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BAG, Ur­teil vom 13.12.2012, 6 AZR 348/11

   
Schlagworte: Betriebsrat: Anhörung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 348/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 13.12.2012
   
Leitsätze: Der Betriebsrat kann die Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers nicht entsprechend § 174 Satz 1 BGB zurückweisen, wenn der Anhörung keine Vollmachtsurkunde beigefügt ist.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 22.9.2010 - 14 Ca 532/10
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.3.2011 - 7 Sa 7/11
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


6 AZR 348/11
7 Sa 7/11
Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
13. De­zem­ber 2012

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

1.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te zu 1., Re­vi­si­onskläge­rin zu 1. und Re­vi­si­ons­be­klag­te zu 2.,

Be­ru­fungs­be­klag­te zu 2. und Re­vi­si­onskläge­rin zu 1.,

2.

pp.


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Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin, Re­vi­si­ons­be­klag­te zu 1. und Re­vi­si­onskläge­rin zu 2.,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 13. De­zem­ber 2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gall­ner und Spel­ge so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schäfer­kord und Koch für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird un­ter Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on der Kläge­rin das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 25. März 2011 - 7 Sa 7/11 - auf­ge­ho­ben.

2. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart vom 22. Sep­tem­ber 2010 - 14 Ca 532/10 - wird zurück­ge­wie­sen.

3. Die Kläge­rin hat auch die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob ihr Ar­beits­verhält­nis durch ei­ne or­dent­li­che, auf be­trieb­li­che Gründe gestütz­te Kündi­gung be­en­det wur­de. Die Kläge­rin hat die Kla­ge aus­weis­lich der Kla­ge­schrift ge­gen zwei Be­klag­te - die O S.A. (Be­klag­te oder [sog.] Be­klag­te zu 1.) und die E S.A. ([sog.] Be­klag­te zu 2.) - ge­rich­tet.

Die mit der Kla­ge­schrift zu 1. be­klag­te O S.A., ei­ne Ak­ti­en­ge­sell­schaft grie­chi­schen Rechts mit Sitz in Athen, ist ei­ne ehe­ma­li­ge Flug­ge­sell­schaft, 


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de­ren Haupt­an­teils­eig­ner der grie­chi­sche Staat ist. Sie un­ter­hielt in Deutsch­land ei­ne Nie­der­las­sung in F mit 36 Ar­beit­neh­mern. Da­ne­ben beschäftig­te sie wei­te­re 33 Ar­beit­neh­mer in den Sta­tio­nen B, D, M und S. Kei­ner die­ser Ar­beit­neh­mer war im Flug­be­trieb ein­ge­setzt. Sie be­treu­ten viel­mehr den Bo­den­be­trieb des Flug­ver­kehrs der Be­klag­ten von und nach Deutsch­land. Da­zu gehörte ein Teil der Auf­ga­ben der flug­ha­fen­be­zo­ge­nen Ab­fer­ti­gung von Pas­sa­gie­ren und Fracht. Die Ar­beit­neh­mer ga­ben zB Ti­ckets aus, re­ser­vier­ten Sitz­plätze, be­treu­ten die Pas­sa­gie­re und Rei­sebüros und rech­ne­ten ge­genüber Fracht­kun­den ab. An al­len Stand­or­ten be­stand ein Be­triebs­rat, zu­dem war ein Ge­samt­be­triebs­rat ge­bil­det.

Der grie­chi­sche Staat er­brach­te ge­genüber der Be­klag­ten (zu 1.) wie­der­holt Leis­tun­gen, um den Flug­be­trieb auf­recht­zu­er­hal­ten. Die Eu­ropäische Kom­mis­si­on lei­te­te des­halb meh­re­re Ver­fah­ren we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Bei­hil­fen ein. Im Jahr 2008 un­ter­rich­te­te Grie­chen­land die Eu­ropäische Kom­mis­si­on nach Art. 88 Abs. 3 EG (jetzt: Art. 108 Abs. 3 AEUV) über Pläne, be­stimm­te Vermögens­wer­te ua. der Be­klag­ten (zu 1.) an die P S.A. zu ver­kau­fen und die Be­klag­te (zu 1.) da­nach zu li­qui­die­ren. Im Sep­tem­ber 2008 ent­schied die Eu­ropäische Kom­mis­si­on, dass die ge­mel­de­te Maßnah­me kei­ne staat­li­che Bei­hil­fe iSv. Art. 87 Abs. 1 EG (jetzt: Art. 107 Abs. 1 AEUV) sei.

Der grie­chi­sche Ge­setz­ge­ber ver­ab­schie­de­te mit Wir­kung vom 23. Ok­to­ber 2008 das Ge­setz 3710/2008. Mit des­sen Art. 40 wur­de in das Ge­setz 3429/2005 Art. 14 A ein­gefügt. Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 lau­tet in der be­glau­big­ten Über­set­zung aus­zugs­wei­se:

„Son­der­li­qui­da­ti­on öffent­li­cher Un­ter­neh­men

1. Öffent­li­che Un­ter­neh­men, die ver­mehrt:

a) schwe­ren wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten oder Pro­ble­men bei der Struk­tu­rie­rung ih­res Ei­gen­ka­pi­tals ge­genüber­ste­hen oder of­fen­sicht­lich nicht in der La­ge sind, die ih­nen ge­setz­ten Zah­lungs­fris­ten ein­zu­hal­ten, oder bei de­nen sich der Wert des Ei­gen­ka­pi­tals gemäß der zu­letzt veröffent­lich­ten Bi­lanz in ei­ner Wei­se ge­min­dert hat, dass der Ar­ti­kel 48 des ko­di­fi­zier­ten Ge­set­zes k.n. 2190/1920 An­wen­dung fin­det, und 


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b) in der Ver­gan­gen­heit be­reits staat­li­che Bei­hil­fen be­zo­gen ha­ben, wes­halb die Gewährung wei­te­rer Bei­hil­fen ei­nen Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen des Ge­mein­schafts­rechts be­deu­ten würde, können sich in Ab­wei­chung von den Be­stim­mun­gen des In­sol­venz­ge­setz­bu­ches ei­ner Son­der­li­qui­da­ti­on un­ter­zie­hen. In die­sem Fall wird ein Li­qui­da­tor be­stimmt. Li­qui­da­tor darf je­de natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­son sein, die von den die Li­qui­da­ti­on Be­an­tra­gen­den vor­ge­schla­gen wird; Letz­te­re rei­chen bei dem gemäß dem nach­ste­hen­den Ab­satz zuständi­gen Ge­richt die von der als Li­qui­da­tor vor­ge­schla­ge­nen Per­son ab­ge­ge­be­ne Erklärung darüber ein, dass sie die­sen Vor­schlag an­nimmt.

...

4. Die Son­der­li­qui­da­ti­on bil­det für das Un­ter­neh­men kei­nen Grund, sich auf­zulösen, sie im­pli­ziert auch we­der den Be­triebs­still­stand noch die Auflösung von mit dem Un­ter­neh­men be­ste­hen­den Verträgen ver­schie­dens­ter Art noch stellt sie ei­nen Grund zur Auflösung die­ser Verträge dar. In je­dem Fal­le bil­det sie je­doch al­lein für den Li­qui­da­tor ei­nen Grund, mit dem Un­ter­neh­men be­ste­hen­de Verträge jed­we­der Art zu kündi­gen. Der Li­qui­da­tor führt die Geschäfte des Un­ter­neh­mens, er ver­wal­tet und ver­tritt es. Der Li­qui­da­tor darf den so­for­ti­gen Be­triebs­still­stand oder die allmähli­che Ein­schränkung oder Still­le­gung des Be­triebs des Un­ter­neh­mens so­wie das Wei­ter­be­ste­hen oder die Be­en­dung von mit dem Un­ter­neh­men be­ste­hen­den Verträgen ver­schie­dens­ter Art be­sch­ließen: Ins­be­son­de­re die mit dem Per­so­nal, das mit dem Un­ter­neh­men auf­grund ei­nes abhängi­gen oder un­abhängi­gen Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses oder durch die Er­brin­gung von Leis­tun­gen der Rechts­be­ra­tung oder der ju­ris­ti­schen Ver­tre­tung ver­bun­den ist, be­ste­hen­den Ar­beits-, Ho­no­rar- oder Werk­verträge können nach der Be­kannt­ga­be des ent­spre­chen­den Be­schlus­ses des Efe­teio [Be­ru­fungs­ge­rich­tes] und nach der von dem Li­qui­da­tor er­fol­gen­den Einschätzung so­wie nach im In­ter­es­se der Li­qui­da­ti­on lie­gen­den Be­schlüssen des Li­qui­da­tors und je nach Not­wen­dig­keit al­le­samt oder teil­wei­se durch Auflösung gekündigt oder vorläufig außer Kraft ge­setzt wer­den, oh­ne dass sich hier­aus Straf­zah­lun­gen für das Un­ter­neh­men er­ge­ben. ... 


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20. Für die Dau­er von acht­zehn Mo­na­ten ab der Veröffent­li­chung des durch das Efe­teio [Be­ru­fungs­ge­richt] er­las­se­nen Be­schlus­ses über die Son­der­li­qui­da­ti­on des Un­ter­neh­mens wer­den al­le ge­gen das Un­ter­neh­men er­grif­fe­nen Maßnah­men der Zwangs­voll­stre­ckung so­wie Si­che­rungs­maßnah­men vorläufig außer Kraft ge­setzt.“

Im Rah­men des Pri­va­ti­sie­rungs­ver­fah­rens stell­te die Be­klag­te (zu 1.) den Flug­be­trieb welt­weit En­de Sep­tem­ber 2009 ein. An­sch­ließend nahm die P S.A. den Flug­be­trieb in Grie­chen­land auf, oh­ne Zie­le von und nach Deutsch­land an­zu­steu­ern. Die P S.A. fir­mier­te An­fang Ok­to­ber 2009 in O S.A. um. Sie beschäftigt in Deutsch­land kei­ne Ar­beit­neh­mer und un­terhält in der Bun­des­re­pu­blik kei­ne Be­triebsräume. Sie bie­tet auch kei­ne Flug­ver­bin­dun­gen von, in und nach Deutsch­land an, be­dien­te je­doch seit 29. Sep­tem­ber 2009 ei­ni­ge der zu­vor von der Be­klag­ten (zu 1.) im Aus­land an­ge­bo­te­nen Flug­ver­bin­dun­gen. Die O S.A. er­warb vom grie­chi­schen Staat die Li­zenz­rech­te an der Mar­ke „O“.

Auf An­trag der Grie­chi­schen Re­pu­blik vom 24. Sep­tem­ber 2009 un­ter­stell­te das Be­ru­fungs­ge­richt Athen (Efe­teio) die Be­klag­te (zu 1.) mit Be­schluss vom 2. Ok­to­ber 2009 der Son­der­li­qui­da­ti­on nach dem durch Art. 40 des Ge­set­zes 3710/2008 ein­gefügten Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005. Das Ge­richt setz­te die aus­weis­lich der Kla­ge­schrift zu 2. be­klag­te E S.A., ei­ne Ak­ti­en­ge­sell­schaft grie­chi­schen Rechts mit Sitz in Athen, als Li­qui­da­to­rin ein. Be­reits am 27. Mai 2009 war in der Zei­tung der Re­gie­rung der Grie­chi­schen Re­pu­blik (Band Ak­ti­en­ge­sell­schaf­ten und Ge­sell­schaf­ten mit be­schränk­ter Haf­tung, Bl. Nr. 3847) ein Pro­to­koll des Ver­wal­tungs­rats der E S.A. veröffent­licht wor­den. Da­nach hat­te die­ser ent­schie­den, dem Di­rek­tor T und dem geschäftsführen­den Rats­mit­glied Ma die vol­le Ver­wal­tungs- und Ver­tre­tungs­macht der Ge­sell­schaft zu über­tra­gen. Das soll­te für al­le Fra­gen außer den­je­ni­gen gel­ten, die nach dem Ge­setz ei­ne kol­lek­ti­ve Hand­lung des Ver­wal­tungs­rats er­for­der­ten. Die bei­den Ver­wal­tungs­rats­mit­glie­der soll­ten je­der ge­trennt han­deln können. Im Rah­men ih­rer Hand­lungs­macht soll­ten sie das Recht ha­ben, un­ter Gewährung von no­ta­ri­el­len Voll­mach­ten oder Voll­machts­ur­kun­den die Ausführung kon­kre­ter Auf­träge zur Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft vor Ver­wal­tungs- oder Ge­richts­behör- 


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den oder ge­genüber Drit­ten an An­ge­stell­te der Ge­sell­schaft oder an­de­re zu über­tra­gen.

Von Au­gust bis De­zem­ber 2009 fan­den in Deutsch­land zwi­schen der Be­klag­ten (zu 1.) und dem Ge­samt­be­triebs­rat In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen vor der Ei­ni­gungs­stel­le statt. Die Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich schei­ter­ten, der So­zi­al­plan vom 4. De­zem­ber 2009 kam durch Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le zu­stan­de.

Die Kläge­rin war seit Ok­to­ber 1993 bei der Be­klag­ten (zu 1.) bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin, der O A S.A., tätig, zu­letzt als „Sa­les Re­pre­sen­ta­ti­ve“ in der Sta­ti­on S. In die­ser Sta­ti­on wa­ren neun Ar­beit­neh­mer beschäftigt, dar­un­ter mehr als fünf schon vor dem 1. Ja­nu­ar 2004. Die maßgeb­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen er­ga­ben sich aus den im Ar­beits­ver­trag in Be­zug ge­nom­me­nen Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen. Nach Nr. 20 die­ser Be­stim­mun­gen gal­ten sie für die im An­hang 1 auf­geführ­ten Per­so­nen­grup­pen, die ört­lich in Deutsch­land durch die Be­klag­te (zu 1.) an­ge­stellt wur­den. Da­zu gehörten auch „Sa­les Re­pre­sen­ta­ti­ves“.

Mit Schrei­ben vom 15. De­zem­ber 2009 lei­te­te Rechts­an­walt G, der späte­re Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten, die Anhörung des Be­triebs­rats der Sta­ti­on S zu der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Kläge­rin ein. In die­sem Schrei­ben ist ua. wört­lich aus­geführt:

Be­triebs­rats­anhörung im Sin­ne des § 102 Be­trVG Mit­tei­lung im Sin­ne von § 17 Abs. 2 KSchG Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses

Sehr ge­ehr­ter Herr ...,

wie be­reits aus dem Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren ak­ten­kun­dig, ver­tre­te ich die Fir­ma E S.A., ..., als Son­der­li­qui­da­tor über das Vermögen der Fir­ma O S.A. Ord­nungs­gemäße Be­vollmäch­ti­gung wird an­walt­lich ver­si­chert.

Ich neh­me Be­zug ins­be­son­de­re auf die im Rah­men des Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­rens geführ­ten Gespräche und das Ih­nen si­cher­lich zu­ge­lei­te­te Sit­zungs­pro­to­koll nebst So­zi­al­plan vom 04.12.09. Wie dar­aus er­sicht­lich ist, sind die In­ter­es­sen­aus­gleichs­gespräche lei­der ge­schei­tert; ein So­zi­al­plan ist im We­ge des Spruchs zu­stan­de ge­kom­men.

Zu den Hin­ter­gründen vor­lie­gen­der Anhörung tei­le ich mit,


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dass nach­dem der Flug­be­trieb des Un­ter­neh­mens En­de Sep­tem­ber 2009 ein­ge­stellt wur­de, die vollständi­ge Be­triebs­still­le­gung in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land be­schlos­sen und nun­mehr in die We­ge ge­lei­tet ist. Ich über­rei­che in An­la­ge das Schrei­ben mei­ner Par­tei vom 01.12.09 nebst amt­li­cher Über­set­zung. Die­ses Schrei­ben wur­de dem Ge­samt­be­triebs­rat am 04.12.09 be­reits über­ge­ben.

Wie dar­aus er­sicht­lich ist, wur­de das Un­ter­neh­men mit Be­schluss des Be­ru­fungs­ge­richts Athen vom 02.10.09 un­ter Son­der­li­qui­da­ti­on im Sin­ne von Art. 1 der EU-Ver­ord­nung-Nr. 1346/2000 nebst Anhängen I und II ge­stellt, so­mit die­ses Ver­fah­ren ei­nem In­sol­venz­ver­fah­ren gleich­zu­stel­len ist.

Folg­lich gilt es, sämt­li­che der­zeit in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land be­ste­hen­den 69 Ar­beits­verhält­nis­se un­ter Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten, gem. § 113 In­sO, zu kündi­gen. Die Bun­des­agen­tur für Ar­beit wur­de über die Vorgänge in Kennt­nis ge­setzt.

Vor­lie­gend ist mit­zu­tei­len, dass be­ab­sich­tigt ist fol­gen­des Ar­beits­verhält­nis mit der o.g. 3-mo­na­ti­gen Kündi­gungs­frist zum 31.03.2010 zu kündi­gen:
...“

Es folg­ten An­ga­ben zur Per­son der Kläge­rin (Na­me, Adres­se, Ge­burts­da­tum, Fa­mi­li­en­stand, Un­ter­halts­pflich­ten, Be­triebs­zu­gehörig­keit, aus­geübte Tätig­keit, Brut­to­ent­gelt). Die­sem Schrei­ben war das Schrei­ben der Be­klag­ten (zu 1.) an den Vor­sit­zen­den des Ge­samt­be­triebs­rats in eng­li­scher Spra­che und be­glau­big­ter deut­scher Über­set­zung bei­gefügt.

Mit Schrei­ben vom 21. De­zem­ber 2009 wies der ört­li­che Be­triebs­rat die Anhörung ana­log § 174 BGB zurück.

Die Be­klag­te (zu 1.) teil­te der Agen­tur für Ar­beit S die in der Sta­ti­on S ge­plan­ten Ent­las­sun­gen mit. Die Agen­tur für Ar­beit er­wi­der­te mit Schrei­ben vom 30. De­zem­ber 2009, dass der Ne­ben­be­trieb in S auf­grund der wei­ten räum­li­chen Ent­fer­nung zum Haupt­be­trieb in F als selbständi­ger Be­trieb gel­te. Die Be­klag­te (zu 1.) sei zu kei­ner An­zei­ge von Ent­las­sun­gen nach § 17 KSchG ver­pflich­tet, weil sie in S in der Re­gel nur neun Ar­beit­neh­mer beschäfti­ge. 


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Mit Schrei­ben vom 29. De­zem­ber 2009, das der Kläge­rin am 30. De­zem­ber 2009 zu­ging, kündig­te Rechts­an­walt G „na­mens und in Voll­macht des Son­der­li­qui­da­tors“ das Ar­beits­verhält­nis mit der Kläge­rin zum 31. März 2010. Das Schrei­ben lau­tet aus­zugs­wei­se:

„O S.A. ./. ...

hier: Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses Sehr ge­ehr­te Frau T,

wie be­reits ak­ten­kun­dig ver­tre­te ich die Fir­ma E S.A., ge­setz­lich ver­tre­ten durch den Geschäftsführer Herrn Ma, ..., als Son­der­li­qui­da­tor über das Vermögen der Fir­ma O S.A.

Ich bin be­auf­tragt, un­ter Vor­la­ge ei­ner Ori­gi­nal­voll­macht fol­gen­de Erklärun­gen ab­zu­ge­ben:

Na­mens und in Voll­macht des Son­der­li­qui­da­tors kündi­ge ich ...“

Dem Kündi­gungs­schrei­ben war ei­ne von Herrn Ma für die E S.A. un­ter­zeich­ne­te Ori­gi­nal­voll­macht vom 11. De­zem­ber 2009 zu­guns­ten von Rechts­an­walt G bei­gefügt. Dar­in heißt es:

„...Hier­mit be­vollmäch­ti­ge ich,

Fir­ma E S.A., ge­setz­lich ver­tre­ten durch den Vor­stand, Athen, Hel­las,

als Son­der­li­qui­da­tor über das Vermögen der ‚Fir­ma O S.A.’ nach OLG Athen, Ur­teil 5714/2009,

Herrn Rechts­an­walt G, das Ar­beits­verhält­nis mit Frau T

zu kündi­gen....“

Rechts­an­walt G kündig­te auch al­le an­de­ren Ar­beits­verhält­nis­se der Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten in Deutsch­land.

Die Kläge­rin ließ die Kündi­gung mit Schrei­ben vom 12. Ja­nu­ar 2010 zurück­wei­sen, weil kei­ne ord­nungs­gemäßen Haupt- und Un­ter­voll­machts­ur­kun-


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den vor­ge­legt wor­den sei­en. Vor­sorg­lich wer­de die Kündi­gung auch man­gels ord­nungs­gemäßer Be­vollmäch­ti­gung zurück­ge­wie­sen. Die­ses Schrei­ben ging Rechts­an­walt G am sel­ben Tag zu.

Mit ih­rer am 20. Ja­nu­ar 2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­reich­ten Kla­ge wen­det sich die Kläge­rin ge­gen die Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses. In der Kla­ge­schrift ist als Be­klag­te zu 1. die „O S.A., Haupt­nie­der­las­sung Deutsch­land“ und als Be­klag­te zu 2. die „E - Ad­mi­nis­tra­ti­on of as­sets and lia­bi­li­ties S.A., ... ge­setz­lich ver­tre­ten durch den Vor­stand, han­delnd als Son­der­li­qui­da­tor über das Vermögen der Be­klag­ten Ziff. 1“ an­ge­ge­ben. Als Kla­ge­an­trag ist in der Klag­schrift ua. die er­streb­te Fest­stel­lung an­gekündigt ge­we­sen, „dass das zwi­schen der Be­klag­ten Ziff. 1 und der Kläge­rin be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung vom 29.12.2009 nicht zum 31.03.2010 auf­gelöst wer­den wird“. Der Kla­ge­schrift sind ua. Ab­lich­tun­gen der Ent­gelt­be­schei­ni­gung „12.2009“ der zu 1. be­klag­ten O S.A. und des Kündi­gungs­schrei­bens bei­gefügt.

Die Kläge­rin hat zur Be­gründung der gewähl­ten Par­tei­rol­len und des An­trags in ers­ter In­stanz aus­geführt, sie stel­le gleich­lau­ten­de Anträge ge­gen bei­de Be­klag­te. Sie ge­he zwar da­von aus, dass die Be­klag­te zu 1. pas­siv­le­gi­ti­miert sei. Nach Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 idF von Art. 40 des Ge­set­zes 3710/2008 ver­tre­te der Li­qui­da­tor das Un­ter­neh­men le­dig­lich. Zu­dem hand­le es sich bei dem Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren um kein In­sol­venz­ver­fah­ren iSd. Ver­ord­nung (EG) Nr. 1346/2000 des Ra­tes vom 29. Mai 2000 über In­sol­venz­ver­fah­ren (Eu­Ins­VO). Tatsächlich hand­le es sich bei dem mit dem Ge­setz 3710/2008 ein­geführ­ten Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren um ein neu­es Ver­fah­ren, das an­de­ren Eröff­nungs­be­din­gun­gen un­ter­lie­ge und an­de­re Ver­fah­rens­abläufe ha­be als das in Grie­chen­land be­reits seit 1956 be­ste­hen­de Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren. Für den Fall, dass das Ge­richt den­noch ei­nen Über­gang der Pro­zessführungs­be­fug­nis auf die E S.A. an­neh­me, wer­de die Kla­ge vor­sorg­lich „un­be­dingt (oh­ne un­zulässi­ge außer­pro­zes­sua­le Be­din­gung) mit gleich­lau­ten­den Anträgen auch ge­gen die Be­klag­te Ziff. 2 ge­rich­tet“. Die Anträge sei­en ein­heit­lich for­mu­liert wor­den, weil in die­sem Fall nur die Pro­zessführungs­be­fug­nis - nicht auch die Ar­beit­ge­ber­ei­gen­schaft - auf die E S.A. über­ge­gan­gen sei.


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Die Kündi­gung könne das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­den, weil sie wirk­sam nach § 174 BGB zurück­ge­wie­sen wor­den sei. Die Kündi­gung sei auch nach § 102 Be­trVG un­wirk­sam, weil der Be­triebs­rat das Anhörungs­schrei­ben in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 174 BGB ha­be zurück­wei­sen dürfen. Die Mas­sen­ent­las­sung sei nicht ord­nungs­gemäß an­ge­zeigt wor­den. In Deutsch­land ha­be ein ein­heit­li­cher Be­trieb der Be­klag­ten (zu 1.) be­stan­den. Die be­deut­sa­men Ent­schei­dun­gen sei­en in der zen­tra­len Ver­wal­tung der Be­klag­ten (zu 1.) in F ge­trof­fen wor­den. Die Kündi­gung sei fer­ner so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt. Als sie erklärt wor­den sei, sei die Still­le­gung noch nicht endgültig be­ab­sich­tigt ge­we­sen. Ei­ne So­zi­al­aus­wahl sei nicht ge­trof­fen wor­den. Je­den­falls sei die Kündi­gungs­frist un­zu­tref­fend be­rech­net. Maßgeb­lich sei die ver­trag­li­che Kündi­gungs­frist, so­dass das Ar­beits­verhält­nis frühes­tens mit dem 31. De­zem­ber 2010 be­en­det wor­den sei.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt 

fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen ihr und der Be­klag­ten (zu 1.) be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 nicht zum 31. März 2010 auf­gelöst wor­den ist.

Die sog. Be­klag­ten zu 1. und zu 2. ha­ben be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Der An­wen­dungs­be­reich der Eu­Ins­VO sei eröff­net. Des­halb sei auf das Ar­beits­verhält­nis deut­sches Recht an­zu­wen­den. Je­den­falls lie­ge ein nach § 343 In­sO an­zu­er­ken­nen­des ausländi­sches In­sol­venz­ver­fah­ren vor. Bei der zu­guns­ten von Herrn Ma aus­ge­stell­ten Voll­macht hand­le es sich um ei­ne Haupt­voll­macht. Herr Ma sei aus­weis­lich des amt­lich veröffent­li­chen Pro­to­kolls des Ver­wal­tungs­rats al­lein­ver­tre­tungs­be­rech­tigt ge­we­sen. § 174 BGB gel­te für die Be­triebs­rats­anhörung nach § 102 Be­trVG nicht. Je­den­falls sei dem Be­triebs­rat die Voll­macht von Rechts­an­walt G ua. aus den Ver­hand­lun­gen über den In­ter­es­sen­aus­gleich be­kannt ge­we­sen, an de­nen die ört­li­chen Be­triebsräte teil­ge­nom­men hätten. Ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sei nicht er­for­der­lich ge­we­sen, weil für die Sta­ti­on S der Schwel­len­wert nicht er­reicht ge­we­sen sei. Ei­ne So­zi­al­aus­wahl sei nicht zu tref­fen ge­we­sen. Die nöti­gen Ab­wick­lungs­ar­bei­ten sei­en nur von ei­nem Ar­beit­neh­mer aus der Buch­hal­tung und dem Fi­nanz­di­rek-

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tor vor­ge­nom­men wor­den, mit de­nen die Kläge­rin nicht ver­gleich­bar sei und die nicht in S beschäftigt ge­we­sen sei­en.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Es hat die Zurück­wei­sung der Kündi­gung ent­spre­chend § 174 Satz 1 BGB ua. des­we­gen für un­be­acht­lich ge­hal­ten, weil die Kläge­rin die Kündi­gung erst 13 Ta­ge nach Zu­gang des Kündi­gungs­schrei­bens und da­mit nicht un­verzüglich zurück­ge­wie­sen ha­be. Da­ge­gen hat die Kläge­rin in der Fol­ge kei­ne Rügen er­ho­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Be­ru­fung der Kläge­rin in Be­zug auf die sog. Be­klag­te zu 2. fest­ge­stellt, dass das zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 1. be­gründe­te Ar­beits­verhält­nis durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten zu 2. vom 29. De­zem­ber 2009 nicht auf­gelöst wor­den ist. In Be­zug auf die sog. Be­klag­te zu 1. hat es die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on will die Kläge­rin fest­ge­stellt wis­sen, dass das zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 1. be­gründe­te Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 nicht zum 31. März 2010 auf­gelöst wor­den ist. Die aus­weis­lich der Kla­ge­schrift zu 2. be­klag­te E S.A. hat mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on die vollständi­ge Wie­der­her­stel­lung des kla­ge­ab­wei­sen­den erst­in­stanz­li­chen Ur­teils be­gehrt.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der in Wirk­lich­keit aus­sch­ließlich Be­klag­ten (zu 1.) ist be­gründet. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin hat in der Sa­che kei­nen Er­folg.

A. Die deut­schen Ge­rich­te sind für die Ent­schei­dung des Rechts­streits in­ter­na­tio­nal zuständig. Grund­la­ge ist die Ver­ord­nung (EG) Nr. 44/2001 des Ra­tes vom 22. De­zem­ber 2000 über die ge­richt­li­che Zuständig­keit und die An­er­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zi­vil- und Han­dels­sa­chen (Eu­GV­VO). Der für die An­wen­dung der Eu­GV­VO er­for­der­li­che Aus­lands­be­zug (vgl. da­zu EuGH 17. No­vem­ber 2011 - C-327/10 - [Lind­ner] Rn. 29, NJW 2012, 1199) er­gibt sich dar­aus, dass die sog. Be­klag­ten zu 1. und zu 2. 


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ih­ren Sitz in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ha­ben (vgl. EuGH 1. März 2005 - C-281/02 - [Owu­su] Rn. 26, Slg. 2005, I-1383). Der all­ge­mei­ne Fest­stel­lungs-und der Kündi­gungs­schutz­an­trag sind kei­ne An­nex­ver­fah­ren iSv. Art. 3 Abs. 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 1346/2000 des Ra­tes vom 29. Mai 2000 über In­sol­venz­ver­fah­ren (Eu­Ins­VO). Bei ih­nen wäre die in­ter­na­tio­na­le Zuständig­keit auf­grund der Be­reichs­aus­nah­me in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b Eu­GV­VO den Ge­rich­ten des Staats der Ver­fah­ren­seröff­nung, hier al­so den grie­chi­schen Ge­rich­ten, zu­ge­ord­net. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, ob das über das Vermögen der Be­klag­ten (zu 1.) mit Be­schluss des Be­ru­fungs­ge­richts Athen vom 2. Ok­to­ber 2009 eröff­ne­te Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 idF von Art. 40 des Ge­set­zes 3710/2008 (künf­tig: Son­der-li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren) ein In­sol­venz­ver­fah­ren iSv. Art. 2 Buchst. a Eu­Ins­VO ist. Kündi­gungs­schutz­kla­gen ge­gen ei­ne - wie hier - nach deut­schem Recht erklärte Kündi­gung fehlt der spe­zi­fi­sche In­sol­venz­be­zug, um den für die An­nah­me ei­nes An­nex­ver­fah­rens er­for­der­li­chen en­gen Zu­sam­men­hang mit dem In­sol­venz­ver­fah­ren zu be­ja­hen. Das gilt auch dann, wenn die kur­ze Kündi­gungs­frist des § 113 Satz 2 In­sO maßgeb­lich sein soll. Sol­che Kla­gen ha­ben ih­ren Rechts­grund nicht im In­sol­venz­recht, son­dern im Ar­beits­recht. Für sie be­stimmt sich die in­ter­na­tio­na­le Zuständig­keit des­halb nach der Eu­GV­VO und nicht nach der Eu­Ins­VO (vgl. ausführ­lich BAG 20. Sep­tem­ber 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 16 ff., ZIP 2012, 2312). Die ört­li­che Zuständig­keit er­gibt sich auf­grund der rüge­lo­sen Ein­las­sung der sog. Be­klag­ten zu 1. und zu 2. je­den­falls aus Art. 24 Eu­GV­VO, wenn sie nicht schon nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a Eu­GV­VO aus dem Ge­richts­stand des gewöhn­li­chen Ar­beits­orts folgt.

B. Die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin und der Be­klag­ten sind zulässig. 

I. Die Zulässig­keit der Rechts­mit­tel be­stimmt sich nach deut­schem Zi­vil­pro­zess­recht. Nach den Re­geln des deut­schen In­ter­na­tio­na­len Pro­zess­rechts rich­tet sich das Ver­fah­ren auch in Fällen mit Aus­lands­berührung nach der lex fo­ri, dh. dem Recht des an­ge­ru­fe­nen Ge­richts und da­mit nach den inländi­schen Pro­zess­vor­schrif­ten (vgl. BGH 14. Ok­to­ber 1981 - IVb ZB 718/80 - 


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zu III 3 b aa der Gründe, BGHZ 82, 34; 21. De­zem­ber 1976 - III ZR 83/74 - zu II 1 der Gründe, WM 1977, 332).

II. Die bei­den Re­vi­si­onskläge­rin­nen, die Kläge­rin und die Be­klag­te, sind durch die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung auch dann be­schwert, wenn die Be­schwer an­hand der von der Kläge­rin gewähl­ten Par­tei­be­zeich­nun­gen auf Be­klag­ten­sei­te be­ur­teilt wird.

1. Die Kläge­rin hat durch das Be­ru­fungs­ur­teil ihr Kla­ge­ziel der Fest­stel­lung er­reicht, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 nicht auf­gelöst wur­de. Sie hat ge­gen bei­de von ihr als Be­klag­te be­zeich­ne­te ju­ris­ti­sche Per­so­nen nur ei­nen ein­heit­li­chen Kla­ge­an­trag ge­rich­tet. Das be­ruht dar­auf, dass die Kläge­rin nicht von ei­nem Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 2., son­dern aus­sch­ließlich von ei­nem Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 1. aus­ge­gan­gen ist und die Be­klag­te zu 2. le­dig­lich als Pro­zess­stand­schaf­te­rin in An­spruch ge­nom­men hat. Mit ih­rer Re­vi­si­on er­strebt sie da­mit im Aus­gangs­punkt die er­neu­te Bestäti­gung die­ses Aus­spruchs. Sie will fest­ge­stellt wis­sen, dass die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 das Ar­beits­verhält­nis nicht auflöste. Mit dem An­trag, die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu 2. zurück­zu­wei­sen, be­gehrt sie zu­gleich die Bestäti­gung der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lung, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 1. durch die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 nicht auf­gelöst wur­de. In der Ge­samt­schau der Re­vi­si­ons­anträge will die Kläge­rin al­so zwei­mal fest­ge­stellt wis­sen, dass die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 das Ar­beits­verhält­nis nicht auflöste. Das ist pro­zes­su­al nicht möglich. Die er­for­der­li­che Be­schwer be­steht den­noch.

a) Für das Rechts­mit­tel der kla­gen­den Par­tei ist ei­ne for­mel­le Be­schwer er­for­der­lich (vgl. BGH 20. De­zem­ber 2005 - XI ZR 66/05 - Rn. 14, NJW-RR 2007, 138). Sie ist zu be­ja­hen, wenn die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung von dem ge­stell­ten An­trag nach­tei­lig ab­weicht. Aus­rei­chend ist be­reits die (teil­wei­se) Ab­wei­sung der Kla­ge, auch wenn die Ab­wei­sung nicht ma­te­ri­ell rechts­kräftig wird und „ins Lee­re geht“, weil nach der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung kein Raum für ei­ne Teil­ab­wei­sung war. Be­reits der An­schein ei­ner Be­schwer eröff- 


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net der mit dem un­rich­ti­gen Ur­teil be­las­te­ten kla­gen­den Par­tei den Zu­gang zur Rechts­mit­tel­in­stanz (vgl. BGH 20. De­zem­ber 2005 - XI ZR 66/05 - Rn. 15, aaO; 10. März 1993 - VIII ZR 85/92 - zu II 1 b der Gründe, NJW 1993, 2052).

b) Nach die­sen Grundsätzen be­steht die nöti­ge Be­schwer. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts in­so­weit bestätigt, als die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 1. als un­zulässig ab­zu­wei­sen ge­we­sen sei. Im Pro­zess­rechts­verhält­nis ge­genüber der Be­klag­ten zu 2. hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 2. vom 29. De­zem­ber 2009 das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit der Be­klag­ten zu 1. nicht auflöste.

c) Die Kläge­rin er­strebt mit ih­rer Re­vi­si­on, dass die­se Be­schwer be­sei­tigt wird. Dafür genügt es, dass die Kläge­rin die Kla­ge­ab­wei­sung be­sei­ti­gen will, auch wenn die­ses Vor­ge­hen mit dem pro­zes­su­al nicht er­reich­ba­ren Ziel ver­bun­den ist, ei­ne Fest­stel­lung zu er­rei­chen, die be­reits ge­trof­fen ist. Das er­for­der­li­che Rechts­schutz­in­ter­es­se er­gibt sich aus der mit der Re­vi­si­on zu­gleich ver­lang­ten Abände­rung der Kos­ten­ent­schei­dung (vgl. BGH 10. März 1993 - VIII ZR 85/92 - zu II 1 b der Gründe, NJW 1993, 2052).

2. Auch die für die Zulässig­keit der Re­vi­si­on der sog. Be­klag­ten zu 2. er­for­der­li­che ma­te­ri­el­le Be­schwer ist zu be­ja­hen. Dafür genügt je­der nach­tei­li­ge, der Rechts­kraft fähi­ge In­halt der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung (vgl. BGH 18. Ja­nu­ar 2007 - IX ZB 170/06 - Rn. 6, NJW-RR 2007, 765; 15. No­vem­ber 2001 - I ZR 76/99 - zu II der Gründe, NJW-RR 2002, 932). Hierfür reicht die Be­schwer im Kos­ten­punkt zwar nicht aus (vgl. BGH 18. Ja­nu­ar 2007 - IX ZB 170/06 - Rn. 5, aaO). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts aber aus­drück­lich „in Be­zug auf die Be­klag­te zu 2.“ ab­geändert und neu ge­fasst. Das be­schwert die sog. Be­klag­te zu 2.

C. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet, die der Be­klag­ten da­ge­gen be­gründet. Die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 be­en­de­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem 31. März 2010. 


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I. Der Sa­che nach war von An­fang an nur ei­ne Be­klag­te, die O S.A. un­ter Son­der­li­qui­da­ti­on, ver­tre­ten durch die Li­qui­da­to­rin E S.A., ver­klagt. Die Be­klag­ten­be­zeich­nung war da­her rich­tig­zu­stel­len.

1. Die Kläge­rin hat nur ei­nen ein­heit­li­chen Kündi­gungs­schutz­an­trag ge­gen bei­de Be­klag­te ge­rich­tet. Sie hat Kla­ge aus­drück­lich „un­be­dingt (oh­ne un­zulässi­ge außer­pro­zes­sua­le Be­din­gung) mit gleich­lau­ten­den Anträgen auch ge­gen die Be­klag­te Ziff. 2“ er­ho­ben. Da­mit hat sie die Kla­ge - an­walt­lich ver­tre­ten - aus­drück­lich sub­jek­tiv gehäuft.

a) Ei­ne sol­che un­be­ding­te sub­jek­ti­ve Kla­gehäufung ist zB in Fällen zulässig, in de­nen un­klar ist, ob es zu ei­nem Be­triebsüber­gang ge­kom­men ist (vgl. BAG 24. Ju­ni 2004 - 2 AZR 215/03 - zu B I 2 a der Gründe mwN, AP BGB § 613a Nr. 278 = EzA BGB 2002 § 626 Unkünd­bar­keit Nr. 5; 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - zu II der Gründe, AP ZPO § 59 Nr. 1).

b) Da­ge­gen ist ei­ne be­ding­te sub­jek­ti­ve Kla­gehäufung, die die Ein­be­zie­hung ei­nes oder meh­re­rer wei­te­rer Be­klag­ter da­von abhängig macht, dass ei­ne außer­pro­zes­sua­le Be­din­gung ein­tritt, un­zulässig (vgl. BAG 24. Ju­ni 2004 - 2 AZR 215/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 278 = EzA BGB 2002 § 626 Unkünd­bar­keit Nr. 5; 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 2 b der Gründe, BA­GE 73, 30, je­weils mwN). Dem­nach ist es un­zulässig, die Kla­ge ge­gen ei­nen Be­klag­ten von dem Aus­gang des Rechts­streits ge­gen ei­nen an­de­ren Be­klag­ten abhängig zu ma­chen. Es darf nicht von ei­ner Be­din­gung abhängen, ob zu ei­ner Par­tei ein Pro­zess­rechts­verhält­nis be­gründet wird oder nicht (vgl. BAG 11. Sep­tem­ber 1980 - 3 AZR 544/79 - zu A III 1 der Gründe, BA­GE 34, 146). Zulässig sind le­dig­lich - je­den­falls im Rah­men ei­ner hier nicht ge­ge­be­nen ob­jek­ti­ven Kla­gehäufung - in­ner­pro­zes­sua­le Be­din­gun­gen, et­wa bei Hilfs­anträgen (vgl. BAG 8. De­zem­ber 1988 - 2 AZR 294/88 - zu I 1 der Gründe, EzAÜG AÜG § 10 Fik­ti­on Nr. 60).

2. Die­se Recht­spre­chung war dem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin er­sicht­lich be­kannt. Er hat des­halb aus­drück­lich erklärt, die Kla­gen ge­gen die bei­den Be­klag­ten würden je­weils un­be­dingt er­ho­ben. Der Kläger­ver­tre­ter hat

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die Pro­zess­rechts­verhält­nis­se zu den bei­den Be­klag­ten gleich­wohl in ei­ne be­ding­te Be­zie­hung ge­setzt. Da­nach ist die Kla­ge ge­gen die sog. Be­klag­te zu 2. vor­sorg­lich für den Fall er­ho­ben wor­den, dass das Ge­richt wi­der Er­war­ten un­ge­ach­tet der an­ders­lau­ten­den Ar­gu­men­ta­ti­on der Kläge­rin ei­nen Über­gang der Pro­zessführungs­be­fug­nis auf die sog. Be­klag­te zu 2. an­neh­me. Das ist nichts an­de­res als ei­ne außer­pro­zes­sua­le Be­din­gung. Wer­den Rechts­strei­tig­kei­ten ge­gen meh­re­re Be­klag­te - wie hier - nur äußer­lich im Weg der ein­fa­chen Streit­ge­nos­sen­schaft ver­bun­den, ist je­der Streit­ge­nos­se so zu be­han­deln, als pro­zes­sier­te er al­lein mit dem Geg­ner. Macht die Kla­ge­par­tei ei­ne Pro­zess­hand­lung ge­gen den ei­nen Streit­ge­nos­sen vom Aus­gang des Pro­zes­ses ge­gen den an­de­ren Streit­ge­nos­sen abhängig, han­delt es sich be­zo­gen auf den ers­ten Streit­ge­nos­sen um ei­ne außer­pro­zes­sua­le Be­din­gung (vgl. OLG Hamm 22. Sep­tem­ber 2004 - 31 U 56/04 - zu II 2 der Gründe mwN, MDR 2005, 533).

3. Auf­grund der aus­drück­li­chen Erklärung, die Kla­ge­er­he­bung er­fol­ge un­be­dingt, ist auf­grund der Rechts­kun­de des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin ei­ne Aus­le­gung da­hin, dass tatsächlich ei­ne even­tu­el­le sub­jek­ti­ve Kla­gehäufung be­ab­sich­tigt war, aus­ge­schlos­sen (vgl. BAG 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 2 a der Gründe, BA­GE 73, 30). Es ist ein Ge­bot der Rechts­si­cher­heit, Rechts­kun­di­ge bei sol­chen Pro­zes­serklärun­gen beim Wort zu neh­men (vgl. BFH in st. Rspr. seit 9. Ju­ni 1986 - IX B 90/85 - BFHE 146, 395; BVerwG 30. April 1985 - 3 CB 35.84 - Buch­holz 310 Vw­GO § 132 Nr. 231).

4. Nicht aus­ge­schlos­sen ist je­doch ei­ne Aus­le­gung der Par­tei­stel­lung, die un­ein­ge­schränkt noch in der Re­vi­si­ons­in­stanz er­fol­gen kann. Die­se Aus­le­gung führt da­zu, dass ein­zi­ge Be­klag­te die O S.A. in Son­der­li­qui­da­ti­on, ver­tre­ten durch die Li­qui­da­to­rin E S.A., ist.

a) Ist ei­ne Par­tei­be­zeich­nung nicht ein­deu­tig, ist die Par­tei durch Aus­le­gung zu er­mit­teln. Selbst bei äußer­lich ein­deu­ti­ger, aber of­fen­kun­dig un­rich­ti­ger Be­zeich­nung ist grundsätz­lich die­je­ni­ge Per­son als Par­tei an­ge­spro­chen, die durch die Par­tei­be­zeich­nung er­kenn­bar be­trof­fen wer­den soll. Es kommt dar­auf an, wel­cher Sinn der von der kla­gen­den Par­tei in der Kla­ge­schrift gewähl­ten Par­tei­be­zeich­nung bei ob­jek­ti­ver Würdi­gung des Erklärungs­in­halts bei­zu­le­gen


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ist. Er­gibt sich aus den ge­sam­ten Umständen, wer als be­klag­te Par­tei ge­meint ist, kann das Ru­brum un­be­denk­lich „be­rich­tigt“ wer­den. Das gilt vor al­lem dann, wenn der Kla­ge­schrift das Kündi­gungs­schrei­ben bei­gefügt ist, aus dem sich er­gibt, von wem die Kündi­gung erklärt ist. Ent­schei­dend ist, dass die recht­li­che Iden­tität ge­wahrt bleibt. Bleibt die Par­tei nicht die­sel­be, han­delt es sich um ei­ne Par­teiände­rung. Ei­ne un­ge­naue oder er­kenn­bar fal­sche Par­tei­be­zeich­nung kann da­ge­gen je­der­zeit von Amts we­gen rich­tig­ge­stellt wer­den. Das kann auch noch durch das Re­vi­si­ons­ge­richt ge­sche­hen (vgl. für die st. Rspr. BAG 18. Ok­to­ber 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 18 f.; 27. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 692/02 - zu B I 1 a cc der Gründe, BA­GE 109, 47; sie­he auch BGH 28. März 1995 - X ARZ 255/95 - zu II der Gründe, AP ZPO § 50 Nr. 8). Die Par­tei­be­zeich­nung ist rechts­schutz­gewährend aus­zu­le­gen (vgl. BFH 17. Ja­nu­ar 2002 - VI B 114/01 - zu II 4 e der Gründe, BFHE 198, 1). Die Vor­schrif­ten des Ver­fah­rens­rechts sind kein Selbst­zweck. Art. 19 Abs. 4 GG ver­bie­tet, den Zu­gang zu den Ge­rich­ten in ei­ner aus Sach­gründen nicht zu recht­fer­ti­gen­den Wei­se zu er­schwe­ren (vgl. BVerfG 9. Au­gust 1991 - 1 BvR 630/91 - zu II 1 der Gründe, NJW 1991, 3140; BAG 27. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 692/02 - zu B I 1 a cc (1) der Gründe, aaO).

b) Nach die­sen Grundsätzen ist die un­rich­ti­ge Be­zeich­nung der sog. Be­klag­ten zu 1. und zu 2. in der Kla­ge­schrift da­hin aus­zu­le­gen, dass sich die Kla­ge von vorn­her­ein nur ge­gen die O S.A. un­ter Son­der­li­qui­da­ti­on, ver­tre­ten durch die Li­qui­da­to­rin E S.A., rich­te­te und mit ihr die Drei­wo­chen­frist des § 4 Satz 1 KSchG ge­wahrt wur­de. Durch ei­ne sol­che Aus­le­gung wer­den schutz-würdi­ge Be­lan­ge der Pro­zess­geg­ne­rin, der O S.A., nicht ver­letzt (vgl. BAG 22. De­zem­ber 2009 - 3 AZN 753/09 - Rn. 12, BA­GE 133, 28; BGH 11. Ju­li 2003 - V ZR 233/01 - zu II der Gründe, NJW 2003, 3203).

aa) Die Be­son­der­heit die­ses Rechts­streits be­steht dar­in, dass die sog. Be­klag­te zu 2. zwar ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son mit ei­ge­ner Rechts­persönlich­keit ist, aber un­strei­tig nicht Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin wur­de. Sie ist le­dig­lich als Son­der­li­qui­da­to­rin über das Vermögen der Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin ein­ge­setzt. Es be­steht un­strei­tig nur ein Ar­beits­verhält­nis mit der sog. Be­klag­ten zu 1.


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Frag­lich ist nach Auf­fas­sung der Kläge­rin al­lein, ob die sog. Be­klag­te zu 1. - ab­wei­chend vom deut­schen Recht - noch selbst han­deln kann und da­bei durch die sog. Be­klag­te zu 2. ver­tre­ten wird oder ob sie je­den­falls die Pro­zessführungs­be­fug­nis ver­lo­ren hat und die­se auf die sog. Be­klag­te zu 2. über­ge­gan­gen ist. Es gibt auch nur ei­ne Kündi­gung, die­je­ni­ge vom 29. De­zem­ber 2009. Die Kündi­gung wur­de auch nach Auf­fas­sung der Kläge­rin von der sog. Be­klag­ten zu 2. nicht als Ar­beit­ge­be­rin, son­dern nur in ih­rer Ei­gen­schaft als Son­der­li­qui­da­to­rin erklärt. Aus die­sem Grund hat die Kläge­rin die sog. Be­klag­te zu 2. aus­drück­lich in ih­rer Ei­gen­schaft als Son­der­li­qui­da­to­rin in An­spruch ge­nom­men („han­delnd als Son­der­li­qui­da­tor über das Vermögen der Be­klag­ten Ziff. 1“).

bb) Die so­wohl ge­gen die Ar­beit­ge­be­rin als auch die Son­der­li­qui­da­to­rin er­ho­be­ne Kla­ge und die dafür gewähl­ten Par­tei­be­zeich­nun­gen fol­gen aus die­sen Be­son­der­hei­ten, ins­be­son­de­re aus der Un­si­cher­heit über die Rechts­stel­lung von Schuld­ner und Son­der­li­qui­da­tor nach grie­chi­schem Recht. Für den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin, dem bei Über­tra­gung des Man­dats und Kla­ge­er­he­bung die deut­sche Über­set­zung des Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 idF von Art. 40 des Ge­set­zes 3710/2008 noch nicht be­kannt war, war nicht er­kenn­bar, ob die O S.A. als Schuld­ne­rin ih­re Hand­lungsfähig­keit ent­spre­chend dem deut­schen Recht mit der In­sol­ven­zeröff­nung ver­lo­ren hat­te und wel­che Rechts­stel­lung die Son­der­li­qui­da­to­rin hat­te. Das Kündi­gungs­schrei­ben, mit dem die Kündi­gung dar­in „in Voll­macht des Son­der­li­qui­da­tors“ erklärt wur­de, räum­te die­se Zwei­fel nicht vollständig aus.

cc) Trotz die­ser Un­si­cher­hei­ten stand be­reits bei Kla­ge­er­he­bung fest, dass nur über die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses, das zwi­schen der Kläge­rin und der O S.A. be­stand, ge­strit­ten wer­den soll­te und die E S.A. die Kündi­gung die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses in ih­rer Ei­gen­schaft als Son­der­li­qui­da­to­rin erklärt hat­te. Es ging nicht um die Fra­ge, ob die sog. Be­klag­te zu 1. oder die sog. Be­klag­te zu 2. Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin war, son­dern nur dar­um, wer pro­zess-führungs­be­fugt für die O S.A. war, die O S.A. selbst oder die E S.A. Die­ser Un­si­cher­heit woll­te der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin mit der Be­klag­ten- 


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be­zeich­nung be­geg­nen. Für die sog. Be­klag­te zu 1. war er­kenn­bar, dass die Kündi­gungs­schutz­kla­ge al­lein ge­gen sie er­ho­ben wer­den soll­te. Dafür spricht ins­be­son­de­re das der Kla­ge­schrift bei­gefügte Kündi­gungs­schrei­ben. Dar­aus geht her­vor, dass die Kündi­gung un­ter dem Be­treff „O S.A. ./. ... hier: Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses“ erklärt wur­de und der Un­ter­zeich­ner den Geschäftsführer der Son­der­li­qui­da­to­rin E S.A. ver­trat. Da­mit konn­ten bei ob­jek­ti­ver Würdi­gung kei­ne be­rech­tig­ten Zwei­fel be­ste­hen, dass sich die Kla­ge von An­fang an ge­gen die O S.A. und nicht ge­gen die E S.A. rich­ten soll­te, die die Kündi­gung nur als Ver­tre­te­rin erklären ließ. Der Se­nat hat die un­ge­naue Par­tei­be­zeich­nung da­her in der Ur­teils­for­mel rich­tig­ge­stellt und im Ur­teils­kopf kennt­lich ge­macht, dass Be­klag­te nur die O S.A. ist.

dd) Durch die­se „Be­rich­ti­gung“ wird die Iden­tität der Par­tei ge­wahrt. Es wird kei­ne an­de­re Par­tei in das Ver­fah­ren ein­geführt, son­dern die von An­fang an be­klag­te Ar­beit­ge­be­rin un­ter Be­ach­tung der sich aus Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 idF von Art. 40 des Ge­set­zes 3710/2008 er­ge­ben­den ge­setz­li­chen Ver­tre­tungs­verhält­nis­se in An­spruch ge­nom­men.

ee) Schutzwürdi­ge Be­lan­ge der no­mi­nell ver­klag­ten Be­klag­ten zu 1. und zu 2. wer­den durch die­se Aus­le­gung nicht ver­letzt. Ins­be­son­de­re wer­den ih­nen kei­ne pro­zes­sua­len Ver­tei­di­gungsmöglich­kei­ten oder der An­spruch auf recht­li­ches Gehör ge­nom­men. Die Wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 wird un­ein­ge­schränkt über­prüft. Die rich­tig be­zeich­ne­te Be­klag­te, die O S.A., war, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt G, von An­fang an am Rechts­streit be­tei­ligt.

II. Die O S.A. als Schuld­ne­rin ist, ver­tre­ten durch die E S.A. als Son­der­li­qui­da­to­rin, pas­siv­le­gi­ti­miert. Die Aus­wir­kun­gen der Be­stel­lung der E S.A. zur Son­der­li­qui­da­to­rin über das Vermögen der Be­klag­ten als Schuld­ne­rin so­wie ih­re Be­fug­nis­se und ih­re Rechts­stel­lung als Li­qui­da­to­rin be­ur­tei­len sich nach grie­chi­schem Recht. Das gilt un­abhängig da­von, ob das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren ein In­sol­venz­ver­fah­ren iSv. Art. 2 Buchst. a Eu­Ins­VO ist. Der Se­nat muss­te den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on des­we­gen nicht nach Art. 267 AEUV um Vor­ab­ent­schei­dung er­su­chen, um die Fra­ge zu klären.


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1. Nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 1 des Ge­set­zes 3429/2005 hat die Son­der­li­qui­da­ti­on nicht die Auflösung des Schuld­ner­un­ter­neh­mens zur Fol­ge. Der Li­qui­da­tor wird nicht Rechts­nach­fol­ger des Un­ter­neh­mens. Viel­mehr wer­den nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 3 des Ge­set­zes 3429/2005 nur die Geschäfte die­ses Un­ter­neh­mens von dem Li­qui­da­tor, der das Un­ter­neh­men ver­tritt, geführt. An­ders als nach deut­schem Recht ver­bleibt die Ar­beit­ge­ber­stel­lung bei dem Schuld­ner­un­ter­neh­men.

2. Die­se sich aus dem grie­chi­schen Recht er­ge­ben­de Rechts­stel­lung von Schuld­ner­un­ter­neh­men und Li­qui­da­tor ist hier zu­grun­de zu le­gen.

a) Soll­te das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach Maßga­be der Art. 16 und 17 Eu­Ins­VO an­zu­er­ken­nen sein, weil für Grie­chen­land das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren im An­hang A zur Eu­Ins­VO und der Son­der­li­qui­da­tor im An­hang C auf­geführt sind (in die­sem Sinn wohl Man­kow­ski Anm. NZI 2011, 876, 877), wäre für die Be­fug­nis­se der Be­klag­ten als Schuld­ne­rin und der E S.A. als Li­qui­da­to­rin nach Art. 4, 18 Abs. 1 Eu­Ins­VO grie­chi­sches Recht an­zu­wen­den (lex fo­ri con­cur­sus).

b) Wäre das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren vom clo­sed-list-sys­tem der Eu­Ins­VO nicht er­fasst und da­mit der An­wen­dungs­be­reich die­ser Ver­ord­nung nicht eröff­net, be­stimm­ten sich die Be­fug­nis­se von Schuld­ne­rin und Li­qui­da­to­rin eben­falls nach grie­chi­schem Recht (§ 335 In­sO).

aa) In die­sem Fall käme ei­ne An­er­ken­nung des Ver­fah­rens nach dem in §§ 335 ff. In­sO nor­mier­ten deut­schen au­to­no­men In­ter­na­tio­na­len In­sol­venz­recht in Be­tracht (vgl. BGH 3. Fe­bru­ar 2011 - V ZB 54/10 - Rn. 11, BGHZ 188, 177; Man­kow­ski Anm. NZI 2011, 876, 877; ders. WM 2011, 1201, 1202; Ste­phan in HK-In­sO 6. Aufl. Vor §§ 335 ff. Rn. 18 ff.; Hamb­Komm/Un­dritz 4. Aufl. Vor­be­mer­kun­gen zu §§ 335 ff. In­sO Rn. 15). Die Eu­Ins­VO ver­drängt das au­to­no­me na­tio­na­le Recht außer­halb ih­res An­wen­dungs­be­reichs nicht. Wird ein na­tio­na­les In­sol­venz­ver­fah­ren von den Anhängen der Eu­Ins­VO nicht er­fasst, bleibt ein Spiel­raum, den das na­tio­na­le In­ter­na­tio­na­le In­sol­venz­recht nut­zen kann (vgl. Man­kow­ski Anm. NZI 2011, 876, 877). Das nimmt den De­fi­ni­tio­nen der


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Eu­Ins­VO als spe­zi­el­le­rer Re­ge­lung des eu­ropäischen In­ter­na­tio­na­len In­sol­venz­rechts und de­ren Anhängen nicht die prak­ti­sche Wirk­sam­keit (aA Crans­haw DZWIR 2012, 133, 134). Für die von ih­ren Anhängen nicht er­fass­ten Ver­fah­ren re­kla­miert die Eu­Ins­VO kei­ne Gel­tung und ent­fal­tet des­we­gen kei­ne Re­ge­lungs­sper­re für das na­tio­na­le au­to­no­me In­ter­na­tio­na­le In­sol­venz­recht. In­so­weit gilt nichts an­de­res als für die Be­reichs­aus­nah­men des Art. 1 Abs. 2 Eu­Ins­VO (vgl. da­zu Münch­KommBGB/Kind­ler 5. Aufl. Bd. 11 Vor §§ 335 ff. In­sO Rn. 3).

bb) Wäre das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach § 343 In­sO an­zu­er­ken­nen, be­stimm­ten sich die Be­fug­nis­se von Schuld­ne­rin und Li­qui­da­to­rin nach § 335 In­sO eben­falls nach grie­chi­schem Recht als der lex fo­ri con­cur­sus (vgl. Münch-Kom­mIn­sO/Rein­hart 2. Aufl. § 335 Rn. 65; LSZ/Smid In­ter­na­tio­na­les In­sol­venz-recht 2. Aufl. In­sO § 335 Rn. 8).

cc) Soll­te das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren da­ge­gen nicht als In­sol­venz­ver­fah­ren iSd. §§ 335 ff. In­sO zu qua­li­fi­zie­ren sein, so­dass ei­ne An­er­ken­nung nach § 343 In­sO aus­schie­de, wäre die ge­sell­schafts­recht­li­che Fra­ge, wie die Be­klag­te als Schuld­ne­rin (or­gan­schaft­lich) ver­tre­ten ist, gleich­wohl nach grie­chi­schem Recht zu be­ant­wor­ten. Das Ge­sell­schafts­sta­tut rich­tet sich nach dem Gründungs­sta­tut und da­mit für die in Grie­chen­land ge­gründe­te Be­klag­te nach grie­chi­schem Recht. Nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung, die sich auf die Ent­schei­dun­gen des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on in den Sa­chen Cen­tros (9. März 1999 - C-212/97 - Slg. 1999, I-1459), Über­see­ring (5. No­vem­ber 2002 - C-208/00 - Slg. 2002, I-9919) und In­spi­re Art (30. Sep­tem­ber 2003 - C-167/01 - Slg. 2003, I-10155) stützt, rich­tet sich das Ge­sell­schafts­sta­tut von Ge­sell­schaf­ten, die in ei­nem Mit­glied­staat der Eu­ropäischen Uni­on ge­gründet wur­den, nicht nach ih­rem Ver­wal­tungs­sitz, son­dern nach ih­rem Gründungs­ort. Die uni­ons­recht­lich verbürg­te Nie­der­las­sungs­frei­heit kann nur auf die­se Wei­se gewähr­leis­tet wer­den (vgl. BGH 21. Ju­li 2011 - IX ZR 185/10 - Rn. 22, BGHZ 190, 364).

III. Die ma­te­ri­ell-recht­li­che Wirk­sam­keit der Kündi­gung der Be­klag­ten be­stimmt sich nach deut­schem Ar­beits­recht. Auch in die­sem Zu­sam­men­hang kann da­hin­ste­hen, ob das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren der Eu­Ins­VO un­terfällt.

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Zur Klärung der Fra­gen, die sich in die­sem Zu­sam­men­hang stel­len, ist da­her kei­ne Vor­la­ge an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on er­for­der­lich.

1. Ist der An­wen­dungs­be­reich der Eu­Ins­VO eröff­net, ist für die Wir­kun­gen des In­sol­venz­ver­fah­rens auf ei­nen Ar­beits­ver­trag und auf das Ar­beits­verhält­nis nach Art. 10 Eu­Ins­VO aus­sch­ließlich das Recht des Mit­glied­staats maßgeb­lich, das auf den Ar­beits­ver­trag an­zu­wen­den ist (lex cau­sae). Wäre das Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren nach § 343 In­sO an­zu­er­ken­nen, wäre nach § 337 In­sO eben­falls das Ar­beits­ver­trags­sta­tut maßgeb­lich. Die Be­stim­mung des § 337 In­sO ist Art. 10 Eu­Ins­VO nach­ge­bil­det (vgl. BT-Drucks. 15/16 S. 18). Das Recht des Staats, dem das Ar­beits­verhält­nis un­ter­liegt, soll auch die Wir­kun­gen der Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens auf die­se Rechts­be­zie­hung be­stim­men (vgl. Braun/Ta­shiro In­sO 5. Aufl. § 337 Rn. 3). Han­del­te es sich über­haupt nicht um ein an­zu­er­ken­nen­des In­sol­venz­ver­fah­ren, wäre nach den Grundsätzen des In­ter­na­tio­na­len Pri­vat­rechts zu be­stim­men, wel­ches Recht An­wen­dung fände.

2. In al­len drei denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen ist nach den hier noch maßgeb­li­chen Art. 27, 30 und 34 EGBGB zu er­mit­teln, wel­ches Recht An­wen­dung fin­det. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass nach die­sen Kol­li­si­ons­re­geln des In­ter­na­tio­na­len Pri­vat­rechts deut­sches Ar­beits­recht für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en maßgeb­lich ist. Rechts­feh­ler sind auf der Grund­la­ge von Art. 30 Abs. 2 EGBGB nicht er­sicht­lich.

IV. Die Kündi­gung vom 29. De­zem­ber 2009 be­en­de­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit Ab­lauf der Kündi­gungs­frist am 31. März 2010.

1. Die Kündi­gung ist nicht un­wirk­sam, weil sie von ei­nem Ver­tre­ter oh­ne Ver­tre­tungs­macht erklärt wor­den wäre. Rechts­an­walt G wur­de von Herrn Ma Kündi­gungs­voll­macht er­teilt.

a) Die Er­tei­lung ei­ner Voll­macht ist ei­ne rechts­geschäft­li­che Wil­lens­erklärung, de­ren In­halt durch Aus­le­gung nach § 133 BGB zu er­mit­teln ist (vgl. BAG 10. Au­gust 1977 - 5 AZR 394/76 - zu I 1 a bb der Gründe, AP ZPO § 81 Nr. 2 = EzA ZPO § 81 Nr. 1). Maßgeb­lich ist bei ei­ner in ei­ner Ur­kun­de ver­laut­bar­ten


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Voll­macht die Verständ­nismöglich­keit des Geschäfts­geg­ners, hier der Kläge­rin. Da­bei können auch In­halt und Zweck des zu­grun­de lie­gen­den Geschäfts berück­sich­tigt wer­den, so­fern es sich um Umstände han­delt, die dem Geschäfts­geg­ner be­kannt sind (vgl. BGH 9. Ju­li 1991 - XI ZR 218/90 - zu 2 a der Gründe, DB 1991, 2233).

b) In der Voll­machts­ur­kun­de vom 11. De­zem­ber 2009 heißt es un­miss­verständ­lich, dass die E S.A., ver­tre­ten durch den Vor­stand, als „Son­der­li­qui­da­tor“ über das Vermögen der O S.A. Rechts­an­walt G be­vollmäch­ti­ge, die Kündi­gung zu erklären. Der Na­me der E S.A. ist durch Großbuch­sta­ben her­vor­ge­ho­ben. Sie wird be­reits da­durch ein­deu­tig als Voll­macht­ge­be­rin ge­kenn­zeich­net.

c) Wel­ches Recht auf die Pro­ble­me ei­ner rechts­geschäft­li­chen Voll­macht bei grenzüber­schrei­ten­den Sach­ver­hal­ten an­zu­wen­den ist (Voll­machts­sta­tut), ist ge­setz­lich nicht ge­re­gelt. Auch die hier noch nicht an­wend­ba­re Rom I-Ver­ord­nung be­stimmt da­zu nichts. Zum Schutz des Ver­kehrs­in­ter­es­ses muss das Voll­machts­sta­tut nach ei­ge­nen An­knüpfungs­re­geln er­mit­telt wer­den. Die Voll­macht wird nicht ge­ne­rell dem Recht, das für das vom Ver­tre­ter vor­ge­nom­me­ne Rechts­geschäft gilt, un­ter­stellt (vgl. Heinz Das Voll­machts­sta­tut S. 5; Pa-landt/Thorn BGB 72. Aufl. IPR Anh. zu Art. 10 EGBGB Rn. 1). Die Voll­macht ist nicht Be­stand­teil des Haupt­geschäfts, son­dern in ih­ren Vor­aus­set­zun­gen und Wir­kun­gen von die­sem un­abhängig. Sie kann des­halb Ge­gen­stand ei­genständi­ger kol­li­si­ons­recht­li­cher In­ter­es­sen sein (vgl. Heinz aaO S. 14 mwN). Das Voll­machts­sta­tut be­stimmt sich grundsätz­lich nach dem Recht des Staats, in dem von der Voll­macht Ge­brauch ge­macht wird oder wer­den soll, al­so nach dem Recht des Wir­kungs­orts (vgl. BGH 17. No­vem­ber 1994 - III ZR 70/93 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 128, 41; 26. April 1990 - VII ZR 218/89 - zu II 1 c der Gründe, NJW 1990, 3088).

d) Das Voll­machts­sta­tut be­stimmt sich hier nach deut­schem Recht. Die auf Rechts­an­walt G lau­ten­de Voll­macht wur­de zwar in Athen aus­ge­stellt. Von ihr soll­te aber Ge­brauch ge­macht wer­den, um in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ei­ne Kündi­gung zu erklären. Die Kündi­gungs­erklärung soll­te mit Wir­kung


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für und ge­gen die E S.A. als ge­setz­li­che Ver­tre­te­rin der Be­klag­ten in Deutsch­land ab­ge­ge­ben wer­den und er­folg­te auch dort.

e) Das Voll­machts­sta­tut ist für al­le Fra­gen maßgeb­lich, die die Voll­macht selbst be­tref­fen. Es er­streckt sich auf das Be­ste­hen der Voll­macht, ins­be­son­de­re die Fra­ge der wirk­sa­men Er­tei­lung der Voll­macht, auf ih­ren In­halt, ih­ren Um­fang und ih­re Aus­le­gung so­wie ih­re Dau­er und Be­en­di­gung. Auch die Wirk­sam­keit er­teil­ter Un­ter­voll­mach­ten und die Fra­ge, ob die Voll­macht über­schrit­ten oder miss­braucht wur­de, rich­tet sich nach dem Voll­machts­sta­tut (vgl. Heinz Das Voll­machts­sta­tut S. 28 f.; Lei­b­le IPRax 1998, 257, 258; Pa­landt/Thorn BGB 72. Aufl. IPR Anh. zu Art. 10 EGBGB Rn. 3).

f) Herr Ma war aus­weis­lich des in der Zei­tung der Re­gie­rung der Grie­chi­schen Re­pu­blik vom 27. Mai 2009 veröffent­lich­ten Pro­to­kolls des Ver­wal­tungs­rats der E S.A. al­lein­ver­tre­tungs­be­rech­tigt und be­fugt, Un­ter­voll­macht zu er­tei­len. Die Kläge­rin hat zwar die Kündi­gung auch nach § 180 BGB zurück­ge­wie­sen, hat die Kündi­gungs­voll­macht von Rechts­an­walt G, die ihm von Herrn Ma er­teilt wur­de, im Ver­fah­ren ent­spre­chend der Rechts­la­ge aber nicht mehr be­strit­ten.

2. Die Kündi­gung ist auch nicht man­gels Voll­machts­nach­wei­ses nach § 174 Satz 1 BGB un­wirk­sam. Die Kläge­rin rügte die Voll­macht von Rechts­an­walt G nicht un­verzüglich, son­dern erst mit Schrei­ben ih­res späte­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 12. Ja­nu­ar 2010 und da­mit deut­lich über ei­ne Wo­che nach Zu­gang der Kündi­gung am 30. De­zem­ber 2009.

a) Die Zurück­wei­sung ei­ner Kündi­gungs­erklärung ist nach ei­ner Zeit­span­ne von mehr als ei­ner Wo­che nicht un­verzüglich iSv. § 174 Satz 1 BGB, wenn kei­ne be­son­de­ren Umstände vor­lie­gen. Die Wo­chen­frist be­ginnt mit der tat-sächli­chen Kennt­nis des Empfängers von der Kündi­gung. Es soll schnell geklärt wer­den, ob er die Wirk­sam­keit der Kündi­gung un­ter for­ma­len Ge­sichts­punk­ten in­fra­ge stellt. Die Rüge ist an kei­ner­lei Nach­for­schun­gen über die wirk­li­chen Ver­tre­tungs- und Voll­machts­verhält­nis­se ge­bun­den und er­for­dert auch kei­nen schwie­ri­gen Abwägungs­pro­zess. Ei­ne Zeit­span­ne von ei­ner Wo­che reicht da­her


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un­ter gewöhn­li­chen Umständen aus, um die Ent­schei­dung über die Rüge zu tref­fen (vgl. BAG 8. De­zem­ber 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33, AP BGB § 174 Nr. 22 = EzA BGB 2002 § 174 Nr. 7).

b) Die Kläge­rin hat hier nicht vor­ge­bracht, von der Kündi­gung nicht be­reits am Tag ih­res Zu­gangs am 30. De­zem­ber 2009 Kennt­nis er­langt zu ha­ben. Sie hat auch kei­ne be­son­de­ren Umstände für die Über­schrei­tung der Wo­chen­frist gel­tend ge­macht. Da­mit war die Rüge des Voll­machts­nach­wei­ses nicht un­verzüglich iSv. § 174 Satz 1 BGB.

3. Die Kündi­gung verstößt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht ge­gen § 102 Be­trVG.

a) Der Be­triebs­rat der Sta­ti­on S konn­te das Anhörungs­schrei­ben vom 15. De­zem­ber 2009 nicht in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 174 BGB mit Schrei­ben vom 21. De­zem­ber 2009 zurück­wei­sen. § 174 BGB er­fasst we­der un­mit­tel­bar noch ana­log ei­ne sol­che Kon­stel­la­ti­on.

aa) Die Anhörung des Be­triebs­rats nach § 102 Abs. 1 Be­trVG ist ei­ne rechts­geschäftsähn­li­che Hand­lung. Für sol­che Hand­lun­gen ist die ana­lo­ge An­wen­dung des § 174 BGB grundsätz­lich ge­bo­ten (vgl. schon BGH 25. No­vem­ber 1982 - III ZR 92/81 - zu II 2 der Gründe, MDR 1983, 381).

(1) Rechts­geschäftsähn­li­che Hand­lun­gen sind auf ei­nen tatsächli­chen Er­folg ge­rich­te­te Erklärun­gen, de­ren Rechts­fol­gen nicht wie bei Wil­lens­erklärun­gen kraft des ih­nen in­ne­woh­nen­den Wil­lens­akts, son­dern kraft Ge­set­zes ein­tre­ten. Re­gelmäßig ermögli­chen oder ver­hin­dern sie den Ein­tritt ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ter Fol­gen des Tätig­wer­dens oder Untätig­blei­bens (vgl. BAG 11. Ju­ni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 1 b cc der Gründe, BA­GE 101, 298; sie­he zB auch 1. Ju­ni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 48, AP Be­trVG 1972 § 99 Nr. 139; 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 33, BA­GE 130, 1). In ers­ter Li­nie han­delt es sich da­bei um Auf­for­de­run­gen und Mit­tei­lun­gen, die auf Ansprüche oder Rechts­verhält­nis­se Be­zug neh­men und viel­fach im Be­wusst­sein der da­durch aus­gelösten Rechts­fol­gen aus­ge­spro­chen wer­den, je­doch nicht un­mit­tel­bar auf 


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den Ein­tritt die­ser Rechts­fol­gen ge­rich­tet sind oder ge­rich­tet sein müssen (vgl. BGH 17. Ok­to­ber 2000 - X ZR 97/99 - zu II 1 b bb der Gründe, BGHZ 145, 343).

(2) Der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts hat of­fen­ge­las­sen, ob die Mit­tei­lung iSv. § 102 Abs. 1 Be­trVG we­gen ih­res frist­auslösen­den Cha­rak­ters be­reits ei­ne Wil­lens­erklärung oder (nur) ei­ne rechts­geschäftsähn­li­che Hand­lung ist (vgl. BAG 27. Au­gust 1982 - 7 AZR 30/80 - zu I 2 b bb der Gründe, BA­GE 40, 95). Im Hin­blick dar­auf, dass ei­ne oh­ne Anhörung des Be­triebs­rats erklärte Kündi­gung nach der ge­setz­li­chen An­ord­nung des § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG un­wirk­sam ist, ist zu­min­dest ei­ne rechts­geschäftsähn­li­che Hand­lung an­zu­neh­men.

bb) Ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 174 BGB auf die Anhörung des Be­triebs­rats ist nach dem Zweck des Anhörungs­er­for­der­nis­ses in § 102 Abs. 1 Be­trVG und dem Zweck der Zurück­wei­sungsmöglich­keit des § 174 Satz 1 BGB gleich­wohl aus­ge­schlos­sen. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - ei­ne be­triebs­frem­de Per­son als Bo­tin des Ar­beit­ge­bers das Anhörungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet hat.

(1) Die Be­triebs­rats­anhörung nach § 102 Abs. 1 Be­trVG zielt nicht dar­auf ab, die Wirk­sam­keit der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung zu über­prüfen. Sie be­schränkt sich viel­mehr dar­auf, dem Be­triebs­rat im Vor­feld der Kündi­gung die Möglich­keit zu ge­ben, auf die Wil­lens­bil­dung des Ar­beit­ge­bers Ein­fluss zu neh­men (vgl. BAG 22. Sep­tem­ber 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BA­GE 78, 39). Sinn des Anhörungs­er­for­der­nis­ses ist es, dem Be­triebs­rat oh­ne zusätz­li­che ei­ge­ne Er­mitt­lun­gen Ge­le­gen­heit zu ge­ben, dem Ar­beit­ge­ber sei­ne Über­le­gun­gen zu der Kündi­gungs­ab­sicht zur Kennt­nis zu brin­gen. Der Ar­beit­ge­ber soll die Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats - ins­be­son­de­re des­sen Be­den­ken und des­sen Wi­der­spruch ge­gen die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung - bei sei­ner Ent­schei­dung über die Kündi­gung berück­sich­ti­gen können (st. Rspr., vgl. nur BAG 31. Mai 1990 - 2 AZR 78/89 - zu II 1 der Gründe). Das Ver­fah­ren nach § 102 Be­trVG ist kein for­ma­li­sier­tes, an be­stimm­te Form­vor­schrif­ten ge­bun­de­nes Ver­fah­ren. Des­we­gen genügt auch ei­ne münd­li­che oder fernmünd­li­che


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Anhörung des Be­triebs­rats den An­for­de­run­gen des § 102 Be­trVG (vgl. BAG 23. Ju­ni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 37 mwN, BA­GE 131, 155).

(2) § 174 BGB dient dem Ge­wiss­heits­in­ter­es­se des Geg­ners ei­nes ein­sei­ti­gen emp­fangs­bedürf­ti­gen Rechts­geschäfts oder ei­ner geschäftsähn­li­chen Hand­lung. Die Be­stim­mung soll kla­re Verhält­nis­se schaf­fen. Der Erklärungs­empfänger ist zur Zurück­wei­sung be­rech­tigt, wenn er kei­ne Ge­wiss­heit hat, dass der Erklären­de wirk­lich be­vollmäch­tigt ist und sich der Ver­tre­te­ne des­sen Erklärung tatsächlich zu­rech­nen las­sen muss. Der Empfänger ei­ner ein­sei­ti­gen Wil­lens­erklärung oder geschäftsähn­li­chen Hand­lung soll nicht nach­for­schen müssen, wel­che Stel­lung der Erklären­de hat. Er soll vor der Un­ge­wiss­heit geschützt wer­den, ob ei­ne be­stimm­te Per­son be­vollmäch­tigt ist, das Rechts­geschäft vor­zu­neh­men (vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 23, BA­GE 137, 347).

(3) Bei ei­ner Ge­samt­schau die­ser Zwe­cke er­gibt sich, dass der Zweck des § 174 BGB sei­ne ana­lo­ge An­wen­dung auf das Anhörungs­schrei­ben iSv. § 102 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG nicht er­for­dert.

(a) Der Ge­setz­ge­ber misst da­durch, dass er das Anhörungs­ver­fah­ren nicht for­ma­li­siert aus­ge­stal­tet und ei­ne münd­li­che Anhörung nicht aus­ge­schlos­sen hat, dem Ge­wiss­heits­in­ter­es­se im Zu­sam­men­hang mit § 102 Be­trVG kei­ne schützens­wer­te Be­deu­tung bei. Bei ei­ner te­le­fo­ni­schen Anhörung ist ein Nach­weis iSv. § 174 BGB aus­ge­schlos­sen. Den­noch soll durch ei­ne sol­che Anhörung die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG in Lauf ge­setzt wer­den können. Der Ge­setz­ge­ber geht er­sicht­lich da­von aus, dass das Ge­bot der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit iSv. § 2 Abs. 1 Be­trVG, das auch im Anhörungs­ver­fah­ren nach § 102 Be­trVG zu be­ach­ten ist, aus­reicht, um den Be­triebs­rat zu schützen, wenn er Zwei­fel dar­an hat, ob die ihm ge­genüber Auf­tre­ten­den be­rech­tigt sind, für den Ar­beit­ge­ber tätig zu wer­den (vgl. BAG 14. Au­gust 1986 - 2 AZR 561/85 - zu B II 1 a der Gründe, BA­GE 52, 346). Das Ge­bot der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit soll im Verhält­nis zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat Of­fen­heit und Ehr­lich­keit gewähr­leis­ten. Bei­de Sei­ten sind ver­pflich­tet, ih­re Rech­te so aus­zuüben, dass ei­ne ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit möglich bleibt. Dar­aus 


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folgt die Ver­pflich­tung, sich bei der Ver­fol­gung der uU un­ter­schied­li­chen In­ter­es­sen an die Re­geln zu hal­ten, die Ver­trau­en erst ermögli­chen (vgl. Fran­zen GK-Be­trVG 9. Aufl. § 2 Rn. 13, 15).

(b) Es kann da­hin­ste­hen, ob der Be­triebs­rat bei Feh­len nähe­rer An­halts­punk­te da­von aus­ge­hen muss, dass sich der Ar­beit­ge­ber im Rah­men der Anhörung nach § 102 Be­trVG nur ord­nungs­gemäß be­vollmäch­tig­ter oder be­auf­trag­ter Per­so­nen be­dient. Je­den­falls ist dem Zweck des Anhörungs­ver­fah­rens nach § 102 Be­trVG auch genügt, wenn der Bo­te oder Ver­tre­ter des Ar­beit­ge­bers kei­nen Nach­weis sei­ner Bo­ten­macht oder kei­ne Voll­macht vor­legt. Der Be­triebs­rat ist auch in ei­nem sol­chen Fall nicht ge­hin­dert, sei­ne Auf­fas­sung zu der Kündi­gung zu äußern und Ein­fluss auf den Wil­lens­bil­dungs­pro­zess des Ar­beit­ge­bers zu neh­men (vgl. Hes­si­sches LAG 25. Ju­li 2011 - 17 Sa 123/11 - zu B II 1 d bb (2) (v) der Gründe). Hat er Zwei­fel an der Bo­ten- oder Ver­tre­ter­stel­lung des­je­ni­gen, der ihm ge­genüber bei der Anhörung auf­ge­tre­ten ist, oder be­zwei­felt er, dass die­ser sei­ne Einwände zur Kennt­nis nimmt und/oder an den Ar­beit­ge­ber wei­ter­lei­tet, kann er sei­ne Einwände dem Ar­beit­ge­ber un­mit­tel­bar mit­tei­len und den (be­triebs­frem­den) Drit­ten um­ge­hen. Ein abs­trakt schützens­wer­tes In­ter­es­se dar­an, kla­re Verhält­nis­se zu schaf­fen und si­cher zu sein, dass die Stel­lung­nah­me­frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG zu lau­fen be­ginnt oder be­gon­nen hat, hat der Be­triebs­rat vor dem Hin­ter­grund des Zwecks des § 102 Be­trVG nicht (aA LAG Ba­den-Würt­tem­berg 28. März 2012 - 20 Sa 47/11 - zu II 1 b bb (1) der Gründe, LA­GE Be­trVG 2001 § 102 Nr. 16).

b) Die Be­triebs­rats­anhörung ist auch nicht des­halb un­wirk­sam, weil die Be­klag­te ih­ren Kündi­gungs­ent­schluss im Zeit­punkt der Anhörung ab­sch­ließend ge­fasst hat­te, wie sich aus dem Anhörungs­schrei­ben er­gibt. Es genügt, dass die Kündi­gung den Ein­fluss­be­reich der Be­klag­ten bei der Anhörung noch nicht ver­las­sen hat­te. Da­mit war nicht aus­zu­sch­ließen, dass es dem Be­triebs­rat ge­lin­gen konn­te, auf den Kündi­gungs­wil­len der Ar­beit­ge­be­rin ein­zu­wir­ken (vgl. die st. Rspr. seit BAG 13. No­vem­ber 1975 - 2 AZR 610/74 - zu 3 a der Gründe, BA­GE 27, 331). 


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c) Die Be­triebs­rats­anhörung genügt in­halt­lich den An­for­de­run­gen des § 102 Be­trVG. Ge­gen die­se Würdi­gung des Ar­beits­ge­richts hat die Kläge­rin we­der in der Be­ru­fungs- noch in der Re­vi­si­ons­in­stanz Rügen er­ho­ben. Die Be­klag­te hat ins­be­son­de­re un­wi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen, dass Ab­wick­lungs­ar­bei­ten nur von ei­nem Ar­beit­neh­mer der Buch­hal­tung und dem Fi­nanz­di­rek­tor durch­geführt wor­den sei­en, die mit der Kläge­rin nicht ver­gleich­bar und nicht in S beschäftigt ge­we­sen sei­en. Ei­ne So­zi­al­aus­wahl war be­zo­gen auf die in der Sta­ti­on S beschäftig­te Kläge­rin aus Sicht der Be­klag­ten nicht zu tref­fen.

4. Die Kündi­gun­gen der Be­klag­ten in der Sta­ti­on S wa­ren nicht nach § 17 KSchG an­zei­ge­pflich­tig.

a) Für die An­zei­ge­pflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Zahl der in ei­nem Be­trieb er­fol­gen­den Ent­las­sun­gen, dh. Kündi­gun­gen, im Verhält­nis zu der Zahl der in der Re­gel in die­sem Be­trieb beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer aus­schlag­ge­bend (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 13, BA­GE 134, 176). Der Be­griff des Be­triebs in § 17 KSchG ent­spricht da­bei dem der §§ 1, 4 Be­trVG (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. Ok­to­ber 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 33 mwN). Der Be­trieb ist die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ein­heit, in­ner­halb de­rer ein Ar­beit­ge­ber al­lein oder mit sei­nen Ar­beit­neh­mern mit­hil­fe von tech­ni­schen und im­ma­te­ri­el­len Mit­teln be­stimm­te ar­beits­tech­ni­sche Zwe­cke fort­ge­setzt ver­folgt. Gilt ein Be­triebs­teil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG als selbständig, müssen die Schwel­len­wer­te des § 17 Abs. 1 KSchG in die­sem Be­triebs­teil über­schrit­ten sein, um die An­zei­ge­pflicht aus­zulösen (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 74, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 132). Da­mit ist für die Be­rech­nung des Schwel­len­werts auf die Sta­ti­on S ab­zu­stel­len. Der Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG war dort nicht er­reicht.

b) Nichts an­de­res folgt aus dem Uni­ons­recht. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on ist für den Be­griff des „Be­triebs“ nicht ent­schei­dend, ob die frag­li­che Ein­heit ei­ne Lei­tung hat, die selbständig Mas­sen­ent­las­sun­gen vor­neh­men kann (vgl. EuGH 15. Fe­bru­ar 2007 - C-270/05 - [Athi­naïki Char­to­poiïa] Rn. 28 f., Slg. 2007, I-1499). Auch das Uni­ons­recht lässt es da­her zu, für die Fra­ge des Be­triebs auf die Sta­ti­on S ab­zu­stel­len. 


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5. Die Kündi­gung ist nicht nach § 1 KSchG so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt. Das Ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Be­klag­te ha­be ei­ne ernst­haf­te Still­le­gungs­ab­sicht im Zeit­punkt der Kündi­gung dar­ge­legt; ei­ne So­zi­al­aus­wahl sei we­gen der Kündi­gung al­ler Ar­beit­neh­mer nicht er­for­der­lich ge­we­sen. Je­den­falls ha­be die Kläge­rin kei­nen ver­gleich­ba­ren, so­zi­al we­ni­ger schutzwürdi­gen Ar­beit­neh­mer be­nannt. Die­sen recht­lich zu­tref­fen­den Ausführun­gen ist die Kläge­rin we­der in der Be­ru­fungs- noch in der Re­vi­si­ons­in­stanz ent­ge­gen­ge­tre­ten.

6. Die Kläge­rin hat die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs auf die O S.A. nicht dar­ge­legt. Die Kündi­gung ist des­halb auch nicht nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB un­wirk­sam.

a) Ein Be­triebs- oder Be­triebs­teilüber­gang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ver­langt, dass die Iden­tität der be­tref­fen­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit ge­wahrt bleibt. Ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit be­steht aus ei­ner or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ge­samt­heit von Per­so­nen und/oder Sa­chen, die auf Dau­er an­ge­legt wirt­schaft­li­che Tätig­keit mit ei­ge­ner Ziel­set­zung ausüben soll. Han­delt es sich nach die­sen Grundsätzen um ei­nen Be­triebs(-teil)über­gang, be­trifft er nur Ar­beit­neh­mer, die in den über­ge­gan­ge­nen Be­trieb oder Be­triebs­teil tatsächlich ein­ge­glie­dert wa­ren. Es genügt nicht, dass sie Tätig­kei­ten für den über­tra­ge­nen Teil ver­rich­te­ten, oh­ne in des­sen Struk­tur ein­ge­bun­den ge­we­sen zu sein (st. Rspr., vgl. zB EuGH 12. No­vem­ber 1992 - C-209/91 - [Wat­son Rask und Chris­ten­sen] Rn. 16 mwN, Slg. 1992, I-5755; BAG 13. De­zem­ber 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 42; 21. Ju­ni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 75 mwN, BB 2012, 3144).

b) Die Kläge­rin war kei­ner ggf. auf die O S.A. über­ge­gan­ge­nen wirt­schaft­li­chen Ein­heit zu­ge­ord­net. Sie be­treu­te ge­mein­sam mit den übri­gen acht Ar­beit­neh­mern der Sta­ti­on S und zu­sam­men mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern der Be­klag­ten in Deutsch­land im Bo­den­be­trieb den Flug­ver­kehr der Be­klag­ten von Deutsch­land aus und nach Deutsch­land. In die Struk­tur des Flug­be­triebs war sie nicht ein­ge­bun­den. Der Bo­den­be­trieb wird von der O S.A. für den deut­schen Markt nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht fort­geführt. 


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7. Das Ar­beits­verhält­nis wur­de mit der Frist des § 113 Satz 2 In­sO am 31. März 2010 be­en­det.

a) Die Kläge­rin nimmt an, bei dem Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren hand­le es sich nicht um ein Ver­fah­ren iSd. Eu­Ins­VO, weil es ins­be­son­de­re nicht zu ei­nem Vermögens­be­schlag ge­kom­men sei.

b) Die­se An­grif­fe sind nicht ge­eig­net, ein In­sol­venz­ver­fah­ren und da­mit die ab­gekürz­te Kündi­gungs­frist des § 113 Satz 2 In­sO in­fra­ge zu stel­len. Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob das in Grie­chen­land eröff­ne­te Son­der­li­qui­da­ti­ons­ver­fah­ren ein Ver­fah­ren ist, das in den Anhängen A und C der Eu­Ins­VO erwähnt ist. Auch wenn das nicht der Fall sein soll­te, läge ein In­sol­venz­ver­fah­ren iSd. §§ 335 ff. In­sO vor, des­sen Wir­kun­gen in Deutsch­land von den deut­schen Ge­rich­ten nach § 343 In­sO an­zu­er­ken­nen sind.

aa) Ob es sich um ein In­sol­venz­ver­fah­ren iSv. §§ 335 ff. In­sO han­delt, ist im Weg der Qua­li­fi­ka­ti­on zu be­stim­men. Vor­aus­set­zung ist, dass das ausländi­sche Ver­fah­ren im We­sent­li­chen den glei­chen Zie­len wie das deut­sche In­sol­venz­ver­fah­ren ver­pflich­tet ist (vgl. BGH 13. Ok­to­ber 2009 - X ZR 79/06 - Rn. 9, ZIP 2009, 2217). Das lässt sich je­den­falls durch den Rück­griff auf die Vor­ga­ben in Art. 1 Abs. 1 Eu­Ins­VO über­prüfen (vgl. Kölner Schrift/Pau­lus 3. Aufl. Kap. 46 Rn. 34, 71). Das Leit­bild der Eu­Ins­VO ist zwar nicht als zwin­gen­de An­for­de­rung an ausländi­sche In­sol­venz­ver­fah­ren in Dritt­staa­ten an­zu­se­hen (vgl. BAG 27. Fe­bru­ar 2007 - 3 AZR 618/06 - Rn. 19, BA­GE 121, 309). In­sol­venz­ver­fah­ren iSv. §§ 335 ff. In­sO sind aber je­den­falls Ge­samt­ver­fah­ren, die die In­sol­venz, dh. die Zah­lungs­unfähig­keit, die Zah­lungs­ein­stel­lung oder die Kre­dit­erschütte­rung des Schuld­ners vor­aus­set­zen und den vollständi­gen oder teil­wei­sen Vermögens­be­schlag ge­gen ihn so­wie die Be­stel­lung ei­nes Ver­wal­ters zur Fol­ge ha­ben (vgl. Kölner Schrift/Man­kow­ski Kap. 47 Rn. 5 f.). Vermögens­be­schlag be­deu­tet, dass der Schuld­ner die Be­fug­nis­se zur Ver­wal­tung sei­nes Vermögens ver­liert (vgl. EuGH 2. Mai 2006 - C-341/04 - [Eu­ro­food IFSC] Rn. 54, Slg. 2006, I-3813). 


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bb) Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind nach dem durch Art. 40 des Ge­set­zes 3710/2008 ein­gefügten Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 erfüllt. Er­for­der­lich für die Be­stel­lung ei­nes Li­qui­da­tors sind nach Art. 14 A Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b des Ge­set­zes 3429/2005 wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten, die zu­min­dest ei­ne Über­schul­dung oder dro­hen­de Zah­lungs­unfähig­keit nach sich zie­hen. Nach Art. 14 A Nr. 4 des Ge­set­zes 3429/2005 führt der Li­qui­da­tor die Geschäfte, er ver­wal­tet und ver­tritt das Un­ter­neh­men. Das führt zu ei­nem Vermögens­be­schlag, weil die Schuld­ne­rin die Be­fug­nis zur Ver­wal­tung ih­res Vermögens ver­liert. Nicht sie oder ih­re Geschäftsführung, son­dern der ge­richt­lich ein­ge­setz­te Son­der­li­qui­da­tor ist ver­tre­tungs- und ent­schei­dungs­be­fugt. Nach Art. 14 A Nr. 5 und Nr. 6 des Ge­set­zes 3429/2005 hat der Son­der­li­qui­da­tor die Ak­ti­va des Un­ter­neh­mens zu ver­wer­ten oder das Un­ter­neh­men zu veräußern. Das macht deut­lich, wel­che In­sol­venz­zwe­cke die Re­ge­lung des Art. 14 A des Ge­set­zes 3429/2005 ver­folgt. Nach Art. 14 A Nr. 20 des Ge­set­zes 3429/2005 sind für ei­ne Zeit von 18 Mo­na­ten al­le Maßnah­men der Zwangs­voll­stre­ckung und Si­che­rungs­maßnah­men ge­gen das in Son­der­li­qui­da­ti­on be­find­li­che Un­ter­neh­men aus­ge­setzt.

cc) Die deut­schen Ge­rich­te sind des­we­gen je­den­falls nach § 343 Abs. 1 Satz 1 In­sO ge­bun­den.

dd) Un­ge­ach­tet der An­er­ken­nungs­wir­kung fin­det deut­sches Ar­beits­recht An­wen­dung. Teil des deut­schen Ar­beits­rechts ist auch die Verkürzung der Kündi­gungs­frist bei In­sol­venzkündi­gun­gen (vgl. BAG 20. Sep­tem­ber 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 66, ZIP 2012, 2312).

D. Die Kläge­rin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.


Fi­scher­mei­er 

Gall­ner 

Spel­ge 

Schäfer­kord 

Rei­ner Koch

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