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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Ulm, Ur­teil vom 17.12.2009, 5 Ca 316/09

   
Schlagworte: Bewerbung, Diskriminierung: Behinderung, Schwerbehinderung
   
Gericht: Arbeitsgericht Ulm
Aktenzeichen: 5 Ca 316/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.12.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ur­schrift
Ar­beits­ge­richt Ulm
Ak­ten­zei­chen Ca 316/09

(Bit­te bei al­len-Schrei­ben an­ge­ben!)

Verkündet am 17.12.2009

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

 

In der Rechts­sa­che

- Kläg. -

- Proz.-Bev.:

 

ge­gen

 

Bun­des­agen­tur für Ar­beit

- Bekl. -

hat das Ar­beits­ge­richt Ulm - 5. Kam­mer

durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt

d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter

und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter

auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 17.12.2009

für Recht er­kannt:

1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

2. Der Kläger trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

3. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird auf € 1.801,00 fest­ge­setzt.

4.. So­weit die Be­ru­fung nicht Kraft Ge­set­zes zulässig ist wird sie nicht ge­son­dert zu­ge­las­sen.

- 2 -

Tat­be­stand

Der Kläger be­gehrt von der Be­klag­ten ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung. Er macht gel­tend, er sei von der Be­klag­ten we­gen sei­ner Be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt wor­den.

Der am ge­bo­re­ne Kläger ist schwer­be­hin­dert. Er be­warb sich auf­grund des Ver­mitt­lungs­vor­schlags des Job-Cen­ters vom 20.11.2008 (vgl. AbI. 12) auf die Stel­le ei­nes Büro­kauf­manns bei der Fa­mi­li­en­kas­se. Die zu be­set­zen­de Stel­le war be­fris­tet bis 31.07.2009. In sei­nem Be­wer­bungs­schrei­ben führ­te der Kläger un­ter an­de­rem aus (Abl. 16):

"Kurz zu mei­ner Per­son:

Mei­ne Beschäfti­gung als Haus­meis­ter bei der Ge­mein­de en­de­te aus ge­sund­heit­li­chen Gründen am 31.12.2000. Mein Ge­sund­heits­zu­stand hat sich in­zwi­schen sta­bi­li­siert und ich bin wie­der voll ein­satzfähig und be­last­bar."

Ob­wohl der Kläger zum Zeit­punkt der Be­wer­bung in Be­sitz ei­nes un­be­fris­tet gülti­gen Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses war (vgl. Abi. 11), leg­te er sei­ner Be­wer­bung die Ko­pie ei­nes bis Ju­ni 2008 be­fris­te­ten Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses bei (vgl. Abl. 58).

Mit Schrei­ben vom 29.12.2008 teil­te die Fa­mi­li­en­kas­se dem Kläger mit, dass sei­ne Be­wer­bung nicht berück­sich­tigt wer­den konn­te (AbI. 17). Das Da­tum des Zu­gangs die­ses Schrei­bens beim Kläger ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Mit Schrei­ben vom 02.03.2009, bei der Fa­mi­li­en­kas­se am sel­ben Ta­ge per Fax und am 03.03.2009 im Ori­gi­nal ein­ge­gan­gen, mach­te der Kläger ei­nen An­spruch auf Entschädi­gung gel­tend (AbI. 18 f.).

Ins­ge­samt gin­gen bei der Fa­mi­li­en­kas­se vier Be­wer­bun­gen für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ein. Nach. ei­ner Vor­aus­wahl wur­den - ab­ge­se­hen vom Kläger - al­le Be­wer­ber zu Gesprächen ein­ge­la­den. Die aus­gewähl­te Be­wer­be­rin wur­de am 22.12.2008 be­fris­tet bis 31.07.2009 ein­ge­stellt.

Der Kläger trägt vor,

er sei auf­grund sei­ner Schwer­be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt wor­den. Die Be­klag­te sei als öffent­li­che Ar­beit­ge­be­rin nicht ih­rer Pflicht aus § 82 Satz 2 SGB IX nach­ge­kom­men, ihn als schwer­be­hin­der­ten Men­schen zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­zu­la­den.

- 3 -

Zwar ha­be der Kläger der Be­wer­bung nur ei­nen ab­ge­lau­fe­nen Schwer­be­hin­der­ten­aus­weis bei­ge­legt, die Be­klag­te sei je­doch ver­pflich­tet ge­we­sen, sich zu ver­si­chern, ob die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft zum Zeit­punkt der Be­wer­bung noch be­stan­den ha­be. Er ha­be sei­nen An­spruch auf Entschädi­gung auch recht­zei­tig i.S.v. § 15 Abs. 4 AGG gel­tend ge­macht. Das Ab­leh­nungs­schrei­ben der Be­klag­ten vom 29.12.2008 sei dem Kläger frühes­tens am 03.01.2009 zu­ge­gan­gen. Er ha­be mit dem Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben vom 02.03.2009 so­mit die Zwei­mo­nats­frist ge­wahrt. Die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Ein­la­dung des Klägers zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ent­fal­le auch nicht nach g 82 Satz 3 SGB IX, da dem Kläger die fach­li­che Eig­nung nicht of­fen­sicht­lich feh­le.

Der Kläger be­an­tragt:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger ei­ne der Höhe nach in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stell­te Entschädi­gung, die je­doch € 1.800,00 nicht un­ter­schrei­ten soll­te, nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab Klag­zu­stel­lung zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

Klag­ab­wei­sung.

Die Be­klag­te trägt vor,

sie ha­be den Kläger nicht auf­grund sei­ner Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch be­nach­tei­ligt. Der Kläger sei auf­grund der Vor­la­ge ei­nes be­reits ab­ge­lau­fe­nen Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses nicht als schwer­be­hin­der­ter Mensch bei der Be­klag­ten geführt wor­den. Über die Stel­len­be­set­zung ha­be vor­lie­gend. zügig ent­schie­den wer­den müssen. Zum Zeit­punkt der Be­wer­bung sei für die Be­klag­te die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft des Klägers nicht er­kenn­bar ge­we­sen. Es ha­be kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, wei­te­re zeit­auf­wen­di­ge Nach­for­schun­gen ein­zu­lei­ten. Die Gel­tend­ma­chung der Entschädi­gung sei auch ver­fris­tet i.S.v. § 15 Abs. 4 AGG. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass das Ab­leh­nungs­schrei­ben der Be­klag­ten vom 29.12.2008 dem Kläger am 30.12.2008, spätes­tens aber am 31.12.2008 zu­ge­gan­gen sei. Die Gel­tend­ma­chung des An­spruchs des Klägers auf Entschädi­gung sei form­wirk­sam erst am 03.03.2009 er­folgt. Ei­ne Gel­tend­ma­chung per Fax wah­re das Schrift­for­mer­for­der­nis des § 15 Abs. 4 AGG nicht. Im Übri­gen sei der Kläger für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le of­fen­sicht­lich nicht ge­eig­net.

- 4 -

We­der sei der Kläger von Be­ruf Büro­kauf­mann, noch verfüge er über die ge­for­der­te ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung. Die­se sei je­doch er­for­der­lich, weil sonst die - oh­ne­hin er­heb­li­che - Ein­ar­bei­tungs­zeit auf­grund der Be­fris­tung der Stel­le als un­verhält­nismäßig an­zu­se­hen sei. Bei der Höhe ei­ner even­tu­el­len Entschädi­gung sei zu berück­sich­ti­gen, dass die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le be­fris­tet ge­we­sen sei.
Ab­sch­ließend wird Be­zug ge­nom­men auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie sämt­li­che sons­ti­gen Ak­ten­tei­le.

- 5 -

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die zulässi­ge Kla­ge ist un­be­gründet.

Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Entschädi­gung aus § 81 Abs. 2 S. 1 und 2, § 82 S. 2 und 3 SGB IX i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 2, § 15 Abs. 2, § 22 AGG.

1. Ziel des all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes ist es, Be­nach­tei­li­gun­gen un­ter an­de­rem aus Gründen ei­ner Be­hin­de­rung zu ver­hin­dern oder zu be­sei­ti­gen (§ 1 AGG). Ins­be­son­de­re sind Be­nach­tei­li­gun­gen un­zulässig in Be­zug auf die Be­din­gun­gen für den Zu­gang zu un­selbständi­ger Er­werbstätig­keit (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). We­gen des Scha­dens, der nicht Vermögens­scha­den ist, kann der oder die Beschäftig­te ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld ver­lan­gen. Die Entschädi­gung darf bei der Nicht­ein­stel­lung drei Mo­nats­gehälter nicht über­schrei­ten, wenn der oder die Beschäftig­te auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht ein­ge­stellt wor­den wäre (§ 15 Abs. 2 AGG). Als Beschäftig­te gel­ten auch Be­wer­be­rin­nen und Be­wer­ber für ein Beschäfti­gungs­verhält­nis (§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG). Wenn im Streit­fall die ei­ne Par­tei In­di­zi­en be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des ver­mu­ten las­sen, trägt die an­de­re Par­tei. die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gun­gen vor­ge­le­gen hat (§ 22 AGG).

2. Vor­lie­gend kann sich der Kläger nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, er sei auf­grund sei­ner - Be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt wor­den. Er hat kei­ne In­di­zi­en i. S. v. § 22 AGG dar­ge­legt, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung ver­mu­ten las­sen. Zwar hat die Be­klag­te als öffent­li­che Ar­beit­ge­be­rin den Kläger als schwer­be­hin­der­ten Be­wer­ber ent­ge­gen § 82 S. 2 SGB IX nicht zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den. Je­doch konn­te die Be­klag­te auf­grund der vom Kläger ein­ge­reich­ten Be­wer­bungs­un­ter­la­gen kei­ne Kennt­nis von der Ei­gen­schaft des Klägers als schwer­be­hin­der­ter Mensch er­lan­gen. Die Be­klag­te war nicht zu ei­ge­nen Nach­for­schun­gen ver­pflich­tet. Im Ein­zel­nen:

a) Zur Erhöhung sei­ner Chan­cen im Aus­wahl­ver­fah­ren ist ein schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber nach §.82 S. 2 SGB IX von ei­nem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber re­gelmäßig zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­zu­la­den.

- 6 -

Nach § 82 S. 3 SGB IX entfällt die­se Pflicht aus­nahms­wei­se, wenn dem schwer­be­hin­der­ten Be­wer­ber of­fen­sicht­lich die fach­li­che Eig­nung fehlt (BAG 21.07.2009 ¬9 AZR 431/08 Rn. 22, NZA 2009, 1087; BAG 12.09.2006 - 9 AZR 807/09 -, Rn. 24, NZA 2007, 507). Zu den In­di­zi­en im Sin­ne von § .22 AGG, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Be­hin­de­rung ver­mu­ten las­sen, gehört es ins­be­son­de­re, wenn der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber sei­ner , Pflicht aus § 82 S. 2 SGB IX, den nicht of­fen­sicht­lich un­ge­eig­ne­ten schwer­be­hin­der­ten Be­wer­ber zur Vor­stel­lung ein­zu­la­den, nicht genügt (Düwell in LPK -SGB iX, 2. Aufl. § 81, Rn. 50).

b) Die Ver­mu­tung ei­ner Be­nach­tei­li­gung gemäß § 22 AGG setzt vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber po­si­ti­ve Kennt­nis von der Be­hin­de­rung oder zu­min­dest An­lass da­zu hat­te, ei­ne Be­hin­de­rung an­zu­neh­men (Düwell in LPK - SGB IX, 2. Aufl. § 81, Rn. 49). Stützt ein schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber die Ver­mu­tung ei­ner Be­nach­tei­li­gung auf die un­ter­blie­be­ne Ein­la­dung zum. Vor­stel­lungs­gespräch durch ei­nen öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber un­ter Ver­let­zung von § 82 S. 2 SGB IX, muss er dar­le­gen, dass der Ar­beit­ge­ber ent­we­der po­si­ti­ve Kennt­nis von der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft hat­te oder auf­grund der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen sich die­se Kennt­nis je­den­falls hätte ver­schaf­fen können.

aa) Je­der Ar­beit­ge­ber hat die Er­le­di­gung sei­ner Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten so zu or­ga­ni­sie­ren, dass er die ge­setz­li­chen Pflich­ten zur Förde­rung schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber erfüllen kann. Die für den Ar­beit­ge­ber han­deln­den Per­so­nen sind ver­pflich­tet, das Be­wer­bungs­schrei­ben vollständig zu le­sen und zur Kennt­nis zu neh­men. Es kann da­hin­ste­hen, ob die­se Pflicht aus dem vor­ver­trag­li­chen Ver­trau­ens­verhält­nis folgt. Sie be­ruht je­den­falls auf der ge­setz­li­chen Kon­zep­ti­on der Förde­rungs­pflich­ten ge­genüber schwer­be­hin­der­ten Be­wer­bern, die § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX aF und - für öffent­li­che Ar­beit­ge­ber § 82 SGB IX be­gründen. Ein ord­nungs­gemäßer Hin­weis auf ei­ne Schwer­be­hin­de­rung liegt vor, wenn die Mit­tei­lung in ei­ner Wei­se in den Emp­fangs­be­reich des Ar­beit­ge­bers ge­langt ist, die es ihm ermöglicht, die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft des Be­wer­bers zur Kennt­nis zu neh­men (BAG 16.09.2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 35, NZA 2009, 79).

bb) Vor­lie­gend ent­hielt die Be­wer­bung des Klägers kei­nen ord­nungs­gemäßen Hin­weis auf die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft, die es dem Ar­beit­ge­ber ermöglicht hätte, von die­ser Kennt­nis zu neh­men. Auf­grund des vor­ge­leg­ten ab­ge­lau­fe­nen Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses war für die Be­klag­te le­dig­lich er­kenn­bar, dass der Kläger in der Ver­gan­gen­heit als schwer­be­hin­der­ter Mensch an­er­kannt war. Ob die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft zum Zeit­punkt der Be­wer­bung noch be­stand, war für den Ar­beit­ge­ber da­ge­gen nicht er­kenn­bar.

- 7 -

Et­was an­de­res er­gibt sich nicht zwin­gend aus der Re­ge­lung des § 69 Abs. 5 S. 4 SGB IX, die be­stimmt, dass der Aus­weis über die Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch ein­ge­zo­gen wird, so­bald der ge­setz­li­che Schutz er­lo­schen ist. Denk­bar wäre, dass die Ko­pie noch vor der Ein­zie­hung des Aus­wei­ses ge­fer­tigt wor­den ist, oder dass der Aus­weis aus­nahms­wei­se mit Erlöschen der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft nicht so­fort ein­ge­zo­gen wor­den ist. Die Vor­la­ge ei­nes ab­ge­lau­fe­nen Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses kann da­her al­len­falls als An­halts­punkt für ei­ne ak­tu­ell be­ste­hen­de Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft an­ge­se­hen wer­den.

Den Be­wer­bungs­un­ter­la­gen las­sen sich im Übri­gen auch An­halts­punk­te ent­neh­men, die ge­gen den Fort­be­stand der Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch spre­chen könn­ten. So hat der Kläger im Be­wer­bungs­schrei­ben aus­geführt, dass sich sein Ge­sund­heits­zu­stand zwi­schen­zeit­lich sta­bi­li­siert ha­be und er wie­der voll ein­satzfähig und be­last­bar sei. Aus Sicht der Be­klag­ten war da­her zu­min­dest denk­bar, dass mit der Ver­bes­se­rung des Ge­sund­heits­zu­stan­des die Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch ent­fal­len sein könn­te und aus die­sem Grund le­dig­lich die Ko­pie ei­nes ab­ge­lau­fe­nen Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses vor­ge­legt wor­den ist.

cc) Die Be­klag­te war auch nicht ver­pflich­tet, von sich aus Nach­for­schun­gen zur Fra­ge der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft des Klägers an­zu­stel­len. Vom Ar­beit­ge­ber kann - über sei­ne Pflicht zur vollständi­gen Kennt­nis­nah­me der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen hin­aus - nicht ver­langt wer­den, dass er bei Vor­lie­gen be­stimm­ter An­halts­punk­te selbständig Nach­for­schun­gen un­ter­nimmt, ob ein Be­wer­ber die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft be­sitzt. Dies er­gibt sich be­reits. dar­aus, dass der Ar­beit­ge­ber nach über­wie­gen­der Auf­fas­sung, der sich die er­ken­nen­de Kam­mer an­sch­ließt, nicht be­rech­tigt ist, Be­wer­ber nach dem Vor­lie­gen der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft zu be­fra­gen. Zwar hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ver­gan­gen­heit die Fra­ge nach dem Schwer­be­hin­der­ten­sta­tus für zulässig er­ach­tet (BAG 18.10.2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 1 der Gründe, AP § 123 BGB, Nr. 59). Die Rechts­la­ge hat sich je­doch durch die ge­setz­li­che Nor­mie­rung des Ver­bots in § 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX, schwer­be­hin­der­te Beschäftig­te we­gen ih­rer Be­hin­de­rung zu be­nach­tei­li­gen, geändert (LAG Hamm 19.10.2006 - 15 Sa 740/06 - Ju­ris; Düwell in LPK - SGB IX, 2. Aufl., § 85, Rn. 19 ff. mwN). Wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ner­seits, um Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen der Be­hin­der­ten­ei­gen­schaft aus­zu­sch­ließen, ei­nen Be­wer­ber nicht nach dem Vor­lie­gen der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft fra­gen darf, kann er nicht an­de­rer­seits ver­pflich­tet sein, Nach­for­schun­gen in die­se Rich­tung zu be­trei­ben.

- 8 -

In der Vor­la­ge ei­nes ab­ge­lau­fe­nen Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses ist auch kei­ne still­schwei­gen­de Ein­wil­li­gung in wei­te­re Aufklärungs­maßnah­men durch den Ar­beit­ge­ber zu se­hen. Viel­mehr durf­te sich der Ar­beit­ge­ber auf den Stand­punkt stel­len, dass der Ar­beit­neh­mer, wenn er sei­ne ak­tu­ell be­ste­hen­de Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft hätte of­fen­le­gen wol­len, dies ge­tan hätte.

II.

1. Die Fest­set­zung des Wer­tes des Streit­ge­gen­stan­des be­ruht dem Grun­de nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG und ent­spricht in der Höhe der vom Kläger be­gehr­ten Entschädi­gung.

2. Der Kläger trägt als un­ter­le­ge­ne Par­tei die Kos­ten des Rechts­streits (§ 91 Abs. 1 ZPO).

3. Die Ent­schei­dung über die Zu­las­sung der Be­ru­fung be­ruht auf § 64 Abs. 3, 3a ArbGG.

-9-

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

1. Ge­gen die­ses Ur­teil kann d. Kläg. Be­ru­fung ein­le­gen.

Wird das Ur­teil nicht in dem Um­fang an­ge­foch­ten, in dem d. Kläg. un­ter­le­gen ist, hängt die Zulässig­keit der Be­ru­fung da­von ab, dass der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600,00 EUR über­steigt.

Die Ein­le­gung der Be­ru­fung hat bin­nen ei­nes .Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Börsen­str. 6, 70174 Stutt­gart zu er­fol­gen. Die Be­ru­fungs­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, so­wie die Erklärung, dass ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­ge­legt wer­de, ent­hal­ten. Die Be­ru­fung ist, so­fern nicht be­reits in der Be­ru­fungs­schrift er­folgt, bin­nen zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich ge­genüber dem Lan­des­ar­beits­ge­richt zu be­gründen.

Der Be­ru­fungskläger muss sich vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt durch ei­nen bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt ver­tre­ten las­sen, ins­be­son­de­re müssen Be­ru­fungs- und ei­ne even­tu­el­le Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift von ei­nem sol­chen un­ter­zeich­net sein.
An sei­ne Stel­le kann auch ein Ver­tre­ter ei­nes Ver­ban­des (Ge­werk­schaf­ten, Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gun­gen) oder ei­nes Spit­zen­ver­ban­des (Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände) tre­ten, so­fern er kraft Sat­zung oder Voll­macht zur Ver­tre­tung be­fugt und die Par­tei Mit­glied des Ver­ban­des oder Spit­zen­ver­ban­des ist. An die Stel­le der vor­ge­nann­ten Ver­tre­ter können auch An­ge­stell­te ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner die­ser Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, tre­ten,. so­fern die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung der Ver­bands­mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und der Ver­band für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet. Ist die Par­tei Mit­glied ei­nes Ver­ban­des oder Spit­zen­ver­ban­des, kann sie sich auch durch ei­nen Ver­tre­ter ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder An­ge­stell­ten ei­ner der oben ge­nann­ten ju­ris­ti­schen Per­so­nen mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ver­tre­ten las­sen.

Mit der Be­ru­fungs­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils vor­ge­legt wer­den. Die Geschäfts­stel­le des Lan­des­ar­beits­ge­richts bit­tet, Schriftsätze in fünf­fa­cher Fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

2. Für d. Bekl. ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

D. Vor­sit­zen­de

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