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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/119

Be­hin­de­rung der Be­triebs­rats­ar­beit

Auch ein Er­satz­mit­glied des Be­triebs­rats darf die Ar­beit oh­ne Er­laub­nis un­ter­bre­chen, um Be­triebs­rats­ar­beit zu ver­rich­ten: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 20.10.2011, 10 TaBV 567/11
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung

17.03.2012. Mit­glie­der des Be­triebs­rats sind in ers­ter Li­nie Ar­beit­neh­mer und müs­sen des­halb ar­bei­ten, wenn sie nicht dau­er­haft von der Ar­beit frei­ge­stellt sind. Da­mit auch nicht frei­ge­stell­te Be­triebs­rats­mit­glie­der ih­re Be­triebs­rats­auf­ga­ben er­le­di­gen kön­nen, gibt ih­nen das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ein Recht auf Be­frei­ung von der Ar­beit im Ein­zel­fall (§ 37 Abs.2 Be­trVG).

Die­ses Recht soll­ten Ar­beit­ge­ber ernst neh­men, denn Ver­stö­ße sind ei­ne Be­hin­de­rung der Be­triebs­rat­s­tä­tig­keit. Be­trof­fe­ne Be­triebs­rä­te und Be­triebs­rats­mit­glie­der kön­nen dann ge­richt­lich Un­ter­las­sung ver­lan­gen. Das gilt auch für Er­satz­mit­glie­der, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg vor kur­zem ent­schie­den hat: Ur­teil vom 20.10.2011, 10 TaBV 567/11.

Was müssen Be­triebs­rats­mit­glie­der und Er­satz­mit­glie­der be­ach­ten, wenn sie ih­re Ar­beit un­ter­bre­chen, um Be­triebs­rats­auf­ga­ben wahr­zu­neh­men?

Nach der Recht­spre­chung müssen sich Be­triebs­rats­mit­glie­der von der Ar­beit ab­mel­den, wenn sie ih­re Be­triebs­rats­auf­ga­ben wahr­neh­men wol­len. In ei­li­gen Fällen reicht es nach die­ser Recht­spre­chung, wenn nachträglich „Mel­dung ge­macht“ wird. Ob sich ein Be­triebs­rat­mit­glied von der Ar­beit vor­her ab­mel­den muss oder ob ei­ne nachträgli­che In­for­ma­ti­on des Ar­beit­ge­bers bzw. Vor­ge­setz­ten genügt, hängt von den Umständen des Ein­zel­falls ab (BAG, Be­schluss vom 29.06.2011, 7 ABR 135/09 - wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/180 Be­triebs­rat: Ar­beits­be­frei­ung für Be­triebs­ratstätig­keit oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mel­dung?).

Auf kei­nen Fall dürfen Ar­beit­ge­ber bzw. Geschäftsführer oder Führungs­kräfte von ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied ver­lan­gen, ih­re Ar­beit nur mit vor­he­ri­ger Er­laub­nis zum Zwe­cke der Be­triebs­ratstätig­keit zu un­ter­bre­chen. Erst recht dürfen sie nicht mit ar­beits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen für den Fall der "ei­genmäch­ti­gen" Ar­beits­un­ter­bre­chung dro­hen. Das wäre ei­ne Be­hin­de­rung der Be­triebs­ratstätig­keit, die nach § 78 Be­trVG ver­bo­ten ist und nach § 119 Abs.1 Nr.2 Be­trVG so­gar straf­bar sein kann.

Be­trof­fe­ne Be­trie­brats­mit­glie­der können sich dann ge­richt­lich zur Wehr set­zen, z.B. mit ei­nem An­trag auf Un­ter­las­sung sol­cher Be­hin­de­run­gen. Der vom LAG Ber­lin-Bran­den­burg ent­schie­de­ne Fall zeigt, dass hier kein Un­ter­schied zwi­schen Be­triebs­rat­mit­glie­dern und Er­satz­mit­glie­dern be­steht.

LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Dro­hung mit Ab­mah­nung ist zu un­ter­las­sen - Ar­beit­ge­ber müssen ih­re Neu­gier zügeln

Im Streit­fall muss­te ein Er­satz­mit­glied ei­nes Be­triebs­ra­tes ei­ni­ge Ma­le für ein ver­hin­der­tes Be­triebs­rat­mit­glied ein­sprin­gen und mel­de­te sich des­halb von der Ar­beit ab. Sei­ne Vor­ge­setz­ten leg­ten ihm dar­auf­hin St­ei­ne in den Weg und be­haup­te­ten, dass dies nicht rech­tens sei. Für ei­ne Ar­beits­un­ter­bre­chung brau­che er - als Er­satz­mit­glied - ei­nen vor­he­ri­gen Be­triebs­rats­be­schluss. Oh­ne ei­nen sol­chen Be­schluss müsse er mit ar­beits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen rech­nen. Kon­kret wur­de ei­ne Lohnkürzung an­ge­droht.

Das Er­satz­mit­glied zog vor das Ar­beits­ge­richt Ber­lin und er­wirk­te ei­nen Be­schluss, der dem Ar­beit­ge­ber auf­gab, die­se Be­hin­de­run­gen zu un­ter­las­sen (Be­schluss vom 10.02.2011, 54 BV 10118/10). Das LAG ent­schied darüber hin­aus durch ge­richt­li­che Fest­stel­lung, dass das Er­satz­mit­glied nur da­zu ver­pflich­tet ist, sich von der Ar­beit ab­zu­mel­den und mit­zu­tei­len, wo und wie er er­reich­bar ist und wie lan­ge er vor­aus­sicht­lich ab­we­send sein wird.

Fa­zit: Die recht­li­chen Spiel­re­geln, die für nicht dau­er­haft frei­ge­stell­te Be­triebs­rats­mit­glie­der gel­ten, wenn sie im Ein­zel­fall ih­ren Be­triebs­rats­auf­ga­ben nach­ge­hen wol­len, gel­ten oh­ne Ab­stri­che auch für Er­satz­mit­glie­der. Sie sind nicht „Be­triebsräte zwei­ter Klas­se“, son­dern bei Ver­hin­de­rung ei­nes re­gulären Be­triebs­rats­mit­glieds wie die­se voll­wer­ti­ge Mit­glie­der des Be­triebs­ra­tes. Ar­beit­ge­ber, die das nicht ein­se­hen wol­len, müssen mit überflüssi­gen Kos­ten für ei­ne ge­richt­li­che Bestäti­gung die­ser Rechts­la­ge rech­nen.

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Letzte Überarbeitung: 31. Mai 2014

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