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LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.07.2011, 4 Sa 442/10
Schlagworte: | Betriebsübergang, Betriebsteilübergang, Klarenberg | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt | |
Aktenzeichen: | 4 Sa 442/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.07.2011 | |
Leitsätze: | Beibehaltung der funktionellen Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren im Anschluss an EGRL 23/2001 und die EuGH Entscheidung vom 12.02.2009 - C-466/07 (Rn.29) hier: Tätigkeit eines Leiters der Hausverwaltung in einem veräußerten Wohn- und Geschäftshaus.(Rn.34) | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 02.11.2010, 9 Ca 278/10 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 683/11 |
|
LANDESARBEITSGERICHT
SACHSEN-ANHALT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter:
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht
als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter und
als Beisitzer für Recht erkannt:
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1. Die Berufung der beklagten L M gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 02.11.2010 – 9 Ca 278/10 – wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die beklagte L M.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten sowohl in erster als auch in zweiter Instanz darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege des Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf die beklagte L M übergegangen ist.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien nebst den dort gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 02. November 2010 – 9 Ca 278/10 – auf den Seiten 2 – 4 (Bl. 163 – Bl. 165 d. A.) Bezug genommen. Der Tenor dieser Entscheidung lautet:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers seit dem 01.02.2010 auf die beklagte Partei übergegangen ist und mit dieser zu ungeänderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 7.036,-- € festgesetzt.
Wegen der Entscheidungsgründe dieses Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 02. November 2010 – 9 Ca 278/10 – wird auf dessen Seiten 5 – 9 (Bl. 166 – Bl. 170 d. A.) verwiesen.
Die vollständig abgefasste und mit Rechtsmittelbelehrung versehene vorgenannte Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 02. November 2010 wurde der beklagten L M am 12. November 2010 zugestellt. Deren Berufungsschrift ist am 02. Dezember 2010
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und deren Berufungsbegründung am 12. Januar 2011 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen.
Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens der beklagten L wird auf deren Berufungsbegründung vom 12. Januar 2011 (Bl. 199 – Bl. 205 d. A.) und deren Schriftsatz vom 29. April 2011 (Bl. 238 – Bl. 239 d. A.) Bezug genommen.
Hinsichtlich der von den Parteien in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge wird auf Seite 2 des Protokolls über die Berufungsverhandlung vom 26. Mai 2011 (Bl. 241 d. A.) verwiesen.
Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf dessen Berufungserwiderung vom 21. März 2011 (Bl. 219 – Bl. 225 d. A.) Bezug genommen.
Außerdem wird ergänzend auf das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 26. Mai 2011 (Bl. 240 – Bl. 242 d. A.) verwiesen.
Dort heißt es u. a. auf Seite 2 (Bl. 241 d. A.):
„Auf Befragen des Vorsitzenden erklärt der Kläger: Ich war in der Vergangenheit als Leiter der Hausverwaltung tätig.
laut vorgelesen und genehmigt
Das bezog sich nur auf dieses Objekt und die umstehenden Flurstücke (z. B. die Tiefgarage).
laut vorgelesen und genehmigt
Auf Vorhalt erklärt Rechtsanwältin B: Die Gebäudeverwaltung erfolgt durch den Eigenbetrieb: K G.
laut vorgelesen und genehmigt“
Am Ende dieser Berufungsverhandlung haben die Prozessbevollmächtigten der Parteien übereinstimmend erklärt, es sei nicht beabsichtigt, im heutigen Termin weitere Erklärungen abzugeben.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG) form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. den §§ 517, 519 ZPO) der beklagten L M ist ohne Weiteres zulässig.
II.
Die Berufung der beklagten L M gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 02.11.2010 – 9 Ca 278/10 – ist jedoch unbegründet und war demgemäß kostenpflichtig unter Zulassung der Revision zurückzuweisen. Dabei folgt die Berufungskammer zunächst den zutreffenden Gründen der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der beklagten Landehauptstadt Magdeburg in der Berufungsinstanz in vollem Umfang und macht sich diese Gründe auch zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich zu Eigen. Im Übrigen gelten kurz zusammengefasst folgende Erwägungen, auf denen diese Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht:
1. Das Arbeitsgericht Magdeburg hat sich in seiner vorgenannten Entscheidung vom 02. November 2010 auf den Standpunkt gestellt, dass die zulässige Klage begründet sei, weil im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nach der Klarenberg-Entscheidung ein Betriebsübergang vorliege. Dazu heißt es in der vorgenannten Entscheidung vom 02. No-vember 2010 auf den Seiten 5 – 7 (Bl. 166 – 168 d. A.) unter anderem:
„ … Für einen Betriebsübergang muß die organisierte Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit ihre Identität bewahren. Dabei ist nicht so sehr auf die konkrete Organisation der verschiedenen Produktionsfaktoren durch den Unternehmer abzustellen als vielmehr auf den Zusammenhang der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung, der die Produktionsfaktoren verknüpft. Wird die übertragene Einheit in die Struktur des Erwerbers eingegliedert, so fällt dieser Zusammenhang der funktionellen Verknüp-fung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang maßgeblichen Faktoren nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der organisatorischen Selbständigkeit der übertragenen Einheit ist nicht erforderlich, wohl aber die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit
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zu nutzen, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert worden sind. Eine bloße Auftragsnachfolge erfüllt für sich genommen diese Voraussetzung nicht. Dies gilt auch dann, wenn ein Dienstleistungsauftrag der einzige Auftrag eines Betriebes ist. Sind in der Organisationsstruktur des Betriebserwerbers keine in ihrem Funktions- und Zweckzusammenhang beibehaltenen Faktoren des Betriebsveräußerers mehr aufrechterhalten, spricht dies gegen einen Betriebsübergang (BAG, Urteil vom 22.01.2009 – 8 AZR 158/07 – NZA 09.905, Haustechniker Klinikum, Betriebsübergang verneint)…
Die Übertragung einer nackten Immobilie, sei es durch Veräußerung, Verpachtung oder Vermietung, die der Erwerber noch nach eigenen, firmentypischen Merkmalen umbauen muß, kann allein als Übernahme eines materiellen Betriebsmittels sowie des damit verbundenen immateriellen Vorteils der etwa für ein Einzelhandelsunternehmen günstigen Geschäftslage nicht die Annahme eines Betriebsübergangs rechtfertigen (BAG, 22.05.1997, AP § 613 a BGB Nr. 154, ErfK/Preis, 10. Auflage 2010, § 613 a Randnummer 22…
Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung der erkennenden Kammer im vorliegenden Fall nach der Klarenberg-Entscheidung des EuGH ein Betriebsübergang vor.
Stellt man hingegen allein auf die Rechtsprechung des BAG bis zur Klarenberg-Entscheidung ab, so wäre ein Betriebsübergang zu verneinen. Der bloße Immobilienerwerb stellt nämlich regelmäßig keinen Betriebsübergang dar. Der Zweck des Erwerbes des Gebäudes durch die L M war jedoch ganz überwiegend die Eigennutzung des Gebäudes. Es ist nicht erkennbar, dass die L M beabsichtige, sich am Markt durch Vermietung von Büroräumen zu betätigen. Insofern liegt bei lebensnaher Betrachtungsweise allein ein Immobilienerwerb vor. Der Betriebszweck des Veräußerers war allein die Vermögensverwaltung und Immobilienbeteiligung. Für die Eigennutzung der Immobilie durch die L M wäre die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen Immobilie und Hausverwaltung des Veräußerers nicht erforderlich. Die L M verfügt über eine eigene Organisation und könnte problemlos auf die Hausverwaltung des Veräußerers verzichten. Insofern spricht zur Überzeugung der erkennenden Kammer auch bei einer Gesamtbetrachtung vieles für eine bloße Auftragsnachfolge …
Geht man jedoch mit dem EuGH von einem weiten Schutzzweck der Betriebsübergangsrichtlinie aus, so ist der Sachverhalt anders zu bewerten. Die Klarenberg-Entscheidung vom 12.02.2009 stellt klar, dass ein übertragener Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit nicht bewahren muß. Nach Übertragung des Gebäudes hat sich an der Nutzung durch die L M nichts geändert. Insoweit ist dem Kläger zuzustimmen. Und nach der Klarenberg-Entscheidung kommt es zur Überzeugung der erkennenden Kammer auf die Frage der Fremd- oder Eigennutzung auch nicht an. Ebenso ist unerheblich, ob die Hausverwaltung des Veräußerers überhaupt benötigt wird oder die L M vielmehr darauf völlig verzichten könnte. Die Kammer sieht vielmehr einen weiten Schutzzweck der Betriebsübergangsrichtlinie. Er besteht darin, bestehende Arbeitsverhältnisse von jeder Form der Veräußerung unabhängig bestehen zu lassen. Insofern stellt nach der Rechtsprechung des EuGH auch der nackte Immobilienerwerb bereits einen Betriebsübergang dar, sofern die Nutzung der Immobilie unverändert bleibt. Die Ähnlichkeit der Tätigkeit
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vor und nach der Übernahme ist zu bejahen (Beispiele für den Wechsel der Tätig-keit APS/Steffan, 3. Auflage § 613 a Randnummer 40)…“
2. Unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Magdeburg in seiner vorgenannten Entscheidung vom 02. November 2010 gilt nach Auffassung der Berufungskammer Folgendes:
a) Der EuGH hat unter dem 12. Februar 2009 – C-466/07 (Klarenberg) = DB 2009, 517 – 519 Folgendes ausgeführt:
„Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass die Vorschrift auch dann angewandt werden kann, wenn der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit nicht bewahrt, sofern die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten wird und sie es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das Vorliegen dieser Voraussetzung zu prüfen.
Einer allein auf das Kriterium der organisatorischen Selbständigkeit abstellenden Auffassung von der Identität der wirtschaftlichen Einheit kann insbesondere angesichts des mit der Richtlinie 2001/23 verfolgten Zwecks nicht gefolgt werden, die darauf abzielt, im Fall eines Übergangs einen wirksamen Schutz der Rechte der Arbeitnehmer sicherzustellen. Sie würde nämlich dazu führen, dass die Anwendbarkeit dieser Richtlinie auf diesen Unternehmens- oder Betriebsteil allein deshalb ausgeschlossen wäre, weil sich der Erwerber entschließt, den erworbenen Unternehmens- oder Betriebsteil aufzulösen und in seine eigene Struktur einzugliedern, wodurch den betreffenden Arbeitnehmern der von dieser Richtlinie gewährte Schutz vorenthalten würde.“
b) Die beklagte L M hat im vorliegenden Verfahren im Rahmen ihrer Berufungsbegründung ausgeführt, ein Funktions- und Zweckzusammenhang für die Immobilie im vorgenannten Sinne und damit auch für die Hausverwaltung des Veräußerers sei für die beklagte L M gerade nicht mehr gegeben. Wenn jedoch ein solcher Funktions- und Zweckzusammenhang zwischen Veräußerer und Erwerber fehle, könne damit nach den Feststellungen des BAG auch nach den Vorgaben des EuGH ein Betriebsübergang gerade nicht vorliegen. Maßgeblich sei der Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit. Verlangt werde von der Rechtsprechung des EuGH nur die Beibehaltung der konkreten Organisation der verschiedenen übertragenen Produktionsfaktoren durch den Unternehmer. Damit
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werde klargestellt, dass noch immer die Beibehaltung der funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen diesen Faktoren zwingend erforderlich sei. Die Beibehaltung einer solchen funktionellen Verknüpfung erlaube es nämlich dem Erwerber, diese … zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Der Begriff Nutzung, wie ihn der EuGH in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2009 verwende, beziehe sich auf die Definition des Wirtschaftsfaktors und damit des Funktions- und Zweckzusammenhangs, welcher in Bezug auf das Gebäude für den Veräußerer und für den Erwerber identisch sein müsse. Deshalb bedürfe es der Identität vor und nach Veräußerung des Gebäudes.
c) Der Kläger hat sich demgegenüber in der Berufungsinstanz auf den Standpunkt gestellt, dass aufgrund des unstreitigen Sachverhalts dessen Bewertung durch die beklagte L M von ihm nicht geteilt werden könne. Die organisatorische Selbständigkeit des Betriebs bzw. Betriebsteils sei im vorliegenden Falle gewahrt geblieben. Die Nutzung der Immobilie selbst habe sich nicht verändert. Für die externen Mieter habe sich lediglich der Vermieter geändert. Für die beklagte L M habe sich nur geändert, dass sie nicht mehr monatlich eine Miete zu zahlen habe, sondern durch Zahlung des Kaufpreises Eigentümer der Immobilie geworden sei. Die Nutzung dieser Immobilie sei die gleiche geblieben. Für die Mitarbeiter der beklagten L M, die in der Immobilie ihre Arbeitstätigkeit nachgehen würden, habe sich gar nichts geändert. Bereits aufgrund des klaren Wortlauts der hier einschlägigen Richtlinie (EGRL 23/2001) sowie aufgrund der Auslegung des EuGH ergebe sich für diesen vorliegenden Fall, bei dem eine Übertragung der Immobilie durch Vertrag als einzigem Vermögensgegenstand des vormaligen Eigentümers in seiner Gesamtheit mit den daraus resultierenden wirtschaftlichen Verträgen vorliege, ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB sowie der vorgenannten Richtlinie EGRL 23/2001. Maßgebend sei die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren. Hier stehe die wirtschaftliche Nutzung der Immobilie im Vordergrund. Dass es der beklagten L M dabei nicht darauf ankomme, durch Fremdvermietung oder Fremdverpachtung Gewinne zu erzielen, sondern eigene Kosten zu mini-mieren, ändere daran nichts. Gerade das unveränderte Beibehalten der Nutzung mache deutlich, dass durch die Veränderung der Eigentümerverhältnisse keine Änderung des Betriebszweckes erfolgt sei.
d) Unstreitig war der Kläger in der Vergangenheit Leiter der Hausverwaltung des hier im Streit stehenden Objekts und der umstehenden Flurstücke, z. B. der Tiefgarage. Nunmehr
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erfolgt die Gebäudeverwaltung durch den Eigenbetrieb: K G der beklagten L M. Im Einzelnen: Der Kläger war seit dem 01. Juli 1992 bei der Firma D als technisch/kaufmännischer Sachbearbeiter in der Hausverwaltung für das Büro- und Geschäftshaus J -Straße 8 – 10 in M eingestellt. Ab dem 01. April 2003 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die A KG über. Bei dieser handelt es sich um eine vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft, deren Grundstück aus insgesamt 20 Flurstücken der Gemarkung Magdeburg, Flur 145 bestand. Im Jahre 2009 entschied sich die A KG zur Veräußerung des Objekts an die beklagte L M . Da das Objekt der einzige Vermögensgegenstand der Gesellschaft war, beschlossen die Gesellschafter, nach dem Verkauf die Gesellschaft zu liquidieren. Der Besitz wurde am 01. Februar 2010 übergeben. Mithin hat sich – so der Kläger zutreffend – lediglich geändert, dass die bisherige Mieterin, nämlich die beklagte L M, nunmehr Eigentümerin geworden ist. Die Aufgaben, die der Kläger bis zum 01. Februar 2010 als Leiter der Hausverwaltung ausgeübt hat, sind nicht weggefallen. Diese Aufgaben – typische Aufgaben eines Eigentümers – sind vielmehr auf die beklagte L M übergegangen, weil diese ab 01. Februar 2010 (dem Zeitpunkt des Besitzübergangs) nicht mehr Mieterin, sondern Eigentümerin des Objektes ist. Bei verständiger Würdigung hat sich die beklagte L M ab diesem Zeitpunkt lediglich entschieden, die betreffend das vorgenannte Objekt notwendige Hausverwaltung nicht mehr durch den Kläger als deren Leiter, sondern durch ihren Eigenbetrieb: K G abwickeln zu lassen, der nicht nur für dieses Objekt, sondern für das gesamte Gebäudemanagement der beklagten L M zuständig ist.
Zusammengefasst: Ab dem 01. Februar 2010 ist die bisherige Arbeitsaufgabe des Klägers als Leiter der Hausverwaltung nicht etwa aufgrund einer Unternehmerentscheidung der beklagten L M weggefallen. Die beklagte L M hat mit der Erfüllung dieser Aufgaben vielmehr nur ihren Eigenbetrieb: K G beauftragt.
Aus der Sicht der Berufungskammer ist die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten worden. Der beklagten L M ist es als Erwerberin erlaubt, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Der Gegenstand der Nutzung ist identisch geblieben. Es hat sich nur verändert, dass die beklagte L M nicht mehr Mieterin, sondern Eigentümerin geworden ist. An der Nutzung des Büro- und Geschäftshauses J -Straße 8 – 10 M hat sich nichts geändert. Die beklagte L M hat nur die von ihr bislang selbst genutzten Räumlich-
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keiten zusätzlich zu verwalten. Das gilt auch für die von ihr nicht selbst genutzten Teile des Objekts. Insoweit hat sie zusätzliche Eigentümeraufgaben und damit weitere Verwaltungsaufgaben übernommen.
Mithin schließt sich die Berufungskammer der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs in dessen Entscheidung vom 12. Februar 2009 – C 466/07 - = DB 2009, 517 – 519 an, wonach die Richtlinie EGRL 23/2001 auch dann anwendbar ist, wenn sich der Erwerber – hier die beklagte L M – entschließt, dass bisher von ihr gemietete Objekt gänzlich käuflich zu erwerben und bei sich einzugliedern. Hierdurch kann dem Kläger als einzig betroffenen Arbeitnehmer nicht der durch die vorgenannte Richtlinie gewährte Schutz vorenthalten werden. Die beklagte L M hätte offenbar die Möglichkeit gehabt, den Kläger in ihrem Eigenbetrieb: K G einzugliedern. Insoweit konnte nur kein Einvernehmen erzielt werden.
Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
IV.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. (2 ) Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
Gegen dieses Urteil kann die beklagte L M Revision einlegen.
Die Revisionsschrift muss innerhalb eines Monats, die Revisionsbegründungsschrift innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils bei dem
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
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eingehen.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Vor dem Bundesarbeitsgericht sind außer Rechtsanwälten auch Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgeberverbänden sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder als Bevollmächtigte vertretungsbefugt. Als Bevollmächtigte zugelassen sind auch juristische Personen, die die Voraussetzung gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 5 ArbGG erfüllen. Die handelnden Personen müssen die Befähigung zum Richteramt haben.
Die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren sollen 7-fach – für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr – eingereicht werden.
Auf die Möglichkeit der Einreichung elektronischer Dokumente beim Bundesarbeitsgericht nach § 46 c ArbGG i. V. m. den besonderen Voraussetzungen nach der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09. März 2006, BGBl. 2006 Teil I Nr. 12, S. 519 f., ausgegeben zu Bonn am 15. März 2006, wird hingewiesen.
Für den Kläger ist kein Rechtsmittel gegeben.
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Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |