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Keine Zurückweisung der Betriebsratsanhörung wegen fehlender Vollmacht
14.12.2012. Der Betriebsrat ist vor jeder geplanten Kündigung anzuhören. Das bedeutet, dass er über die Kündigungspläne des Arbeitgebers informiert werden muss, um Stellung nehmen zu können, so dass er auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einwirken kann.
Die Betriebsratsanhörung ist von extremer Wichtigkeit, denn wenn der Arbeitgeber hier patzt, ist die später ausgesprochene Kündigung allein deshalb unwirksam, § 102 Abs.1 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Daher gibt es seit langem viele Gerichtsentscheidungen zu der Frage, welche Informationen der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei der Anhörung geben muss, wie der Betriebsrat reagieren kann usw.
Bislang noch nicht vom Bundesarbeitsgericht (BAG) geklärt ist die Frage, ob der Betriebsrat die rechtliche Möglichkeit hat, ein von einem Vertreter des Arbeitgebers erstelltes Anhörungsschreiben zurückzuweisen, wenn diesem Schreiben keine Vollmacht beigefügt ist. Dieses Recht besteht bei Kündigungen und ähnlich wichtigen Erklärungen, aber möglicherweise nicht gegenüber einer Anhörung.
Mit Urteil vom gestrigen Donnerstag hat das BAG entschieden, dass der Betriebsrat kein Recht zur Zurückweisung eines Anhörungsschreibens wegen fehlender Vollmacht hat: BAG, Urteil vom 13.12.2012, 6 AZR 348/11.
- Kann Betriebsrat ein Anhörungsschreiben wegen fehlender Vollmachtsurkunde zurückweisen, wenn das Schreiben von einem angeblich bevollmächtigten Vertreter des Arbeitgebers stammt?
- Der Fall des BAG: Griechisches Luftfahrtunternehmen schließt aus finanziellen Gründen seine deutschen Standorte und leitet ein Anhörungsverfahren durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt ein
- BAG: Der Betriebsrat kann ein Anhörungssschreiben zu einer geplanten Kündigung nicht gemäß § 174 zurückweisen, wenn keine Vollmachtsurkunde beiliegt
Kann Betriebsrat ein Anhörungsschreiben wegen fehlender Vollmachtsurkunde zurückweisen, wenn das Schreiben von einem angeblich bevollmächtigten Vertreter des Arbeitgebers stammt?
Gemäß § 174 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann man als Empfänger Kündigungen und ähnlich wichtige "einseitige" Erklärungen zurückweisen, wenn diese durch einen Stellvertreter abgegeben werden, d.h. namens und in behaupteter Vollmacht für einen anderen. Dieses Recht hat man dann, wenn der angebliche Vertreter bei seiner Erklärung keine Vollmachtsurkunde vorlegt, aus der sich seine Bevollmächtigung zu solchen Erklärungen ergibt.
Eine solche Zurückweisung ist ärgerlich für den Stellvertreter und seinen Auftraggeber, falls eine Bevollmächtigung tatsächlich vorliegt, nur eben bei Abgabe der Erklärung nicht in Form einer Vollmachtsurkunde belegt werden konnte.
Andererseits wäre es aber eine unzumutbare Situation für den Empfänger einseitiger Erklärungen wie insbesondere einer Kündigung, wenn er nicht wüsste, ob der Erklärende dazu bevollmächtigt ist oder nicht. Denn ist man als Arbeitnehmer einmal gekündigt, muss man binnen drei Wochen entscheiden, ob man eine Kündigungsschutzklage erheben will oder nicht. Dieser Stress würde unzumutbar gesteigert, wenn der Gekündigte nicht das Recht zur Zurückweisung gemäß § 174 Satz 1 BGB hätte.
Von § 174 Satz 1 BGB machen Anwälte daher gerne Gebrauch, weil die Erklärung infolge einer berechtigten Zurückweisung null und nichtig ist. Sie müsste dann erneut ausgesprochen werden, was zu erheblichen Verzögerungen führen kann.
Fraglich ist allerdings, ob auch das Anhörungsschreiben gemäß § 102 Abs.1 BetrVG, mit dem der Arbeitgeber den ersten Schritt hin zu einer Kündigung unternimmt, eine solche "einseitige Erklärung" ist, die Betriebsräte zurückweisen können, falls sie nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von einem (angeblichen) Bevollmächtigten ohne Vollmachturkunde stammt. Eine Landesarbeitsgerichte (LAGs) haben in den letzten Jahren diese Auffassung vertreten, so z.B. das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 27.05.2011, 8 Sa 132/11 (wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 11/211 Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung).
Der Fall des BAG: Griechisches Luftfahrtunternehmen schließt aus finanziellen Gründen seine deutschen Standorte und leitet ein Anhörungsverfahren durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt ein
Eine griechische Fluggesellschaft beschäftigte in Deutschland an fünf Standorten 69 Arbeitnehmer im Bodenbetrieb. Die Gesellschaft wurde 2009 der Sonderliquidation nach griechischem Recht unterstellt. Als Sonderliquidatorin wurde eine andere Gesellschaft griechischen Rechts eingesetzt. Diese beschloss, alle deutschen Standorte zu schließen und den Arbeitnehmern zu kündigen.
Über einen beauftragten Rechtsanwalt hörte sie den Betriebsrat des Standorts Stuttgart mit Schreiben vom 15.12.2009 zu einer geplanten ordentlichen Kündigung an. Dem Schreiben war keine Vollmachtsurkunde beigefügt. Der Betriebsrat wies die Anhörung deshalb einige Tage später zurück.
Daraufhin kündigte der Anwalt ohne erneute Anhörung das Arbeitsverhältnis einer angestellten "Sales Representative" mit Schreiben vom 29.12.2009 zum 31.03.2010.
Die gekündigte Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und berief sich unter anderem darauf, dass die Kündigung nach § 102 Abs.1 BetrVG unwirksam war, weil der Anhörung des Betriebsrats kein Vollmachtsnachweis des Rechtsanwalts beigefügt gewesen war. Damit hatte sie vor dem LAG Baden-Württemberg Erfolg, d.h. das LAG hielt die Kündigung für unwirksam (Urteil vom 25.03.2011, 7 Sa 7/11).
BAG: Der Betriebsrat kann ein Anhörungssschreiben zu einer geplanten Kündigung nicht gemäß § 174 zurückweisen, wenn keine Vollmachtsurkunde beiliegt
Anders das BAG, das gegen die Arbeitnehmerin entschied. Zur Begründung heißt es dazu in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Betriebsräte können eine Anhörung gemäß § 102 Abs.1 BetrVG nicht in sinngemäßer ("analoger") Anwendung von § 174 Satz 1 BGB wegen fehlenden Vollmachtsnachweises zurückweisen. Denn der Zweck des Anhörungserfordernisses steht einer solchen Anwendung von § 174 BGB entgegen, so das BAG.
Dabei verweist das BAG darauf, dass das Anhörungsverfahren keinen Formvorschriften unterliegt, so dass eine mündliche oder telefonische Anhörung auch möglich ist. Auch dann beginnt die kurze einwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu laufen.
Und wenn der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung der ihm gegenüber bei der Anhörung auftretenden Person hat, so das BAG weiter, dann könne er sich doch "nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit" unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber äußern.
Fazit: Entgegen den von einigen LAGs in den letzten Jahren vertretenen Rechtsansicht kann der Betriebsrat eine Betriebsratsanhörung, die von einem (angeblichen) Vertreter des Arbeitgebers stammt, nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB zurückweisen. Das entlastet Arbeitgeber, da diese sich bei der Ausarbeitung von Anhörungsschreiben ohnehin oft von Anwaltskanzleien beraten lassen. Und wenn der Anwalt sowieso schon das Anhörungsschreiben verfasst, kann er es auch dem Betriebsrat zukommen lassen - und zwar auch dann, wenn er gerade keine Vollmachtsurkunde zur Hand hat.
Betriebsräte sollten mit dieser BAG-Rechtsprechung leben können. Zwar müssen Sie bei einer ohne Vollmachtsurkunde überreichten Anhörung zu einer geplanten ordentlichen Kündigung die kurze einwöchige Frist beachten, die das Gesetz ihnen für einen möglichen Widerspruch setzt, ohne dabei sicher zu wissen, dass der angebliche Vertreter durch den Arbeitgeber wirklich bevollmächtigt war. Im schlimmsten Fall hätten sich die Betriebsratsmitglieder dann umsonst Gedanken gemacht bzw. sich ohne Grund zu einer Sitzung zusammengefunden.
Das aber ist eine Belastung, die weit geringer ist als die eines Arbeitnehmers, der durch einen Arbeitgebervertreter ohne Vollmachtsurkunde gekündigt wird. Denn der Arbeitnehmer müsste ohne das Recht zur Zurückweisung gemäß § 174 Satz 1 BGB rein vorsorglich Klage erheben. Das ist in erheblichem Umfang mit Stress und Kosten verbunden. Solche Belastungen treffen den Betriebsrat infolge dieses BAG-Urteils nicht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2012, 6 AZR 348/11 (Pressemeldung des BAG vom 13.12.2012)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2012, 6 AZR 348/11
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 27.05.2011, 8 Sa 132/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrates
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
- Arbeitsrecht aktuell: 17/029 Bei Massenentlassung keine Benachteiligung während einer Elternzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/258 Massenentlassung und Elternzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 13/338 Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung in der Probezeit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/223 Kündigung ohne Vollmacht
- Arbeitsrecht aktuell: 11/211 Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 29. Januar 2017
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