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Ver­gü­tungs­an­spruch bei Krank­heit und gleich­zei­ti­ger Ar­beits­ver­wei­ge­rung

Ver­gü­tungs­an­spruch bei Krank­heit und Ar­beits­ver­wei­ge­rung: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 20.03.2009, 6 Sa 361/08
Frau zu Hause im Bett vor dem Fernsehen Ent­gelt­fort­zah­lung bei Ar­beits­un­wil­lig­keit?

30.09.2009. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz be­fasst sich in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung mit der Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein krank­ge­schrie­be­ner Ar­beit­neh­mer Ent­gelt­fort­zah­lung be­an­spru­chen kann, wenn er gleich­zei­tig er­klärt hat, gar nicht ar­bei­ten zu wol­len.

Ju­ris­tisch geht es da­bei um die Fra­ge der Dar­le­gungs­last des Ar­beit­neh­mers, der zu­nächst die Ar­beit ver­wei­gert hat­te, für die "in­ne­re Tat­sa­che", dass er nun wie­der ar­beits­wil­lig sei und die Krank­heit des­halb der ein­zi­ge Grund für den Ar­beits­aus­fall.

Kniff­lig ist da­bei, wie der Ar­beit­neh­mer ei­gent­li­chen ei­nen sol­chen Nach­weis füh­ren soll: LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 20.03.2009, 6 Sa 361/08.

Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall auch bei Ar­beits­un­wil­lig­keit?

Im All­ge­mei­nen erhält ein Ar­beit­neh­mer sei­ne Vergütung nur dann, wenn er auch tatsächlich zur Ar­beit er­scheint. Es gilt der Grund­satz „Oh­ne Ar­beit kein Lohn“. Ar­bei­tet der Ar­beit­neh­mer nicht, muss der Ar­beit­ge­ber al­so auch nicht zah­len.

Ei­ne der vie­len Aus­nah­men von die­sem har­ten Grund­satz (ne­ben Ur­laub, Krank­heit usw.) ist dann zu ma­chen, wenn der Ar­beits­aus­fal­le dar­auf zurück­zuführen ist, dass der Ar­beit­ge­ber die ihm an­ge­bo­te­ne Ar­beits­leis­tung nicht an­ge­nom­men hat. Dann kommt der Ar­beit­ge­ber in An­nah­me­ver­zug (§ 615 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB) und muss die Vergütung zah­len, ob­wohl die Ar­beits­leis­tung aus­ge­blie­ben ist.

Ist der Ar­beits­aus­fall zu­gleich durch meh­re­re Ur­sa­chen be­dingt, d.h. durch ei­ne Er­kran­kung (§ 3 Abs.1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz - EFZG) und wei­te­re Umstände wie z.B. die Teil­nah­me des er­krank­ten Ar­beit­neh­mers an ei­nem Streik, gibt es nach der Recht­spre­chung kei­ne Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall. Denn da­zu ist er­for­der­lich, dass die Er­kran­kung des Ar­beit­neh­mers der ein­zi­ge Grund dafür ist, dass der Ar­beit­neh­mer nicht zur Ar­beit er­scheint.

Das be­deu­tet zu En­de ge­dacht: Gibt es ne­ben der Krank­heit zunächst zwei Gründe für den Ar­beits­aus­fall (z.B. Ar­beits­ver­wei­ge­rung plus Er­kran­kung) und ändern sich die Umstände nachträglich wie­der, so dass nur noch die Er­kran­kung Grund für das Feh­len des Ar­beit­neh­mers ist, hat er wie­der An­spruch auf sei­ne Vergütung bzw. Ent­gelt­fort­zah­lung.

Al­ler­dings muss der Ar­beit­neh­mer dann nach­wei­sen, dass er jetzt „ei­gent­lich“ wie­der be­reit ist, zur Ar­beit zu er­schei­nen, und ihn nur noch sei­ne Er­kran­kung dar­an hin­dert.

Pro­ble­ma­tisch ist, wie der Ar­beit­neh­mer ei­nen der­ar­ti­gen Nach­weis führen soll. Bis­her hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt nur in we­ni­gen Ent­schei­dun­gen hier­zu Stel­lung ge­nom­men und sehr all­ge­mein von „ei­ner er­wei­ter­ten Dar­le­gungs­last des Ar­beit­neh­mers für sei­ne Rück­kehr zur Ver­trags­treue“ (BAG, Ur­teil vom 04.12.2002, 5 AZR 494/01, Rn.18) ge­spro­chen.

Wel­che Hürde die­se „er­wei­ter­te Dar­le­gungs­last“ für den Ar­beit­neh­mer dar­stel­len kann, zeigt ein Ur­teil des LAG Rhein­land-Pfalz vom 20.03.2009, 6 Sa 361/08.

Lohn­fort­zah­lung bei an­gekündig­ter Krank­heit?

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer ge­riet in Streit mit sei­nen zwei Chefs. Da­bei soll der Ar­beit­neh­mer geäußert ha­ben, dass er fort­an kei­ne Ar­beits­leis­tung mehr für den Ar­beit­ge­ber er­brin­gen wer­de. Ab die­sem Zeit­punkt er­schien der Ar­beit­neh­mern nicht mehr bei der Ar­beit.

Ei­ne Wo­che später zeig­te der Ar­beit­neh­mer an, dass er ar­beits­unfähig er­krankt war und überg­ab sei­nem Ar­beit­ge­ber die Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung. Später ließ er durch sei­nen Rechts­an­walt erklären, dass er nach sei­ner Ge­sun­dung be­reit sei wie­der zu ar­bei­ten.

Der Ar­beit­ge­ber wei­ger­te sich, dem Ar­beit­ge­ber während des­sen Er­kran­kung die Vergütung wei­ter zu zah­len. Hier­ge­gen er­hob der Ar­beit­neh­mer Kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt Mainz. Das Ar­beits­ge­richt Mainz wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 24.4.2008, 6 Ca 157/08), da es nach ei­ner Zeu­gen­ver­neh­mung zu dem Schluss ge­kom­men war, dass der Kläger während sei­ner Er­kran­kung gleich­zei­tig auch nicht be­reit ge­we­sen war, sei­ne Ar­beits­leis­tung für den Ar­beit­ge­ber zu er­brin­gen.

Der Ar­beit­neh­mer leg­te des­halb Be­ru­fung zum LAG Rhein­land-Pfalz ein, wo­bei er u.a. dar­auf ver­wies, dass er zu­min­dest später durch sei­nen An­walt doch so­gar aus­drück­lich erklärt ha­be, wie­der zum Ar­bei­ten be­reit zu sein.

LAG Rhein­land-Pfalz: Oh­ne Ar­beits­wil­len kei­ne Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall

Das LAG wies die Be­ru­fung zurück, d.h. es ent­schied eben­falls ge­gen den Ar­beit­neh­mer. Das LAG teilt da­bei die An­sicht des Ar­beits­ge­richts, dass ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Zah­lung der Vergütung während der Er­kran­kung des Ar­beit­neh­mers nicht be­stand, weil die Er­kran­kung nicht die ein­zi­ge Ur­sa­che dafür war, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne Ar­beits­leis­tung nicht er­brach­te.

Das Schrei­ben des Rechts­an­walts und die Kla­ge sel­ber reich­ten dem LAG nicht aus, um die „an­hal­ten­de Leis­tungs­un­wil­lig­keit“ des Klägers zu be­sei­ti­gen. Der Ar­beit­neh­mer hätte sei­ne Ar­beits­leis­tung dem Ar­beit­ge­ber tatsächlich an­bie­ten (al­so ar­beits­be­reit am Ar­beits­platz er­schei­nen) müssen, so das LAG, denn dies sei in den Re­ge­lun­gen zum An­nah­me­ver­zug (§ 294 BGB) aus­drück­lich so vor­ge­se­hen.

Im Er­geb­nis ist der Ent­schei­dung des LAG zu­zu­stim­men. Die Be­gründung ist je­doch nicht nach­voll­zieh­bar. Denn der Ar­beit­neh­mer hat­te gar kei­ne Möglich­keit sei­ne Ar­beits­leis­tung tatsächlich an­bie­ten, da er ja wei­ter­hin ar­beits­unfähig er­krankt war. Hält man al­so, wie das LAG, ein tatsächli­ches An­ge­bot der Ar­beits­leis­tung bei ei­nem er­krank­ten Ar­beit­neh­mer, der zu­vor auch aus an­de­ren Gründen nicht zur Ar­beit er­schie­nen war, für er­for­der­lich, kann der Ar­beit­neh­mer nie den Nach­weis der Ar­beits­be­reit­schaft führen. Die vom BAG ge­for­der­te „ge­stei­ger­te Dar­le­gungs­last“ würde dann zu ei­ner schlicht­weg un­erfüll­ba­ren Dar­le­gungs­last wer­den.

Rich­tig ist aber die An­nah­me des Ge­richts, dass ein an­walt­li­ches Schrei­ben al­lein und die Er­he­bung ei­ner Zah­lungs­kla­ge nicht aus­rei­chen, um den Nach­weis der Ar­beits­be­reit­schaft zu er­brin­gen. Der Ar­beit­neh­mer hätte hier im Streit­fall plau­si­bel ma­chen müssen, war­um er von sei­ner bis­he­ri­gen Ent­schei­dung abrückt, in­dem er dafür nach­voll­zieh­ba­re Gründe an­gibt.

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Letzte Überarbeitung: 8. März 2018

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