HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 23/005

EU-Min­dest­lohn­richt­li­nie muss bis No­vem­ber 2024 um­ge­setzt wer­den

Seit dem 19.10.2022 gilt die Richt­li­nie 2022/2041 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes, vom 19.10.2022, über an­ge­mes­se­ne Min­dest­löh­ne in der Eu­ro­päi­schen Uni­on
Einkommensunterschiede, Gehaltsunterschiede, Lohnlücke zwischen Arm und Reich

21.01.2023. Die Eu­ro­päi­sche Uni­on hat grund­sätz­lich kei­ne „le­gis­la­ti­ve“ Kom­pe­tenz für die Re­gu­lie­rung des Ar­beits­rechts. 

Ge­mäß Art.153 Abs.1 Buch­sta­be b) des Ver­trags über die Eu­ro­päi­sche Uni­on und des Ver­trags über die Ar­beits­wei­se der Eu­ro­päi­schen Uni­on (AEUV) un­ter­stützt und er­gänzt die Uni­on zwar die Tä­tig­keit der Mit­glied­staa­ten auf dem Ge­biet der Ar­beits­be­din­gun­gen, doch stellt Art.153 Abs.5 AEUV klar­Art.153 nicht für das Ar­beits­ent­gelt gilt (und dar­über hin­aus auch nicht für das Ko­ali­ti­ons­recht, das Streik­recht so­wie das Aus­sper­rungs­recht).

In­fol­ge­des­sen ist un­strei­tig, dass EU-Richt­li­ni­en den Mit­glied­staa­ten nicht die Pflicht auf­er­le­gen kön­nen, ei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ein­zu­füh­ren. Tat­säch­lich gilt ein Min­dest­lohn al­ler­dings be­reits in21 der der­zeit 27 EU-Staa­ten, u.a. auch in Deutsch­land.

Der deut­sche all­ge­mei­ne Min­dest­lohn auf der Grund­la­ge des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes (Mi­LoG) be­trägt ak­tu­ell, seit Ok­to­ber 2022, pro St­un­de 12,00 EUR brut­to. Der all­ge­mei­ne Min­dest­lohn von 12,00 EUR wird durch (hö­he­re) Bran­chen-Min­dest­löh­ne er­gänzt, die die Ta­rif­par­tei­en für be­stimm­te Wirt­schafts­zwei­ge aus­han­deln und die so­dann durch Rechts­ver­ord­nung auf der Grund­la­ge des Ar­beit­neh­mer­ent­sen­de­ge­set­zes (AEntG) für al­le Un­ter­neh­men der be­tref­fen­den Bran­che für er­streck­bar er­klärt wer­den.

Ob­wohl die EU an sich den Mit­glieds­staa­ten beim The­ma Min­dest­lohn kei­ne Vor­schrif­ten ma­chen kann, hat sie das im ver­gan­gen Jahr doch ge­tan, und zwar auf ei­nem Um­weg bzw. un­ter der Vor­aus­set­zung, dass in ei­nem EU-Land be­reits ein Min­dest­lohn gilt. Die­se Län­der, un­ter ih­nen Deutsch­land, müs­sen seit Ok­to­ber letz­ten Jah­res die Richt­li­nie 2022/2041 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes, vom 19.10.2022, über an­ge­mes­se­ne Min­dest­löh­ne in der Eu­ro­päi­schen Uni­on be­ach­ten.

Die Richt­li­nie 2022/2041 stellt in Art. 1 Abs. 3 (ver­ständ­lich) klar, dass sie nicht die Zu­stän­dig­keit der Mit­glied­staa­ten für die Fest­le­gung der Hö­he von Min­dest­löh­nen be­rührt so­wie de­ren Ent­schei­dung dar­über, ob über­haupt ge­setz­li­che Min­dest­löh­ne fest­ge­legt wer­den sol­len.

Gibt es al­ler­dings in ei­nem EU-Land be­reits ei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohn, gilt die Richt­li­nie 2022/2041. Sie schreibt u.a. vor, dass in Mit­glied­staa­ten, in de­nen we­ni­ger als 80 Pro­zent der Ar­beits­ver­hält­nis­ses durch Ta­rif­ver­trä­ge re­gu­liert wer­den, ei­nen Rah­men fest­ge­legt wer­den muss, der die Vor­aus­set­zun­gen für Ta­rif­ver­hand­lun­gen schafft, ent­we­der durch Er­lass ei­nes Ge­set­zes nach An­hö­rung der So­zi­al­part­ner oder durch ei­ne Ver­ein­ba­rung mit die­sen. Sol­che Mit­glied­staa­ten müs­sen au­ßer­dem ei­nen „Ak­ti­ons­plan zur För­de­rung von Ta­rif­ver­hand­lun­gen“ er­stel­len (Art.4 Abs.2 Satz 2 Richt­li­nie 2022/2041). 

Au­ßer­dem müs­sen die Min­dest­lohn-Staa­ten Ver­fah­ren für die Fest­le­gung und Ak­tua­li­sie­rung ih­rer ge­setz­li­chen Min­dest­löh­ne schaf­fen. In Deutsch­land ist dies grund­sätz­lich be­reits durch die ge­setz­li­chen Kom­pe­ten­zen der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on ge­sche­hen, d.h. durch die §§ 4 ff. Mi­LoG.

Al­ler­dings müs­sen nun­mehr ge­mäß Art.5 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Richt­li­nie 2022/2041 bei der Fest­le­gung und Ak­tua­li­sie­rung des Min­dest­lohns be­stimm­te Kri­te­ri­en be­rück­sich­tigt wer­den, die Richt­li­nie 2022/2041 den Min­dest­lohn-Staa­ten vor­gibt. Die­se Kri­te­ri­en sind 

  • die Kauf­kraft der ge­setz­li­chen Min­dest­löh­ne un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Le­bens­hal­tungs­kos­ten, 
  • das all­ge­mei­ne Ni­veau der Löh­ne und ih­re Ver­tei­lung, 
  • die Wachs­tums­ra­te der Löh­ne so­wie auch 
  • lang­fris­ti­ge na­tio­na­le Pro­duk­ti­vi­täts­ni­veaus und -ent­wick­lun­gen.

So kon­kre­te Vor­ga­ben macht das deut­sche Mi­LoG der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on bis­her nicht, so dass das Mi­LoG wohl ge­än­dert bzw. er­gänzt wer­den muss.
Die Um­set­zungs­frist für die Richt­li­nie 2022/2041 läuft bis zum 15.11.2024 (Art.17 Abs.1 Richt­li­nie 2022/2041).

Richt­li­nie 2022/2041 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes, vom 19.10.2022, über an­ge­mes­se­ne Min­dest­löh­ne in der Eu­ro­päi­schen Uni­on

Ver­trag über die Ar­beits­wei­se der Eu­ro­päi­schen Uni­on (AEUV), Amts­blatt Nr. C 326 vom 26.10.2012 S.1 ff.

Hand­buch Ar­beits­recht: Ent­sen­dung aus­län­di­scher Ar­beit­neh­mer

Hand­buch Ar­beits­recht: Min­dest­lohn

Letzte Überarbeitung: 7. Februar 2023

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 5.0 von 5 Sternen (1 Bewertung)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de