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BAG, Be­schluss vom 20.05.2010, 8 AZR 287/08 (A)

   
Schlagworte: Diskriminierung: Geschlecht, Bewerbung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 287/08 (A)
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 20.05.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 11.04.2007, 12 Ca 512/06
Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 9.11.2007, H 3 Sa 102/07
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

8 AZR 287/08 (A)

H 3 Sa 102/07

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg

Verkündet am 20. Mai 2010

BESCHLUSS

Förs­ter, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 18. März 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und Brein­lin­ger so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Kog­lin und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Mall­mann be­schlos­sen:


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I. Dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on wer­den gemäß Art. 267 des Ver­tra­ges über die Ar­beits­wei­se der Eu­ropäischen Uni­on in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 9. Mai 2008 fol­gen­de Fra­gen vor­ge­legt:

1. Sind Art. 19 Abs. 1 der Richt­li­nie 2006/54/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 5. Ju­li 2006 zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Chan­cen­gleich­heit und Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en in Ar­beits- und Beschäfti­gungs­fra­gen (Neu­fas­sung) und Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 2000 zur An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne Un­ter­schied der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft und Art. 10 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass ei­nem Ar­beit­neh­mer, der dar­legt, dass er die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne von ei­nem Ar­beit­ge­ber aus­ge­schrie­be­ne Stel­le erfüllt, im Fal­le sei­ner Nicht­berück­sich­ti­gung ein An­spruch ge­gen den Ar­beit­ge­ber auf Aus­kunft ein­geräumt wer­den muss, ob die­ser ei­nen an­de­ren Be­wer­ber ein­ge­stellt hat und wenn ja, auf­grund wel­cher Kri­te­ri­en die­se Ein­stel­lung er­folgt ist?

2. Falls die ers­te Fra­ge be­jaht wird:

Ist der Um­stand, dass der Ar­beit­ge­ber die ge­for­der­te Aus­kunft nicht er­teilt, ei­ne Tat­sa­che, wel­che das Vor­lie­gen der vom Ar­beit­neh­mer be­haup­te­ten Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten lässt?

II. Das Ver­fah­ren wird aus­ge­setzt.

Gründe

I. Die Ent­schei­dung des Rechts­streits hängt von der Fra­ge ab, ob Art. 19

Abs. 1 der Richt­li­nie 2006/54/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 5. Ju­li 2006 zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Chan­cen­gleich­heit und Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en in Ar­beits- und Beschäfti­gungs­fra­gen (Neu­fas­sung) und Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 2000 zur An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne Un­ter­schied der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft und Art. 10


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Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen sind, dass der Kläge­rin als ab­ge­lehn­ter Stel­len­be­wer­be­rin, nach­dem sie dar­ge­legt hat, dass sie die Vor­aus­set­zun­gen für die von der Be­klag­ten aus­ge­schrie­be­ne Stel­le erfüllt, ein An­spruch ge­gen die Be­klag­te zu­ste­hen muss, ihr mit­zu­tei­len, ob die­se ei­nen an­de­ren Be­wer­ber ein­ge­stellt hat und wenn ja, auf­grund wel­cher Kri­te­ri­en die­se Ein­stel­lung er­folgt ist. Falls ein sol­cher An­spruch be­jaht wird, ist es im Wei­te­ren ent­schei­dungs­er­heb­lich, ob die Nich­ter­tei­lung der Aus­kunft ei­ne Tat­sa­che ist, wel­che die un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung der Kläge­rin we­gen der von ihr be­haup­te­ten Umstände ver­mu­ten lässt.

II. Die Kläge­rin be­gehrt von der Be­klag­ten die Zah­lung ei­ner Ent

schädi­gung we­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung bei ei­ner Stel­len­be­wer­bung und ver­langt Aus­kunft über die von der Be­klag­ten ein­ge­stell­te Per­son.

Die am 7. Sep­tem­ber 1961 in Russ­land ge­bo­re­ne Kläge­rin ab­sol­vier­te

dort ein Stu­di­um und schloss die­ses mit der Qua­li­fi­ka­ti­on ei­ner Sys­tem­tech­nik-In­ge­nieu­rin ab. Ihr wur­de durch das Land Schles­wig-Hol­stein die Gleich­wer­tig­keit die­ses Stu­di­ums mit ei­nem an ei­ner Fach­hoch­schu­le in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Di­plom­prüfung ab­ge­schlos­se­nen Stu­di­um der Fach­rich­tung In­for­ma­tik be­schei­nigt.

Mit ei­ner Stel­len­an­zei­ge hat­te die Be­klag­te „ei­ne/n er­fah­re­ne/n Soft

wa­re­ent­wick­ler/-in“ ge­sucht. Die Kläge­rin be­warb sich am 5. Ok­to­ber 2006 bei der Be­klag­ten. In ih­rem Be­wer­bungs­schrei­ben führ­te sie ua. aus:

„Ich bemühe mich um Er­hal­tung bzw. Ent­wick­lung mei­ner Qua­li­fi­ka­ti­on. Mit die­sem Zweck ha­be ich zu Hau­se Ar­beits­platz ein­ge­rich­tet und ler­ne jetzt Vi­su­al C++.NET, Vi­su­al C#.NET, In­ter­net­pro­gram­mie­rung mit ASP.NET.“

Am 11. Ok­to­ber 2006 er­hielt die Kläge­rin ei­ne Ab­sa­ge von der Be

klag­ten.


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Nach­dem im In­ter­net er­neut ei­ne Stel­len­an­zei­ge der Be­klag­ten mit

glei­chem In­halt er­schie­nen war, be­warb sich die Kläge­rin am 19. Ok­to­ber 2006 er­neut um die Stel­le und be­haup­te­te:

„Ich pas­se Ih­nen sehr gut. Ers­tens, weil ich gu­te Er­fah­rung mit OOP mit MS C++6.0 ha­be. Wei­ter­hin, weil ich pri­va­te Er­fah­rung mit C#.NET ha­be. Grundsätz­lich ist Über­gang von C++6.0 auf C#.NET = C# 7.0... am leich­tes­ten.“

Wei­ter führ­te sie an, dass die Be­klag­te ei­nen Soft­ware­ent­wick­ler mit Er-

fah­rung im „Be­rufs­um­feld mit C# ob­jek­tiv nicht fin­den könne, da MS Vi­su­al Stu­dio.NET ein­sch­ließlich C# in Deutsch­land erst 2002 ein­geführt wor­den sei und kei­ne Fir­ma, die ei­ge­ne mit an­de­ren Werk­zeu­gen ent­wi­ckel­te Soft­ware am Markt ge­habt ha­be, so­fort zu .NET über­ge­gan­gen sei.“ Sie selbst be­sit­ze seit An­fang 2002 die .NET-Um­ge­bung pri­vat und ar­bei­te da­mit. Dar­auf­hin er­hielt die Kläge­rin er­neut ei­ne Ab­sa­ge durch die Be­klag­te.

Die Kläge­rin ver­langt von der Be­klag­ten ei­ne Entschädi­gung we­gen

Be­nach­tei­li­gung in Höhe von sechs Mo­nats­gehältern á 3.000,00 Eu­ro. Sie macht gel­tend, ob­wohl sie ide­al den An­for­de­run­gen der Be­klag­ten ent­spre­che und es Be­wer­ber mit bes­se­ren als ih­ren fach­li­chen Kennt­nis­sen in dem von der Be­klag­ten gewünsch­ten Be­reich ob­jek­tiv kaum ge­ben könne, sei sie nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wor­den. Of­fen­bar ha­be die Be­klag­te Vor­ur­tei­le we­gen ih­res Ge­schlechts, ih­rer Her­kunft und ih­res Al­ters. Die Kläge­rin ver­langt von der Be­klag­ten, die Be­wer­bungs­un­ter­la­gen des auf­grund der Stel­len­an­zei­ge ein­ge­stell­ten Be­wer­bers vor­zu­le­gen. Sie meint, dies sei zur Sach­ver­halts­aufklärung er­for­der­lich. Es sei aus­rei­chend, wenn der ab­ge­lehn­te Be­wer­ber dem Ge­richt dar­le­ge, er ent­spre­che dem An­for­de­rungs­pro­fil. Die Vor­la­ge der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen des aus­gewähl­ten Be­wer­bers hätte ver­an­schau­licht, dass die­ser nicht bes­ser qua­li­fi­ziert sei als sie. Aus den all­ge­mei­nen Sta­tis­ti­ken in der IT-Bran­che er­ge­be sich, dass dort über­wie­gend Männer ar­bei­ten würden. In die­ser Bran­che ge­be es ei­ne aus­ge­prägte ge­schlechts­be­zo­ge­ne Dis­kri­mi­nie­rung.


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Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 18.000,00 Eu­ro nebst

Zin­sen zu zah­len.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Sie hält die Kla­ge für nicht

schlüssig, weil die Kläge­rin kei­ne aus­rei­chen­den Tat­sa­chen für die Ver­mu­tung ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung vor­ge­tra­gen ha­be. Es be­ste­he auch kein An­spruch der Kläge­rin auf Aus­kunft darüber, wel­che Per­so­nal­ent­schei­dung die Be­klag­te auf­grund der Stel­len­aus­schrei­bung ge­trof­fen ha­be.

III. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Kläge­rin we­gen ei­nes

Scha­dens, der nicht Vermögens­scha­den ist, An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld, wenn die Be­klag­te ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot gemäß § 7 Abs. 1 AGG ver­s­toßen hat.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG gilt die Kläge­rin als Beschäftig­te iSd.

AGG, weil sie Be­wer­be­rin für ein Beschäfti­gungs­verhält­nis ist. Die Kläge­rin macht ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung gemäß § 3 Abs. 1 AGG gel­tend. Sie hat al­ler­dings kei­ne In­di­zi­en schlüssig dar­ge­legt, die ver­mu­ten las­sen, dass die Be­klag­te ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot nach § 7 Abs. 1 AGG ver­s­toßen hat (§ 22 AGG).

Zwar hat sie in aus­rei­chen­der Wei­se vor­ge­tra­gen, dass sie von der Be-

klag­ten in Be­zug auf den Zu­gang zu ei­ner un­selbständi­gen Er­werbstätig­keit, ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fah­ren hat als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 AGG), weil sie trotz (zwei­ma­li­ger) Be­wer­bung um die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le als „Soft­ware­ent­wick­ler/-in“ nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wor­den ist. An­de­re Per­so­nen sind - wie sich aus ei­nem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 20. Ok­to­ber 2006 er­gibt - zu ei­nem sol­chen ge­be­ten wor­den. Be­reits die Ab­leh­nung, den Be­wer­ber zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­zu­la­den, stellt ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar.

Die Kläge­rin hat aber nicht in aus­rei­chen­der Wei­se dar­ge­legt, dass sie

die we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung we­gen ei­nes der in § 1 AGG ge­nann­ten


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Gründe er­fah­ren hat, al­so dass ent­we­der ihr Ge­schlecht, ihr Al­ter oder ih­re eth­ni­sche Her­kunft mit­ursächlich für die­se Be­hand­lung war. Aus­rei­chend ist, dass ein in § 1 AGG ge­nann­ter Grund Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, das die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat (vgl. BVerfG 16. No­vem­ber 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).

Nach dem deut­schen Zi­vil­pro­zess­recht ein­sch­ließlich des ar­beits-

ge­richt­li­chen Ur­teils­ver­fah­rens trägt der­je­ni­ge, der ein Recht für sich in An­spruch nimmt, die Be­weis­last für die an­spruchs­be­gründen­den Tat­sa­chen. Die Dar­le­gungs­last ent­spricht da­bei grundsätz­lich der Be­weis­last, dh. der­je­ni­ge, dem die Be­weis­last ob­liegt, muss zunächst die an­spruchs­be­gründen­den Tat­sa­chen dar­le­gen. Zu die­sen gehört bei der Gel­tend­ma­chung ei­nes An­spruchs auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot auch die Tat­sa­che, dass die ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des er­folgt ist. Der im ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils­ver­fah­ren gel­ten­de Bei­brin­gungs­grund­satz ver­langt ei­nen schlüssi­gen Tat­sa­chen­vor­trag der Par­tei­en. Für ei­nen sol­chen genügt es nicht, wenn ei­ne Par­tei le­dig­lich Mut­maßun­gen auf­stellt. Un­zulässig ist es grundsätz­lich, wenn ei­ne Par­tei ei­ne Be­haup­tung le­dig­lich „ins Blaue hin­ein“ auf­stellt, oh­ne dass sie tatsächli­che An­halts­punk­te für ih­re Be­haup­tung dar­legt (vgl. BAG 5. No­vem­ber 2003 - 5 AZR 562/02 - AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Hin­sicht­lich der in­ne­ren Tat­sa­chen, nämlich der Kau­sa­lität zwi­schen Nach­teil und ei­nem oder meh­re­ren der in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe hat der deut­sche Ge­setz­ge­ber in § 22 AGG ei­ne Be­weis­last­re­ge­lung ge­trof­fen, die sich auf die Dar­le­gungs­last aus­wirkt. Der Ge­setz­ge­ber woll­te mit die­ser Vor­schrift ua. Art. 8 der Richt­li­nie 2000/43/EG und Art. 10 der Richt­li­nie 2000/78/EG um­set­zen (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 47). § 22 AGG lau­tet:

㤠22

Be­weis­last

Wenn im Streit­fall die ei­ne Par­tei In­di­zi­en be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des ver­mu­ten las­sen, trägt die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat.“


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Aus § 22 AGG er­gibt sich, dass es nicht aus­rei­chend für ein

schlüssi­ges Kla­ge­vor­brin­gen ist, wenn die­je­ni­ge Per­son, die sich auf ei­ne Be­nach­tei­li­gung be­ruft, im Pro­zess le­dig­lich vorträgt, auf sie tref­fe ein in § 1 AGG ge­nann­tes Merk­mal zu und sie ha­be we­gen die­ses Merk­mals ei­ne ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung als ei­ne an­de­re Per­son er­fah­ren. Für die Erfüllung der Dar­le­gungs­last genügt, wenn In­di­zi­en vor­ge­tra­gen wer­den, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ver­mu­ten las­sen. Dies ist der Fall, wenn die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen aus ob­jek­ti­ver Sicht mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf schließen las­sen, dass die Be­nach­tei­li­gung aus ei­nem die­ser Gründe er­folg­te. Durch die Ver­wen­dung der Wörter „In­di­zi­en“ und „ver­mu­ten“ wird zum Aus­druck ge­bracht, dass es hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen ei­nem in § 1 AGG ge­nann­ten Grund und ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung genügt, Hilfs­tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, die zwar nicht zwin­gend den Schluss auf die Kau­sa­lität zu­las­sen, die aber die An­nah­me recht­fer­ti­gen, dass die Kau­sa­lität ge­ge­ben ist.

Die­se Aus­le­gung des § 22 AGG be­zo­gen auf die Dar­le­gungs­last des

Be­nach­tei­li­gungs­grun­des ent­spricht der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu dem frühe­ren § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB und dem § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX (vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6; 12. Sep­tem­ber 2006 - 9 AZR 807/05 - BA­GE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14).

Ein ab­ge­lehn­ter Stel­len­be­wer­ber, der meint un­ter Ver­s­toß ge­gen § 7

AGG dis­kri­mi­niert wor­den zu sein, genügt sei­ner Dar­le­gungs­last bzgl. der be­haup­te­ten Be­nach­tei­li­gung nicht da­durch, dass er le­dig­lich vorträgt, er ha­be sich be­wor­ben, sei un­berück­sich­tigt ge­blie­ben und erfülle das in der Aus­schrei­bung ge­for­der­te An­for­de­rungs­pro­fil so­wie zu­min­dest ei­nes der in § 1 AGG ge­nann­ten Merk­ma­le. Al­lein ein sol­cher Sach­vor­trag ver­pflich­tet den Ar­beit­ge­ber nicht zur Dar­le­gung, wel­che Per­so­nal­ent­schei­dung er letzt­lich ge­trof­fen hat und aus wel­chen Gründen.


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Es gibt kei­nen Grund­satz, wo­nach die­je­ni­ge Per­son die Dar­le­gungs-

und Be­weis­last trägt, die über die maßgeb­li­chen In­for­ma­tio­nen verfügt. Die Be­weis­last­ver­tei­lung be­darf grundsätz­lich ei­ner nor­ma­ti­ven Re­ge­lung (BGH 17. De­zem­ber 1996 - XI ZR 41/96 - WM 1997, 591). § 22 AGG trägt der Si­tua­ti­on Rech­nung, dass dem An­spruch­stel­ler im Re­gel­fal­le die vollständi­ge Be­weisführung, dass das Mo­tiv für die ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung ein in § 1 AGG ge­nann­ter Grund ist, nicht möglich ist und er da­mit re­gelmäßig kei­ne Tat­sa­chen vor­tra­gen kann, die da­zu führen, dass das Ge­richt das Vor­lie­gen des Be­nach­tei­li­gungs­grun­des als wahr er­ach­tet.

Der Um­stand, dass die Kläge­rin von der Be­klag­ten nicht zu ei­nem Vor

stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wor­den ist, lässt nicht dar­auf schließen, dies sei kau­sal auf ei­nen der in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe zurück­zuführen, hier al­so auf ihr Ge­schlecht, ihr Le­bens­al­ter oder ih­re Her­kunft. Al­lein die Be­ru­fung der Kläge­rin auf die Merk­ma­le „Frau“, „Le­bens­al­ter über 45“ und „rus­si­sche Her­kunft“ kann für sich al­lein kei­ne Ver­mu­tung für ei­ne ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung der Kläge­rin we­gen die­ser oder ei­nes die­ser Gründe be­gründen. Es müss­ten viel­mehr von der Kläge­rin wei­te­re Umstände vor­ge­tra­gen wer­den, aus de­nen sich die über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit er­gibt, dass zu­min­dest ei­ner die­ser Gründe (mit) ursächlich für die nach­tei­li­ge Be­hand­lung war. Ein sol­cher wei­te­rer Um­stand liegt nicht be­reits dar­in, dass die Kläge­rin für die Stel­le ge­eig­net ist bzw. die in der Stel­len­aus­schrei­bung ge­for­der­ten An­for­de­run­gen erfüllt. Dass ein Be­wer­ber, der zwar sämt­li­chen in der Stel­len­aus­schrei­bung ge­for­der­ten An­for­de­run­gen genügt, nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wird, be­gründet nicht den ers­ten An­schein, dass dies auf ei­nem der Gründe des § 1 AGG (mit) be­ruht. Viel­mehr kann dies vielfälti­ge an­de­re Ur­sa­chen ha­ben. Da­bei ist zu be­ach­ten, dass das AGG nicht die un­sach­li­che Be­hand­lung aus an­de­ren als den in § 1 AGG ge­nann­ten Gründen ver­bie­tet und von dem Ar­beit­ge­ber nicht ver­langt, nur ob­jek­tiv ge­eig­ne­te Be­wer­ber bei sei­ner Aus­wah­l­ent­schei­dung zu berück­sich­ti­gen.

So­weit die Kläge­rin gel­tend macht, Be­wer­ber mit bes­se­ren als ih­ren

fach­li­chen Kennt­nis­sen könne es ob­jek­tiv kaum ge­ben, stellt dies von der For­mu­lie­rung her kei­ne Tat­sa­chen­be­haup­tung iSd. § 138 Abs. 1 ZPO dar,


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son­dern le­dig­lich ei­ne nicht durch Tat­sa­chen­vor­trag un­ter­mau­er­te Mut­maßung der Kläge­rin. Le­dig­lich auf­grund von vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen könn­te die Kläge­rin je­doch die ihr gemäß § 22 AGG ob­lie­gen­de Dar­le­gungs­last erfüllen.

Auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Um­stan­des, dass sich die Kläge­rin als

Frau von über 45 Jah­ren mit rus­si­scher Her­kunft in der IT-Bran­che be­wor­ben hat, gibt es kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass die Ein­la­dung zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch (auch) we­gen ei­nes der in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe un­ter­blie­ben ist. Al­lein das pau­scha­le Vor­brin­gen der Kläge­rin, in der IT-Bran­che würden Frau­en dis­kri­mi­niert, kann kei­ne In­dizwir­kung für ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin we­gen des Ge­schlechts ent­fal­ten. So­weit ihr Vor­trag da­hin zu ver­ste­hen ist, dass im IT-Be­reich mehr Männer als Frau­en beschäftigt wer­den, kann dies vielfälti­ge Gründe ha­ben, ua. den, dass sich we­ni­ger Frau­en als Männer um ent­spre­chen­de Stel­len be­wer­ben.

IV. Der Se­nat kann oh­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der

Eu­ropäischen Uni­on nicht ent­schei­den, ob, um den Be­weis­last­re­ge­lun­gen der zi­tier­ten eu­ro­pa­recht­li­chen Richt­li­ni­en zu genügen, der Kläge­rin nach na­tio­na­lem Recht ein Aus­kunfts­an­spruch ge­gen die Be­klag­te ein­zuräum­en ist, wel­cher da­hin geht, dass ihr die Be­klag­te mit­tei­len muss, ob sie ei­nen an­de­ren Be­wer­ber für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ein­ge­stellt hat und wenn ja, wel­che Kri­te­ri­en für die ge­trof­fe­ne Aus­wahl maßgeb­lich ge­we­sen sind. Wei­ter kann der Se­nat nicht ent­schei­den, ob die Nich­ter­tei­lung der Aus­kunft als Tat­sa­che iSd. Richt­li­ni­en an­zu­se­hen ist, die das Vor­lie­gen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen.

Ein An­spruch der Kläge­rin auf Aus­kunft über die Gründe der Ab­sa­ge

bzw. auf Aus­kunft über die von der Be­klag­ten ge­trof­fe­ne Per­so­nal­ent­schei­dung be­steht nach na­tio­na­lem Recht grundsätz­lich nicht.

Der Kläge­rin steht kein Aus­kunfts­an­spruch aus ei­nem vor­ver­trag­li­chen

Schuld­verhält­nis bzw. nach den Grundsätzen von Treu und Glau­ben zu. Aus § 242 BGB er­gibt sich ei­ne Aus­kunfts­pflicht, wenn die zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Rechts­be­zie­hun­gen es mit sich brin­gen, dass der Be­rech­tig­te in ent­schuld­ba­rer Wei­se über Be­ste­hen und Um­fang sei­nes Rechts im Un-


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ge­wis­sen ist und der Ver­pflich­te­te die zur Be­sei­ti­gung der Un­ge­wiss­heit er­for­der­li­che Aus­kunft un­schwer ge­ben kann (BAG 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - mwN, AP BGB § 242 Aus­kunfts­pflicht Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 242 Aus­kunfts­pflicht Nr. 1). Der Aus­kunfts­an­spruch setzt ei­ne Son­der­ver­bin­dung zwi­schen den Par­tei­en vor­aus (BGH 18. Ja­nu­ar 1978 - VIII ZR 262/76 - NJW 1978, 1002). Al­lein die Tat­sa­che, dass ei­ne Per­son In­for­ma­tio­nen be­sitzt, die das In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis ei­ner Par­tei be­gründen, be­gründet kei­ne Aus­kunfts­pflicht der an­de­ren Per­son (vgl. BAG 21. No­vem­ber 2000 - 9 AZR 665/99 - BA­GE 96, 274 = AP BGB § 242 Aus­kunfts­pflicht Nr. 35 = EzA BGB § 242 Aus­kunfts­pflicht Nr. 6). Bei der Son­der­ver­bin­dung kann es sich zB um ei­nen Ver­trag, um ein ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis oder ei­ne Rechts­be­zie­hung bei der An­bah­nung ei­nes Ver­trags­verhält­nis­ses han­deln. Außer­halb von Ver­trags­verhält­nis­sen wird von der Recht­spre­chung für ei­nen Aus­kunfts­an­spruch grundsätz­lich ein dem Grun­de nach be­reits fest­ste­hen­der Leis­tungs­an­spruch ge­for­dert (BAG 21. No­vem­ber 2000 - 9 AZR 665/99 - aaO; 1. De­zem­ber 2004 - 5 AZR 664/03 - BA­GE 113, 55 = AP BGB § 242 Aus­kunfts­pflicht Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 5). Im Rah­men ei­nes be­ste­hen­den Ver­trags­verhält­nis­ses reicht es aus, dass mit dem Aus­kunfts­an­spruch auch der Be­stand ei­nes Leis­tungs­an­spruchs geklärt wer­den soll, so­fern der Be­rech­tig­te die Wahr­schein­lich­keit sei­nes An­spruchs dar­ge­legt hat (vgl. BAG 21. No­vem­ber 2000 - 9 AZR 665/99 - aaO). Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in­ner­halb ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses Aus­kunfts­ansprüche auch be­jaht, wenn die­ser Aus­kunfts­an­spruch (auch) die Funk­ti­on hat, dem Be­rech­tig­ten In­for­ma­tio­nen über das Be­ste­hen des An­spruchs dem Grun­de nach zu ver­schaf­fen (1. De­zem­ber 2004 - 5 AZR 664/03 - aaO). Die­ser wei­ter­ge­hen­de Aus­kunfts­an­spruch wird da­mit be­gründet, dass es sich da­bei um ei­ne Ne­ben­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis han­delt und der In­halt die­ser Ne­ben­pflicht durch ei­ne be­son­de­re persönli­che Bin­dung der Ver­trags­part­ner ge­prägt ist, und dass sich aus dem Ar­beits­verhält­nis spe­zi­fi­sche Pflich­ten zur ge­gen­sei­ti­gen Rück­sicht­nah­me er­ge­ben (vgl. BAG 1. De­zem­ber 2004 - 5 AZR 664/03 - aaO; 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - aaO).

Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ser Recht­spre­chung be­steht kein Aus­kunfts-

an­spruch der Kläge­rin auf In­for­ma­ti­on über die von der Be­klag­ten ge­trof­fe­ne


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Per­so­nal­ent­schei­dung. Zwi­schen den Par­tei­en be­stand kein Ver­trags­verhält­nis. Das AGG fin­giert we­der das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Be­wer­ber und dem Ar­beit­ge­ber noch be­stimmt es, dass ei­nem Be­wer­ber all­ge­mein die glei­chen Rech­te und Pflich­ten wie ei­nem Ar­beit­neh­mer in ei­nem be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis zu­kom­men. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG re­gelt nur, dass Be­wer­ber für ein Beschäfti­gungs­verhält­nis als Beschäftig­te iSd. AGG gel­ten. Al­ler­dings ist von ei­nem Zu­stan­de­kom­men ei­nes Schuld­verhält­nis­ses nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB (An­bah­nung ei­nes Ver­tra­ges) zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten aus­zu­ge­hen.

Wei­te­re Vor­aus­set­zung für ei­nen Aus­kunfts­an­spruch nach der oben

dar­ge­stell­ten Recht­spre­chung ist je­doch, dass der Aus­kunfts­be­geh­ren­de grundsätz­lich ei­nen dem Grun­de nach be­reits fest­ste­hen­den Leis­tungs­an­spruch, dh. ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG dar­legt. Aus dem Vor­brin­gen der Kläge­rin er­ge­ben sich aber kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass sie we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des be­nach­tei­ligt wor­den ist, mit der Fol­ge, dass ihr ein Entschädi­gungs­an­spruch zustünde.

Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuld­verhält­nis, zu dem auch ein

Schuld­verhält­nis nach § 311 Abs. 2 BGB gehört, je­den Teil zur Rück­sicht auf die Rech­te, Rechtsgüter und In­ter­es­sen des an­de­ren Teils ver­pflich­ten. Die sich aus dem An­bahnungs­verhält­nis er­ge­ben­den Rück­sicht­nah­me­pflich­ten ver­pflich­ten den pri­va­ten Ar­beit­ge­ber aber nicht, dem Be­wer­ber Auskünf­te über die Ein­stel­lung oder Nicht­ein­stel­lung ei­nes Mit­be­wer­bers und über die Gründe für die­se Per­so­nal­ent­schei­dung zu er­tei­len.

Aus dem AGG kann eben­falls kein sol­cher Aus­kunfts­an­spruch her

ge­lei­tet wer­den. So fehlt es ins­be­son­de­re an ei­ner nor­mier­ten An­spruchs­grund­la­ge für ein sol­ches Be­geh­ren im Ge­setz. Der Ge­setz­ge­ber, der im AGG kei­nen Aus­kunfts­an­spruch des Stel­len­be­wer­bers nor­miert hat, hat mit § 22 AGG ei­ne kon­kre­te und nach na­tio­na­lem Recht ab­sch­ließen­de Dar­le­gungs- und Be­weis­last­re­ge­lung vor­ge­nom­men. Ein ma­te­ri­ell-recht­li­cher Aus­kunfts­an­spruch, der be­reits dann gewährt wird, wenn der Ar­beit­neh­mer kei­ne Ver­mu­tungs­tat­sa­chen für ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes im § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des vor-


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bringt, würde die­se Vor­schrift im Er­geb­nis un­be­ach­tet las­sen. Ei­ner Kor­rek­tur die­ser ge­setz­lich ge­re­gel­ten Ver­tei­lung der Dar­le­gungs­last be­darf es nicht, da ei­ne Aus­kunfts­ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers dem Grund­satz wi­derspräche, dass nach der im deut­schen Zi­vil­pro­zess­recht gel­ten­den Ver­hand­lungs­ma­xi­me kei­ne Par­tei ge­hal­ten ist, dem Geg­ner das Ma­te­ri­al für des­sen Pro­zess­sieg zu ver­schaf­fen. Da­bei ist auch von Be­deu­tung, dass die Dar­le­gungs- und Be­weis­si­tua­ti­on nicht durch die Gewährung ma­te­ri­ell-recht­li­cher Aus­kunfts­ansprüche un­zulässig verändert wer­den darf (BAG 1. De­zem­ber 2004 - 5 AZR 664/03 - BA­GE 113, 55 = AP BGB § 242 Aus­kunfts­pflicht Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 5).

Die eu­ropäischen Richt­li­ni­en se­hen eben­falls kei­nen aus­drück­li­chen

Aus­kunfts­an­spruch vor. Ob­wohl die Kom­mis­si­on in ih­rem Vor­schlag für ei­ne Richt­li­nie des Ra­tes zur Be­weis­last im Be­reich des glei­chen Ent­gelts und der Gleich­be­hand­lung von Frau­en und Männern ei­nen Aus­kunfts­an­spruch vor­ge­schla­gen hat­te, wur­de die­ser Vor­schlag nicht in den Gleich­be­hand­lungs­richt­li­ni­en und in der Richt­li­nie 97/80/EG des Ra­tes vom 15. De­zem­ber 1997 über die Be­weis­last bei Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts auf­ge­nom­men (vgl. Vor­schlag für ei­ne Richt­li­nie des Ra­tes zur Be­weis­last im Be­reich des glei­chen Ent­gelts und der Gleich­be­hand­lung von Frau­en und Männern Art. 4 ).

V. Soll­ten die Be­weis­last­re­ge­lun­gen der zi­tier­ten Richt­li­ni­en un­ter Berück

sich­ti­gung der ein­schlägi­gen Erwägun­gen al­ler­dings da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen sein, dass Be­wer­bern ein Aus­kunfts­an­spruch im oben dar­ge­stell­ten Sin­ne nach na­tio­na­lem Recht ein­geräumt wer­den muss, ob­wohl ein sol­cher in den Richt­li­ni­en trotz des ge­gen­tei­li­gen Vor­schlags der Kom­mis­si­on vom 27. Mai 1988 nicht erwähnt ist, müss­te ein sol­cher in eu­ro­pa­rechts­kon­for­mer Aus­le­gung des AGG der Kläge­rin zu­er­kannt wer­den. Ggf. könn­te dann die Nich­ter­tei­lung der Aus­kunft durch die Be­klag­te als ein In­diz für das Vor­lie­gen der be­haup­te­ten Dis­kri­mi­nie­rung der Kläge­rin be­trach­tet wer­den.


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Aus die­sem Grun­de wa­ren die im Te­nor ge­nann­ten Fra­gen bezüglich

der Aus­le­gung der ein­schlägi­gen Richt­li­ni­en an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zu rich­ten.

Hauck Böck Brein­lin­ger

R. Kog­lin Mall­mann

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