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BAG, Be­schluss vom 20.01.2010, 7 ABR 79/08

   
Schlagworte: Betriebsrat: Internetzugang, Betriebsratsbüro
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 ABR 79/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 20.01.2010
   
Leitsätze: Der Betriebsrat darf einen Zugang zum Internet zur sachgerechten Wahrnehmung der ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben regelmäßig nach § 40 Abs. 2 BetrVG für erforderlich halten, sofern dem keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Zur Begründung des Anspruchs bedarf es nicht der Darlegung konkreter, aktuell anstehender betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben, zu deren Erledigung Informationen aus dem Internet benötigt werden.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 5.12.2007, 30 BV 7578/07
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9.07.2008, 17 TaBV 607/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


7 ABR 79/08
17 TaBV 607/08
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

20. Ja­nu­ar 2010

BESCHLUSS

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler,

2.

Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,


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hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Be­ra­tung vom 20. Ja­nu­ar 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Lin­sen­mai­er, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Kiel so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kroll­mann und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Schuh für Recht er­kannt:


Die Rechts­be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin ge­gen den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 9. Ju­li 2008 - 17 TaBV 607/08 - wird zurück­ge­wie­sen.


Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob die Ar­beit­ge­be­rin ver­pflich­tet ist, dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­net­zu­gang für den ihm über­las­se­nen PC zur Verfügung zu stel­len.


Die zu 2) be­tei­lig­te Ar­beit­ge­be­rin be­treibt Baumärk­te. In ih­rem Bau­markt in T sind ca. 50 Ar­beit­neh­mer beschäftigt. Der dort er­rich­te­te, aus drei Mit­glie­dern be­ste­hen­de Be­triebs­rat verfügt über ei­nen Per­so­nal­com­pu­ter (PC) mit Netz­werk­an­schluss, mit dem er an das un­ter­neh­mens­wei­te In­tra­net an­ge­schlos­sen ist und E-Mails ver­sen­den und emp­fan­gen kann. Er hat - an­ders als die Markt­lei­tung - kei­nen Zu­gang zum In­ter­net.


Mit dem am 7. Mai 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­lei­te­ten Be­schluss­ver­fah­ren hat der Be­triebs­rat von der Ar­beit­ge­be­rin die Be­reit­stel­lung ei­nes In­ter­net­an­schlus­ses für den ihm über­las­se­nen PC ver­langt. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ein In­ter­net­an­schluss sei zur Erfüllung der ihm ob­lie­gen­den Auf­ga­ben er­for­der­lich. Das In­ter­net stel­le ei­ne wich­ti­ge In­for­ma­ti­ons­quel­le dar, die die Ar­beit­ge­be­rin auch in be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen nut­ze. Der In­ter­net­zu­gang sei nicht mit ei­ner zusätz­li­chen Kos­ten­be-
 


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las­tung für die Ar­beit­ge­be­rin ver­bun­den. Es sei le­dig­lich die Frei­schal­tung des ihm über­las­se­nen PC durch die zen­tra­le EDV-Ab­tei­lung er­for­der­lich.


Der Be­triebs­rat hat be­an­tragt, 


die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­net­zu­gang für des­sen in­tern ver­netz­ten Com­pu­ter (Frei­schal­tung des In­ter­net) zur Verfügung zu stel­len.


Die Ar­beit­ge­be­rin hat die Ab­wei­sung des An­trags be­an­tragt und ge­meint, der Be­triebs­rat benöti­ge zur Erfüllung der ihm ob­lie­gen­den Auf­ga­ben kei­nen ständi­gen In­ter­net­zu­gang. Bei Be­darf könne er ei­nen In­ter­net­an­schluss außer­halb des Be­triebs nut­zen. Es sei nicht fest­ge­stellt, ob das vom Be­triebs­rat gel­tend ge­mach­te In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis nach den kon­kre­ten be­trieb­li­chen Verhält­nis­sen be­ste­he und nur durch das In­ter­net ge­deckt wer­den könne. Zu­dem sei der Be­triebs­rat an­walt­lich be­ra­ten, so dass er In­for­ma­tio­nen recht­li­cher Art aus dem In­ter­net nicht benöti­ge. Ein be­trieb­li­cher In­ter­net­zu­gang sei mit er­heb­li­chen Kos­ten ver­bun­den. Außer­dem könne es durch die Ver­net­zung mit dem In­tra­net zu Störun­gen durch Vi­ren und Störpro­gram­me kom­men. Es sei auch nicht möglich zu über­prüfen, wel­che In­hal­te auf­ge­ru­fen würden.

Das Ar­beits­ge­richt hat dem An­trag statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin zurück-ge­wie­sen. Mit der Rechts­be­schwer­de be­gehrt die Ar­beit­ge­be­rin wei­ter­hin die Ab­wei­sung des An­trags. Der Be­triebs­rat be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Rechts­be­schwer­de.


B. Die Rechts­be­schwer­de ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben dem An­trag des Be­triebs­rats zu Recht ent­spro­chen. Die Ar­beit­ge­be­rin ist ver­pflich­tet, dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­net­zu­gang zur Verfügung zu stel­len.

I. Der An­trag ist zulässig. Er ist ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der Be­triebs­rat die zur Erfüllung des An­spruchs not­wen­di­gen tech­ni­schen Maßnah­men nicht näher be­zeich­net hat. Es ist Sa­che des Ver­pflich­te­ten zu ent­schei­den, auf wel­che
 


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Wei­se er das ge­schul­de­te Er­geb­nis her­beiführt (vgl. BAG 9. Ju­ni 1999 - 7 ABR 66/97 - zu B I der Gründe, BA­GE 92, 26).

II. Der An­trag ist be­gründet. Der Be­triebs­rat kann nach § 40 Abs. 2 Be­trVG von der Ar­beit­ge­be­rin die Ein­rich­tung ei­nes In­ter­net­zu­gangs zur Nut­zung ver­lan­gen.


1. Nach § 40 Abs. 2 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat für die Sit­zun­gen, die Sprech­stun­den und die lau­fen­de Geschäftsführung in er­for­der­li­chem Um­fang Räume, sach­li­che Mit­tel, Büro­per­so­nal so­wie In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik zur Verfügung zu stel­len. Zur In­for­ma­ti­ons­tech­nik iSv. § 40 Abs. 2 Be­trVG gehört auch das In­ter­net (BAG 23. Au­gust 2006 - 7 ABR 55/05 - zu II 2 der Gründe, AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 88).


a) Der Be­triebs­rat kann nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats (vgl. et­wa 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - Rn. 21 mwN, BA­GE 122, 293; 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - zu B II 2 a der Gründe, BA­GE 107, 231) ei­nen In­ter­net­zu­gang al­ler­dings - eben­so wie die an­de­ren in § 40 Abs. 2 Be­trVG ge­nann­ten Mit­tel - nur ver­lan­gen, wenn dies zur ord­nungs­gemäßen Wahr­neh­mung der ihm nach dem Ge­setz ob­lie­gen­den Auf­ga­ben er­for­der­lich ist. Auch nach der am 28. Ju­li 2001 in Kraft ge­tre­te­nen Neu­fas­sung des § 40 Abs. 2 Be­trVG, mit der der Ge­setz­ge­ber klar­ge­stellt hat, dass der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik in er­for­der­li­chem Um­fang zur Verfügung zu stel­len hat (BT-Drucks. 14/5741 S. 41), kann bei der Nut­zung die­ser Tech­nik durch den Be­triebs­rat von der Prüfung der Er­for­der­lich­keit nicht ab­ge­se­hen wer­den. Dies er­gibt sich be­reits aus dem Wort­laut des § 40 Abs. 2 Be­trVG. Da­nach ste­hen In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik gleich­ran­gig ne­ben Räum­en, sach­li­chen Mit­teln und Büro­per­so­nal. Die Be­schränkung des Sach­mit­tel­an­spruchs des Be­triebs­rats auf den er­for­der­li­chen Um­fang dient da­zu, ei­ne übermäßige fi­nan­zi­el­le Be­las­tung des Ar­beit­ge­bers zu ver­hin­dern. Da­mit ließe sich nicht in Ein­klang brin­gen, ge­ra­de in dem kos­ten­in­ten­si­ven Be­reich mo­der­ner Büro­tech­nik, an­ders als bei den übri­gen Sach­mit­teln, auf die Prüfung der Er­for­der­lich­keit zu ver­zich­ten (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - aaO; 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - aaO). An die­ser Recht­spre­chung hält
 


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der Se­nat auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Ausführun­gen des Be­triebs­rats im Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren fest.


b) Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Se­nats ob­liegt dem Be­triebs­rat die Prüfung, ob ein von ihm ver­lang­tes Sach­mit­tel zur Er­le­di­gung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben er­for­der­lich und vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len ist. Die Ent­schei­dung hierüber darf er nicht al­lein an sei­nen sub­jek­ti­ven Bedürf­nis­sen aus­rich­ten. Von ihm wird viel­mehr ver­langt, dass er die be­trieb­li­chen Verhält­nis­se und die sich ihm stel­len­den Auf­ga­ben berück­sich­tigt. Da­bei hat er die In­ter­es­sen der Be­leg­schaft an ei­ner sach­ge­rech­ten Ausübung des Be­triebs­rats­amts ei­ner­seits und be­rech­tig­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers, auch so­weit sie auf ei­ne Be­gren­zung der Kos­ten­tra­gungs­pflicht ge­rich­tet sind, ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - Rn. 22, BA­GE 122, 293). Die­se Grundsätze gel­ten auch für das Ver­lan­gen des Be­triebs­rats auf Über­las­sung von In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik (vgl. BAG 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - zu B der Gründe, BA­GE 107, 231).


c) Die Ent­schei­dung des Be­triebs­rats über die Er­for­der­lich­keit des ver­lang­ten Sach­mit­tels un­ter­liegt der ar­beits­ge­richt­li­chen Kon­trol­le. Die­se ist auf die Prüfung be­schränkt, ob das ver­lang­te Sach­mit­tel auf­grund der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Si­tua­ti­on der Er­le­di­gung der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben des Be­triebs­rats dient und der Be­triebs­rat bei sei­ner Ent­schei­dung nicht nur die In­ter­es­sen der Be­leg­schaft berück­sich­tigt, son­dern auch be­rech­tig­ten Be­lan­gen des Ar­beit­ge­bers Rech­nung ge­tra­gen hat. Dient das je­wei­li­ge Sach­mit­tel der Er­le­di­gung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Auf­ga­ben und hält sich die In­ter­es­sen­abwägung des Be­triebs­rats im Rah­men sei­nes Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, kann das Ge­richt die Ent­schei­dung des Be­triebs­rats nicht durch sei­ne ei­ge­ne er­set­zen (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - Rn. 23 mwN, BA­GE 122, 293; 23. Au­gust 2006 - 7 ABR 55/05 - Rn. 9, AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 88).

d) Die im Rah­men der ar­beits­ge­richt­li­chen Kon­trol­le er­ge­hen­de Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, ob der Be­triebs­rat ein Sach­mit­tel zur Er­le­di­gung der ihm ob­lie­gen­den Auf­ga­ben für er­for­der­lich hal­ten durf­te und die­ses des­halb vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len ist, kann im Rechts-


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be­schwer­de­ver­fah­ren eben­falls nur ein­ge­schränkt dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob Rechts­be­grif­fe ver­kannt, Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze ver­letzt oder we­sent­li­che Umstände bei der Würdi­gung über­se­hen wor­den sind (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - Rn. 23 mwN, BA­GE 122, 293; 23. Au­gust 2006 - 7 ABR 55/05 - Rn. 9, AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 88).

2. Die­sem ein­ge­schränk­ten Prüfungs­maßstab hält die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung stand.

a) Die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, der Be­triebs­rat ha­be die Aus­stat­tung mit ei­nem In­ter­net­an­schluss als sei­ner Auf­ga­ben­erfüllung dien­lich an­se­hen dürfen, ist rechts­be­schwer­de­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

aa) Die Auf­ga­ben des Be­triebs­rats er­ge­ben sich aus dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz und an­de­ren Ge­set­zen (zB § 17 Abs. 2 und 3 KSchG, § 93 SGB IX, §§ 9, 11 ASiG), ggf. auch aus Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Ta­rif­verträgen. § 80 Abs. 1 Be­trVG nennt zahl­rei­che all­ge­mei­ne Auf­ga­ben des Be­triebs­rats. Vor al­lem ob­liegt dem Be­triebs­rat die Wahr­neh­mung der ge­setz­li­chen Mit­be­stim­mungs- und Mit­wir­kungs­rech­te in so­zia­len, per­so­nel­len und ggf. auch in wirt­schaft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten (§§ 87 ff., 92 ff. und 111 ff. Be­trVG) so­wie der Auf­ga­ben bei der Ge­stal­tung von Ar­beits­platz, Ar­beits­ab­lauf und Ar­beits­um­ge­bung (§§ 90 f. Be­trVG). In den in § 87 Be­trVG auf­geführ­ten An­ge­le­gen­hei­ten hat er ein Initia­tiv­recht und kann von sich aus ei­ne Re­ge­lung der mit­be­stim­mungs­pflich­ti­gen An­ge­le­gen­hei­ten vor­schla­gen (BAG 28. No­vem­ber 1989 - 1 ABR 97/88 - BA­GE 63, 283). In be­stimm­ten An­ge­le­gen­hei­ten sind die Ar­beit­neh­mer be­rech­tigt, ein Mit­glied des Be­triebs­rats ih­rer Wahl hin­zu­zu­zie­hen (§ 81 Abs. 4 Satz 3, § 82 Abs. 2 Satz 2, § 83 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG); es gehört da­her auch zu den Auf­ga­ben je­des ein­zel­nen Be­triebs­rats­mit­glieds, die Ar­beit­neh­mer zu be­ra­ten (BAG 27. No­vem­ber 2002 - 7 ABR 45/01 - zu B III 2 b bb der Gründe).

bb) Die­se Auf­ga­ben kann der Be­triebs­rat sach­ge­recht nur wahr­neh­men, wenn er über die er­for­der­li­chen recht­li­chen und tatsächli­chen In­for­ma­tio­nen verfügt. Die Ein­ho­lung die­ser In­for­ma­tio­nen ist für sei­ne Auf­ga­ben­erfüllung

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mit­hin not­wen­dig. Bei der Fra­ge, auf wel­chem We­ge ei­ne In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung er­folgt und wel­che Sach­mit­tel hierfür ge­nutzt wer­den, steht dem Be­triebs­rat ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu. Ent­schei­det er sich zur In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung durch das In­ter­net, ist dies in der Re­gel nicht er­mes­sens­feh­ler­haft. Durch das In­ter­net können Sach­in­for­ma­tio­nen zu je­dem nur denk­ba­ren The­men­be­reich ein­ge­holt wer­den. So wird der Stand der ar­beits- und be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­setz­ge­bung und Recht­spre­chung in unzähli­gen Quel­len des In­ter­net fast ta­ges­ak­tu­ell wie­der­ge­ge­ben. Home­pages der Ge­setz­ge­bungs­or­ga­ne und ver­schie­de­ner Ge­rich­te ge­ben wich­ti­ge Ge­set­zes­vor­ha­ben und Ent­schei­dun­gen wie­der. Der Be­triebs­rat kann sich mit Hil­fe der im In­ter­net zur Verfügung ste­hen­den Such­ma­schi­nen zu ein­zel­nen be­trieb­li­chen Pro­blem­stel­lun­gen um­fas­send in­for­mie­ren, oh­ne auf Zu­falls­fun­de in Zeit­schrif­ten oder Zei­tun­gen, ver­al­te­ten Kom­men­tie­run­gen oder Ge­richts­ent­schei­dun­gen an­ge­wie­sen zu sein (BAG 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - zu B II 2 b der Gründe, BA­GE 107, 231). Da­bei be­schränkt sich der Be­zug zu den Auf­ga­ben des Be­triebs­rats nicht auf Rechts­fra­gen. Auch In­for­ma­tio­nen von pri­va­ten oder staat­li­chen - für die Wahr­neh­mung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben re­le­van­ten - In­sti­tu­tio­nen, die in al­ler Re­gel über ei­nen In­ter­net­auf­tritt verfügen, können ein­ge­holt und ge­nutzt wer­den. Des Wei­te­ren sind zB For­mu­lie­rungs­hil­fen zu Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen oder not­wen­di­ge Adres­sen von Behörden zugäng­lich. Die auf­ga­ben­be­zo­ge­nen Be­rei­che, in de­nen sich der Be­triebs­rat im In­ter­net In­for­ma­tio­nen be­schaf­fen kann, sind na­he­zu all­um­fas­send.


cc) Da­her kann in der Re­gel da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Nut­zung des In­ter­net der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben­erfüllung des Be­triebs­rats dient. Ei­ne ent­spre­chen­de An­nah­me des Be­triebs­rats ist im Rah­men des ihm zu­ste­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raums nicht zu be­an­stan­den. Dies gilt je­den­falls dann, wenn der Be­triebs­rat sei­ne Auf­ga­ben über­haupt wahr­nimmt. In An­be­tracht der of­fen­kun­di­gen Dien­lich­keit des In­ter­net zur Auf­ga­ben­erfüllung des Be­triebs­rats ist es auch nicht er­for­der­lich, dass die­ser im Rechts­streit kon­kre­te, sich ihm ak­tu­ell stel­len­de be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Auf­ga­ben dar­legt, zu de­ren Er­le­di­gung er In­for­ma­tio­nen aus dem In­ter­net benötigt. Viel­mehr ist be­reits dann, wenn er über­haupt be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Auf­ga­ben
 


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wahr­nimmt, da­von aus­zu­ge­hen, dass das In­ter­net der Erfüllung die­ser Auf­ga­ben dient. So­weit der Se­nats­ent­schei­dung vom 23. Au­gust 2006 (- 7 ABR 55/05 - Rn. 16, 17, AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 88) et­was An­de­res zu ent­neh­men ist, hält der Se­nat dar­an nicht fest.
 

Der Be­triebs­rat muss auch nicht dar­le­gen, dass und in­wie­weit er oh­ne In­ter­net­zu­gang die Wahr­neh­mung ihm ob­lie­gen­der Rech­te und Pflich­ten ver­nachlässi­gen müss­te. Zu sei­nem Be­ur­tei­lungs­spiel­raum gehört es gleich­falls, darüber zu be­fin­den, auf wel­che Wei­se er sei­ne Auf­ga­ben am wir­kungs­volls­ten er­le­di­gen kann. Die vom Be­triebs­rat zu be­ur­tei­len­de Dien­lich­keit ei­nes Sach­mit­tels zu sei­ner Auf­ga­ben­erfüllung ist da­her nicht erst dann ge­ge­ben, wenn er oh­ne den Ein­satz des Sach­mit­tels sei­ne ge­setz­li­chen Pflich­ten ver­nachlässi­gen müss­te. Dies stellt der Se­nat in Ab­gren­zung zu frühe­ren Ent­schei­dun­gen (vgl. et­wa 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - Rn. 26 mwN, BA­GE 122, 293) aus­drück­lich klar. Da­durch wer­den die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers nicht außer Acht ge­las­sen. Die­se muss der Be­triebs­rat viel­mehr in der un­abhängig von der Be­ur­tei­lung der Dien­lich­keit des Sach­mit­tels vor­zu­neh­men­den Würdi­gung ge­genläufi­ger In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers berück­sich­ti­gen.


dd) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ar­beit­ge­be­rin muss sich der Be­triebs­rat nicht dar­auf ver­wei­sen las­sen, sich er­for­der­li­che In­for­ma­tio­nen durch die Nut­zung ei­nes In­ter­net­zu­gangs außer­halb des Be­triebs, ggf. auf ei­ge­ne Kos­ten, zu be­schaf­fen. Nach § 40 Abs. 2 Be­trVG ist es Sa­che des Ar­beit­ge­bers, dem Be­triebs­rat die zur Durchführung sei­ner Auf­ga­ben er­for­der­li­chen Hilfs­mit­tel zur Verfügung zu stel­len und die da­durch ent­ste­hen­den Kos­ten zu tra­gen.


b) Die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, dass be­rech­tig­te In­ter­es­sen der Ar­beit­ge­be­rin ei­nem In­ter­net­zu­gang im Streit­fall nicht ent­ge­gen­ste­hen, lässt kei­ne Rechts­feh­ler er­ken­nen.
 


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aa) Bei der For­de­rung nach ei­nem In­ter­net­an­schluss können für die vom Be­triebs­rat im Rah­men sei­nes Be­ur­tei­lungs­spiel­raums zu tref­fen­de Ent­schei­dung - in Abhängig­keit vom Ein­zel­fall und der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Si­tua­ti­on - ne­ben der Be­gren­zung der Kos­ten­tra­gungs­pflicht wei­te­re Ge­sichts­punk­te Be­deu­tung er­lan­gen. So kann die kon­kre­te Möglich­keit der Gefähr­dung be­son­de­rer Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­sen ge­gen ei­nen In­ter­net­zu­gang spre­chen. Auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber greif­ba­re An­halts­punk­te für die Ge­fahr des Miss­brauchs des ver­lang­ten Sach­mit­tels vor­bringt, kann dies je nach den Ein­zel­fal­l­umständen dem Sach­mit­tel­ver­lan­gen ent­ge­gen­ste­hen. Be­deut­sam im Rah­men der Berück­sich­ti­gung be­trieb­li­cher In­ter­es­sen können schließlich auch das be­triebsübli­che und das auf Ar­beit­ge­ber­sei­te vor­han­de­ne Aus­stat­tungs­ni­veau sein (BAG 23. Au­gust 2006 - 7 ABR 55/05 - Rn. 16, AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 88; 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - zu B II 2 b der Gründe, BA­GE 107, 231).


bb) Hier­nach ist es rechts­be­schwer­de­recht­lich nicht zu be­an­stan­den, dass das Lan­des­ar­beits­ge­richt kei­ne der In­ter­net­nut­zung durch den Be­triebs­rat ent­ge­gen­ste­hen­den be­rech­tig­ten Be­lan­ge der Ar­beit­ge­be­rin an­ge­nom­men hat. Der Be­triebs­rat verfügt be­reits über ei­nen PC, mit dem der Zu­griff auf das un­ter­neh­mens­wei­te In­tra­net und der Emp­fang und Ver­sand von E-Mails möglich sind. Nach den mit Ver­fah­rensrügen nicht an­ge­grif­fe­nen, für den Se­nat bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts (§ 559 Abs. 2 ZPO) ent­ste­hen we­der durch das Frei­schal­ten des In­ter­net für den PC des Be­triebs­rats noch durch die späte­re Nut­zung des In­ter­net durch den Be­triebs­rat zusätz­li­che Kos­ten für die Ar­beit­ge­be­rin. Ein In­ter­net­zu­gang ent­spricht dem Aus­stat­tungs­ni­veau der Markt­lei­tung. So­weit die Ar­beit­ge­be­rin Störun­gen durch Vi­ren und Störpro­gram­me befürch­tet, kann dem in glei­cher Wei­se vor­ge­beugt wer­den wie bei den an­de­ren mit In­ter­net­an­schlüssen aus­ge­stat­te­ten PCs im Un­ter­neh­men. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auch zu Recht an­ge­nom­men, dass die rein theo­re­ti­sche Möglich­keit der sach­frem­den Nut­zung des In­ter­net­an­schlus­ses durch Be­triebs­rats­mit­glie­der dem An­spruch des Be­triebs­rats nicht von vorn­her­ein ent­ge­gen­steht. Während der von der Ar­beit­ge­be­rin nach § 37
 


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Abs. 2, § 38 Abs. 1 Be­trVG zu vergüten­den Zei­ten dürfen die Be­triebs­rats­mit­glie­der den In­ter­net­zu­gang oh­ne­hin nicht zu pri­va­ten Zwe­cken ver­wen­den. Ei­ne Pri­vat­nut­zung außer­halb die­ser Zei­ten kann die Ar­beit­ge­be­rin un­ter­sa­gen und bei Verstößen die zu Ge­bo­te ste­hen­den Sank­tio­nen er­grei­fen.


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