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Strenge Voraussetzungen für negative Betriebsübung
16.06.2009. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat einem Croupier recht gegeben, der kraft langjähriger betrieblicher Übung die Gewährung eines Zeitguthabens für Tage mit gesetzlichen Spielverboten beanspruchte.
Die verklagte Spielbank hatte sich dem gegenüber auf eine - diese Betriebsübung angeblich verdrängende - gegenläufige bzw. "negative" Betriebsübung berufen.
Dass das LAG die umstrittene Rechtsfigur der gegenläufigen Betriebsübung im Ergebnis nicht anwenden wollte, wird durch ein zwei Tage später ergangenes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestätigt, mit dem das BAG die Lehre von der negativen Betriebsübung endgültig aufgibt (BAG, Urteil vom 18.03.2009, 10 AZR 281/08).
Im folgenden finden Sie eine Besprechung der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.03.2009, 10 Sa 2351/08.
- Wie weist man eine Betriebsübung nach - und wie das Gegenteil?
- Streit in einer Berliner Spielbank um Zeitgutschriften, die Croupiers kraft betrieblicher Übung für gesetzliche Spielverbotstage lange Zeit gewährt wurden
- LAG Berlin-Brandenburg: Für eine negative Betriebsübung muss der Arbeitgeber drei Mal zulasten der Arbeitnehmer von einer vorherigen Betriebsübung abweichen
- Fazit: Die Lehre von negativen Betriebsübung ist tot
Wie weist man eine Betriebsübung nach - und wie das Gegenteil?
Arbeitsvertragliche Rechte von Arbeitnehmern werden nicht nur durch ausdrückliche schriftliche oder mündliche Vereinbarungen begründet, sondern auch durch betriebliche Übungen. Eine Betriebsübung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter gleichförmiger Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aufgrund deren die Arbeitnehmer darauf vertrauen können, dass ihnen eine bestimmte Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Das Rechtsinstitut der Betriebsübung dient dem Schutz des Arbeitnehmers vor willkürlichen Verschlechterungen seiner Arbeitsbedingungen.
Eine betriebliche Übung entsteht nach der Rechtsprechung bereits dann, wenn der Arbeitgeber dreimal in Folge eine Vergünstigung in gleichförmiger Weise gewährt. Dann kann der Arbeitnehmer, darin besteht die Rechtsfolge einer Betriebsübung, künftig Vergünstigungen dieser Art beanspruchen, und zwar kraft Arbeitsvertrags, der durch die Betriebsübung zu seinen Gunsten verändert wurde. Das Entstehen einer betrieblichen Übung setzt keinen Rechtsbindungswillen des Arbeitgebers voraus. Ihm muss nur bewusst sein, dass er den Arbeitnehmern eine Vergünstigung gewährt.
Will der Arbeitgeber von betrieblichen Übung abweichen, kann er dies nur durch Änderung des Arbeitsvertrags erreichen, daneben auch - allerdings nur unter engen Voraussetzungen - durch Abschluss einer („verbösernden“) Betriebsvereinbarung. Ob darüber hinaus eine betriebliche Übung auch durch eine andere, für die Arbeitnehmer ungünstigere („negative“ oder „gegenläufige“) betriebliche Übung abgelöst werden kann, ist seit Jahren umstritten.
Einigen Urteilen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) soll dies der Fall sein, wobei die Voraussetzung eines solchen schleichenden Abbaus vertraglicher Rechte nie überzeugend herausgearbeitet wurden. Jedenfalls muss der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg, mindestens aber dreimal in Folge, zu Ungunsten der Arbeitnehmer von einer Betriebsübung abgewichen sein.
Über einen solchen Fall hatte vor kurzem das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg zu entscheiden (Urteil vom 16.03.2009, 10 Sa 2351/08).
Streit in einer Berliner Spielbank um Zeitgutschriften, die Croupiers kraft betrieblicher Übung für gesetzliche Spielverbotstage lange Zeit gewährt wurden
Ein Croupier, auf dessen Arbeitsverhältnis infolge arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Rahmentarifvertrag (RTV) „Klassisches Spiel“ Anwendung fand, klagte gegen seinen Arbeitgeber auf Gewährung von Zeitgutschriften. § 5 Abs.3 S.1 des RTV sieht pro Dienstplanwoche von sieben Tagen mindestens zwei arbeitsfreie Tage (Ausgänge) vor. Die wöchentliche Arbeitszeit von 34 bzw. 36 Stunden vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, um die jeweils ausgefallene Zeit.
Das Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin sieht in § 9 vor, dass an Karfreitag, am Volkstrauertag, am Totensonntag und am 24. und 25. Dezember das Spielen verboten ist. Der beklagte Arbeitgeber, eine Spielbank, gestand Arbeitnehmern, die an einem Spielverbotstag nicht zum Dienst eingeteilt waren, von 1991 bis 2003 Zeitgutschriften von jeweils einem Ausgangstag zu.
Mitte Juni 2004 trat eine Betriebsvereinbarung in Kraft, aufgrund deren „gesetzliche Schließtage vorläufig befristet bis zum 31.12.2004 im Dienstplan keine Berücksichtigung finden, d.h. für Schließtage kein Mitarbeiter mehr eingeteilt wird.“ Im Jahr 2004 wurden für Spielverbotstage daher keine Zeitgutschriften bzw. Ersatz-Ausgangstage mehr gewährt. Die Dienstplanung im Jahr 2005 erfolgte dann aber wieder so wie vor dem Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung.
Im Jahr 2006 war der Kläger am 19.11., am 26.11. sowie am 24.12. nicht zum Dienst eingeteilt, wobei ihm keine Zeiten gutgeschrieben wurden. Der Kläger widersprach den Gehaltsabrechnungen und meinte, dass ihm Zeitgutschriften für drei Tage gewährt werden müssten. Dieser Anspruch stehe ihm aufgrund einer bei der Spielbank bestehenden betrieblichen Übung zu.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin gab der Klage mit Urteil vom 16.09.2008 (54 Ca 10048/08) statt und gewährte dem Kläger die begehrte Zeitgutschrift. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg ein.
LAG Berlin-Brandenburg: Für eine negative Betriebsübung muss der Arbeitgeber drei Mal zulasten der Arbeitnehmer von einer vorherigen Betriebsübung abweichen
Das LAG Berlin-Brandenburg entschied ebenfalls zugunsten des Croupiers, d.h. es wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Das LAG schließt sich zunächst der Annahme des Arbeitsgerichts an, dass bei der Beklagten eine betriebliche Übung entstanden war, da der Arbeitgeber ohne Vorbehalt über mindestens 13 Jahre Zeitgutschriften für jeden Spielverbotstag gewährte.
Dabei stellte das LAG zunächst in Anlehnung an eine Entscheidung des BAG aus dem Jahre 1997 klar (BAG, Urteil vom 21.01.1997, 1 AZR 572/96), dass die Praxis der Zeitgutschriften für Spielverbotstage nicht nur oder in erster Linie eine (vom Arbeitgeber einseitig zu entscheidende) Frage des Arbeitseinsatzes darstellt, sondern eine primär arbeitsvertragliche bzw. das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betreffende Vergünstigung. Diese wurde hier nicht in Geld, sondern in Form einer Zeitgutschrift gewährt und stand nach Ansicht des Gerichts mit dem betrieblichen „Organisationsgefüge“ in keinem Zusammenhang.
Auf eine mögliche Nachwirkung der Betriebsvereinbarung vom 28.06.2004 kam es dem LAG nicht an. Selbst im Falle einer solchen Nachwirkung ginge ihr nämlich gemäß dem Günstigkeitsprinzip der individualvertragliche, durch betriebliche Übung begründete Anspruch des Klägers vor. Damit verneint das Gericht im Ergebnis die Voraussetzungen für eine verbösernde Betriebsvereinbarung, die ja gerade eine Durchbrechung des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis von Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung beinhaltet.
Schließlich war nach Ansicht des Gerichts auch keine negative betriebliche Übung entstanden, die den Anspruch des Klägers beseitigen würde.
Nach der vom LAG erwähnten Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 28.05.2008, 10 AZR 274/07 u. 275/07) kann eine Betriebsübung zwar durch eine dem Arbeitnehmer ungünstige Betriebsübung wieder beseitigt werden. Dazu muss der Arbeitgeber aber, von weiteren Voraussetzungen einer negativen Betriebsübung abgesehen, dreimal in Folge von der ursprünglichen, den Arbeitnehmer begünstigenden betrieblichen Übung abweichen.
Eine negative Betriebsübung lag daher im Streitfall nicht vor, so das LAG, da der Arbeitgeber nur in dem Jahr 2004 in einer für die Croupiers ungünstigen Weise, nämlich gemäß der Betriebsvereinbarung, verfuhr, bereits im nächsten Jahr aber wieder die alte (günstige) Betriebsübung befolgte.
Ein rechtlicher Wille des Klägers, unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf die Zeitgutschriften für das Jahr 2004 zu verzichten, war nicht erkennbar, da die Betriebsvereinbarung in diesem Jahr unstreitig galt.
Mit Blick auf die Jahre 2005 und 2006 hatte die Spielbank zwar vorgetragen, dass der Kläger dreimal auf die Geltendmachung von Zeitgutschriften verzichtet habe. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte er aber nur für zwei Tage keine Zeitgutschriften verlangt und daher nicht dreimal in Folge verzichtet. Eine negative betriebliche Übung lag daher im Ergebnis nicht vor.
Fazit: Die Lehre von negativen Betriebsübung ist tot
Dem Urteil ist im Ergebnis zuzustimmen. Es macht deutlich, dass im Einzelfall erhebliche Unsicherheiten über die richtige „Art zu zählen“ bestehen können: Nimmt man den einzelnen Spielverbotstag (und nicht das Kalenderjahr) als Probefall für eine Betriebsübung in der einen oder anderen Richtung, kann der Arbeitnehmer sehr rasch durch „braves“ Hinnehmen eines Rechtsverstoßes seinen Betriebsübungs-Anspruch wieder verlieren.
Daher sollte die Rechtsfigur der negativen Betriebsübung bereits aus Gründen der unzureichenden Rechtssicherheit bei der Anwendung dieser Rechtsfigur aufgegeben werden.
Ein weiterer Einwand gegen die Lehre von der negativen Betriebsübung lässt sich aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht) herleiten, das seit 2002 auch im Arbeitsrecht zu beachten ist und das die Arbeitsgerichte dazu verpflichtet, die vom Arbeitgeber einseitig ausgearbeiteten Vertragsklauseln (das "Kleingedruckte") auf seine Verständlichkeit und Angemessenheit hin zu überprüfen.
Da es auch nicht schriftlich fixierte AGB geben kann, steht die Lehre von der negativen Betriebsübung in Widerspruch zu § 308 Nr.5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach eine Bestimmung in den AGB des Arbeitgebers unwirksam ist, der zufolge eine Erklärung des Arbeitnehmers bei "Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt". Und wenn das widerspruchslose Hinnehmen einer gegenläufigen bzw. negativen Betriebsübung als Einverständnis des Arbeitnehmers gedeutet werden und damit zum Anspruchswegfall führen soll, ist diese Lehre aufzugeben, weil sie gegen § 308 Nr.5 BGG verstößt.
Diese Folgerung hat auch das BAG gezogen, und zwar just zwei Tage nach dem hier besprochenen Urteil des LAG Berlin-Brandenburg. In dieser Entscheidung hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur gegenläufigen Betriebsübung offiziell aufgegeben: BAG, Urteil vom 18.03.2009, 10 AZR 281/08. Einer der Leitsätze dieser BAG-Entscheidung lautet:
"Erklärt ein Arbeitgeber unmissverständlich, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Weihnachtsgeldzahlung beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, kann nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 nach § 308 Nr.5 BGB eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme der Zahlung durch den Arbeitnehmer nicht mehr den Verlust des Anspruchs auf das Weihnachtsgeld bewirken (...)"
Fazit: Die vom BAG in einigen älteren Urteilen vertretene Möglichkeit, durch Betriebsübung entstandene arbeitsvertragliche Arbeitnehmerrechte durch eine gegenläufige Betriebsübung wieder zu beseitigen, gilt nicht mehr.
Diese Rechtsprechung hatte sich ohnehin, wie das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 16.03.2009 zeigt, nie richtig durchsetzen können. Auch wenn sich einige Gerichte in der Vergangenheit ein Lippenbekenntnis zur negativen Betriebsübung abgerungen haben, urteilten sie im Ergebnis meist zugunsten des Arbeitnehmers.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.03.2009, 10 Sa 2351/08
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.03.2009, 10 AZR 281/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Übung
- Arbeitsrecht aktuell: 09/122 Änderung der Rechtsprechung des BAG zur gegenläufigen betrieblichen Übung
Letzte Überarbeitung: 13. März 2018
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