­che Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mer das Re­stau­rant ver­las­sen. Dies hat aber nicht zwin­gend zur Fol­ge, dass die Weih­nachts­fei­er ab die­sem Zeit­punkt be­en­det ist. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten wi­der­spricht es ge­ra­de nicht jeg­li­cher Le­bens­er­fah­rung an­zu­neh­men, dass ein Fest wei­ter­geht, ob­wohl die meis­ten Teil­neh­mer schon ge­gan­gen sind. Es liegt in der Na­tur von Fei­er­lich­kei­ten, und dies gilt auch für Be­triebs­fei­ern, dass am En­de nur noch we­ni­ge Per­so­nen an­we­send sind und noch ei­ne zeit­lang sit­zen blei­ben und sich –auch über Pri­va­tes - un­ter­hal­ten.

Un­er­heb­lich ist, dass die Ver­wal­tungs­lei­tung der Stadt D. der Be­klag­ten ge­genüber an­ge­ge­ben hat, die Fei­er sei je­den­falls ge­gen 1.20 Uhr be­en­det ge­we­sen. Die­se hat­te am Un­fall­tag kei­ner­lei di­rek­ten Ein­fluss auf das En­de der Weih­nachts­fei­er. Die Stadt D. hat zu­vor auch nicht von den ihr zur Verfügung ste­hen­den Möglich­kei­ten zur Ein­fluss­nah­me Ge­brauch ge­macht. So hätte sie et­wa vor den an­ste­hen­den Jah­res­ab­schluss­fei­ern all­ge­mein oder durch ei­ne kon­kre­te An­wei­sung kund­tun können, dass der­ar­ti­ge be­trieb­li­che Fei­ern zu ei­ner be­stimm­ten Uhr­zeit be­en­det sind. Dies hätte dann durch ei­nen Hin­weis in der Ein­la­dung oder vor Be­ginn ei­ner Fei­er den Teil­neh­mern zur Kennt­nis ge­ge­ben wer­den können. Wenn von der Ver­wal­tungs­lei­tung der Stadt D. die Auf­fas­sung ver­tre­ten wird, ei­ne Weih­nachts­fei­er ist dann be­en­det, wenn die über­wie­gen­de An­zahl der Teil­neh­mer die Ver­an­stal­tung ver­las­sen hat, so ist dies den Teil­neh­mern vor­her mit­zu­tei­len und vor­her zah­lenmäßig zu kon­kre­ti­sie­ren. Dies ist un­strei­tig nicht ge­sche­hen. Auch wur­de nicht da­durch Ein­fluss auf das En­de der Weih­nachts­fei­er ge­nom­men, dass die Ver­zehr­kos­ten nur bis zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt über­nom­men wur­den. Dies wäre nämlich für die Teil­neh­mer ein kon­kre­ter Hin­weis dar­auf ge­we­sen, dass der of­fi­zi­el­le Teil der Fei­er nun­mehr be­en­det und die wei­te­re Teil­nah­me dem pri­va­ten Be­reich zu­zu­ord­nen ist.

Da es kei­ner­lei Hin­wei­se dafür gibt, dass die Stadt D. ir­gend­wie Ein­fluss auf das En­de der Weih­nachts­fei­er ge­nom­men hat, ob­lag es al­lein dem Ver­ant­wort­li­chen vor Ort, dem Amts­lei­ter H., die streit­be­fan­ge­ne Weih­nachts­fei­er of­fi­zi­ell zu be­en­den, et­wa durch ei­nen aus­drück­li­chen Hin­weis oder zu­min­dest da­durch, dass er selbst die Ver­an­stal­tung ver­las­sen hätte. Ei­ne sol­che of­fi­zi­el­le Be­en­di­gung der Weih­nachts­fei­er hat es nach den ei­ge­nen An­ga­ben des Amts­lei­ters H. nicht ge­ge­ben.

Von er­heb­li­cher Be­deu­tung ist fer­ner, dass es im­mer­hin "sein" Amts­lei­ter war, der mit dem Kläger noch wei­ter im Re­stau­rant ver­blie­ben ist. Wes­halb soll ein Mit­ar­bei­ter da­von aus­ge­hen, ei­ne Fei­er ist zu En­de, wenn selbst der Ver­ant­wort­li­che, der das Fest be­en­den müss­te, noch an­we­send ist. So konn­te der Kläger als Teil­neh­mer der Ver­an­stal­tung be­rech­tig­ter­wei­se da­von aus­ge­hen, dass das Fest auch dann nicht be­en­det war, als ein Großteil der Gäste die Fei­er schon ver­las­sen hat­te. Hier­aus folgt, dass der Sturz des Klägers auf dem Weg zur Toi­let­te un­ter dem Schutz der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung stand.

Nur der Vollständig­keit hal­ber wird noch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Ver­si­che­rungs­schutz auch des­halb zu be­ja­hen ist, weil sich der Kläger an die­sem Abend zu Recht ver­pflich­tet gefühlt hat, nach En­de der Ver­an­stal­tung die Zwi­schentür zum Bürger­haus zu schließen und die Alarm­an­la­ge ein­zu­schal­ten. Dies er­gibt sich aus den An­ga­ben des di­rek­ten Vor­ge­setz­ten des Klägers, Herrn H ... Da­nach gab es die ge­ne­rel­le An­wei­sung, dass der zu­letzt auf ei­nem Fest an­we­sen­de Mit­ar­bei­ter der Bürger­haus­ver­wal­tung die Pflicht hat­te, die Si­che­rungs­maßnah­men durch­zuführen, so­fern dies nicht be­reits von dem hierfür zuständi­gen Haus­meis­ter H. er­le­digt wor­den war. Die Kam­mer hat kei­nen An­lass hier­an zu zwei­feln, auch wenn die Stadt D. die­se Ver­pflich­tung des Klägers nicht bestätigt hat. Den An­ga­ben des Herrn H. als di­rek­tem Vor­ge­setz­ten kommt in­so­weit ei­ne we­sent­lich größere Be­deu­tung zu. Es ist un­strei­tig, dass der Haus­meis­ter am Un­fall­tag ge­gen 22.00 Uhr Dienst­schluss hat­te und es ist auch un­strei­tig, dass im Un­fall­zeit­punkt die er­for­der­li­chen Si­che­rungs­maßnah­men noch nicht durch­geführt wa­ren. An­ge­sichts die­ser Umstände konn­te der Kläger auch noch nach 1.20 Uhr da­von aus­ge­hen, dass er ver­pflich­tet war, nach En­de der Be­triebs­fei­er die er­for­der­li­chen Si­che­rungs­maßnah­men ein­zu­lei­ten.
Es kann da­hin­ste­hen, ob der Kläger die­se Auf­ga­be gleich um 1.20 Uhr hätte er­le­di­gen können und dies wahr­schein­lich so­gar sinn­vol­ler ge­we­sen wäre. Ent­schei­dend ist, dass der Kläger sich ver­pflich­tet fühl­te, die Si­che­rungs­maßnah­men am "En­de" des Fes­tes durch­zuführen und um 1.20 Uhr war für ihn – wie oben be­reits aus­geführt - das Fest noch nicht zu En­de. Es kann von dem Kläger nicht er­war­tet wer­den, sei­nen Vor­ge­setz­ten zum Auf­bruch zu drängen.

Dem Kläger kann schließlich nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, auch noch nach 1.20 Uhr Al­ko­hol ge­trun­ken und sich über pri­va­te Gesprächs­the­men un­ter­hal­ten zu ha­ben. Wenn nicht vor­her kon­kret ein Al­ko­hol­ver­bot aus­ge­spro­chen wird, ist es üblich, dass auf Weih­nachts­fei­ern Al­ko­hol ge­trun­ken wird und zwar bis zum En­de. Natürlich wird im Rah­men die­ses ge­sel­li­gen Bei­sam­men­seins auch über pri­va­te The­men ge­spro­chen. Der bei der Kran­ken­haus­ein­lie­fe­rung fest­ge­stell­te Blut­al­ko­hol­wert von 2,89 Pro­mil­le steht der An­er­ken­nung des UV-Schut­zes nicht ent­ge­gen, weil er fo­ren­sisch nicht ver­wert­bar ist.

An­ge­sichts die­ser Sach- und Rechts­la­ge war der Kla­ge je­den­falls statt­zu­ge­ben. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 193 So­zi­al­ge­richts­ge­setz.

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