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Kei­ne Be­triebs­ren­ten­an­pas­sung bei der Com­merz­bank

An­he­bung der Be­triebs­ren­ten zu An­fang 2010 auf­grund der Fi­nanz­kri­se zu­recht un­ter­blie­ben: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.04.2014, 3 AZR 51/12
Sanduhr mit rotem Sand Der Zahn der Zeit nagt auch an Be­triebs­ren­ten

22.04.2014. Wer ei­ne Be­triebs­ren­te be­zieht, hat ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, dass sei­ne Ren­te nicht im Lau­fe der Jah­re durch die Geld­ent­wer­tung aus­ge­zehrt wird.

Aus der Sicht ei­nes Be­triebs­rent­ners heißt das: Al­le drei Jah­re soll­te es ei­nen In­fla­ti­ons­aus­gleich ge­ben, d.h. ei­ne An­pas­sung der Be­triebs­ren­te nach oben.

Das Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung (Be­trAVG) sieht das aber so nicht vor, son­dern ver­pflich­tet den Ar­beit­ge­ber viel­mehr da­zu, al­le drei Jah­re zu prü­fen, ob ei­ne An­pas­sung ge­bo­ten ist. Und bei die­ser An­pas­sungs­über­prü­fung kommt es auch auf die wirt­schaft­li­che La­ge des Ar­beit­ge­bers an.

Da­her ging am Diens­tag vor Os­tern die Com­merz­bank AG vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) als Sie­ger vom Platz. Sie war von vie­len Be­triebs­rent­nern auf ei­ne Ren­ten­er­hö­hung zum Ja­nu­ar 2010 ver­klagt wor­den, konn­te aber mit Er­folg auf die fi­nan­zi­el­len Ex­trem­be­las­tun­gen in­fol­ge der Fi­nanz­markt­kri­se ver­wei­sen: BAG, Ur­teil vom 15.04.2014, 3 AZR 51/12.

Be­triebs­ren­ten­an­pas­sung auch bei Un­ter­neh­men, die in ein­zel­nen Jah­ren ho­he Ver­lus­te ma­chen?

Gemäß § 16 Abs.1 Be­trAVG sind Un­ter­neh­men, die ih­ren Be­triebs­rent­nern Ver­sor­gungs­leis­tun­gen zah­len müssen, al­le drei Jah­re zu ei­ner An­pas­sungs­prüfung ver­pflich­tet, d.h. sie müssen "nach bil­li­gem Er­mes­sen ent­schei­den", ob ei­ne Be­triebs­ren­ten­erhöhung vor­zu­neh­men ist und falls ja, in wel­cher Höhe. Da­bei müssen sie ei­ner­seits die Be­lan­ge der Be­triebs­rent­ner und zum an­de­re die wirt­schaft­li­che La­ge des Un­ter­neh­mens zu berück­sich­ti­gen.

Im All­ge­mei­nen sind Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, den rea­len Wert der Be­triebs­ren­ten zu er­hal­ten. Das gilt aber nicht, wenn es ih­nen auf­grund ih­rer schlech­ten wirt­schaft­li­chen La­ge nicht zu­zu­mu­ten ist, die sich aus der Ren­ten­an­pas­sung fol­gen­den fi­nan­zi­el­len Mehr­be­las­tun­gen zu tra­gen.

Da­bei kommt es auf die vor­aus­sicht­li­che künf­ti­ge La­ge des Un­ter­neh­mens in den drei Jah­ren nach dem An­pas­sungs­stich­tag an, d.h. auf ei­ne Pro­gno­se. Die wie­der­um muss natürlich durch Tat­sa­chen sach­lich be­gründet sein, und an die­ser Stel­le, d.h. zur Be­gründung der Pro­gno­se, ist auf die letz­ten drei oder vier Jah­re vor dem An­pas­sungs­stich­tag ab­zu­stel­len.

Hat das Un­ter­neh­men ei­ni­ge ver­lust­rei­che Jah­re hin­ter sich, wer­den Be­triebs­rent­ner die­se Jah­re als außer­gewöhn­li­che Aus­nah­men bzw. "Aus­reißer" an­se­hen, während die zur Ren­tenüber­prüfung ver­pflich­te­ten Un­ter­neh­men dar­auf ver­wei­sen wer­den, dass die er­lit­te­nen Ver­lus­te auch künf­tig die Ge­win­ne drücken wer­den.

Im Streit: Erhöhung der Be­triebs­ren­ten für die Be­triebs­rent­ner der Com­merz­bank ab Ja­nu­ar 2010

Der kla­gen­de Be­triebs­rent­ner, Jahr­gang 1937, war von No­vem­ber 1957 bis En­de Ja­nu­ar 1995 bei der Dresd­ner Bank AG beschäftigt, von der er seit Ja­nu­ar 1998 ei­ne Be­triebs­ren­te er­hielt. Die Ren­te be­trugt zunächst 1.658,00 DM pro Mo­nat und wur­de al­le drei Jah­re an­ge­passt, zu­letzt zum 01. Ja­nu­ar 2007 auf 964,00 EUR.

Im Mai 2009 über­nahm die Com­merz­bank AG die Dresd­ner Bank, die da­mit ih­re recht­li­che Ei­genständig­keit ver­lor. Die Com­merz­bank war da­mit für die Be­triebs­ren­ten der über­nom­me­nen Dresd­ner Bank zuständig ge­wor­den und lehn­te bei der tur­nusmäßigen An­pas­sungs­prüfung zum Ja­nu­ar 2010 ei­ne Erhöhung der Be­triebs­ren­ten ab.

Be­gründung der Bank: Auf­grund der Fi­nanz­markt­kri­se hat­te man 2008 ei­nen di­cken Ver­lust von 1,1 Mil­li­ar­den und 2009 so­gar ei­nen Ver­lust von 7,8 Mil­li­ar­den EUR ge­macht. Außer­dem hat­te die Com­merz­bank in der Fi­nanz­kri­se Gel­der des Fi­nanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs­fonds des Bun­des in An­spruch neh­men müssen, und die­se mil­li­ar­den­schwe­re Ka­pi­tal­sprit­ze des Bun­des muss sie künf­tig mit 9 Pro­zent ver­zin­sen.

Den Kläger über­zeug­te das nicht. Aus sei­ner Sicht wären die von der Bank bei ei­ner Ren­ten­erhöhung zu tra­gen­den Zu­satz­be­las­tun­gen eher ge­ringfügig, ver­gli­chen mit vie­len an­de­ren Aus­ga­ben der Bank. Und zu­dem hat­te die Bank ein Son­der­vermögen ge­bil­det, um ih­re Be­triebs­ren­ten­pflich­ten zu erfüllen, den Pen­si­on-Trust e.V., und der wie­der­um hat­te doch ge­nug Geld, um die Ren­ten­an­pas­sun­gen zu be­zah­len, so der Rent­ner.

Das Ar­beits­ge­richt in Frank­furt am Main wies die Kla­ge auf Ren­ten­erhöhung ab (Ur­teil vom 26.10.2010, 18 Ca 5141/10) und auch das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) als Be­ru­fungs­in­stanz gab dem Ar­beit­ge­ber Recht (Ur­teil vom 28.09.2011, 8 Sa 244/11).

BAG: Die Ver­wei­ge­rung ei­ner Be­triebs­ren­ten­erhöhung zum Ja­nu­ar 2010 durch die Com­merz­bank war rech­tens

Auch vor dem BAG hat­te der Pen­si­onär kein Glück. Denn Ent­schei­dung der Com­merz­bank, die Be­triebs­ren­ten nicht an­zu­pas­sen, ent­sprach bil­li­gem Er­mes­sen gemäß § 16 Abs.1 Be­trAVG, so das BAG in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des Ge­richts.

Im vor­lie­gen­den Streit­fall konn­te die Com­merz­bank be­rech­tig­ter Wei­se am 01. Ja­nu­ar 2010 da­von aus­ge­hen, dass es ihr mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit nicht möglich sein würde, Ren­ten­erhöhun­gen aus den vor­aus­sicht­li­chen Un­ter­neh­menserträgen der fol­gen­den drei Jah­re auf­zu­brin­gen, d.h. die­se Zu­satz­be­las­tun­gen in der der Zeit bis zum nächs­ten An­pas­sungs­stich­tag (Ja­nu­ar 2013) zu er­wirt­schaf­ten. Denn sie hat­te in den Jah­ren 2008 und 2009 er­heb­li­che Ver­lus­te er­zielt und war ge­zwun­gen, Mit­tel aus dem Fi­nanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs­fonds in An­spruch zu neh­men.

Vor die­sem Hin­ter­grund war die Pro­gno­se der Bank nach An­sicht der Er­fur­ter Rich­ter ge­recht­fer­tigt, dass sich die Fol­gen der Fi­nanz­kri­se auch in der Zeit nach dem An­pas­sungs­stich­tag 01.01.2010 so ne­ga­tiv auf ih­re wirt­schaft­li­che La­ge aus­wir­ken würden, dass ei­ne Be­triebs­ren­ten­an­pas­sung nicht möglich sein würde.

Da­bei muss­te die Bank selbst­verständ­lich das Son­der­vermögen des Pen­si­on-Trust e.V. bei ih­rer An­pas­sungs­ent­schei­dung nicht berück­sich­ti­gen.

Fa­zit: Wenn es der Com­merz­bank nach ih­ren Mil­li­ar­den­ver­lus­ten der Jah­re 2008 und 2009 und vor dem Hin­ter­grund künf­ti­ger Zins­be­las­tun­gen in­fol­ge der Ka­pi­tal­sprit­ze des Fi­nanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs­fonds nicht möglich sein soll­te, ih­ren Be­triebs­rent­nern im Jah­re 2010 ei­ne Ren­ten­erhöhung zu ver­sa­gen, wann soll­te ein Ar­beit­ge­ber dann je­mals zu ei­ner sol­chen ne­ga­ti­ven An­pas­sungs­ent­schei­dung be­rech­tigt sein?

Dass ei­ne sol­che Null­run­de aus Sicht der ca. 4.000 Be­triebs­rent­ner der Com­merz­bank un­er­freu­lich ist und dass die Bank "ge­nug Geld hat", ist kein Ar­gu­ment. Denn das Ge­setz stellt dar­auf ab, ob ei­ne Ren­ten­erhöhung aus den Ge­win­nen, mit de­nen für die nächs­ten drei Jah­re zu rech­nen ist, vor­aus­sicht­lich be­zahlt wer­den kann (oder eben nicht).

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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