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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 16.03.2009, 10 Sa 2351/08

   
Schlagworte: Betriebliche Übung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 10 Sa 2351/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.03.2009
   
Leitsätze: Die Gewährung von Zeitgutschriften ist nicht dem Organisationsbereich zuzuordnen. Es handelt sich um Vergünstigungen. Für eine gegenläufige betriebliche Übung bedarf es des mindestens dreimaligen Verzichts auf die zuvor gewährte Leistung.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 16.09.2008, 54 Ca 10048/08
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 16. März 2009

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

10 Sa 2351/08

54 Ca 10048/08
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

H., VA
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 10. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 16. März 2009
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt
W.-M. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr L.und Herr S.

für Recht er­kannt:

1.
Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 16. Sep­tem­ber 2008 - 54 Ca 10048/08 - wird zurück­ge­wie­sen.

2.
Die Kos­ten des Rechts­streits hat die Be­klag­te bei ei­nem Streit­wert von 748,62 EUR zu tra­gen.

3.
Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

- 3 -

T a t b e s t a n d

Die Par­tei­en strei­ten um die Gewährung von Zeit­gut­schrif­ten im Um­fang von Er­satz-Aus­gangs­ta­gen für drei ar­beits­freie Spiel­ver­bots­ta­ge im Jah­re 2006.

Der Kläger ist 54 Jah­re alt und seit dem 1. De­zem­ber 1979 bei der Be­klag­ten als Crou­pier mit zu­letzt 5.609,49 EUR brut­to mo­nat­lich beschäftigt. Auf­grund ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung fin­det der Rah­men­ta­rif­ver­trag „Klas­si­sches Spiel“ (RTV) An­wen­dung auf das Ar­beits­verhält­nis.

Nach § 5 Abs.3 Satz 1 RTV blei­ben für den Ar­beit­neh­mer in je­der Dienst­plan­wo­che (7 Ta­ge) min­des­tens zwei Ta­ge ar­beits­frei (Ausgänge). Nach § 5 Abs.2 RTV re­du­ziert sich die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 34 bzw. 36 St­un­den für je­den ge­setz­li­chen Fei­er­tag, der auf ei­nen Werk­tag fällt, um die aus­ge­fal­le­ne Ar­beits­zeit. Nach § 9 des Ge­set­zes über die Zu­las­sung öffent­li­cher Spiel­ban­ken in Ber­lin (Spiel­ban­ken­ge­setz – SpBG) ist am Kar­frei­tag, Volks­trau­er­tag, To­ten­sonn­tag, am 24. und 25. De­zem­ber so­wie an aus be­son­de­rem An­lass von der Auf­sichts­behörde be­stimm­ten Ta­gen das Spie­len ver­bo­ten.

Seit ca. 30 Jah­ren, min­des­tens aber von 1991 bis ein­sch­ließlich 2003 gewähr­te die Be­klag­te den Mit­ar­bei­tern, die an ei­nem Spiel­ver­bots­tag nicht zum Dienst ein­ge­teilt wa­ren, ei­ne Zeit­gut­schrift im Um­fang je ei­nes zusätz­li­chen Aus­gangs­ta­ges.

Un­ter dem 28. Ju­ni 2004 schlos­sen die Be­klag­te und der bei ihr ge­bil­de­te Be­triebs­rat ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über „Ein­spa­run­gen“ (Bl. 7-9 d.A.). Nach § 8 trat sie so­fort in Kraft und en­de­te am 31. De­zem­ber 2004. In § 3 ver­ein­bar­ten die Be­triebs­par­tei­en:

„Ge­setz­li­che Sch­ließta­ge fin­den vorläufig be­fris­tet bis zum 31.12.2004 im Dienst­plan kei­ne Berück­sich­ti­gung, d.h., für Sch­ließta­ge wird kein Mit­ar­bei­ter mehr ein­ge­teilt. Der Dienst­plan „läuft durch“, in­dem ei­nem Ar­beits­tag vor ei­nem Sch­ließtag un­mit­tel­bar der Ar­beits­tag nach ei­nem Sch­ließtag folgt.“

 

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Nach dem In­kraft­tre­ten er­folg­te im Jah­re 2004 für kei­nen Ar­beit­neh­mer an Spiel­ver­bots­ta­gen mehr ei­ne Zeit­gut­schrift im Um­fang je ei­nes Er­satz-Aus­gangs­ta­ges. Seit dem Jah­re 2005 wur­den die Diens­te wie­der wie vor dem In­kraft­tre­ten der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­plant. Im Jah­re 2005 war der Kläger Kar­frei­tag zum Dienst ein­ge­teilt, am Volks­trau­er­tag und am To­ten­sonn­tag hat­te er Aus­gang. Hei­lig­abend und am 1. Weih­nachts­tag 2005 hat­te er Ur­laub. Im Jah­re 2006 hat­te der Kläger an den drei strei­ti­gen Ta­gen 19. No­vem­ber, 26. No­vem­ber und 24. No­vem­ber 2006 Aus­gang, war al­so nicht zum Dienst ein­ge­teilt. Kar­frei­tag und am 1. Weih­nachts­fei­er­tag war er zum Dienst ein­ge­teilt.

Mit Schrei­ben vom 29. Ja­nu­ar 2007, bei der Be­klag­ten am glei­chen Ta­ge ein­ge­gan­gen, er­hob der Kläger Ein­spruch ge­gen die Ge­halts­ab­rech­nun­gen No­vem­ber 2006 und De­zem­ber 2006, da er für den 19. No­vem­ber 2006 und 26. No­vem­ber 2006 so­wie für den 24. De­zem­ber 2006 je­weils kei­ne Zeit­gut­schrift er­hal­ten ha­be.

Der Kläger meint, ihm ste­he der An­spruch auf Gut­schrift im Um­fang von drei Aus­gangs­ta­gen aus be­trieb­li­cher Übung zu. Das set­ze auch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung grundsätz­lich vor­aus, weil sonst das Aus­set­zen ei­ner Re­ge­lung kei­nen Sinn ma­chen würde.

Die Be­klag­te meint, dass der An­spruch schon auf­grund der nach­wir­ken­den Be­triebs­ver­ein­ba­rung nicht be­ste­he. Nach­wir­kung ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung sei der Re­gel­fall. Es han­de­le sich um ei­ne er­zwing­ba­re Mit­be­stim­mung da es ei­ne Fra­ge der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit sei. Ab­wei­chun­gen vom ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Re­gel­fall sei­en nicht er­sicht­lich. Auch die Ver­wen­dung des Wor­tes „vorläufig“ in § 3 deu­te dar­auf hin, dass die Be­triebs­par­tei­en kei­ne ab­sch­ließen­de und in je­dem Fall nicht fort­gel­ten­de Re­ge­lung hätten ver­ein­ba­ren wol­len.

Von der wei­te­ren Dar­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stan­des wird gemäß § 69 Abs. 2 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) ab­ge­se­hen.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge mit Ur­teil vom 16. Sep­tem­ber 2008 statt­ge­ge­ben und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, dass der An­spruch auf­grund be­trieb­li­cher Übung be­ste­he. Min­des­tens 13 Jah­re lang

 

- 5 -

ha­be die Be­klag­te un­ein­ge­schränkt und vor­be­halt­los die Aus­gleichs­ta­ge gewährt. Sie ha­be frei­wil­lig den Ar­beit­neh­mern Ein­zel­leis­tun­gen nach ei­nem ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip er­bracht, so dass von ei­nem Bin­dungs­wil­len der Be­klag­ten aus­zu­ge­hen sei. Ei­ne Öff­nung zur Abände­rung der Re­ge­lung et­wa durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung ha­be die Be­klag­te sich nicht vor­be­hal­ten. Der RTV ent­hal­te kei­ne dies­bezügli­chen Re­ge­lun­gen und die Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 28. Ju­ni 2004 ha­be die Ansprüche auf­grund des Güns­tig­keits­prin­zips nicht be­sei­ti­gen können. Da die Re­ge­lun­gen der Be­triebs­ver­ein­ba­rung auch bei ei­nem kol­lek­ti­ven Güns­tig­keits­ver­gleich ver­schlech­ternd sei­en und ein Ände­rungs­vor­be­halt nicht ge­ge­ben sei, kom­me es auf die Fra­ge der Nach­wir­kung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung nicht an. Es gel­te die be­trieb­li­che Übung fort. Der An­spruch sei auch nicht durch ei­ne ge­genläufi­ge be­trieb­li­che Übung wie­der be­sei­tigt wor­den.

Ge­gen die­ses der Be­klag­ten am 31. Ok­to­ber 2008 zu­ge­stell­te Ur­teil leg­te sie am 27. No­vem­ber 2008 Be­ru­fung ein und be­gründe­te die­se am 29. De­zem­ber 2008.

Zur Be­gründung führt die Be­klag­te aus, dass es der Be­klag­ten bei der bis zum Jah­re 2004 gewähr­ten Pra­xis an ei­nem Rechts­bin­dungs­wil­len ge­fehlt ha­be. An­ders als bei Sach­ver­hal­ten, die die Wech­sel­be­zie­hun­gen zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung be­tref­fen würden, sei die­ser bei Ge­genständen mit dem Schwer­punkt im Be­reich der Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on, ins­be­son­de­re bei Fra­gen der Ar­beits­zeit, eher nicht an­zu­neh­men. Die ursprüng­li­che kol­lek­ti­ve Hand­ha­bung und die späte­re Fi­xie­rung in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 28. Ju­ni 2004 würden be­le­gen, dass es sich um ei­nen ty­pi­schen kol­lek­ti­ven Tat­be­stand han­de­le, der nicht von ei­ner Viel­zahl ein­zel­ver­trag­li­cher Ab­spra­chen abhängen sol­le.

Die Be­klag­te führt wei­ter aus, dass es sich um ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge An­ge­le­gen­heit han­de­le, de­ren Re­ge­lung nach­wir­ke. An­ge­sichts der feh­len­den be­trieb­li­chen Übung kom­me es dar­auf auch an. Sch­ließlich lie­ge aber auch ei­ne ge­genläufi­ge be­trieb­li­che Übung vor, wenn ein Ar­beit­neh­mer drei­mal ei­ner ge­genläufi­gen Hand­ha­bung nicht wi­der­spre­che. Da der Kläger so­wohl für das Jahr 2004 wie auch für das Jahr 2005 kei­ne zusätz­li­chen Aus­gangs­ta­ge ver­langt

 

- 6 -

ha­be, ob­wohl ihm ge­ra­de auf­grund der Be­triebs­ver­ein­ba­rung die Nicht­gewährung deut­lich ge­macht wor­den sei, sei ei­ne ge­genläufi­ge be­trieb­li­che Übung ent­stan­den. So sei der Kläger am Volks­trau­er­tag und am To­ten­sonn­tag 2005 so­wie am Kar­frei­tag, dem 12. April 2006 nicht zum Dienst ein­ge­teilt ge­we­sen.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

un­ter Auf­he­bung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 16. Sep­tem­ber 2008, Ak­ten­zei­chen 54 Ca 10048/08, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger er­wi­dert, dass der Bin­dungs­wil­le der Be­klag­ten an­zu­neh­men sei. Hier ge­he es nicht um ei­ne Fra­ge der Ar­beits­zeit, son­dern um ei­ne Fra­ge der Frei­stel­lung von der Ar­beit. Und bei Ar­beits­be­frei­un­gen aus be­stimm­ten Anlässen sei eher von ei­nem Bin­dungs­wil­len aus­zu­ge­hen. Ei­ne ge­genläufi­ge be­trieb­li­che Übung sei nicht an­zu­neh­men.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der Be­ru­fungs­be­gründung der Be­klag­ten vom 29. De­zem­ber 2008, ih­re Schriftsätze vom 9. März 2009 und 12. März 2009 so­wie auf die Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung des Klägers vom 13. Fe­bru­ar 2009 und das Sit­zungs­pro­to­koll vom 16. März 2009 Be­zug ge­nom­men.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist form- und frist­ge­recht im Sin­ne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zi­vil­pro­zess­ord­nung (ZPO) ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

 

- 7 -

II.

Die Be­ru­fung ist un­be­gründet und da­her zurück­zu­wei­sen. Der Kläger hat ei­nen An­spruch auf ei­ne Zeit­gut­schrift im Um­fang von drei Er­satz-Aus­gangs­ta­gen.

So­wohl im Er­geb­nis als auch in der Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt zu Recht der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt folgt dem Ar­beits­ge­richt Ber­lin im Er­geb­nis und im We­sent­li­chen auch in der Be­gründung. Die Kam­mer sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von ei­ner ausführ­li­chen, nur wie­der­ho­len­den Be­gründung ab.

1.
Denn das Ar­beits­ge­richt hat­te un­ter Be­zug­nah­me auf die ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts mit zu­tref­fen­den Erwägun­gen aus­geführt, dass von ei­ner be­trieb­li­chen Übung aus­zu­ge­hen sei. So­weit die Be­klag­te meint, dass Ar­beits­zeit­fra­gen eher nicht ei­ner be­trieb­li­chen Übung un­ter­fal­len würden, weil sie stark in das Or­ga­ni­sa­ti­ons­gefüge des Be­trie­bes ein­grei­fen würden, über­sieht die Be­klag­te zum ei­nen, dass in die­sem Be­reich den­noch ei­ne be­trieb­li­che Übung ent­ste­hen kann und zum an­de­ren, dass es hier eher nicht um das Or­ga­ni­sa­ti­ons­gefüge geht.

Mit Ur­teil vom 21. Ja­nu­ar 1997 - 1 AZR 572/96 hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­den, dass die An­nah­me ei­ner be­trieb­li­chen Übung nicht et­wa von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen sei, weil es um die Fest­le­gung ei­nes be­trieb­li­chen Schicht­sys­tems ge­he und nicht um ei­ne Leis­tung oder Vergüns­ti­gung des Ar­beit­ge­bers. Da ei­ne be­trieb­li­che Übung durch ein als Wil­lens­erklärung zu wer­ten­des Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers und des­sen still­schwei­gen­de An­nah­me durch die Ar­beit­neh­mer zu­stan­de kom­me, sei sie grundsätz­lich für je­den Ge­gen­stand vor­stell­bar, der ar­beits­ver­trag­lich in ei­ner so all­ge­mei­nen Form ge­re­gelt wer­den könne. Da­zu gehöre auch die Fest­le­gung von Schicht­zei­ten. Der frag­li­che Ge­gen­stand sei le­dig­lich für die Be­wer­tung, ob die Ar­beit­neh­mer aus ei­nem be­stimm­ten Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers auf ei­nen ent­spre­chen­den in­di­vi­du­al­recht­li­chen Bin­dungs­wil­len schließen durf­ten, von Be­deu­tung.

 

- 8 -

Die­ses auf den vor­lie­gen­den Fall über­tra­gen be­deu­tet, dass die vor­be­halt­lo­se Gewährung von Zeit­gut­schrif­ten für auf Spiel­ver­bots­ta­ge fal­len­de Aus­gangs­ta­ge über min­des­tens 13 Jah­re ei­ne be­trieb­li­che Übung dar­stellt. Der Rechts­bin­dungs­wil­le ist in je­dem Fall an­zu­neh­men, da es sich da­bei nicht um die Fra­ge des Ar­beits­ein­sat­zes, son­dern nur um die Fra­ge ei­ner Zeit­gut­schrift han­delt. Die­se ist je­doch eher als Leis­tung oder Vergüns­ti­gung an­zu­se­hen und hat mit dem Or­ga­ni­sa­ti­ons­gefüge im Be­trieb nichts zu tun..

2.
Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt auch die et­wai­ge Nach­wir­kung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 28. Ju­ni 2004 da­hin­ste­hen las­sen. Denn auf­grund des vom Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend gewürdig­ten Güns­tig­keits­prin­zips kann die Be­triebs­ver­ein­ba­rung den durch be­trieb­li­che Übung in­di­vi­du­al­recht­li­chen An­spruch des Klägers nicht mehr be­sei­ti­gen.

3.
Auch ei­ne ge­genläufi­ge - ne­ga­ti­ve - be­trieb­li­che Übung hat das Ar­beits­ge­richt im Er­geb­nis zu Recht nicht an­ge­nom­men. Grundsätz­lich kann ei­ne be­ste­hen­de be­trieb­li­che Übung nach der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts durch ei­ne neue, für den Ar­beit­neh­mer ungüns­ti­ge­re be­trieb­li­che Übung zwar ab­gelöst wer­den (vgl. zu­letzt BAG, Ur­teil vom 28. Mai 2008 - 10 AZR 274/07 und 275/07). Eben­so wie bei der Ent­ste­hung ei­ner be­trieb­li­chen Übung kommt es ent­schei­dend auf Art, Dau­er und In­ten­sität des Leis­tungs­ver­zichts so­wie auf die Zahl der An­wen­dungsfälle im Verhält­nis zur Be­leg­schaftsstärke an. Da­nach ist min­des­tens ei­ne drei­ma­li­ge ge­genläufi­ge Hand­ha­bung er­for­der­lich.

Nach den Dar­le­gun­gen der Be­klag­ten im Schrift­satz vom 12. März 2009 war der Kläger im Jah­re 2004 an al­len Spiel­ver­bots­ta­gen zum Dienst ein­ge­teilt. Aber selbst wenn er an die­sen Ta­gen Aus­gang ge­habt hätte, wäre - je­den­falls ab dem 28. Ju­ni - nicht von ei­nem Bin­dungs­wil­len des Klägers auf ei­nen Ver­zicht der Zeit­gut­schrift aus­zu­ge­hen ge­we­sen, denn auf­grund der sei­ner­zeit un­strei­tig gülti­gen Be­triebs­ver­ein­ba­rung war kein An­halts­punkt er­sicht­lich, dass der Kläger un­abhängig von die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung auch auf die Zeit­gut­schrift ver­zich­tet hätte. Es kann

 

- 9 -

auch für die Jah­re 2005 und 2006 da­hin­ste­hen, ob wie vom Ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men auf­grund der Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten in die­sem Rechts­streit, dass die Be­triebs­ver­ein­ba­rung nach­wir­ke, ein Bin­dungs­wil­le des Klägers aus Sicht der Be­klag­ten nicht hätte an­ge­nom­men wer­den können. Zwar hat die Be­klag­te im Schrift­satz vom 12. März 2009 be­haup­tet, dass der Kläger Im Jah­re 2005 am Volks­trau­er­tag und am To­ten­sonn­tag so­wie im Jah­re 2006 am Kar­frei­tag, dem 12. April 2006 Aus­gang ge­habt ha­be, oh­ne die Zeit­gut­schrift im Um­fang ei­nes Er­satz­aus­gleichs­ta­ges gel­tend zu ma­chen, tatsächlich war aber Kar­frei­tag im Jah­re 2006 am 14. April. Und an die­sem Tag hat­te der Kläger un­strei­tig kei­nen Aus­gangs­tag. Wenn aber der Kläger nicht min­des­tens drei­mal wie­der­keh­rend auf die Gel­tend­ma­chung der Zeit­gut­schrift ver­zich­tet hat, liegt je­den­falls kei­ne ge­genläufi­ge be­trieb­li­che Übung vor.

 

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Ver­bin­dung mit §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Als un­ter­le­ge­ne Par­tei hat die Be­klag­te die Kos­ten der Be­ru­fung und des Rechts­streits zu tra­gen.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Be­tracht, da die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen nicht vor­ge­le­gen ha­ben.


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Bei­de Par­tei­en wer­den auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gemäß § 72 a ArbGG hin­ge­wie­sen.

 

W.-M.

L.

S.


 

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