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ArbG Chem­nitz, Ur­teil vom 05.10.2007, 7 Ga 26/07

   
Schlagworte: Streik, Tarifeinheit, Verhältnismäßigkeit
   
Gericht: Arbeitsgericht Chemnitz
Aktenzeichen: 7 Ga 26/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.10.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Chem­nitz
Zwi­ckau­er Straße 54, 09112 Chem­nitz
Ak­ten­zei­chen: 7 Ga 26/07

 

Verkündet am 5. Ok­to­ber 2007

 

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren

 

hat das Ar­beits­ge­richt Chem­nitz, 7' Kam­mer, durch den Di­rek­tor des Ar­beits­ge­richts ''' als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter A ''' und B ''' auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 4' Ok­to­ber 2007

für Recht er­kannt:

1. Der Verfügungs­be­klag­ten wird es un­ter­sagt, ih­re Mit­glie­der und sons­ti­ge Ar­beit­neh­mer, die bei der DB Fern­ver­kehr AG oder der Rai­li­on Deutsch­land AG beschäftigt sind, zu Streiks auf­zu­ru­fen und/oder Streiks in den Be­trie­ben die­ser bei­den Un­ter­neh­men durch­zuführen, um den Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges mit den in An­la­ge 11 ge­nann­ten In­hal­ten durch­zu­set­zen'

2. Für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ge­gen die vor­ste­hen­de Un­ter­las­sungs­pflicht wird der Verfügungs­be­klag­ten ein Ord­nungs­geld bis zur Höhe von EUR 250'000,00 (in Wor­ten: zwei­hun­dertfünf­zig­tau­send Eu­ro), er­satz­wei­se Ord­nungs­haft bis zu 6 Mo­na­ten, zu voll­zie­hen an ih­rem Bun­des­vor­sit­zen­den, an­ge­droht.

3. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

4. Die Verfügungs­be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits zu 1/4, die Verfügungskläger zu 3/4 als Ge­samt­schuld­ner.

5. Der Streit­wert wird auf 1'000'000,00 € fest­ge­setzt.

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Tat­be­stand:

Die Verfügungskläge­rin­nen zu 1. und zu 2. so­wie der Verfügungskläger zu 3. (künf­tig: Verfügungskläger) be­geh­ren im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung die ge­richt­li­che Un­ter­sa­gung ge­genüber der Verfügungs­be­klag­ten, ih­re Mit­glie­der und sons­ti­gen Ar­beit­neh­mer der Verfügungskläger zu Streiks auf­zu­ru­fen oder Streiks in den Be­trie­ben der Verfügungskläger durch­zuführen, um so den Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges zur Re­ge­lung der Ar­beits­zeit so­wie des Ar­beits­ent­gel­tes für das Fahr­per­so­nal durch­zu­set­zen. Der von dem Verfügungskläger zu 3. ge­stell­te An­trag rich­tet sich ge­gen Streik­auf­ru­fe und Streiks in den Be­trie­ben sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men im Per­so­nen- und Güter­ver­kehr, auf die sich der von der Verfügungs­be­klag­ten durch­zu­set­zen­de Ta­rif­ver­trag be­zie­hen soll und bei de­nen Fahr­per­so­nal beschäftigt wird.

Die Vergütungs­kläge­rin zu 1. ist ein Un­ter­neh­men des DB-Kon­zerns und dort im Un­ter­neh­mens­be­reich Nah­ver­kehr tätig. Mit den bei ihr wie bei ih­ren Re­gio­nen RNEGB Chem­nitz, RM­VE­GB und RMOWB Mel­lenb. Gl. RMV OWB — Wahl­be­trieb Erz­ge­bir­ge Ober­weißen­ba­cher Berg- und Schwarz­tal­bahn in Chem­nitz Beschäftig­ten er­bringt sie Trans­port­dienst­leis­tun­gen im Zuständig­keits­be­reich des an­ge­ru­fe­nen Ar­beits­ge­richts.

Die Verfügungskläge­rin zu 2. ist im Un­ter­neh­mens­be­reich Nah­ver­kehr bun­des­weit tätig. In der Mel­de­stel­le Chem­nitz beschäftigt sie auch Fahr­per­so­nal, na­ment­lich 54 Lokführer und 34 Zug­be­glei­ter. Der Stand­ort Chem­nitz ist ein re­gio­na­ler Kno­ten­punkt, u. a. mit Stre­cken nach Dres­den, Leip­zig, Zwi­ckau und Hof (Sach­sen-Fran­ken-Ma­gis­tra­le).

Die Verfügungskläge­rin­nen zu 1. und zu 2. gehören dem Ar­beit­ge­ber­ver­band der Mo­bi­litäts- und Ver­kehrs­dienst­leis­ter e.V. (Agv Mo Ve) an. Der Ar­beit­ge­ber­ver­band wur­de von der Deut­schen Bahn AG und wei­te­ren sie­ben Ge­sell­schaf­ten am 04.06.2007 ge­gründet. Ihm gehören der­zeit weit über 60 Ge­sell­schaf­ten des DB-Kon­zerns an. Hier­zu gehören u. a. auch die DB Fern­ver­kehr AG, die Rai­li­on Deutsch­land AG, die DB Re­gio NRW GmbH, die S-Bahn Ham­burg GmbH, die S-Bahn Ber­lin GmbH so­wie die DB Zug­Bus Re­gio­nal­ver­kehr Alb-Bo­den­see GmbH. Auf die vor­ge­nann­ten Un­ter­neh­men des DB-Kon­zerns soll sich der Gel­tungs­be­reich des von der Verfügungs­be­klag­ten an­ge­streb­ten Ta­rif­ver­trags für das Fahr­per­so­nal (FPTV) er­stre­cken.

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Die Verfügungs­be­klag­te ist ne­ben der TRANS­NET und der GDBA ei­ne von ins­ge­samt drei Bahn­ge­werk­schaf­ten im Ta­rif­be­reich der Un­ter­neh­men des DB-Kon­zerns. Ne­ben der TRANS­NET und der DGBA schließt auch die Verfügungs­be­klag­te Ta­rif­verträge im Ta­rif­be­reich der Verfügungskläger ab.

In der Ver­gan­gen­heit wur­den in­ner­halb des DB-Kon­zerns durch­weg je­weils in­halts­glei­che Ta­rif­verträge zwi­schen der Ar­beit­ge­ber­sei­te ei­ner­seits und den Ge­werk­schaf­ten TRANS­NET/GDBA und der GDL an­de­rer­seits ab­ge­schlos­sen. Die­se wur­den bis­lang ein­heit­lich auf al­le 134.000 Beschäftig­ten (in­klu­si­ve Be­am­te) in­ner­halb ih­res Gel­tungs­be­rei­ches an­ge­wandt. Die Verfügungs­be­klag­te be­en­de­te im Som­mer 2002 die Ta­rif­ge­mein­schaft mit der GDBA und ver­such­te erst­mals in der Ta­rif­run­de 2003 in Ab­wei­chung von der bis­he­ri­gen Ta­rif­sys­te­ma­tik, den Ab­schluss ei­nes ei­ge­nen Spar­ten­ta­rif­ver­tra­ges für das Per­so­nal zu er­rei­chen. Zum Ab­schluss ei­nes sol­chen Ta­rif­ver­tra­ges kam es sei­ner­zeit nicht.

Die Verfügungs­be­klag­te ver­folg­te ihr Ta­rif­ziel zunächst nicht wei­ter und schloss mit dem 51. Ände­rungs­ta­rif­ver­trag vom 10.03.2005 in der Ent­gelt­run­de 2005 wie­der­um in­halt­lich glei­che ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen wie die TRANS­NET und GDBA mit dem Agv Mo Ve ab. Darüber hin­aus wur­den ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen zur Beschäfti­gungs­si­che­rung (BeSiTV), die nach Aus­lau­fen des vor­an­ge­gan­ge­nen Beschäfti­gungsbünd­nis­ses ei­nen weit­ge­hen­den Ver­zicht auf be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen bis zum 31.12.2010 für min­des­tens fünf Jah­re beschäftig­te Ar­beit­neh­mer vor­sa­hen, Re­ge­lun­gen zur Be­tei­li­gung der Ar­beit­neh­mer am Un­ter­neh­mens­er­folg (Ab­schluss­ver­ein­ba­rung vom 28.02.2005, Ma­BetTV) so­wie Re­ge­lun­gen zur Kürzung des Jah­res­ur­lau­bes oh­ne Ent­gelt­aus­gleich um ei­nen Tag (Ab­schluss­ver­ein­ba­rung vom 28.02.2005, AZTV-S) ver­ein­bart. Ziel die­ser Maßnah­men war es, ei­ne Re­du­zie­rung der Ar­beits­kos­ten um ins­ge­samt 5,5 % zu er­rei­chen.

Im DB-Kon­zern um­fasst der Per­so­nal­be­stand des Fahr­per­so­nals ins­ge­samt 32.000 Mit­ar­bei­ter. Die geschätz­ten An­ga­ben zum Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad im Be­reich des Fahr­per­so­nals so­wie die An­ga­ben zur Mit­glied­schaft bei den Ge­werk­schaf­ten TRANS­NET/GDBA so­wie der Verfügungs­be­klag­ten sind zwi­schen den Par­tei­en im Ein­zel­nen strei­tig.

Am 19.03.2007 überg­ab die Verfügungs­be­klag­te dem Agv Mo Ve den Ent­wurf ei­nes FPTV und ei­nes Einführungs- und Si­che­rungs­ta­rif­ver­tra­ges für den FPTV (Einführungs-TV zum FPTV) und for­der­te ihn auf, in Ta­rif­ver­hand­lun­gen über die­sen Ent­wurf ein­zu­tre­ten. Mit Schrei­ben vom 19.03.2007 kündig­te die Verfügungs­be­klag­te ver­schie­de­ne Ta­rif­verträge zum 30.06.2007. Auf Blatt 84 bis 87 d. A. wird Be­zug ge­nom­men. Nicht gekündigt wur­den der Beschäfti­gungs­si­che­rungs­ver­trag (BeSiTV), der Ta­rif­ver­trag über die Er­folgs­be­tei­li­gung für die Ar­beit­neh­mer (Ma­BeTV) so­wie der Ta­rif­ver­trag zur Si­che­rung und An­pas­sung von Ent­gelt­dif­fe­ren­zen (Kon­zernZÜTV).

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Seit Fe­bru­ar 2007 führ­te die TG TRANS­NET/GDBA mit dem Agv Mo Ve Ta­rif­ver­hand­lun­gen über die Ent­gelt­run­de 2007, an de­nen die Verfügungs­be­klag­te trotz mehr­fa­cher Auf­for­de­rung sei­tens des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des nicht teil­nahm. Am 09.07.2007 wur­de ein neu­er Ta­rif­ver­trag zwi­schen dem Agv Mo Ve und der TG TRANS­NET/GDBA ver­ein­bart, der auch mit Wir­kung für al­le Ar­beit­neh­mer (ein­sch­ließlich des Fahr­per­so­nals) der Verfügungskläger ge­schlos­sen wur­de. Die Lauf­zeit be­ginnt am 01.07.2007 und en­det am 31.01.2009. Er sieht ei­ne Erhöhung des Mo­nat­s­ta­bel­len­ent­gel­tes um 4,5 % zum Ja­nu­ar 2008 so­wie ei­ne Erhöhung der Er­geb­nis­be­tei­li­gung 2007 um 600,00 € vor. In § 9 ver­ein­bar­ten die Ta­rif­ver­trags­sch­ließen­den un­ter der Über­schrift „Kon­kur­renz­klau­sel“ ei­ne Re­vi­si­ons­klau­sel, hin­sicht­lich de­ren ge­nau­en Wort­lau­tes, der von den Par­tei­en un­ter­schied­lich aus­ge­legt und des­sen Rechts­wir­kun­gen un­ter­schied­lich be­ur­teilt wer­den, auf Bl. 417 d.A. Be­zug ge­nom­men wird.

Zur Durch­set­zung des FPTV rief die Verfügungs­be­klag­te erst­mals am 02.07.2007 zu flächen­de­cken­den Streiks im Per­so­nen- und Güter­ver­kehr auf, die am 03.07.2007 von 05:00 Uhr bis 09:00 Uhr durch­geführt wur­den. Die für den 10.07.2007 an­gekündig­ten flächen­de­cken­den Streiks wur­den durch die Ar­beits­ge­rich­te Düssel­dorf und Mainz mit der Be­gründung un­ter­sagt, dass der Auf­ruf und die Durchführung von Streiks be­fris­tet bis zum 13.07.2007 zur Durch­set­zung des Ent­wurfs FPTV ge­gen die Frie­dens­pflicht aus un­gekündig­ten Ta­rif­verträgen ver­s­toßen würde. Mit Schrei­ben vom glei­chen Ta­ge erklärte der Bun­des­vor­sit­zen­de der Verfügungs­be­klag­ten dem Agv Mo Ve ge­genüber, dass das bis­he­ri­ge For­de­rungs­pa­ket nicht auf­recht­er­hal­ten wer­de und sämt­li­che frie­dens­pflicht­re­le­van­ten The­men und Be­rei­che aus dem For­de­rungs­pa­ket die­ser Ta­rif­run­de her­aus­ge­hal­ten würden. Es wer­de nun­mehr der Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges zur Re­ge­lung von Ent­gelt und Ar­beits­zeit für das Per­so­nal ge­for­dert. Bezüglich Ent­gelt und Ar­beits­zeit würden die bis­he­ri­gen For­de­run­gen auf­recht­er­hal­ten. Im Rah­men der Ver­hand­lun­gen vom 19.07.2007 und den Gesprächen vom 17. und 18.07.2007 wur­den die Ta­rif­for­de­run­gen durch die Verfügungs­be­klag­te präzi­siert und hin­sicht­lich der Ent­gelt­for­de­rung auf nun­mehr min­des­tens 31 % erhöht. Die Verfügungs­be­klag­te überg­ab der Ar­beit­ge­ber­sei­te am 19.07.2007 ein Schrei­ben, in dem das „For­de­rungs­pa­ket der GDL zur Ta­rif­run­de 2007“ dar­ge­stellt ist. Hin­sicht­lich der fünf for­mu­lier­ten For­de­run­gen wird auf die An­la­ge Ast 11 ( Bl. 342 d.A.) Be­zug ge­nom­men. 

Nach­dem die Ver­hand­lun­gen am 19.07.2007 schei­ter­ten, rief die Verfügungs­be­klag­te auf der Grund­la­ge be­reits vor­lie­gen­der Be­schlüsse des Haupt­vor­stan­des und der Ta­rif­kom­mis­si­on zu ei­ner Ur­ab­stim­mung über ei­nen bun­des­wei­ten un­be­fris­te­ten Streik mit Schrei­ben vom 24.07.2007 auf. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten des Auf­rufs wird auf Bl. 173 d.A. Be­zug ge­nom­men.

Das Er­geb­nis der Ur­ab­stim­mung wur­de am 06.08.2007 durch die Verfügungs­be­klag­te be­kannt ge­macht. Die Verfügungs­be­klag­te rief dar­auf­hin zu ei­nem bun­des­wei­ten Streik der Lokführer am 09.08.2007 im Güter­ver­kehr auf und schloss sich hier­aus er­ge­ben­de Aus­wir­kun­gen im Per­so­nen­ver­kehr nicht aus. Durch Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Chem­nitz vom

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06.08.2007 (7 Ga 15/07) wur­de auf An­trag der DB Re­gio Netz GmbH so­wie auf An­trag der Rai­li­on Deutsch­land AG und der DB Fern­ver­kehr AG durch das Ar­beits­ge­richt Nürn­berg am 08.08.2007 (13 Ga 65/07) so­wie er­neut durch das Ar­beits­ge­richt Chem­nitz mit Be­schluss vom 08.08.2007 (7 Ga 16/07) auf An­trag der Verfügungskläge­rin zu 2. und des Verfügungsklägers zu 3. des vor­lie­gen­den Rechts­streits Streik­maßnah­men un­ter­sagt.

In der Wi­der­spruchs­ver­hand­lung vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg (13 Ga 65/07) schlos­sen die Par­tei­en, nach­dem der Verfügungskläger zu 3. des vor­lie­gen­den Rechts­streits und wei­te­re DB-Un­ter­neh­men dem dor­ti­gen Ver­fah­ren bei­ge­tre­ten wa­ren, am 10.08.2007 ei­nen Ver­gleich, hin­sicht­lich des­sen ge­nau­en Wort­lau­tes auf Bl. 329 d.A. Be­zug ge­nom­men wird. Un­mit­tel­bar vor der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 10.08.2007 hat­ten sich der Verfügungskläger zu 3. so­wie die Verfügungs­be­klag­te und die TG TRANS­NET/GDBA dar­auf verständigt, un­ter der Mo­de­ra­ti­on von Herrn Prof. Kurt Bie­den­kopf und Dr. Hei­ner Geißler ge­mein­sam zu ver­su­chen, ei­ne Lösung des Ta­rif­kon­flik­tes her­bei­zuführen. Im Hin­blick auf das hier­mit ver­ein­bar­te Mo­de­ra­ti­ons­ver­fah­ren ver­pflich­te­te sich die Verfügungs­be­klag­te in dem Ver­gleich vom 10.08.2007, während des Ver­fah­rens, min­des­tens bis ein­sch­ließlich 27.08.2007, kei­ne Streik­maßnah­men beim Fahr­per­so­nal durch­zuführen bzw. hier­zu auf­zu­ru­fen. Das Mo­de­ra­ti­ons­er­geb­nis vom 27.08.2007 wur­de wie folgt for­mu­liert: 

„(1.) Der Ar­beit­ge­ber ist be­reit, Ta­rif­ver­hand­lun­gen zu führen,

ei­ner­seits mit der GDL, mit dem Ziel, bis 30. Sep­tem­ber 2007 ei­nen ei­genständi­gen Ta­rif­ver­trag ab­zu­sch­ließen, der Ent­gelt- und Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen für Lo­ko­mo­tivführer um­fasst,

an­de­rer­seits mit der TG, um die Ent­gelt­struk­tur im Übri­gen neu zu re­geln.

(2.) Die Ta­rif­ver­hand­lun­gen wer­den par­al­lel, je­doch in en­ger Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen TG und GDL geführt, mit dem Ziel, ein kon­flikt- und wi­der­spruchs­frei­es Er­geb­nis zu er­hal­ten.

(3.) Über die spe­zi­fi­schen Ent­gelt- und Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen hin­aus wer­den die sons­ti­gen Ta­rif­be­din­gun­gen von GDL und TG in­halts- und wort­gleich zu­sam­men­ge­fasst.

(4.) Während der Ver­hand­lun­gen be­steht Frie­dens­pflicht.“

Am 29.08.2007 leg­te die Verfügungs­be­klag­te als Ver­hand­lungs­grund­la­ge ei­nen Ent­wurf ei­nes Fahr­per­so­nal­ta­rif­ver­tra­ges vor, des­sen In­hal­te im We­sent­li­chen dem ursprüng­li­chen Ent­wurf vom 19.03.2007 ge­for­der­ten FPTV ent­sprach. Der persönli­che Gel­tungs­be­reich war nun­mehr auf die Lokführer be­schränkt.

In ei­nem Rund­schrei­ben vom 10.09.2007 mach­te die Verfügungs­be­klag­te deut­lich, dass ein ei­genständi­ger Ta­rif­ver­trag für die Lokführer le­dig­lich ein Zwi­schen­ziel sei und der Ta­rif­ver-

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trag für das ge­sam­te Fahr­per­so­nal wei­ter­hin an­ge­strebt wer­de. Auf Bl. 332 bis 335 d.A. wird Be­zug ge­nom­men. Mit ei­ner Pres­se­mit­tei­lung der Ge­werk­schaft TRANS­NET vom 20.09.2007 (Bl. 336 d.A.) gab sie be­kannt, dass sie die Zu­sam­men­ar­beit mit der Verfügungs­be­klag­ten be­en­det ha­be.

Mit Schrei­ben vom 25.09.2007 un­ter­brei­te­te die Ar­beit­ge­ber­sei­te der Verfügungs­be­klag­ten ein An­ge­bot zur Über­nah­me der Kon­di­tio­nen des am 09.07.07 ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­tra­ges, zur Führung von Gesprächen zur Ent­gelt­grup­pen­struk­tur für die Lokführer so­wie par­al­lel da­zu für die an­de­ren Be­rufs­grup­pen. Darüber hin­aus wur­den Ver­hand­lun­gen über höhe­re Ver­dienstmöglich­kei­ten für Lokführer – zwi­schen 2,5 % und 5 % - bei gleich­zei­ti­ger Ände­rung der Rah­men­be­din­gun­gen des AZTV-S (Bl. 337, 338 d.A.) an­ge­bo­ten. Die­ses An­ge­bot wur­de durch die Verfügungs­be­klag­te mit Schrei­ben vom 26.09.2007 (Bl. 339 d.A.) ab­ge­lehnt und zu­gleich die Durchführung er­neu­ter Streiks an­gekündigt.

Im An­schluss an die Sit­zung der Ta­rif­kom­mis­si­on erklärte die Verfügungs­be­klag­te am 01.10.2007 das Mo­de­ra­ti­ons­ver­fah­ren für ge­schei­tert und kündig­te bun­des­wei­te Streik­maßnah­men im Per­so­nen- und Güter­ver­kehr für den 05.10.2007 an. In ih­rer hier­zu ver­brei­te­ten Pres­se­mit­tei­lung (Bl. 341 d.A.) for­mu­liert sie ih­re Zie­le wie folgt: 

„Die GDL hat im Mo­de­ra­to­ren­ver­fah­ren Kom­pro­miss­be­reit­schaft ge­zeigt, in dem sie von ih­rer ursprüng­li­chen For­de­rung nach ei­nem ei­genständi­gen Ta­rif­ver­trag für das ge­sam­te Fahr­per­so­nal ab­gerückt ist. Da das Mo­de­ra­to­ren­ver­fah­ren auf­grund der stu­ren Hal­tung des DB-Vor­stan­des je­doch ge­schei­tert ist, kehrt die GDL nun­mehr nun­mehr zu ih­ren ursprüng­li­chen Ta­rif­for­de­run­gen zurück.“

Mit dem am 02.10.2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­an­trag­ten die Verfügungskläger den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zur Un­ter­las­sung von Streiks. Sie ver­tre­ten die An­sicht, dass die Durchführung ei­nes Streiks zur Er­rei­chung ei­nes aus­sch­ließlich für das Fahr­per­so­nal gel­ten­den Ta­rif­ver­tra­ges un­verhält­nismäßig und rechts­wid­rig sei. Nach dem Grund­satz der Ta­rif­ein­heit könn­te ein sol­cher Ta­rif­ver­trag, wenn er im Streik­we­ge durch­ge­setzt wer­den würde, nicht zur Gel­tung kom­men, da er auf­grund des Grund­sat­zes der Ta­rif­ein­heit durch den be­reits mit den Ge­werk­schaf­ten TRANS­NET/GDBA und dem Agv Mo Ve ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag ver­drängt würde. Sie be­haup­ten, dass in je­dem Be­trieb min­des­tens ein TRANS­NET-Mit­glied beschäftigt sei und ver­tre­ten die An­sicht, dass die Fra­ge ei­ner be­ste­hen­den Ta­rifp­lu­ra­lität nicht nur auf An­gehöri­ge des Fahr­per­so­nals zu be­zie­hen sei.

Die Kon­kur­renz­klau­sel in dem mit der TG ver­ein­bar­ten Ta­rif­ver­trag vom 09.07.2007 stel­le die Aus­for­mu­lie­rung ei­ner auf­schie­ben­den Be­din­gung be­zo­gen auf das ein­zel­ne Ar­beits­verhält­nis dar. Im Übri­gen sei der Ta­rif­ver­trag als gan­zer in Kraft ge­tre­ten und gel­te für ca. 120.000 Ar­beit­neh­mer. Mit der Verfügungs­be­klag­ten soll­te gemäß der Mo­de­ra­to­ren­ver­ein­ba­rung nur

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dann ein ei­genständi­ger Ta­rif­ver­trag ge­schlos­sen wer­den, wenn die Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen den Ge­werk­schaf­ten TG und GDL ge­lun­gen und ein kon­flikt- und wi­der­spruchs­frei­es Er­geb­nis er­zielt wor­den wäre. Ein Streik zur Durch­set­zung ei­nes Spar­ten­ta­rif­ver­tra­ges ver­let­ze darüber hin­aus das Prin­zip der Ar­beits­kampf­pa­rität, da die Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit der je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mer auf Verfügungskläger­sei­te nicht be­kannt sei und da­her mit ei­ge­nen Kampf­maßnah­men in rechtmäßiger Wei­se auf den Streik nicht re­agiert wer­den könne. Die Rechts­wid­rig­keit des Streiks er­ge­be sich darüber hin­aus aus dem Ge­sichts­punkt der Frie­dens­pflicht­ver­let­zung. Es be­ste­he ein in­ne­rer Zu­sam­men­hang zwi­schen den ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen zur Beschäfti­gungs­si­che­rung (BeSiTV), Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gung (Ma­BetTV) so­wie dem Kon­zernZÜTV mit dem an­ge­streb­ten Ta­rif­ver­trag, so dass die sich hier­aus er­ge­ben­de re­la­ti­ve Frie­dens­pflicht der Rechtmäßig­keit des Streiks ent­ge­gen­ste­he.

Die Verfügungs­be­klag­te ver­let­ze darüber hin­aus ih­re ob­li­ga­to­ri­sche Ver­pflich­tung zu Ver­hand­lun­gen über ein ein­heit­li­ches Ta­rif­werk. Sch­ließlich sei­en die Ar­beits­kampf­for­de­run­gen in ei­ni­gen Punk­ten zu we­nig kon­kret, um als Ar­beits­kampf­for­de­rung ei­nen Streik recht­fer­ti­gen zu können.

Dem Verfügungskläger zu 3. ste­he auch als Ar­beit­ge­ber­ver­band ein An­spruch auf Un­ter­las­sung rechts­wid­ri­ger Ar­beits­kampf­maßnah­men gemäß § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG zu. Der Verfügungs­grund sei ge­ge­ben, da die Verfügungs­be­klag­te be­wusst be­son­ders große Störun­gen im ge­sam­ten Zug­ver­kehr der Verfügungskläger und de­ren Mit­glieds­un­ter­neh­men ver­ur­sa­chen wol­le. Im Hin­blick auf den ge­setz­li­chen Fei­er­tag am 03.10. so­wie das En­de der Herbst­fe­ri­en im bevölke­rungs­reichs­ten Bun­des­land NRW und den be­gin­nen­den Herbst­fe­ri­en in vier wei­te­ren Bun­desländern, sei mit ei­nem An­stieg des Rei­se­ver­kehrs und da­her mit Störun­gen von be­son­de­rem Um­fang zu rech­nen.

Die Verfügungskläge­rin­nen/der Verfügungskläger be­an­tra­gen:

1. a) Der Verfügungs­be­klag­ten wird es un­ter­sagt, ih­re Mit­glie­der und sons­ti­ge Ar­beit­neh­mer, die bei der Verfügungskläge­rin zu 1., der Verfügungskläge­rin zu 2., der DB Ver­kehrs AG, der Rai­li­on Deutsch­land AG, der DB Re­gio NRW GmbH, der S-Bahn Ham­burg GmbH, der S-Bahn Ber­lin GmbH oder der DB Zug­Bus Re­gio­nal­ver­kehr Alb-Bo­den­see GmbH beschäftigt sind, zu Streiks auf­zu­ru­fen und/oder Streiks in den Be­trie­ben der vor­ge­nann­ten Mit­glieds­un­ter­neh­men des Verfügungsklägers zu 3. durch­zuführen, um den Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges mit den in An­la­ge Ast 11 ge­nann­ten In­hal­ten durch­zu­set­zen.

b) Hilfs­wei­se:

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Der Verfügungs­be­klag­ten wird es für die Dau­er der Lauf­zeit des BeSiTV, des Ma­BetTV und des Kon­zernZÜTV un­ter­sagt, ih­re Mit­glie­der und sons­ti­ge Ar­beit­neh­mer, die bei der Verfügungskläge­rin zu 1., der Verfügungskläge­rin zu 2., der DB Ver­kehr AG, der Rai­li­on Deutsch­land AG, der DB Re­gio NRW GmbH, der S-Bahn Ham­burg GmbH, der S-Bahn Ber­lin GmbH oder der DB Zug­Bus Re­gio­nal­ver­kehr Alb-Bo­den­see GmbH beschäftigt sind, zu Streiks auf­zu­ru­fen und/oder Streiks in den Be­trie­ben der vor­ge­nann­ten Mit­glieds­un­ter­neh­men des Verfügungsklägers zu 3. durch­zuführen, um den Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges mit den in An­la­ge Ast 11 ge­nann­ten In­hal­ten durch­zu­set­zen.

2. Der Verfügungs­be­klag­ten wird für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ge­gen die vor­ste­hen­de Un­ter­las­sungs­pflicht ein Ord­nungs­geld bis zur Höhe von € 250,000,00 (i.W. zwei­hun­dertfünf­zig­tau­send Eu­ro), er­satz­wei­se Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten, zu voll­zie­hen an ih­rem Bun­des­vor­sit­zen­den, an­ge­droht.

Die Verfügungs­be­klag­te be­an­tragt:

1. die Anträge der An­trag­stel­le­rin­nen an das ört­lich zuständi­ge Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main zu ver­wei­sen bzw. das Ver­fah­ren, so­weit es den Ar­beit­ge­ber­ver­band, den Verfügungskläger zu 3. an­geht, an das Ar­beits­ge­richt Ber­lin zu ver­wei­sen.

2. den An­trag als un­zulässig, weil als un­be­stimmt, zurück­zu­wei­sen.

3. den An­trag als Glo­balan­trag als un­be­gründet zurück­zu­wei­sen.

4. den An­trag ins­ge­samt als un­be­gründet ab­zu­wei­sen.

5. den An­trag des Verfügungsklägers zu 3. als un­zulässig we­gen feh­len­der Pro­zessführungs­be­fug­nis zurück­zu­wei­sen.

6. des Wei­te­ren, die Anträge da­hin­ge­hend zurück­zu­wei­sen, dass ein Streik der Verfügungs­be­klag­ten am 05.10.2007 in der Zeit von 08:00 bis 11:00 Uhr rechtmäßig ist.

Des Wei­te­ren hilfs­wei­se,

dass ein Streik am 05.10.2007 in der Zeit zwi­schen 08:00 und 10:30 Uhr statt­fin­den kann.

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Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass der Streik der Verfügungs­be­klag­ten in der Zeit von 08:00 bis 10:00 Uhr am 05.10.2007 statt­fin­den kann.

Hilfs­wei­se,

dass der Streik der Verfügungs­be­klag­ten am 05.10.2007 von 08:00 bis 09:45 Uhr statt­fin­den kann.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass der Streik der Verfügungs­be­klag­ten am 05.10.2007 in der Zeit von 08:00 bis 09:15 Uhr statt­fin­den kann.

Hilfs­wei­se,

dass der Streik der Verfügungs­be­klag­ten am 05.10.2007 in der Zeit von 08:00 bis 09:00 Uhr statt­fin­den kann.

Hilfs­wei­se,

dass der Streik der Verfügungs­be­klag­ten am 05.10.2007 in der Zeit von 09:30 bis 10:30 Uhr statt­fin­den kann.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se mit der Maßga­be,

dass der Streik der Verfügungs­be­klag­ten am 05.10.2007 in der Zeit von 10:00 bis 11:00 Uhr statt­fin­den kann.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se mit der Maßga­be,

dass der Streik am 05.10.2007 in der Zeit von 10:30 bis 11:00 Uhr statt­fin­den kann.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se mit der Maßga­be,

dass der Streik am 05.10.2007 sich nur auf die DB Fern­ver­kehr AG, die Rai­li­on Deutsch­land AG und die An­trag­stel­le­rin­nen zu 1. und zu Ziff. 2. be­zieht.

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Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass der Streik am 05.10.2007 sich nur auf die S-Bahn Ham­burg GmbH, die S-Bahn Ber­lin GmbH und die DB Re­gio NRW GmbH be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass der Streik der Verfügungs­be­klag­ten vom 05.10.2007 sich nur auf die DB Fern­ver­kehr AG be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik der Verfügungs­be­klag­ten am 05.10.2007 nur auf die Rai­li­on Deutsch­land AG be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik vom 05.10.2007 nur auf die DB Re­gio NRW GmbH be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik vom 05.10.2007 der Verfügungs­be­klag­ten nur auf die S-Bahn Ham­burg GmbH be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik vom 05.10.2007 der Verfügungs­be­klag­ten nur auf die S-Bahn Ber­lin GmbH be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik am 05.10.2007 der Verfügungs­be­klag­ten nur auf die An­trag­stel­le­rin­nen zu 1. und 2. so­wie auf die DB Zug­Bus Re­gio­nal­ver­kehr ALP-Bo­den­see GmbH be­zieht.

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Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik nur auf die An­trag­stel­le­rin zu 1. und auf die DB Zug­Bus Re­gio­nal­ver­kehr Alb-Bo­den­see GmbH be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se fest­zu­stel­len,

dass sich der Streik vom 05.10.2007 der Verfügungs­be­klag­ten auf die An­trag­stel­le­rin zu 2. und die S-Bahn Ham­burg GmbH be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik nur auf die Rai­li­on Deutsch­land AG und die DB Zug­Bus Re­gio­nal­ver­kehr Alb-Bo­den­see GmbH be­zieht.

Wei­ter­hin hilfs­wei­se,

dass sich der Streik nur auf die An­trag­stel­le­rin zu 1. und zu 2. und die S-Bahn Ber­lin GmbH be­zieht.

Die Verfügungs­be­klag­te ver­tritt die An­sicht, dass ein Verfügungs­an­spruch nicht ge­ge­ben sei, da die Teil­nah­me von nicht Or­ga­ni­sier­ten oder der Verfügungs­be­klag­ten an­gehören­den Mit­glie­dern an Ar­beits­kampf­maßnah­men, zu de­nen die Verfügungs­be­klag­te auf­ru­fen soll­te, in je­der Hin­sicht rechtmäßig wäre. Die Vor­aus­set­zun­gen der be­an­trag­ten Un­ter­las­sung und da­mit der Leis­tungs­verfügung sei­en nicht erfüllt, da die­se nur in be­son­de­ren Aus­nah­mefällen zulässig sei. Auf­grund ei­ner mi­ni­ma­len Kon­zep­ti­on und ei­nes be­grenz­ten Um­fangs und Aus­maßes sei­en die Kampf­maßnah­men von vorn­her­ein nicht ge­eig­net, zu ei­ner un­erträgli­chen Rechts­be­ein­träch­ti­gung auf der Kläger­sei­te zu führen. Sie würden ei­nen tie­fen Ein­griff in das grund­ge­setz­lich ge­si­cher­te Streik­recht des Art. 9 Abs. 3 GG je­den­falls nicht recht­fer­ti­gen. Dies gel­te ins­be­son­de­re un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­son­der­hei­ten des Ar­beits­kampf­rech­tes, die ei­ne Un­ter­sa­gung nur dann zu­ließen, wenn der Streik ein­deu­tig und of­fen­sicht­lich rechts­wid­rig sei und die­se Vor­aus­set­zun­gen glaub­haft ge­macht wor­den sei­en.
Ein Ver­s­toß ge­gen die ta­rif­ver­trag­li­che Frie­dens­pflicht sei nicht ge­ge­ben, da die in dem Ver­gleich vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg für die Dau­er des Mo­de­ra­ti­ons­ver­fah­rens ver­ein­bar­te ver­trag­li­che, ge­willkürte Frie­dens­pflicht mit dem Frist­ab­lauf ge­gen­stands­los ge­wor­den sei. Ei­ne sich aus der Gel­tung von Ta­rif­verträgen für die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en er­ge­ben­de im­ma­nen­te Frie­dens­pflicht sei seit dem 30.06.2007 nicht mehr ge­ge­ben, denn die Verfügungs­be­klag­te ha­be die für die von ihr ge­nann­ten Ta­rif­for­de­run­gen maßgeb­li­chen Ta­rif­verträge wirk­sam zum 30.06.2007 gekündigt. Die er­ho­be­nen Ta­rif­for­de­run­gen berühr­ten die un­gekündig­ten Ta­rif­verträge nicht. Die gel­tend ge­mach­te „Ver­zah­nung“ mit den un­gekündig­ten Ta­rif­verträgen, ins­be­son­de­re dem BeSiTV, be­ste­he nicht. Dies er­ge­be sich be­reits aus dem Ta­rif­ver­trags­schluss vom 09.07.2007 zwi­schen der Agv Mo Ve mit der TG TRANS­NET/GDBA, der ei­ne Erhöhung des Mo­nat­s­ta­bel­len­ent­gel­tes um 4,5 % vorsähe.
Ei­ne Un­verhält­nismäßig­keit er­ge­be sich auch nicht un­ter Berück­sich­ti­gung des Grund­sat­zes

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der Ta­rif­ein­heit. Der von der Verfügungs­be­klag­ten an­ge­streb­te Ta­rif­ver­trag wäre auch bei Be­ach­tung der vom BAG ver­tre­te­nen Leh­re von der Ta­rif­ein­heit der für das Fahr­per­so­nal spe­zi­el­le­re Ta­rif­ver­trag, so dass die dann ein­tre­ten­de Si­tua­ti­on auch un­ter Be­ach­tung die­ses Grund­sat­zes zu lösen wäre. Der Ar­beits­kampf für ei­nen ei­genständi­gen Ta­rif­ver­trag sei auch nicht des­halb als rechts­wid­rig zu ka­te­go­ri­sie­ren, weil ein sol­cher Ta­rif­ver­trag „witz- und sinn­los“ sei, da er nach dem In­kraft­tre­ten so­fort durch ei­nen gel­ten­den Ta­rif­ver­trag ver­drängt wer­de. Das Prin­zip der Ta­rif­au­to­no­mie schütze den Ar­beit­ge­ber nicht vor Wett­be­werb un­ter Ar­beit­neh­mer­ko­ali­tio­nen, son­dern ga­ran­tie­re ihn ver­fas­sungs­recht­lich. Die Kläger­sei­te sei nicht be­fugt, durch den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges mit ei­ner Ge­werk­schaft sich auf im­mer und ewig den ih­nen pas­sen­den Ta­rif­part­ner aus­zu­su­chen.
Ei­ne Pa­ritätsstörung in­fol­ge ei­ner feh­len­den Aus­sper­rungs­be­fug­nis der Kläger­sei­te sei nicht ge­ge­ben. Der mit der TG ge­schlos­se­ne Ta­rif­ver­trag ände­re hier­an nichts, da die Ar­beit­neh­mer aus die­sem Ta­rif­ver­trag noch kei­ne Rech­te ab­lei­ten könn­ten. Zu­dem würde die Aus­sper­rung nicht erklärt, um die­sen Ta­rif­ver­trag ab­zuändern.
Die Kampf­pa­rität sei viel­mehr zu Las­ten der Verfügungs­be­klag­ten durch den mögli­chen Ein­satz der Be­am­ten so­wie durch ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich güns­ti­ge Struk­tur zu Guns­ten der Ar­beit­ge­ber­sei­te wie der Ge­werk­schaft TRANS­NET/GDBA ge­ge­ben.

Sch­ließlich könne ein öko­no­mi­scher Scha­den als all­ge­mei­nes Abwägungs­kri­te­ri­um zur Be­ur­tei­lung der Zulässig­keit des Streiks als ei­genständi­ge Ka­te­go­rie nicht her­an­ge­zo­gen wer­den. Der beim Geg­ner ein­tre­ten­de Scha­den sei ar­beits­kamp­fim­ma­nent und da­mit recht­lich ir­re­le­vant, da er nicht ein­mal an­satz­wei­se da­zu ge­eig­net wäre, ei­ne Exis­tenz­gefähr­dung her­bei­zuführen oder ihn gar zu ver­nich­ten. Auch ein evtl. bei Drit­ten in­fol­ge der ver­netz­ten Wirt­schafts­be­zie­hun­gen ei­ner mo­der­nen Wirt­schafts- und Ver­kehrs­ge­sell­schaft ein­tre­ten­der Scha­den sei hin­zu­neh­men, da es an­de­ren­falls zu ei­nem ver­fas­sungs­wid­ri­gen Streik­ver­bot im Ver­kehrs­be­reich kom­men würde.

Sch­ließlich hätten sich nicht nur die Mo­de­ra­to­ren, son­dern auch die Verfügungskläger in der Mo­de­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung vom 27.08.2007 da­zu be­kannt, dass der Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges im Kon­zern als Grund­prin­zip recht­lich un­be­denk­lich sei und sich hier­auf als recht­lich zulässi­ges Ver­hand­lungs­ziel verständigt. Nach dem auch hier gel­ten­den all­ge­mei­nen Rechts­grund­satz des § 242 BGB in Form des „ve­ni­re con­tra fac­tum pro­pri­um“ sei es wi­dersprüchlich und treu­wid­rig, ei­nen ei­genständi­gen Ta­rif­ver­trag nun­mehr als ma­te­ri­ell rechts­wid­rig zu be­zeich­nen.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Pro­zess­par­tei­en wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst al­len zur Ak­te ge­reich­ten An­la­gen, das un­an­gekündig­te münd­li­che Vor­brin­gen so­wie die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 04./05.10.2007 Be­zug ge­nom­men.

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Die Verfügungs­be­klag­te rügte vor­ab die ört­li­che Zuständig­keit des an­ge­ru­fe­nen Ge­richts. Im Hin­blick dar­auf war gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG vor­ab über die ört­li­che Zuständig­keit durch Be­schluss zu ent­schei­den. Die gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG durch den Vor­sit­zen­den vor­ab al­lein zu tref­fen­de Ent­schei­dung er­ging durch Be­schluss vom 04.10.2007. Auf Bl. 507 bis 512 d.A. wird Be­zug ge­nom­men.

Der Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter be­an­trag­te darüber hin­aus, den Verfügungskläger­ver­tre­ter von der Ver­hand­lung aus­zu­sch­ließen, da bei ihm ei­ne In­ter­es­sen­kol­li­si­on zu befürch­ten sei. Der Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter rügte darüber hin­aus die ord­nungs­gemäße Be­set­zung des Ge­richts un­ter Hin­weis auf die Her­an­zie­hungs­wei­se der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter von der Hilfs­lis­te und er rügte schließlich Ver­let­zung des § 169 GVG durch die Her­stel­lung von Film- und Ton­auf­nah­men von sei­ner Per­son durch ein geöff­ne­tes Saal­fens­ter.´

Ent­schei­dungs­gründe

A.

Ver­fah­rensrügen

I. Be­set­zung des Ge­richts

Die Kam­mer war in der Sit­zung vom 04./05.10.2007 ord­nungs­gemäß be­setzt.

Die Re­ge­lun­gen zur vor­schriftsmäßigen Be­set­zung des Ge­richts sind ei­ne Aus­prägung der Ga­ran­tie des ge­setz­li­chen Rich­ters des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BA­GE 101, 152). Ein Be­set­zungs­feh­ler ist nur auf Rüge ei­ner der Par­tei­en zu berück­sich­ti­gen (BAG, NJW 62, 318).
Die von dem Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­ho­be­ne Rüge ist nicht be­gründet, da die Be­set­zung der Kam­mer in der Ver­hand­lung, auf die auch das Ur­teil vom 05.10.2007 er­ging, das Er­geb­nis ei­ner ord­nungs­gemäßen An­wen­dung des nicht zu be­an­stan­den­den Geschäfts­ver­tei­lungs­pla­nes dar­stell­te, so dass kein we­sent­li­cher Ver­fah­rens­man­gel und kei­ne Ver­let­zung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ge­ge­ben ist. Durch den Präsi­di­ums­be­schluss vom 06.12.2006 wur­de für das Ar­beits­ge­richt Chem­nitz ein Geschäfts­ver­tei­lungs­plan, gültig ab dem 01.01.2007, auf­ge­stellt. In dem mit „Die Be­set­zung der Kam­mern“ über­schrie­be­nen § 2 sind un­ter Zif­fer 3. die Her­an­zie­hungs­re­ge­lun­gen für die eh­ren-

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amt­li­chen Rich­ter zu den Sit­zun­gen nach Haupt -und Hilfs­lis­ten gemäß § 31 Abs. 1, 2 ArbGG dar­ge­stellt.
Auf der Hilfs­lis­te der Ar­beit­ge­ber ist der mit­wir­ken­de eh­ren­amt­li­che Rich­ter, A ..., auf dem 6. Platz, auf der Hilfs­lis­te der Ar­beit­neh­mer der mit­wir­ken­de eh­ren­amt­li­che Rich­ter, B ..., auf Platz 12 ge­nannt. Die Her­an­zie­hung er­folg­te in bei­den Fällen auf­grund te­le­fo­ni­scher Be­nach­rich­ti­gung und er­folg­te in den späten Nach­mit­tags­stun­den des 02.10.2007 für die Sit­zung am 04.10.2007. Die Übri­gen auf den Hilfs­lis­ten für die Ar­beit­ge­ber- und Ar­beit­neh­mer­sei­te zu­vor ge­nann­ten eh­ren­amt­li­chen Rich­ter wur­den eben­falls te­le­fo­nisch be­nach­rich­tigt bzw. ein ent­spre­chen­der Ver­such un­ter­nom­men. Bei mit­ge­teil­ter dienst­li­cher oder persönli­cher Ver­hin­de­rung oder der Nicht­er­reich­bar­keit wur­de der je­weils auf der Lis­te fol­gen­de eh­ren­amt­li­che Rich­ter an­ge­ru­fen. Die von dem Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter an­ge­reg­te schrift­li­che La­dung kam nicht in Be­tracht, da auch beim Ein­satz ei­nes Bo­ten und Ein­le­gung der La­dung in den Brief­kas­ten le­dig­lich ei­ne kurz­fris­ti­ge Orts­ab­we­sen­heit des Adres­sa­ten nicht hätte aus­ge­schlos­sen wer­den können. Glei­ches gilt bei persönli­cher Un­er­reich­bar­keit. Auf­grund der Tat­sa­che, dass am 03.10.2007 ein ge­setz­li­cher Fei­er­tag so­wohl ei­nen Rück­lauf der La­dung wie auch ei­ne Rück­fra­ge mit si­che­rem Aus­sa­ge­wert zur Verfügbar­keit am 04.10.2007 nicht gewähr­leis­tet war, wäre die­se Art der La­dung prak­tisch nicht durchführ­bar ge­we­sen. Um für den be­ab­sich­tig­ten Sit­zungs­ter­min ei­ne vollständig be­setz­te Kam­mer verfügbar zu ha­ben, war ei­ne an­de­re prak­ti­ka­ble Re­ge­lung nicht ge­ge­ben. Die ver­fas­sungs­recht­li­che Gren­ze des Willkürver­bots (Zöller-Gum­mer § 21 g GVG) ist da­mit ge­wahrt.

II. Aus­schluss des Verfügungskläger­ver­tre­ters we­gen befürch­te­ter In­ter­es­sen­kol­li­si­on

Der Verfügungskläger­ver­tre­ter war auf An­trag des Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ters nicht gemäß § 11 ArbGG aus­zu­sch­ließen. Dem Ge­richt ist ei­ne Über­prüfung ver­wehrt, ob das Auf­tre­ten ei­nes An­walts stan­des­recht­lich zulässig ist oder nicht. Verstöße ge­gen stan­des­recht­li­che Prin­zi­pi­en können die Ver­tre­tungs­be­fug­nis nicht be­sei­ti­gen, sie sind ggf. durch die Stan­des­or­ga­ni­sa­tio­nen zu ahn­den. § 11 Abs. 2 ArbGG soll si­cher­stel­len, dass der Rechts­an­walt als un­abhängi­ges Or­gan der Rechts­pfle­ge in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung tätig wird. Die Ver­ant­wor­tung für Pro­zess­hand­lun­gen muss er un­abhängig von Wei­sun­gen sei­nes Man­dan­ten über­neh­men (Ger­mel­mann, ArbGG § 11 Rn 46).

III. Ver­let­zung des Öffent­lich­keits­grund­sat­zes, § 169 GVG

Gemäß § 169 Satz 2 GVG sind Ton und Fern­seh-Rund­funk­auf­nah­men so­wie Ton- und Film­auf­nah­men zum Zwe­cke der öffent­li­chen Vorführung oder Veröffent­li­chung ih­res In­halts un­zulässig. Das Ver­bot ist vom Vor­sit­zen­den im Rah­men sei­ner Be­fug­nis­se durch­zu­set­zen (§ 176 GVG, § 136 ZPO). Ei­ne heim­li­che, ver­bo­te­ne Auf­nah­me stellt ei­ne Un­gebühr i.S.v. §

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178 GVG dar, die ggf. die Ver­wei­sung des Be­richt­er­stat­ters des Saa­les recht­fer­tigt (Kis­sel, § 176 GVG Rd­NR 67). Die vom Verfügungs­be­klag­ten be­haup­te­ten Ton- und Fern­seh­auf­nah­men sol­len durch ein geöff­ne­tes Fens­ter des Sit­zungs­saa­les ge­macht wor­den sein. Der Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter selbst be­merk­te dies, der Vor­sit­zen­de je­doch nicht, da das Fens­ter nicht in sei­nem Sicht­be­reich lag und von ihm nicht geöff­net wor­den war. Um wei­te­re Auf­nah­men zu ver­hin­dern, wur­den durch ei­nen an­de­ren Rich­ter des Ge­richts im Auf­trag des Vor­sit­zen­den die Auf­nah­men in un­mit­tel­ba­rer Sicht- und Hörwei­te des Ge­richts­gebäudes un­ter­sagt und die Fens­ter ge­schlos­sen. Un­berührt hier­von bleibt das Recht am ei­ge­nen Bild und die sich hier­aus er­ge­ben­den Un­ter­sa­gungs- und Löschungs­ansprüche des Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ters gemäß §§ 22 ff. KUG. Die Ver­let­zung des Auf­zeich­nungs­ver­bo­tes stellt je­doch, an­ders als die Ver­let­zung des Öffent­lich­keits­prin­zips, kei­nen ab­so­lu­ten Re­vi­si­ons­grund dar (Kis­sel, § 169 Rd­NR 69).

B.

Der An­trag auf Er­lass der be­gehr­ten einst­wei­li­gen Verfügung ist zulässig.

Im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren vor den Ar­beits­ge­rich­ten gilt gemäß §§ 46 Abs. 2, 62 Abs. 2 ArbGG, 293 Abs. 2 Nr. 2 ZPO das Be­stimmt­heits­ge­bot. Der Kla­ge­an­trag muss da­her die kon­kre­te Ver­let­zungs­hand­lung, de­ren künf­ti­ge Be­ge­hung ver­bo­ten wer­den soll, so ge­nau be­zeich­nen, dass der An­trags­geg­ner sich erschöpfend hier­ge­gen ver­tei­di­gen kann und der An­trag rechts­kraft-und voll­stre­ckungsfähig ist (BAG, Be­schl. v. 17.08.1982 AP Nr. 5 zu § 87 Be­trVG 1972 Ord­nung des Be­trie­bes; LAG Hamm, Urt. v. 31.05.2000, AP Nr. 158 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf; LAG Rhein­land-Pfalz, Ur. v. 14.06.2007, AZ.: 11 Sa 208/07, zit. nach Ju­ris).

I.

Die Verfügungskläger be­geh­ren mit dem An­trag die Un­ter­sa­gung ge­genüber der Verfügungs­be­klag­ten, ih­re Mit­glie­der und sons­ti­ge Ar­beit­neh­mer der Verfügungskläger bzw. ih­rer Mit­glie­der zu Streiks auf­zu­ru­fen und/oder Streiks in den Be­trie­ben der Kläger­sei­te durch­zuführen, um den Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges mit den in der An­la­ge Ast 11 ge­nann­ten In­hal­ten durch­zu­set­zen. Aus dem An­trag und sei­ner Be­zug­nah­me auf die bei­gefügte An­la­ge er­gibt sich in Ver­bin­dung mit der Be­gründung des An­tra­ges das ge­naue Kla­ge­be­geh­ren. Ein sol­cher An­trag ist aus­rei­chend be­stimmt.

Auch der An­trag des Verfügungsklägers zu 3. ist zulässig. Ein Un­ter­las­sungs­an­trag ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des, der sich ge­gen den Auf­ruf von Ar­beit­neh­mern zu Streiks bei sei­nen Mit­glieds­un­ter­neh­men rich­tet, ist zulässig (BAG, Ur. v. 24.04.2007, AZ.: 1 AZR 252/06).

II.

Die Verfügungskläger können ihr Be­geh­ren auch in der gewähl­ten Ver­fah­rens­art ge­richt­lich gel­tend ma­chen. Der Er­lass der be­gehr­ten Un­ter­las­sungs­verfügung im Ar­beits­kampf ist statt­haft, die ver­fas­sungs­recht­lich in Art. 9 Abs. 3 GG ga­ran­tier­te Ar­beits­kampf­frei­heit schließt einst­wei­li­ge An­ord­nun­gen im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung nicht aus (LAG Schles­wig-Hol­stein, Urt. v. 25.11.1999, NZA–RR 2000, 143; LAG Hamm, Urt. v. 31.05.2000, a.a.O.; Wal­ker, Einst­wei­li­ger Rechts­schutz im Ar­beits­kampf, ZfA 1995, 185, 188).

III.

Die ört­li­che Zuständig­keit des Ar­beits­ge­richts Chem­nitz ist ge­ge­ben.

Mit Be­schluss vom 04.10.2007 (Bl. 507 bis 512 d.A.) wur­de gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Fra­ge der ört­li­chen Zuständig­keit vor­ab ent­schie­den. Auf den Be­schluss­in­halt wird im Übri­gen Be­zug ge­nom­men.

C.

Der Kla­ge­an­trag ist auch be­gründet, so­weit mit ihm die Un­ter­sa­gung ge­genüber der Verfügungs­be­klag­ten be­gehrt wur­de, ih­re Mit­glie­der und sons­ti­ge Ar­beit­neh­mer, die bei der DB Fern­ver­kehr AG oder der Rai­li­on Deutsch­land AG beschäftigt sind, zu Streiks auf­zu­ru­fen und/oder in den Be­trie­ben die­ser bei­den Un­ter­neh­men durch­zuführen, um den Ab­schluss ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges mit den in der An­la­ge Ast 11 ge­nann­ten In­hal­ten durch­zu­set­zen.

Die Vor­aus­set­zun­gen für den Er­lass ei­ner hier­auf ge­rich­te­ten einst­wei­li­gen Verfügung im Ar­beits­kampf sind gemäß den §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 920 ff., 935 ff. ZPO erfüllt. 

I.

Der Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung setzt die sub­stan­ti­ier­te Dar­le­gung und Glaub­haft­ma­chung der erfüll­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Verfügungs­an­spru­ches, mit­hin die Dar­le­gung der Rechts­wid­rig­keit der zu un­ter­sa­gen­den Ar­beits­kampf­maßnah­me vor­aus (Ger­mel­mann/Mat­thes/Prütting § 62 ArbGG, Rz 91).

Die Verfügungskläger genügen mit ih­rem Vor­trag die­sen An­for­de­run­gen und sie ha­ben ei­nen An­spruch ge­genüber der Verfügungs­be­klag­ten auf Un­ter­las­sung der be­ab­sich­tig­ten Streiks in den Be­trie­ben der im Te­nor ge­nann­ten Un­ter­neh­men. 

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1. Der An­spruch er­gibt sich aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, da der Streik nicht rechtmäßig wäre. Ein nicht rechtmäßiger Streik stellt ei­nen rechts­wid­ri­gen Ein­griff in das Recht am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb dar (BAG, Urt. v. 21.12.1982, AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf; BAG, Urt. v. 12.09.1984, AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf).

a) Die Rechts­wid­rig­keit des be­ab­sich­tig­ten Streiks er­gibt sich da­bei nicht aus dem Ge­sichts­punkt der Störung der Ar­beits­kampf­pa­rität.

Das Prin­zip der Kampf­pa­rität wird all­ge­mein als Vor­aus­set­zung der Funk­ti­onsfähig­keit des ge­sam­ten Ta­rif­sys­tems be­trach­tet (Kis­sel, Ar­beits­kampf­recht, § 32 Rn 1 bis 6; Ga­mill­scheg, Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht, Bd. I, § 20 IV S. 968 ff). Be­reits in der ers­ten Ent­schei­dung des Großen Se­nats des BAG von 1955 (BAG GS, Urt. v. 28.01.1955, AP Nr. 1 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf) hat das BAG den Ar­beits­kampf als Rin­gen um gleich­wer­ti­ge Ver­hand­lungs­chan­cen ver­stan­den und dar­aus ein maßstab­bil­den­des Struk­tur­prin­zip des ge­sam­ten Ar­beits­kamp­fes in Ge­stalt des Pa­ritätsprin­zips ab­ge­lei­tet. Das BAG hat dar­in zum Aus­druck ge­bracht, dass es im Rah­men der Ta­rif­au­to­no­mie durch Ver­hand­lun­gen und not­falls durch Ausübung von Druck und Ge­gen­druck zum Ab­schluss von Ta­rif­verträgen und da­mit zu ei­ner kol­lek­ti­ven Re­ge­lung von Ar­beits­be­din­gun­gen kom­men soll. Wenn nur die Ar­beit­neh­mer­sei­te Kampf­mit­tel zur Verfügung hätte und der Ar­beit­ge­ber auf ein „Dul­den und Durch­ste­hen“ des Ar­beits­kamp­fes be­schränkt wäre, be­ste­he die Ge­fahr, dass die Re­ge­lung von Ar­beits­be­din­gun­gen nicht mehr auf ei­nem Sys­tem frei­er Ver­ein­ba­run­gen be­ru­he. Das Aus­sper­rungs­recht des Ar­beit­ge­bers sah das BAG durch die­ses Prin­zip be­gründet. Die­ser An­satz wur­de dann in wei­te­ren Ent­schei­dun­gen zum Aus­sper­rungs­recht un­verändert ver­tre­ten und wei­ter dif­fe­ren­ziert (BAG GS Urt. v. 21.04.1971, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf). Das Prin­zip der Kampf­pa­rität wird seit­dem als Vor­aus­set­zung der Funk­ti­onsfähig­keit des ge­sam­ten Ta­rif­sys­tems be­trach­tet, denn nur bei pa­ritäti­scher Kampfstärke der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist de­ren Ver­hand­lungs­ge­wicht bei Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges gewähr­leis­tet (Kis­sel, Ar­beits­kampf­recht, § 32 Rz 1 bis 6; ArbG Düssel­dorf, Urt. v. 01.08.2007, 11 Ga 74/07).

Ent­ge­gen der von den Verfügungsklägern ver­tre­te­nen An­sicht wären sie nach Ab­schluss des für al­le Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Ta­rif­ver­tra­ges der TG TRANS­NET/GDBA vom 09.07.2007 nicht aus Rechts­gründen dar­an ge­hin­dert, die Streiks der Verfügungs­be­klag­ten mit ei­ge­nen Kampf­maßnah­men zu be­ant­wor­ten, so dass sie die­se le­dig­lich „Dul­den und Durch­ste­hen“ müss­ten. Ei­ner Aus­sper­rung durch die Ar­beit­ge­ber­sei­te würde ei­ne sich aus dem mit der TG

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TRANS­NET/GDBA er­ge­ben­de Frie­dens­pflicht nicht ent­ge­gen­ste­hen. Aus­ge­hend vom Wort­laut – ins­be­son­de­re der Pro­to­koll­no­tiz – des § 9 des Ta­rif­ver­tra­ges mit der TG TRANS­NET/GDBA vom 09.07.2007 steht den Ar­beit­neh­mern so lan­ge kein An­spruch aus dem Ta­rif­ver­trag zu, so lan­ge ein Ta­rif­ver­trag der GDL über den glei­chen Re­ge­lungs­ge­gen­stand nach­wirkt und ein ein­mal ent­stan­de­ner An­spruch erlöschen würde, wenn die GDL ei­nen ei­genständi­gen Ta­rif­ver­trag ab­sch­ließt. Der Ar­beit­neh­mer hat hier­nach kei­nen An­spruch aus den Re­ge­lun­gen der §§ 3 bis 8, wenn nicht die GDL sich die­sem Ta­rif­ver­trag an­sch­ließt, da an­de­ren­falls ihr Ta­rif­ver­trag wei­ter nach­wirkt.

In der Recht­spre­chung ist darüber hin­aus an­er­kannt, dass eben­so wie die or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer auch die nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer aus­ge­sperrt wer­den dürfen (BAG, Urt. v. 18.02.2003, AP Nr. 163 zu Ar. 9 GG Ar­beits­kampf). So­weit die Verfügungskläger­sei­te dar­auf hin­weist, dass dies dann nicht gel­te, wenn ge­genüber den an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern ei­ne Frie­dens­pflicht aus ei­nem be­reits gülti­gen Ta­rif­ver­trag be­ste­he, so greift dies aus dem Vor­ge­sag­ten im vor­lie­gen­den Fall nicht. Darüber hin­aus weist der Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter zu­tref­fend dar­auf hin, dass je­de Ta­rif­ver­trags­par­tei von der ver­trag­li­chen Pflicht ge­trof­fen wer­de, kei­ne Ar­beitskämp­fe ge­gen die­sen Ta­rif­ver­trag zu führen und auch die An­stif­tung ih­rer Mit­glie­der zu ei­nem sol­chen Ar­beits­kampf zu un­ter­las­sen (BA­GE 3, 280, 283). Um ei­ne Verände­rung des mit der TG TRANS­NET/GDBA be­ste­hen­den Ta­rif­ver­tra­ges geht es je­doch vor­lie­gend nicht.

b) Ei­ne Rechts­wid­rig­keit des Streiks er­gibt sich auch nicht we­gen Ver­let­zung der re­la­ti­ven Frie­dens­pflicht.

Die ge­setz­li­che, dem Ta­rif­ver­trag im­ma­nen­te – re­la­ti­ve – Frie­dens­pflicht ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges ver­bie­tet den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, ei­nen be­ste­hen­den Ta­rif­ver­trag in­halt­lich da­durch in Fra­ge zu stel­len, dass sie Ände­run­gen oder Ver­bes­se­run­gen ver­trag­lich ge­re­gel­ter Ge­genstände mit Mit­teln des Ar­beits­kamp­fes er­rei­chen wol­len. Es ist nämlich ge­ra­de das Ziel von Ta­rif­verträgen, ei­ne Frie­dens­ord­nung für de­ren je­wei­li­gen Re­ge­lungs­ge­gen­stand zu tref­fen (BAG, Urt. v. 27.06.1989, EzA Art. 9 GG Ar­beits­kampf Nr. 94; BAG, Urt. v. 10.12.2002, AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf). Die sach­li­che Reich­wei­te der re­la­ti­ven Frie­dens­pflicht ist nach ganz h. M. nicht auf die Ge­genstände be­grenzt, die in ei­nem Ta­rif­ver­trag ein­deu­tig und ex­pli­zit ge­re­gelt sind. Dem­ent­spre­chend sind auch nicht nur sol­che Kampf­maßnah­men ver­bo­ten, die auf ei­ne di­rek­te Ände­rung der Be­stim­mun­gen des lau­fen­den Ta­rif­ver­tra­ges ge­rich­tet sind. Seit der Ent­schei­dung des BAG vom 14.11.1958 (AP Nr. 4 zu § 1 TVG Frie­dens­pflicht) geht die h. M. da­von aus, dass

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die kampf­wei­se Durch­set­zung all der­je­ni­gen Ta­rif­for­de­run­gen aus­ge­schlos­sen ist, die mit der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ma­te­rie der­ge­stalt in ei­nem „in­ne­ren sach­li­chen Zu­sam­men­hang“ steht, dass ih­re Erfüllung das wirt­schaft­li­che Ge­wicht der in dem wei­te­ren Ta­rif­ver­trag fest­ge­leg­ten Ar­beits­be­din­gun­gen verändert (BAG, Urt. v. 10.12.2002, AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf).

Der Verfügungskläger­ver­tre­ter weist wei­ter­hin dar­auf hin, dass der Um­fang ei­nes sol­chen in­ne­ren sach­li­chen Zu­sam­men­hangs im We­ge der Aus­le­gung zu er­mit­teln und hier­bei auch auf Ab­sicht und Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ab­zu­stel­len sei (Wie­de­mann-Thüsing, § 1 TVG Rn 885). Darüber hin­aus sei die Geschäfts­grund­la­ge zu er­mit­teln und in dem Fall, in dem die Aus­le­gung nach den vor­ge­nann­ten Grundsätzen nicht wei­terführe, der Um­fang des sach­li­chen in­ne­ren Zu­sam­men­hangs nach den im Ar­beits- und So­zi­al­le­ben übli­chen An­schau­un­gen fest­zu­stel­len (Ot­to, Ar­beits­kampf- und Sch­lich­tungs­recht, § 7 Rn 4; Wie­de­mann-Thüsing, § 1 TVG, Rn 885).

Auf die Schwie­rig­kei­ten bei der Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob ein sol­cher „in­ne­rer Zu­sam­men­hang“ an­ge­nom­men wer­den kann und das Spek­trum der hier­zu ver­tre­ten­den An­sich­ten wur­de im Schrift­tum mehr­fach hin­ge­wie­sen. So­weit man die Frie­dens­pflicht auch noch auf die For­de­run­gen be­zie­hen woll­te, die im Blick­punkt ei­ner „wirt­schaft­li­chen Be­trach­tungs­wei­se“ mit dem noch gel­ten­den Ta­rif­recht zu­sam­menhängen (Gift, Pro­ble­me der Frie­dens­pflicht, DB 1959, 651 ff.; G. Müller, Pro­ble­me der Frie­dens­pflicht, DB 1959, 515) wird deut­lich, dass es hier kla­re­rer Ab­gren­zungs­kri­te­ri­en be­darf. Die Er­stre­ckung der Frie­dens­pflicht aus ei­nem Ta­rif­ver­trag auf an­de­re Ta­rif­verträge der­sel­ben Par­tei­en kann da­her nur bei aus­drück­li­cher Ver­ein­ba­rung be­jaht wer­den (Däubler/Schu­mann Rd­Nr. 539; LAG Ham­burg, Urt. v. 24.03.1987, LA­GE Nr. 33 zu Art. 9 Ar­beits­kampf). Die für die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­ge­be­ne Möglich­keit, den Sach­zu­sam­men­hang zwi­schen meh­re­ren Ta­rif­verträgen her­zu­stel­len, ist nicht zu leug­nen. Eben­so we­nig ist je­doch auch zu leug­nen, dass es den Ver­trags­par­tei­en ob­liegt, ent­spre­chen­de ver­trag­li­che Ge­stal­tun­gen hierfür zu wählen. 

Ei­ne Frie­dens­pflicht­ver­let­zung mit Rück­sicht auf die un­gekündig­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen zur Beschäfti­gungs­si­che­rung (BeSiTV), Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gung (Ma-BetTV) so­wie dem Kon­zernZÜTV ist da­her nicht ge­ge­ben.
Es be­steht auch kei­ne Frie­dens­pflicht­ver­let­zung mehr aus dem vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg ab­ge­schlos­se­nen Ver­gleich nach Be­en­di­gung des Mo­de­ra­ti­ons­ver­fah­rens und mit Ab­lauf des 30.09.2007.

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c) Die Rechts­wid­rig­keit er­gibt sich auch nicht aus der nicht erfüll­ten Ver­pflich­tung zu ge­mein­sa­men Ver­hand­lun­gen.

Al­le Bahn­ge­werk­schaf­ten, mit­hin die TRANS­NET/GDBA so­wie die Verfügungs­be­klag­te ha­ben sich in ei­ner Ver­ein­ba­rung vom 14.12.2004 zu ge­mein­sa­men Ver­hand­lun­gen mit dem Agv Mo Ve so­wie dem AGV­DE über ei­nen neu­en Ent­gelt­ta­rif­ver­trag in Form ei­nes Flächen­ta­rif­ver­tra­ges ver­pflich­tet. Die­se Ver­pflich­tung wur­de in der An­la­ge 1 zur Ab­schluss­ver­ein­ba­rung vom 28.02.2005 noch ein­mal wie­der­holt.
Ei­ne Rechts­wid­rig­keit der Streiks aus der un­verändert an­dau­ern­den Wei­ge­rung der Verfügungs­be­klag­ten, an ge­mein­sa­men Ver­hand­lun­gen teil­zu­neh­men, kann je­doch nach dem Ver­gleichs­schluss vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg (13 Ga 65/07) vom 10.08.2007und der Ver­ein­ba­rung vom 27.08.2007 über das Er­geb­nis des Mo­de­ra­ti­ons­ver­fah­rens nicht mehr be­gründet wer­den.

d) Die Rechts­wid­rig­keit des Streiks er­gibt sich wei­ter­hin nicht aus ei­ner nicht hin­rei­chend kon­kret for­mu­lier­ten Ar­beits­kampf­for­de­rung.

Der ursprüng­lich im Ent­wurf von der Verfügungs­be­klag­ten er­stell­te und vor­ge­leg­te FPTV um­fass­te in 79 Pa­ra­gra­fen Re­ge­lun­gen vom Gel­tungs­be­reich bis hin zum In­kraft­tre­ten und der Gel­tungs­dau­er. In sei­ner An­la­ge 2 ent­hielt er ei­ne De­fi­ni­ti­on des Be­griffs „Fahr­per­so­nal“ im Sin­ne die­ses Ta­rif­ver­tra­ges. In dem mit Schrei­ben vom 18.07.2007 ge­kenn­zeich­ne­ten „For­de­rungs­pa­ket der GDL zur Ta­rif­run­de 2007“ wird ein ei­genständi­ger Ta­rif­ver­trag für das Fahr­per­so­nal ge­for­dert, wo­bei die Verfügungs­be­klag­te auf den FPTV durch die gewähl­te For­mu­lie­rung Be­zug nimmt.
Darüber hin­aus erklärte der Bun­des­vor­sit­zen­de der Verfügungs­be­klag­ten mit Schrei­ben vom 13.07.2007, „dass die bis­he­ri­gen For­de­run­gen bezüglich Ent­gelt und Ar­beits­zeit“ auf­recht­er­hal­ten würden.
Un­ter fünf Zif­fern wer­den die Re­ge­lungs­in­hal­te schließlich kon­kre­ti­siert. Zum Bei­spiel wird das an­ge­streb­te Mo­nat­s­ta­bel­len­ent­gelt mit ei­ner Min­dest­for­de­rung in Höhe von 31 % so­wie die ge­for­der­te Verände­rung der Ar­beits­zeit­be­stim­mun­gen un­ter An­ga­be der ma­xi­ma­len Schichtlängen­dau­er un­ter der Min­dest­an­rech­nung von sechs Ar­beits­stun­den pro Schicht oder die un­ter Zif­fer 5 be­gehr­te Verkürzung der un­un­ter­bro­che­nen Fahr­zeit auf der Lo­ko­mo­ti­ve um ei­ne St­un­de kon­kret be­nannt. Da­mit genügt die Verfügungs­be­klag­te ih­rer Kon­kre­ti­sie­rungs­ver­pflich­tung.

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e) Die Rechts­wid­rig­keit des Streiks er­gibt sich schließlich auch nicht dar­aus, dass der an­ge­streb­te Ta­rif­ver­trag nach dem Grund­satz der Ta­rif­ein­heit nach sei­nem Ab­schluss nicht zur An­wen­dung käme und da­her der hier­zu geführ­te Streik un­verhält­nismäßig wäre.

Nach dem durch die Recht­spre­chung des BAG ent­wi­ckel­ten Grund­satz der Ta­rif­ein­heit und der Ta­rif­ver­trags­spe­zia­lität wird der sach­fer­ne­re Ta­rif­ver­trag in den Fällen be­ste­hen­der Ta­rif­kon­kur­renz als auch der Ta­rifp­lu­ra­lität durch den „spe­zi­el­le­ren “ Ta­rif­ver­trag ver­drängt.

Der Grund­satz der Ta­rif­ein­heit hat im Ta­rif­ver­trags­ge­setz kei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den, folgt aber aus den über­ge­ord­ne­ten Prin­zi­pi­en der Rechts­si­cher­heit und Rechts­klar­heit. Recht­li­che und tatsächli­che Un­zu­träglich­kei­ten, die sich aus ei­nem Ne­ben­ein­an­der oder aus der Nicht­an­wen­dung von Ta­rif­verträgen in ei­nem Be­trieb er­ge­ben, sol­len hier­durch ver­mie­den wer­den. Die An­wen­dung meh­re­rer Ta­rif­verträge, die von ver­schie­de­nen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ab­ge­schlos­sen wur­den, in ei­nem Be­trieb ne­ben­ein­an­der, muss zu prak­ti­schen, kaum lösba­ren Schwie­rig­kei­ten führen. Rechts­nor­men ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges über be­trieb­li­che und be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen gel­ten gemäß § 3 Abs. 2 TVG für al­le Be­trie­be, de­ren Ar­beit­ge­ber ta­rif­ge­bun­den ist. Ist die­ser aber an zwei Ta­rif­verträge ge­bun­den, muss zu­min­dest in­so­weit ent­schie­den wer­den, wel­chem der Vor­rang ein­zuräum­en ist. Ei­ne Ab­gren­zung zwi­schen Be­triebs­nor­men und In­halts­nor­men be­rei­tet oft tatsächli­che Schwie­rig­kei­ten, zu­mal hier auch Über­schei­dun­gen möglich sind. Des­halb ist al­lein die be­triebs­ein­heit­li­che An­wen­dung des spe­zi­fi­schen Ta­rif­ver­tra­ges un­ter An­knüpfung an die Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­ge­bers ge­eig­net, tatsächli­che Schwie­rig­kei­ten bei der An­wen­dung meh­re­rer Ta­rif­verträge in ei­nem Be­trieb zu ver­mei­den (BAG, Urt. v. 05.09.1990, NZA 91, 202, 204; BAG, Urt. v. 20.03.91, NZA 91, 736, 738).

Ent­ge­gen der von der Verfügungs­be­klag­ten ver­tre­te­nen Auf­fas­sung de­fi­niert das BAG hier­bei die „Spe­zia­lität“ nicht in dem Sin­ne, dass sich der spe­zi­el­le­re Ta­rif­ver­trag auf ei­ne be­stimm­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, hier das Fahr­per­so­nal, be­zieht, son­dern es de­fi­niert die „Spe­zia­lität“ da­nach, ob der Ta­rif­ver­trag der Si­tua­ti­on im Be­trieb in räum­li­cher, be­trieb­li­cher, fach­li­cher und persönli­cher Hin­sicht am nächs­ten steht und des­halb den Er­for­der­nis­sen und Ei­gen­ar­ten des Be­trie­bes und der dar­in täti­gen Ar­beit­neh­mer am bes­ten Rech­nung trägt (BAG, Urt. 20.03.91, a. a. O.).

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Die von dem BAG im Jah­re 1957 be­gründe­te Recht­spre­chung hat viel­fa­che Kri­tik im Schrift­tum er­fah­ren (BAG, Urt. v. 29.03.1957, AP Nr. 4 zu § 4 TVG Ta­rif­kon­kur­renz; Bay­reu­ther, NZA 2006, 642, 643; Bay­reu­ther, BB 2005, 2633; Buch­ner, BB 2003, 2121; Schaub, RdA 2003, 378, 380). Die geäußer­te Kri­tik weist zum ei­nen auf die feh­len­de Rechts­grund­la­ge für das Prin­zip der Ta­rif­ein­heit, über­wie­gend je­doch auf ei­ne Ver­let­zung von Art. 9 Abs. 3 GG hin. Zum ei­nen wer­de die in­di­vi­du­el­le po­si­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit der Ar­beit­neh­mer ver­letzt und sie würden um die „Früch­te ih­rer Ko­ali­ti­ons­mit­glied­schaft“ ge­bracht, zum an­de­ren sei die kol­lek­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit der Ge­werk­schaft ver­letzt, de­ren Ta­rif­ver­trag ver­drängt wer­de. Art. 9 Abs. 3 GG schütze nicht nur den Be­stand der Ko­ali­ti­on an sich, ih­re or­ga­ni­sa­to­ri­sche Aus­ge­stal­tung, son­dern auch ih­re Betäti­gung, wo­zu ins­be­son­de­re der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen gehöre. Die lan­ge vom BVerfG ver­tre­te­ne Kern­be­reichs­for­mel der Ko­ali­ti­ons­betäti­gung sei durch das Ge­richt vor nun­mehr über 10 Jah­ren auf­ge­ge­ben wor­den (BVerfG ZIP 1996, 470; Lin­de­mann/Si­mon BB 2006, 1852, 1856; Rieb­le, BB 2003, 1227, 1228).

Un­ter Hin­weis auf die Ent­schei­dun­gen des BAG, de­nen sich Zwei­fel an der Rich­tig­keit des Grund­sat­zes der Ta­rif­ein­heit ent­neh­men ließen und die Kon­stel­la­tio­nen ak­zep­tier­ten, in de­nen in ei­nem Be­trieb meh­re­re Ta­rif­verträge zur Gel­tung kom­men, oh­ne dass das BAG auf ei­ne auflösungs­bedürf­ti­ge Ta­rifp­lu­ra­lität hin­ge­wie­sen hätte, wur­de ei­ne gänz­li­che Auf­ga­be oder doch weit­ge­hen­de Ein­schränkung die­ses Grund­sat­zes mit den Ent­schei­dun­gen des BAG vom 21.03.2007 (Az.: 4 ABR 19/06) er­war­tet und zum „Mut zum Wech­sel“ auf­ge­ru­fen (Thüsing/von Me­dem, ZIP 2007, 510 ff.; BAG NZA 1994, 667; BAG NZA 1994, 1038; BAG ZIP 2001, 1555).

Die ak­tu­el­le Dis­kus­si­on im Schrift­tum und in der Recht­spre­chung zur Auf­recht­er­hal­tung oder Auf­ga­be des Grund­sat­zes der Ta­rif­ein­heit stellt sich im Er­geb­nis da­mit wie folgt dar:

Das BAG hat die­sen Grund­satz bis­lang nicht auf­ge­ge­ben. Ob die für den 21.03.2007 er­war­te­ten Ent­schei­dun­gen des 4. Se­nats ei­ne Ab­kehr von die­sem Grund­satz ein­ge­lei­tet oder ge­bracht hätten, kann nicht be­ant­wor­tet wer­den, da die Ent­schei­dun­gen auf­grund des Ver­fah­rens­ver­laufs ent­behr­lich wur­den. Kri­ti­ker die­ses Grund­sat­zes wei­sen zu­tref­fend dar­auf hin, dass es Ent­schei­dun­gen an­de­rer Se­na­te des BAG gibt, die als Be­leg für be­ste­hen­de Zwei­fel an der Rich­tig­keit die­ses Grund­sat­zes ver­stan­den wer­den können. Darüber hin­aus gibt es Ent­schei­dun­gen, die bei Vor­lie­gen an­de­rer Kon­stel­la­tio­nen das Ne­ben­ein­an­der kon­kur­rie­ren­der Ta­rif­verträge, z. B. im Rah­men ei­nes Be­triebsüber­gangs nach § 613 a BGB zu­las­sen oder die durch die Ab­kehr der bis­her geübten In­ter­pre­ta­ti­on von

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dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­seln als Gleich­stel­lungs­ab­re­de ei­ne Ab­wen­dung von die­sem Pos­tu­lat der Ta­rif­ein­heit an­zukündi­gen schei­nen (BAG NZA 2006, 607).
Un­be­streit­bar können die Kri­ti­ker der Recht­spre­chung zum Grund­satz der Ta­rif­ein­heit noch nicht zu al­len Pro­blem­punk­ten Lösungsmöglich­kei­ten an­bie­ten. Bei­spiel­haft wird auf die auch vom Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter ver­tre­te­ne An­sicht, dass ein dem Ar­beit­ge­ber nicht zu­ste­hen­des Fra­ge­recht nach der Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit un­pro­ble­ma­tisch sei, da ja der Ar­beit­neh­mer je­den­falls im Pro­zess sei­ne Ver­bands­zu­gehörig­keit zur Durch­set­zung sei­ner Rech­te dar­le­gen und be­wei­sen müsse, ver­wie­sen. Auch die Fälle des un­gelösten Span­nungs­verhält­nis­ses zwi­schen den Re­ge­lun­gen des § 87 Abs. 1 und § 77 Abs. 3 Be­trVG d. h. die Fra­ge, auf wel­chen Ta­rif­vor­rang hier ab­zu­stel­len ist, bedürfen noch ei­ner be­frie­di­gen­den Lösung. Auch die Fra­ge des an­ge­mes­se­nen Um­gangs des Ar­beit­ge­bers mit dem zu befürch­ten­den „Ge­werk­schafts-Hop­ping“, d. h. dem mögli­chen Wech­sel der Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit, um in den Ge­nuss güns­ti­ger ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen zu kom­men, bedürf­te ei­ner sach­ge­rech­ten Be­ant­wor­tung.
An­ge­sichts des da­mit als of­fen zu be­zeich­nen­den Dis­kus­si­ons­pro­zes­ses zur Auf­recht­er­hal­tung oder zur Auf­ga­be des Grund­sat­zes der Ta­rif­ein­heit und der vielfälti­gen hier­zu ver­tre­te­nen An­sich­ten stimmt die Kam­mer – wie be­reits in den Ent­schei­dun­gen zum AZ.: 7 Ga 15/07 und 7 Ga 16/07 – der Auf­fas­sung des Verfügungskläger­ver­tre­ters zu, dass bei der be­ab­sich­tig­ten Auf­ga­be des Grund­sat­zes der Ta­rif­ein­heit ei­ne Auf­fanglösung in Ge­stalt ei­nes neu­en Sys­tems ent­wi­ckelt wer­den müss­te, wie man bei Zu­las­sung der Ta­rifp­lu­ra­lität mit den ge­ge­be­nen recht­li­chen wie tatsächli­chen Un­zu­träglich­kei­ten und den sich hier­aus er­ge­ben­den Kon­se­quen­zen um­ge­hen soll­te. Zu­zu­stim­men ist der Auf­fas­sung, dass hier­zu wei­te­rer Aufklärungs- und Dis­kus­si­ons­be­darf be­steht.
Frag­lich er­scheint je­doch, ob man oh­ne die­se Klärung, was lösbar und hin­zu­neh­men ist, nicht zu­min­dest in Fällen der vor­lie­gen­den Art tatsächlich die ge­wohn­ten Bah­nen ver­las­sen soll­te (Be­p­ler, Ak­tu­el­le ta­rif­recht­li­che Fra­gen aus An­lass ei­nes BAG-Ur­teils vom 23.03.2005 in der Fest­schrift AR­GE Ar­beits­recht im Deut­schen An­walt­ver­ein, 791, 802). Ge­ra­de der vor­lie­gen­de Rechts­streit macht deut­lich, dass mit dem Hin­weis auf die Ta­rif­ein­heit der Verfügungs­be­klag­ten, ei­ner der ältes­ten Ge­werk­schaf­ten der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, das ihr aus der Ver­fas­sung zu­ste­hen­de Recht des Art. 9 Abs. 3 GG, das nicht nur ih­ren Be­stand und ih­re or­ga­ni­sa­to­ri­sche Aus­ge­stal­tung, son­dern auch ih­re ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­sche Betäti­gungsmöglich­keit ga­ran­tiert, auf un­ab­seh­ba­re Zeit vor­ent­hal­ten wer­den würde. Der Ab­schluss ei­nes ef­fek­tiv wir­ken­den Ta­rif­ver­tra­ges könn­te ih­nen nie ge­lin­gen,

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da er nach gängi­ger In­ter­pre­ta­ti­on stets durch ei­nen ein­schlägi­gen In­dus­trie­ta­rif­ver­trag ver­drängt würde (Grei­ner, Der Ar­beits­kampf der GDL, NZA 2007, 1023, 1025).
In­so­weit un­ter­schei­det sich die für ein einst­wei­li­ges Verfügungs­ver­fah­ren kenn­zeich­nen­de Si­tua­ti­on nicht von der ei­nes Haupt­sa­che­ver­fah­rens, da ei­ne höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung die­ser Fra­ge gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 545 ZPO so­wie ei­ner ggf. er­for­der­li­chen Mit­wir­kung des Großen Se­nats u.U. ein über meh­re­re Jah­re an­dau­ern­des Ver­fah­ren er­for­der­lich ma­chen könn­te.
Der vom Verfügungs­be­klag­ten in dem Ver­fah­ren 7 Ga 15/07 hier­aus ab­ge­lei­te­ten For­de­rung, dem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG den Vor­rang ein­zuräum­en, da hierfür auch die als „höchst­rich­ter­lich“ an­zu­se­hen­den Ent­schei­dun­gen ver­schie­de­ner Lan­des­ar­beits­ge­rich­te sprächen, wird da­her un­ter Auf­ga­be der bis­he­ri­gen Po­si­ti­on im Er­geb­nis zu­ge­stimmt. Dies gilt im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren ins­be­son­de­re auch un­ter Berück­sich­ti­gung des schrift­lich fi­xier­ten Gesprächs­er­geb­nis­ses vom 27.08.2007 über das Mo­de­ra­ti­ons­ver­fah­ren un­ter der Mit­wir­kung von Herrn Prof. Kurt Bie­den­kopf und Herrn Dr. Hei­ner Geißler.
Hier­in erklärte sich der Ar­beit­ge­ber aus­drück­lich be­reit, Ta­rif­ver­hand­lun­gen ei­ner­seits mit der Verfügungs­be­klag­ten mit dem Ziel zu führen, ei­nen ei­genständi­gen Ta­rif­ver­trag, der Ent­gelt und Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen für Lo­ko­mo­tivführer um­fasst, zu führen, an­de­rer­seits mit der TG, um die Ent­gelt­struk­tur im Übri­gen neu zu re­geln. 

Auch wenn die Verfügungskläger­sei­te un­ter Hin­weis auf den wei­te­ren Wort­laut der Erklärung das gleich­falls for­mu­lier­te Ziel be­tont, ein kon­flikt- und wi­der­spruchs­frei­es Er­geb­nis zu er­hal­ten, so kann hier­in nicht die Bestäti­gung dafür ge­se­hen wer­den, dass aus Sicht der Ar­beit­ge­ber­sei­te die Ta­rif­ein­heit in den Un­ter­neh­men des DB-Kon­zerns da­mit ge­wahrt blei­ben soll­te. Das in Zif­fer 2 der Erklärung an­ge­streb­te Ziel des „kon­flikt- und wi­der­spruchs­frei­en Er­geb­nis­ses“ be­zieht sich auf die in­halt­li­che Be­wer­tung des Er­geb­nis­ses, während Zif­fer 1 aus­drück­lich die Form ei­nes „ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges“ be­nennt. Die­se For­mu­lie­rung ist nicht aus­le­gungs­bedürf­tig.
Die Kam­mer geht da­von aus, dass die Ar­beit­ge­ber­sei­te da­mit ih­re grundsätz­li­che Be­reit­schaft zur An­er­ken­nung ei­nes ei­genständi­gen Ta­rif­ver­tra­ges zum Aus­druck ge­bracht hat, wenn auch nur, so­weit die un­ter Zif­fer 2 und 3 for­mu­lier­ten Vor­aus­set­zun­gen auch erfüllt sein würden.
Ei­ne Be­ru­fung auf den zur Un­wirk­sam­keit der Streiks führen­den Grund­satz der Ta­rif­ein­heit ist ihr da­mit nicht möglich.

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f) Die Rechts­wid­rig­keit des Streiks in dem un­ter­sag­ten Um­fang er­gibt sich je­doch un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­mein­wohl­bin­dung als Aus­prägung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes.

Das Ta­rif -und Ar­beits­kampf­recht steht vor ei­ner grund­le­gen­den Um­bruch­si­tua­ti­on, da klei­ne aber durch­set­zungs­star­ke Spar­ten -und Spe­zi­al­lis­ten­ge­werk­schaf­ten, de­ren Mit­glie­der „Schlüssel­funk­tio­nen“ in­ne­ha­ben, sehr ef­fi­zi­ent und ziel­ge­rich­tet ih­re Grup­pen­in­ter­es­sen durch­zu­set­zen ver­su­chen. Auf­grund die­ser Ef­fi­zi­enz be­steht die Ge­fahr ei­ner „über­schießen­den“ Wir­kung und dem Ein­tritt ei­ner Dis­pa­rität, zu Las­ten der Ar­beit­ge­ber­sei­te.
Ver­folgt je­de Be­rufs­grup­pe, die mehr oder we­ni­ger zufällig über Blo­cka­demöglich­kei­ten verfügt, ih­re ei­ge­nen In­ter­es­sen, droht ei­ne Ver­viel­fa­chung von Ar­beitskämp­fen mit gra­vie­ren­den Aus­wir­kun­gen auf die Volks­wirt­schaft. Hier­auf wird mit Recht hin­ge­wie­sen (Grei­ner, a.a.O).

Das Ge­mein­wohl be­schreibt aber die Gren­ze zwi­schen pro­por­tio­na­ler und un­pro­por­tio­na­ler Streik­in­ten­sität, so dass ein Streik das Ge­mein­wohl, d. h. die In­ter­es­sen der All­ge­mein­heit, nur in verhält­nismäßigem (pro­por­tio­na­lem) Um­fang be­ein­träch­tig­ten darf.

Ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­la­ge für das Ar­beits­kampf­recht ein­sch­ließlich des Streik­rechts ist die in Art. 9 Abs. 3 GG ver­an­ker­te Ko­ali­ti­ons­frei­heit. Es herrscht Ei­nig­keit darüber, dass das Streik­recht nicht um sei­ner selbst Wil­len geschützt ist, son­dern nur als Mit­tel zum Zweck des Ab­schlus­ses von Ta­rif­verträgen. Durch Art. 9 Abs. 3 GG wird die Ko­ali­ti­on in ih­rem Be­stand und in ih­rer Betäti­gung zur Wah­rung und Förde­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen geschützt. Ein we­sent­li­cher Zweck der von Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Ko­ali­tio­nen ist der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen. Die Wahl der Mit­tel ist den Ko­ali­tio­nen grundsätz­lich selbst über­las­sen. Hier­zu gehören auch die Ar­beits­kampf­maßnah­men, die auf den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen ge­rich­tet sind, und da­mit auch der Streik.
In ei­ner ver­floch­te­nen und wech­sel­sei­tig abhängi­gen Ge­sell­schaft be­schränken sich die Aus­wir­kun­gen der Streiks in na­he­zu al­len Bran­chen al­ler­dings nicht al­lein auf die Ta­rif­part­ner. Seit dem grund­le­gen­den Be­schluss des Großen Se­nats des BAG vom 21.04.1971 ent­spricht es ständi­ger Recht­spre­chung, dass Ar­beitskämp­fe un­ter dem obers­ten Ge­bot der Verhält­nismäßig­keit ste­hen. Aus dem Über­maßver­bot fol­ge, dass ein Ar­beits­kampf „die wirt­schaft­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten“ berück­sich­ti­gen muss und das Ge­mein­wohl „nicht of­fen­sicht­lich ver­letz­ten darf“ (BAG, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf; BVerfG, Urt. v. 18.12.1974, AP Nr. 23 zu Art. 9 GG).

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Auch der BGH hat in sei­nem Ur­teil vom 31.01.1978 zum Flug­lot­sen­streik (BGHZ 70, 277 ff.) un­ter Be­zug­nah­me auf den Verhält­nismäßig­keits­grund­satz des Ar­beits­kampf­rech­tes dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die frag­li­che Ak­ti­on der Flug­lot­sen „außer Verhält­nis zum ver­folg­ten Ziel“ ge­stan­den ha­be, da die Streiks ein un­gewöhn­li­ches Maß von Nach­tei­len und Be­las­tun­gen für Un­be­tei­lig­te, die kei­ner­lei Ein­fluss auf die Vorgänge neh­men konn­ten, zur Fol­ge ge­habt ha­be (BGHZ 70, 277, 281).
Auch wenn ei­ne ge­richt­li­che Kon­trol­le der Ta­rif­zie­le ( 1noch) zu un­ter­blei­ben hat, da sie dem Ge­dan­ken der Ta­rif­au­to­no­mie nicht ent­spricht (BVerfGE 84, 212, 231), so ist doch fest­zu­stel­len, dass es ge­ra­de in der durch das Grund­ge­setz den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über­tra­ge­nen Ver­ant­wor­tung liegt, von ih­rer Ar­beits­kampf­frei­heit in ei­ner Wei­se Ge­brauch zu ma­chen, die die In­ter­es­sen der All­ge­mein­heit hin­rei­chend schont. Hier­in ist auch kei­ne Ta­rif­zen­sur zu se­hen, da die Ar­beits­ge­rich­te bei Prüfung der Fra­ge der Rechtmäßig­keit von Ar­beitskämp­fen le­dig­lich dar­auf ab­stel­len, ob die Gren­zen der Ta­rif­au­to­no­mie über­schrit­ten sind. Ei­ne sol­che Gren­ze stellt der Verhält­nismäßig­keits­grund­satz in sei­ner Aus­prägung der Ge­mein­wohl­bin­dung dar. Zu­tref­fend wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Ge­mein­wohl­bin­dung ei­nes Rechts oder sei­ner Ausübung nicht nur das Ei­gen­tum (Art. 14 GG) un­ter­liegt (Lieb, Der Ar­beits­kampf im öffent­li­chen Dienst, Ham­burg 2003, S. 233). Die Be­gren­zung des Streik­rechts durch den Be­griff des Ge­mein­wohls be­deu­tet, dass die Ko­ali­tio­nen zur Rück­sicht­nah­me ver­pflich­tet sind, wo sie in un­verhält­nismäßiger Wei­se Drit­t­in­ter­es­sen bzw. Schutzgüter der All­ge­mein­heit gefähr­den oder be­ein­träch­ti­gen. Dies sei ei­ne Be­gren­zung der Ko­ali­ti­ons­betäti­gung, die die all­ge­mei­nen Grundsätze des Miss­brauchs­ver­bots un­mit­tel­bar kon­kre­ti­sie­re (Scholz, in Maunz/Dürig/Her­zog, Art. 9 GG, Rn 274). In die­sem Zu­sam­men­hang sei auch auf die Bin­dung der Ko­ali­tio­nen an die all­ge­mei­ne So­zi­al­pflich­tig­keit hin­zu­wei­sen (Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ana­log). Als so­zia­le Ord­nungs­träger bzw. Auf­ga­ben­träger sei­en auch sie ins­be­son­de­re zur Rück­sicht­nah­me auf so­zi­al­staat­lich be­deut­sa­me Drit­t­in­ter­es­sen ver­pflich­tet (Scholz Rn 277; 350).
Es ent­spricht all­ge­mei­ner An­sicht, dass die All­ge­mein­heit ein ge­wis­ses Maß an Be­ein­träch­ti­gung ih­rer In­ter­es­sen zu er­dul­den hat (Kis­sel, § 27 Rn 12, 28 Rn 12,

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14). Das Streik­recht hat je­doch dann hin­ter den In­ter­es­sen der All­ge­mein­heit zurück­zu­tre­ten und ei­ne re­le­van­te Ge­mein­wohl­be­ein­träch­ti­gung liegt dann vor, wenn die Be­lan­ge un­be­tei­lig­ter Drit­ter und der All­ge­mein­heit in un­erträgli­cher Wei­se in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen wer­den, das heißt ein ge­stei­ger­tes sach­lich ob­jek­ti­ves öffent­li­ches In­ter­es­se an der Un­ter­las­sung der Streik­maßnah­me, das heißt in ei­nem Fall von außer­gewöhn­li­cher Be­deu­tung vor­liegt.

Dies ist bei den bei­den im Te­nor un­ter Zif­fer 1 ge­nann­ten Un­ter­neh­men der Fall, da hier nicht nur die kon­kre­te Ar­beits­leis­tung Drit­ten ge­genüber un­mit­tel­bar zu er­brin­gen ist, son­dern auf­grund der Ge­ge­ben­hei­ten in Ge­stalt ei­ner eu­ro­pa­wei­ten Ver­net­zung wie zeit­li­chen Ver­zah­nung der Ausführung von bran­chen­spe­zi­fi­schen Spe­zi­al­trans­por­ten, die mit an­de­ren Ver­kehrs­mit­teln nicht möglich wären, ein Aus­wei­chen auf an­de­re An­bie­ter nicht möglich ist.

Die Ver­let­zung des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips macht den Ar­beits­kampf nicht ins­ge­samt rechts­wid­rig (a.A. Kis­sel, § 29 Rn 54). Es ist viel­mehr ei­ne Be­schränkung der Ar­beits­kampf­maßnah­men auf das der Verhält­nismäßig­keit ent­spre­chen­de mil­de­re Maß er­for­der­lich. Bei an­de­rer Ent­schei­dung würden die Ar­beits­kampf­par­tei­en in ver­fas­sungs­wid­ri­ger Wei­se mit dem Ri­si­ko be­las­tet, dass ein ge­mes­sen an dem Um­fang des ge­sam­ten Ar­beits­kamp­fes ge­ringfügi­ger Re­gel­ver­s­toß die gan­ze Ta­rif­aus­ein­an­der­set­zung un­zulässig macht (Löwisch/Rieb­le, DB 93, 882).

2. Die zur Be­gründung ei­nes vor­beu­gen­den Un­ter­las­sungs­an­spruchs er­for­der­li­che Be­ge­hungs­ge­fahr ist auch ge­ge­ben.

Ein Un­ter­las­sungs­an­spruch gemäß § 1004 i.V.m. § 823 BGB ist nur dann ge­ge­ben, wenn ei­ne ob­jek­ti­ve, auf Tat­sa­chen ge­gründe­te ernst­li­che Ge­fahr der Rechts­ver­let­zung be­steht. Der An­spruch dient der Ab­wehr künf­ti­ger Be­ein­träch­ti­gun­gen. Um ei­ne wirk­sa­me Ver­hin­de­rung künf­ti­ger Rechts­ver­let­zun­gen zu gewähr­leis­ten, ist ein Un­ter­las­sungs­an­spruch be­reits dann be­gründet, wenn die dro­hen­de Ge­fahr ei­ner Be­ein­träch­ti­gung vor­liegt (Pa­landt-Bas­sen­ge, § 1004 BGB, Rn 32).

Die Vor­aus­set­zun­gen für den gel­tend ge­mach­ten Un­ter­las­sungs­an­spruch sind im vor­lie­gen­den Fall erfüllt, da die Maßnah­men für den Fol­ge­tag an­gekündigt wa­ren. 

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II.

Es liegt auch ein Verfügungs­grund für den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung vor.
164 Ein Verfügungs­grund ist gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO ge­ge­ben, wenn die Be­sorg­nis be­steht, dass die Ver­wirk­li­chung ei­nes Rech­tes oh­ne ei­ne als­bal­di­ge Re­ge­lung ver­ei­telt oder we­sent­lich er­schwert wird, oder wenn zur Ab­wen­dung we­sent­li­cher Nach­tei­le oder aus an­de­ren Gründen die Re­ge­lung ei­nes einst­wei­li­gen Zu­stan­des nötig ist.

Der Verfügungs­be­klag­ten­ver­tre­ter erklärte in der Sit­zung vom 04./05.10.2007, dass es bei der Verfügungs­be­klag­ten ei­nen Streik­be­schluss ge­be, nach dem am 05.10.2007 in der Zeit von 08:00 Uhr bis 11:00 Uhr ei­ne Streik­maßnah­me durch­geführt wer­den sol­le. Die Verfügungskläger, die nach dem Vor­ge­sag­ten ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch in dem dar­ge­stell­ten Sin­ne ha­ben, können die­sen oh­ne Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung und oh­ne den Ver­lust des An­spru­ches durch Zeit­ab­lauf nicht wirk­sam un­ter­bin­den. Dies ist im We­ge ei­nes Haupt­sa­che­ver­fah­rens zwei­fel­los nicht möglich. 

D.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 ZPO und ent­sprach im Aus­maß des je­wei­li­gen Ob­sie­gens/Un­ter­lie­gens in dem Rechts­streit.

E.

. Der Streit­wert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Ur­teil fest­zu­set­zen. Die Höhe be­ruh­te in Er­man­ge­lung wei­te­rer An­halts­punk­te auf ei­ner ge­bo­te­nen Schätzung.

 

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