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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 31.03.2009, 2 Sa­Ga 1/09

   
Schlagworte: Streik: Sympathiestreik, Arbeitskampf, Streik: Solidaritätsstreik, Streik: Unterstützungsstreik
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 2 SaGa 1/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 31.03.2009
   
Leitsätze:

Auch im Bereich des Flugverkehrs und der Flugsicherung sind Arbeitskämpfe nicht grundsätzlich rechtswidrig.

Dieser Grundsatz gilt auch für gewerkschaftliche Streiks, die der Unterstützung eines Hauptarbeitskampfes dienen.

Die Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks richtet sich - wie bei anderen Arbeitskampfmaßnahmen - nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg -, Urteil vom 02.03.2009, 12 Ga 4/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Verkündet

am 31.03.2009

Ak­ten­zei­chen (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben)

2 Sa­Ga 1/09
früher 2 Ta 5/09

12 Ga 4/09 (ArbG Stutt­gart - Kn. Lud­wigs­burg)

Hag­dorn Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le 

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

1.

- An­trag­stel­le­rin/Be­schwer­deführe­rin -

Proz.-Bev.:

ge­gen

2.

- An­trags­geg­ne­rin/Be­schwer­de­geg­ne­rin -

Proz.-Bev.:

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg
- 2. Kam­mer - durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter
am Lan­des­ar­beits­ge­richt Hen­sin­ger,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Baum­gart
und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kei­per
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom19.03.2009

für Recht er­kannt:

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart - Kam­mern Lud­wigs­burg - vom 02.03.2009 (12 Ga 4/09) wird auf de­ren Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

 

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Tat­be­stand

Ge­gen­stand des Ver­fah­rens ist ein An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zur Un­ter­sa­gung von Ar­beits­kampf­maßnah­men.

Die An­trag­stel­le­rin ist im Be­reich der Flug­si­che­rung durch § 1 der Ver­ord­nung zur Be­auf­tra­gung ei­nes Flug­si­che­rungs­un­ter­neh­mens vom 11. No­vem­ber 1992 bun­des­weit als al­lei­ni­ge Flug­si­che­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on da­mit be­auf­tragt, die si­che­re, ge­ord­ne­te und flüssi­ge Ab­wick­lung des Luft­ver­kehrs zu gewähr­leis­ten. Sie übt für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die in § 27 c Abs. 2 Luft­VG auf­geführ­ten Flug­si­che­rungs­auf­ga­ben aus und hat die Si­cher­heit des Luft­ver­kehrs in der Bun­de­re­pu­blik Deutsch­land zu gewähr­leis­ten. Nach § 27c Abs. 2 Nr. 1 lit. a Luft­VG gehört hier­zu die Flug­ver­kehrs­kon­trol­le zur Über­wa­chung und Len­kung der Be­we­gun­gen im Luft­raum und auf den Rollflächen von Flugplätzen ein­sch­ließlich der Über­prüfung, War­nung und Um­lei­tung von Luft­fahr­zeu­gen im Luft­raum.

Bei der An­trags­geg­ne­rin han­delt es sich um ei­nen am 15.09.2003 in das Ver­eins­re­gis­ter ein­ge­tra­ge­nen Ver­ein mit Sitz in Frank­furt am Main. Ihr Or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­biet er­streckt sich gemäß § 3 der Sat­zung vom 09.07.2003 in der Fas­sung vom 27.09.2008 auf die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und den Be­reich der Eu­ropäischen Uni­on. Laut § 4 der Sat­zung um­fasst der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der An­trags­geg­ne­rin al­le Be­trie­be und Un­ter­neh­men, in wel­chen die Über­wa­chung und Len­kung von Luft­fahr­zeu­gen in der Luft oder auf dem Bo­den zur si­che­ren, ge­ord­ne­ten und flüssi­gen Ab­wick­lung des Ver­kehrs er­folgt oder mit die­ser Auf­ga­be in un­mit­tel­ba­rem Zu­sam­men­hang ste­hen­de pla­ne­ri­sche, in­for­ma­to­ri­sche, tech­ni­sche und qua­li­fi­zie­ren­de Un­terstützungs­leis­tun­gen er­bracht wer­den. Bei der An­trags­geg­ne­rin sind ins­be­son­de­re die Mit­ar­bei­ter und Mit­ar­bei­te­rin­nen der An-trag­stel­le­rin und auch die Vor­feld­lot­sen der Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH or­ga­ni­siert.
Die Be­trei­be­rin des Stutt­gar­ter Flug­ha­fens, die Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH (im Fol­gen­den: FSG) beschäftigt ins­ge­samt über 1.000 Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­neh­me­rin­nen. Da­von sind ca. 22 Mit­ar­bei­ter als so­ge­nann­te Vor­feld­lot­sen (Apron-Con­trol­ler) tätig, die den rol­len­den Ver­kehr von Luft­fahr­zeu­gen am Bo­den steu­ern und über­wa­chen. Der Zuständig­keits­be­reich die­ser Vor­feld­lot­sen, das Vor­feld, ist der Be­reich zwi­schen dem Ta­xi­way, der zur Pis­te (Start- und Lan­de­bahn) führt und zum Kon­troll­be­reich des Platz­lot­sen im Tower der An­trag­stel­le­rin gehört, und den Park­po­si­tio­nen, von und zu de­nen die Pas­sa­gie­re über ei­nen Flug­steig (Gate) oder mit­tels ei­nes Fahr­zeug­trans­fers zu den Flug­zeu­gen ge­bracht wer­den. Die Überg­a­be-/Über­nah­me­punk­te zur De­fi­ni­ti­on der Ver­ant­wort­lich­kei­ten sind zwi­schen der An­trag­stel­le­rin und der FSG durch Be­triebs­ab­spra­chen im Ein­zel­nen ge­re­gelt. Da­ge­gen ob­liegt die Steue­rung und Über­wa­chung des flie­gen­den

 

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Ver­kehrs, ins­be­son­de­re der An- und Ab­flüge, den Beschäftig­ten der An­trag­stel­le­rin im Tower, vor al­lem den Flug­lot­sen.

1995 schlos­sen die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und die An­trag­stel­le­rin die Neu­fas­sung ei­ner am 23.12.1992 ge­trof­fe­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung ab, de­ren § 6 (Not­dienst­ver­ein­ba­rung) fol­gen­der­maßen lau­tet:

Die DFS wird ... mit den Ta­rif­part­nern ver­ein­ba­ren, dass im Fal­le ar­beits­recht­li­cher Aus­ei-nan­der­set­zun­gen die fol­gen­den Flüge nicht be­hin­dert wer­den:

- Not- und Ka­ta­stro­phen­einsätze (ein­sch­ließlich hu­ma­nitärer Flüge),
- Re­gie­rungs­flüge,
- Flug­be­trieb der Streit­kräfte.
In Um­set­zung die­ser Rah­men­ver­ein­ba­rung schlos­sen die Par­tei­en am 26.07.2006 für den Fall des Ar­beits­kamp­fes ei­ne Not­dienst­ver­ein­ba­rung über die Ein­rich­tung von Not­diens­ten.

§ 2 Abs. 2 lau­tet:

Die GdF si­chert der DFS zu, dass sie im Fal­le ei­nes Ar­beits­kamp­fes Not­dien­st­ar­bei­ten durchführen wird. Not­dien­st­ar­bei­ten sind Ar­bei­ten, die not­wen­dig sind
...
b) zur si­che­ren Durchführung
von Not- und Ka­ta­stro­phen­flügen ein­sch­ließlich hu­ma­nitärer Flüge,
von Re­gie­rungs­flügen,
des Flug­be­triebs der Streit­kräfte und
25 % des planmäßigen Luft­ver­kehrs, der in dem vom Ar­beits­kampf be­trof­fe­nem/n Sek-tor/en/TWR übli­cher­wei­se pro St­un­de durch­geführt wird.

§ 3 lau­tet:

Or­ga­ni­sa­ti­on und Durchführung der Not­dien­st­ar­bei­ten

(1) Um die vor­ge­nann­ten Not­dien­st­ar­bei­ten si­cher­stel­len zu können, beträgt die Ankündi-gungs­frist für Ar­beits­kampf­maßnah­men 24 St­un­den. Mit der Ankündi­gung be­nennt die GdF zu­gleich ei­ne zen­tra­le Ar­beits­kampf­lei­tung so­wie ge­ge­be­nen­falls ört­li­che Ar­beits-kampf­lei­tun­gen und stellt de­ren so­for­ti­ge und ständi­ge Er­reich­bar­keit si­cher.
...

 

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Am 15.08.2008 traf die An­trag­stel­le­rin mit der FSG ei­ne Ver­ein­ba­rung über Un­terstützungs­leis­tun­gen bei „Not­dienst-Vor­feld­kon­trol­le“. Ziff. 1.1 des An­hangs zu die­ser Ver­ein­ba­rung sieht ei­ne Über­tra­gung der Tätig­kei­ten der Vor­feld­kon­trol­le am Flug­ha­fen Stutt­gart an die Platz­kon­trol­le im Rah­men ei­ner Not­fall­ver­ein­ba­rung zwi­schen der An­trag­stel­le­rin und der FSG vor. Ei­ne sol­che Not­fall­ver­ein­ba­rung für die Vor­feld­kon­trol­le wur­de zwi­schen der An­trag­stel­le­rin und der FSG am 01.10.2008 ab­ge­schlos­sen. Gemäß Zif­fer 1.2 die­ser Not­fall­ver­ein­ba­rung wur­den die im An­hang zur Not­fall­ver­ein­ba­rung vom 15.08.2008 fest­ge­leg­ten Ver­fah­ren in Kraft ge­setzt. Gemäß Zif­fer 1.3 die­ser Not­fall­ver­ein­ba­rung ist der Zeit­punkt, ab dem die Ver­fah­ren gemäß der Not­fall­ver­ein­ba­rung an­ge­wen­det wer­den, in Ab­spra­che zwi­schen der Cen­ter­lei­te­rin Ver­kehrs­len­kung oder de­ren Ver-tre­ter und der Lei­te­rin Tower Stutt­gart und de­ren Ver­tre­ter fest zu le­gen.

En­de 2008 wur­de die FSG von der An­trags­geg­ne­rin zu Ver­hand­lun­gen über die Ar­beits­be­din­gun­gen der bei der FSG beschäftig­ten Vor­feld­lot­sen auf­ge­for­dert. U.a. will die An­trags­geg­ne­rin im Rah­men ei­ner stu­fen­wei­sen Erhöhung der Vergütung für die Vor­feld­lot­sen ei­ne Stei­ge­rung von ca. 30 % in 4 Jah­ren er­rei­chen. In ei­ner so­ge­nann­ten Pro­zess­ver­ein­ba­rung ver­ein­bar­ten die FSG und die An­trags­geg­ne­rin am 10.11.2008 ei­ne ab­ge­stuf­te Ver­hand­lung der ein­zel­nen For­de­rungs-ge­genstände. Dar­in heißt es un­ter Punkt II. 4. a, dass hin­sicht­lich al­ler Vergütungs­fra­gen Frie-dens­pflicht bis zum 28.02.2009 be­steht.
Die An­trag­stel­le­rin bot der FSG an, zum 01.04.2009 die Tätig­kei­ten der Vor­feld­lot­sen im We­ge ei­nes Out­sour­cings mit ei­ge­nem Per­so­nal, d.h. oh­ne Über­nah­me von Ar­beit­neh­mern der FSG zu über­neh­men. Ei­nen sol­chen Ver­trag schlos­sen die An­trag­stel­le­rin und die FSG während der Ta­rif­aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen der An­trags­geg­ne­rin und der FSG, je­den­falls vor der münd­li­chen Ver­hand­lung im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren. Nach die­sem Ver­trag wird die Vor­feld­kon­trol­le ab dem 01.04.2009 nicht mehr von der FSG, son­dern von der An­trag­stel­le­rin mit ei­ge­nem Per­so­nal im Tower des Stutt­gar­ter Flug­ha­fens er­le­digt. Des­halb hat die FSG meh­re­ren der 22 Vor­feld­lot­sen ei­ne Kündi­gung aus­ge­spro­chen. Ein Teil die­ser Ar­beit­neh­mer wird von der FSG in der Ver­kehrs­zen­tra­le wei­ter­beschäftigt.
Am 26.02.2009 veröffent­lich­te die An­trags­geg­ne­rin ei­ne In­ter­net­mel­dung mit un­ter an­de­rem fol­gen­den In­halt:
"Flug­ha­fen Stutt­gart - Kei­ne Ei­ni­gung im Streit über Vor­feld­kon­trol­le - GdF droht mit Streik­maßnah­men

Die Ta­rif­kom­mis­si­on der Ge­werk­schaft der Flug­si­che­rung (GdF) hat die Ta­rif­ver­hand­lun-gen für den Be­reich Vor­feld­kon­trol­le der Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH (FSG) für ge­schei­tert

 

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erklärt. In ei­ner Son­der­sit­zung am 24. Fe­bru­ar 2009 hat der GdF-Bun­des­vor­stand sei­ne Zu­stim­mung zu den jetzt nicht mehr zu um­ge­hen­den Ar­beits­kampf­maßnah­men ge­ge­ben. Die­se können nach Ab­lauf der Frie­dens­pflicht ab dem 01. März 2009 ein­ge­lei­tet wer­den.
Soll­te die Deut­sche Flug­si­che­rung GmbH (DFS) ver­su­chen, im Rah­men sog. Not­fall­maß-nah­men die Auf­ga­ben der Vor­feld­kon­trol­le von ih­rem Per­so­nal, al­so den am Flug­ha­fen tä-ti­gen Flug­lot­sen, durch­zuführen zu las­sen, be­wer­tet die GdF dies als Bruch der Neu­tra­lität. Dann käme es auch in die­sem Be­reich - be­trof­fen wäre da­bei vor al­lem der En­d­an­flug so­wie der ers­te Teil des Ab­flugs - zu ent­spre­chen­den Strei­k­aus­wei­tun­gen. (…)"

Mit E-Mail vom 02.03.2009, 05.04 Uhr, kündig­te die An­trags­geg­ne­rin der FSG Ar­beits­kampf­maßnah­men wie folgt an:
"(…) wie in un­se­rem Schrei­ben vom 27.02.2009 an­gekündigt, tei­len wir Ih­nen mit, dass die GdF ih­re Mit­glie­der der Ver­kehrs­zen­tra­le/Vor­feld­kon­trol­le am Flug­ha­fen Stutt­gart vom 03. März 2009 ab 05:30 Uhr zu ei­nem be­fris­te­ten Ar­beits­kampf auf­ruft. Der Ar­beits­kampf wird bis zum 06. März 2009, 20:30 Uhr an­dau­ern.
Die an­gekündig­ten Not­diens­te wer­den zum oben ge­nann­ten Zeit­punkt zur Verfügung ste-hen.
Ab so­fort sind die Ih­nen schon be­kann­ten Per­so­nen der zen­tra­len Streik­lei­tung so­wie die nach­ste­hend be­nann­ten Kol­le­gen der ört­li­chen Streik­lei­tung für Rück­fra­gen er­reich­bar. (…)"
Am 05.03.2009 veröffent­lich­te die An­trags­geg­ne­rin auf ih­rer In­ter­net-Start­sei­te fol­gen­de

Über­schrift:
„Flug­ha­fen Stutt­gart am En­de sei­ner Möglich­kei­ten zur Strei­k­ab­wehr - Deut­sche Flug­si-che­rung greift un­terstützend ein und bricht da­mit ei­ge­ne Neu­tra­litäts­zu­sa­ge - Streit wird nun auf DFS aus­ge­wei­tet“

In die­ser In­ter­net­sei­te wirft die An­trags­geg­ne­rin der An­trag­stel­le­rin vor, Auf­ga­ben der Vor­feld­kon­trol­le für meh­re­re St­un­den von den Flug­lot­sen im Tower des Flug­ha­fens über­nom­men zu ha­ben. Die An­trags­geg­ne­rin ha­be be­reits im Vor­feld die­ses Kon­flikts an­gekündigt, in die­sem Fal­le auch die DFS-Ar­beitsplätze, die den Ver­kehr am Stutt­gar­ter Flug­ha­fen so­wie die An- und Ab­flüge dort­hin kon­trol­lie­ren, im Rah­men ei­nes So­li­da­ritäts­streiks lahm­zu­le­gen. Dies sei ab so­fort möglich, den Be­ginn und die Dau­er der Maßnah­men würden ge­son­dert be­kannt ge­ge­ben.
Am 06.03.2009 be­schloss die An­trags­geg­ne­rin, den Streik der Vor­feld­lot­sen am Stutt­gar­ter Flug-ha­fen un­be­fris­tet zu verlängern. Am sel­ben Tag fand ein Gespräch zwi­schen den Par­tei­en statt, in dem die An­trag­stel­le­rin äußer­te, ge­genüber ih­ren Tower­lot­sen an­ge­ord­net zu ha­ben, kei­ner­lei

 

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Vor­feld­diens­te zu über­neh­men, um die Neu­tra­lität zu wah­ren. Dar­auf­hin fand bei der An­trags­geg­ne­rin ei­ne Son­der­sit­zung am 09.03.2009 über das wei­te­re Vor­ge­hen statt. In der münd­li­chen Ver­hand­lung am 19.03.2009 teil­te die An­trags­geg­ne­rin mit, dass sie der­zeit nicht von ei­ner Ver­let­zung der Neu­tra­litäts­pflicht der An­trag­stel­le­rin aus­geht und des­halb bis zum 31.03.2009 kei­ne Ar­beits­kampf­maßnah­men bei der An­trag­stel­le­rin ge­plant sei­en, wenn die­se - wei­ter­hin - neu­tral blei­be. Die Über­nah­me der Vor­feld­kon­trol­le durch die An­trag­stel­le­rin ab dem 01.04.2009 wer­te die An­trags­geg­ne­rin al­ler­dings als Ver­let­zung der Neu­tra­litäts­pflicht. In der münd­li­chen Ver­hand­lung hat die An­trags­geg­ne­rin wei­ter geäußert, dass ein Un­terstützungs­streik bei der An­trag­stel­le­rin ab dem 01.04.2009 sehr wahr­schein­lich sei. Es ge­be al­ler­dings kei­nen Au­to­ma­tis­mus. Über kon­kre­te Streik­maßnah­men wer­de erst ent­schie­den.

Mit ih­rer beim Ar­beits­ge­richt am 02.03.2009 ein­ge­reich­ten An­trags­schrift be­gehr­te die An­trag­stel­le­rin den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung - we­gen be­son­de­rer Dring­lich­keit oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung - auf Un­ter­sa­gung von Ar­beits­kampf­maßnah­men. Mit Be­schluss vom 02.03.2009 wies das Ar­beits­ge­richt den An­trag oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung zurück.
Ge­gen die­sen der An­trag­stel­le­rin am 03.03.2009 zu­ge­stell­ten Be­schluss rich­tet sich die am 05.03.2009 ein­ge­leg­te und be­gründe­te so­for­ti­ge Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin.
Die An­trag­stel­le­rin ver­tritt die An­sicht, dass ein Streik der Flug­lot­sen auf­grund der ho­heit­li­chen, son­der­po­li­zei­li­chen Tätig­keit der An­trag­stel­le­rin grundsätz­lich rechts­wid­rig ist. Ein Ar­beits­kampf-ver­bot der Flug­lot­sen fol­ge aus Art. 33 Abs. 5 GG, dem ein funk­tio­na­ler Be­am­ten­be­griff zu­grun­de zu le­gen sei. Des­halb un­terlägen al­le Ar­beits­kampf­maßnah­men, die sich auf die son­der­po­li­zei­li­che Wahr­neh­mung von Flug­si­che­rungs­auf­ga­ben be­zie­hen, un­mit­tel­bar dem Streik­ver­bot des Art. 33 Abs. 5 GG. Ei­ne Un­ter­sa­gung des Ar­beits­kamp­fes würde in kei­ner Wei­se das Streik­recht der Ar­beit­neh­mer der An­trag­stel­le­rin ins­ge­samt in Fra­ge stel­len. Dort sei­en vie­le Mit­ar­bei­ter beschäftigt, die kei­ne son­der­po­li­zei­li­che Tätig­keit ausüben. Selbst wenn man ein Ar­beits­kampf­ver­bot aus Art. 33 Abs. 5 GG nicht her­lei­ten wol­le, wäre ein Streik der Flug­lot­sen der An­trag­stel­le­rin auf­grund des Ver­s­toßes ge­gen die höher­ran­gi­gen kol­li­die­ren­den Ver­fas­sungs­rech­te, nämlich Le­ben und Ge­sund­heit an­de­rer, un­verhält­nismäßig und da­mit rechts­wid­rig. Selbst­verständ­lich führe ein Streik von Flug­lot­sen nicht zu ei­ner kon­kre­ten Gefähr­dung von Leib und Le­ben der Pas­sa­gie­re und Be­diens­te­ten so­wie der An­woh­ner von Luft­ver­kehrs­s­traßen. Ein streik­be­ding­ter weit­ge­hen­der Aus­fall des Towers Stutt­gart ha­be aber zur Fol­ge, dass der für Stutt­gart be­stimm­te Luft­ver­kehr um­ge­lei­tet wer­den müsse. Ei­ne sol­che Um­lei­tung ma­che zusätz­li­che Flug­manöver not­wen­dig. Sol­che zusätz­li­chen Flug­manöver erhöhten das Ri­si­ko von Unfällen. Des­halb stei­ge die abs­trak­te Gefähr­dung von Leib und Le­ben der Pas­sa­gie­re, der Be­diens­te­ten und der An­woh­ner von Luft­ver­kehrs­s­traßen durch die an­gekündig­ten Un­terstützungs­streik­maßnah­men. Ein Un­terstützungs­streik ha­be auch ex­tre­me fi­nan­zi­el­le Fol­gen. Der tägli­che Scha­den bei der An­trag­stel­le­rin, der

 

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FSG und den Flug­ge­sell­schaf­ten be­lau­fe sich auf mehr als 2 Mil­lio­nen Eu­ro. Dem­ge­genüber ver­fol­ge die An­trags­geg­ne­rin im Haupt­ar­beits­kampf le­dig­lich ein Streik­ziel, das zur Ver­bes­se­rung der Vergütung von 22 Mit­ar­bei­tern in 4 Jah­ren im Um­fang von ca. 600.000,00 Eu­ro führen soll. Auch aus die­sem Grund sei der Un­terstützungs­ar­beits­kampf un­verhält­nismäßig. Verhält­nismäßig sei ein Sym­pa­thie­ar­beits­kampf nur dann, wenn sich die­ser dar­auf be­schränke, dem Geg­ner im Haupt­ar­beits­kampf die zu­ge­sag­te oder für möglich ge­hal­te­ne Un­terstützung zu neh­men. Sch­ließ-lich ist die An­trag­stel­le­rin der Auf­fas­sung, dass vor­lie­gend auch ein Verfügungs­grund ge­ge­ben sei. We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der An­trag­stel­le­rin wird auf de­ren Schriftsätze vom 05.03.2009 und 18.03.2009 ver­wie­sen.
Die An­trag­stel­le­rin hat zu­letzt be­an­tragt:

I. Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart vom 02.03.2009, Az. 12 Ga 4/09, wird auf-ge­ho­ben.

II. Der An­trags­geg­ne­rin wird es zur Ver­mei­dung ei­nes Ord­nungs­gel­des in Höhe von bis zu EUR 250.000,00 in je­dem Ein­zel­fall, er­satz­wei­se für den Fall, dass die­ses nicht bei­ge­trie­ben wer­den kann, ei­ne Ord­nungs­haft von bis zu 6 Mo­na­ten, vor­zu­neh­men am Bun­des-vor­sit­zen­den, un­ter­sagt,
1. ei­ne et­wai­ge Ur­ab­stim­mung zur Vor­be­rei­tung ei­nes Ar­beits­kamp­fes bei der An­trag-stel­le­rin durch­zuführen, so­weit die­ser Ar­beits­kampf zum Ziel hat, Vergütungs­for­de­run-gen durch­zu­set­zen, die die An­trags­geg­ne­rin für die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer der Vor­feld­kon­trol­le ge­gen die Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH er­hebt;
2. ih­re am oder für den Stand­ort Stutt­gart täti­gen Mit­glie­der zur Be­tei­li­gung an Ar­beits-kampf­maßnah­men bei der An­trag­stel­le­rin auf­zu­ru­fen mit dem Ziel Vergütungs­for­de-run­gen, die die An­trags­geg­ne­rin für die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer der Vor­feld­kon­trol­le ge­gen die Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH er­hebt, durch­zu­set­zen, so­weit die­se Ar­beits­kampf­maßnah­men über die bloße Ver­wei­ge­rung der Über­nah­me der Vor­feld-kon­trol­le hin­aus­ge­hen;
3. ih­re am oder für den Stand­ort Stutt­gart täti­gen Mit­glie­der, die als Flug­lot­sen, Se­ni­or-Flug­lot­sen oder Su­per­vi­sor im Flug­ver­kehrs­kon­troll­dienst oder als Flug­da­ten­be­ar­bei­ter oder Se­ni­or-Flug­da­ten­be­ar­bei­ter in der Flug­da­ten­be­ar­bei­tung bzw. als Platz­ko­or­di­na­tor oder als FS-Tech­ni­ker, Se­ni­or-FS-Tech­ni­ker, Sys­tem­tech­ni­ker, FS-In­ge­nieur oder Se­ni­or-FS-In­ge­nieur in der Flug­si­che­rungs­tech­nik, bei der An­trag­stel­le­rin ein­ge­setzt sind, zur Be­tei­li­gung an Ar­beits­kampf­maßnah­men bei der An­trag­stel­le­rin auf­zu­ru­fen mit dem Ziel, Vergütungs­for­de­run­gen, die die An­trags­geg­ne­rin für die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer der Vor­feld­kon­trol­le ge­gen die Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH er-

 

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hebt, durch­zu­set­zen, so­weit die­se Ar­beits­kampf­maßnah­men über die bloße Ver­wei­ge­rung der Über­nah­me der Vor­feld­kon­trol­le hin­aus­ge­hen;
4. Ar­beits­kampf­maßnah­men bei der An­trag­stel­le­rin durch­zuführen, die zu ei­ner Ein-schränkung der Tätig­kei­ten der­je­ni­gen Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer führen, die bei der An­trag­stel­le­rin als Flug­lot­sen, Se­ni­or-Flug­lot­sen oder Su­per­vi­sor im Flug-ver­kehrs­kon­troll­dienst oder als Flug­da­ten­be­ar­bei­ter oder Se­ni­or-Flug­da­ten­be­ar­bei­ter in der Flug­da­ten­be­ar­bei­tung bzw. als Platz­ko­or­di­na­tor oder als FS-Tech­ni­ker, Se­ni­or-FS-Tech­ni­ker, Sys­tem­tech­ni­ker, FS-In­ge­nieur oder Se­ni­or-FS-In­ge­nieur in der Flug­si-che­rungs­tech­nik, am oder für den Stand­ort Stutt­gart ein­ge­setzt sind, so­weit mit den Ar­beits­kampf­maßnah­men das Ziel ver­folgt wird, Vergütungs­for­de­run­gen, die die An-trags­geg­ne­rin für die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer der Vor­feld­kon­trol­le ge­gen die Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH er­hebt, durch­zu­set­zen, so­weit die­se Ar­beits­kampf­maß-nah­men über die bloße Ver­wei­ge­rung der Über­nah­me der Vor­feld­kon­trol­le hin­aus­ge-hen.
Die An­trags­geg­ne­rin be­an­tragt,
die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt den an­ge­foch­te­nen Be­schluss und bringt ins­be­son­de­re vor, dass Ar­beits­kampf­maßnah­men im Rah­men von einst­wei­li­gen Verfügun­gen al­len­falls dann un­ter­sagt wer­den dürfen, wenn sie of­fen­sicht­lich un­ge­eig­net oder un­verhält­nismäßig sind. Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses Be­wer­tungs­maßsta­bes sei­en vor­lie­gend we­der ein Verfügungs­an­spruch noch ein Verfügungs­grund ge­ge­ben. Den Flug­lot­sen der An­trag­stel­le­rin könne nicht aus grundsätz­li­chen Erwägun­gen ein Streik­recht ab­ge­spro­chen wer­den. Die Auf­fas­sung der An­trag­stel­le­rin ste­he nicht in Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes. Durch ei­nen Ar­beits­kampf wer­de Leib und Le­ben an­de­rer auch nicht abs­trakt gefähr­det. Der An­trag­stel­le­rin wer­de mit ei­ner Ankündi­gungs­frist von 24 St­un­den be­kannt ge­ge­ben, wel­che Sek­to­ren ge­schlos­sen wer­den. Des­halb ha­be die An­trag­stel­le­rin genügend Zeit, dar­auf auf ei­ne Wei­se zu re­agie­ren, die zusätz­li­che Ge­fah­ren für den Luft­ver­kehr aus­sch­ließen. Letzt­end­lich fänden kei­ne gefähr­li­chen Flüge statt, son­dern es fie­len Flüge vom und zum Flug­ha­fen Stutt­gart aus. Der von der An­trag­stel­le­rin be­haup­te­te dro­hen­de wirt­schaft­li­che Scha­den bei ihr, der FSG und bei wei­te­ren Drit­ten, der der Höhe nach be­strit­ten wer­de, führe nicht zu ei­ner Exis­tenz­gefähr­dung oder Exis­tenz­ver­nich­tung die­ser und sei des­halb nicht un­verhält­nismäßig. Im Übri­gen dürfe kei­ne Ta­rif­zen­sur in dem Sin­ne statt­fin­den, dass et­wai­ge wirt­schaft­li­che Nach­tei­le Drit­ter zu den Streik­for­de­run­gen und den Streik­fol­gen in ein Verhält­nis ge­setzt wer­den. We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der An­trags­geg­ne­rin wird auf de­ren Schrift­satz vom 16.03.2009 ver­wie­sen.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

A.

Über die so­for­ti­ge Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin hat­te die Kam­mer durch Ur­teil zu ent­schei­den.
Nach­dem der Vor­sit­zen­de der er­ken­nen­den Kam­mer aus Gründen der Sach­ver­halts­aufklärung ei­nen Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung an­be­raumt hat­te, wur­de die so­for­ti­ge Be­schwer­de in das Ur­teils­ver­fah­ren über­ge­lei­tet (Mu­sielak, ZPO, 5. Auf­la­ge, § 922 Rd­nr. 10 b). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ent­schei­det in die­sem Fall nach münd­li­cher Ver­hand­lung vor der Kam­mer durch Ur­teil (Zöller-Voll­kom­mer, ZPO, 27. Auf­la­ge, § 922 Rd­nr. 14; Ger­mel­mann-Ger­mel­mann, ArbGG, 6. Auf­la­ge, § 62 Rd­nr. 87).

Aus die­sen Gründen war auch nicht das Ab­hil­fe­ver­fah­ren gemäß § 572 Abs. 1 ZPO durch­zuführen, das im Übri­gen auch we­gen der Eil­bedürf­tig­keit nicht ge­bo­ten ge­we­sen wäre (vgl. Zöller-Heßler, a.a.O., § 572 Rd­nr. 4).

B.
I.

Die gemäß §§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 936, 922 Abs. 1 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statt­haf­te so­for­ti­ge Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt wor­den (§ 569 ZPO). Im Übri­gen sind Be­den­ken an der Zulässig­keit der so­for­ti­gen Be­schwer­de nicht ver­an­lasst.

II.

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat den zulässi­gen An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zu Recht zurück­ge­wie­sen. Die An­trag­stel­le­rin hat der­zeit kei­nen An­spruch auf Un­ter­sa­gung von Ar­beits­kampf­maßnah­men.

 

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1. Der Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung im Ar­beits­kampf ist nach all­ge­mei­ner An­sicht grundsätz­lich zulässig (in der Li­te­ra­tur z. B. Kis­sel, Ar­beits­kampf­recht, § 65 Rd­nr. 9 m.w.N.; in der Recht­spre­chung z. B. zu­letzt Säch­si­sches LAG 02.11.2007 - 7 Sa­Ga 19/07 - NZA 2008, 59, Rd­nr. 91). Bei ei­ner Un­ter­las­sungs­verfügung, wie im vor­lie­gen­den Fall, ist der Verfügungs­an­spruch ein Un­ter­las­sungs­an­spruch, der sich ent­we­der aus der ta­rif­ver­trag­li­chen Frie­dens­pflicht, dem Recht auf Durchführung ei­nes Ar­beits­kamp­fes aus Art. 9 Abs. 3 GG un­ter Berück­sich­ti­gung der durch die Recht­spre­chung ge­zo­ge­nen Gren­zen so­wie die Re­ge­lun­gen der §§ 823 Abs. 1 BGB und 1004 BGB (Ein­griff in den ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb) er­ge­ben kann. Vor­aus­set­zung für den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung ist, dass die Rechts­wid­rig­keit des Ar­beits­kamp­fes oder der ein­zel­nen Ar­beits­kampf­maßnah­men dar­ge­legt und glaub­haft ge­macht wird. Da­bei ist in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur sehr um­strit­ten, ob die Rechts­wid­rig­keit der (be­vor­ste­hen­den) Ar­beits­kampf­maßnah­men ein­deu­tig oder of­fen­kun­dig sein muss (für ei­ne of­fen­kun­di­ge Rechts­wid­rig­keit der Ar­beits­kampf­maßnah­men: Säch­si­sches LAG 02.11.2007 - 7 Sa­Ga 19/07 - a.a.O., Rd­nr. 93; LAG Köln 19.03.2007 - 12 Ta 41/07 - LA­GE Art. 9 GG Ar­beits­kampf Nr. 77; Zeu­ner RdA 1971, 7; für die „ein­fa­che“ Rechts­wid­rig­keit der Ar­beits­kampf­maßnah­men: Hes­si­sches LAG 22.07.2004 - 9 Sa­Ga 593/04 - AP Nr. 168 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf; Kis­sel, a.a.O., § 65 Rd­nr. 28; Ot­to, Ar-beits­kampf und Sch­lich­tungs­recht, § 19 Rd­nr. 31; Ger­mel­mann-Ger­mel­mann, ArbGG, 6. Auf-la­ge, § 62 Rd­nr. 113 je­weils m.w.N.). Ne­ben dem Verfügungs­an­spruch setzt der Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung als Verfügungs­grund vor­aus, dass die Ge­fahr des endgülti­gen Rechts­ver­lus­tes be­steht. Hier ist ei­ne In­ter­es­sen­abwägung der be­tei­lig­ten Par­tei­en vor­zu-neh­men, in die sämt­li­che in Be­tracht kom­men­den ma­te­ri­ell­recht­li­chen und voll­stre­ckungs-recht­li­chen Erwägun­gen so­wie die wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen für bei­de Par­tei­en ein­zu­be­zie­hen sind (LAG Köln 14.06.1996 - 4 Sa 177/96 - LA­GE, Art. 9 GG Ar­beits­kampf Nr. 63; Ger­mel­mann, a.a.O., Rd­nr. 114 m.w.N.). Hier­bei kann ne­ben der Ein­deu­tig­keit der Sach- und Rechts­la­ge auch von Be­deu­tung sein, dass ein Scha­den­er­satz­an­spruch gemäß § 945 ZPO bei ei­nem Er­folg des Verfügungs­geg­ners im Haupt­pro­zess nicht in der La­ge ist, die ent­stan­de­nen Nach­tei­le aus­zu­glei­chen. Auch muss bei der Ent­schei­dungs­fin­dung berück­sich­tigt wer­den, wel­chen Um­fang die ge­stell­ten Anträge ha­ben. Anträge, die den Ar­beits­kampf ins­ge­samt ver­hin­dern sol­len, grei­fen in die grund­ge­setz­lich geschütz­ten Rechts­po­si­tio­nen des Verfügungs­geg­ners so stark ein, dass der Kern­be­reich des Grund­rechts aus Art. 9 Abs. 3 GG gefähr­det sein kann. We­ni­ger stark wird ein­ge­grif­fen, wenn le­dig­lich die Rechts­wid­rig­keit ein-

 

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zel­ner Kampf­hand­lun­gen im Rah­men der einst­wei­li­gen Verfügung gel­tend ge­macht wird. We­gen des zeit­lich be­grenz­ten Rah­mens von Ar­beits­kampf­maßnah­men führt in der Re­gel ih-re Un­ter­sa­gung auch zu ei­ner endgülti­gen Ent­schei­dung. Dies ge­bie­tet, dass Ein­schränkun-gen der Kampfmöglich­kei­ten der Par­tei­en im Ar­beits­kampf durch einst­wei­li­ge Verfügung nur in ganz sel­te­nen Fällen vor­ge­nom­men wer­den. Da es ge­ra­de We­sen des Ar­beits­kamp­fes ist, durch Ausübung wirt­schaft­li­chen Drucks auf den je­wei­li­gen Geg­ner ein­zu­wir­ken, kann noch nicht je­de Schädi­gung, die durch Kampf­maßnah­men ein­tritt, den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung recht­fer­ti­gen. Viel­mehr müssen schon er­heb­li­che und un­verhält­nismäßige wirt­schaft­li­che oder sons­ti­ge Schäden durch die rechts­wid­ri­ge Kampf­maßnah­me ein­tre­ten, die das Ein­grei­fen durch das Ge­richt not­wen­dig er­schei­nen las­sen (Ger­mel­mann, a.a.O., Rd­nr. 114).
2. Bei An­wen­dung die­ser Rechts­grundsätze zum Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung bei Ar­beits­kampf­maßnah­men ist die er­ken­nen­de Kam­mer wie das Ar­beits­ge­richt der Auf­fas­sung, dass beim vor­lie­gen­den Le­bens­sach­ver­halt be­reits ein Verfügungs­an­spruch nicht er­sicht­lich ist.
2.1 Wie der an­ge­foch­te­ne Be­schluss rich­ti­ger­wei­se fest­stellt, er­gibt sich ein Un­ter­las­sungs-an­spruch nicht aus ei­ner Ver­let­zung der Frie­dens­pflicht. Die im Haupt­ar­beits­kampf zwi-schen der An­trags­geg­ne­rin und der FSG be­ste­hen­de Frie­dens­pflicht ist bezüglich der Vergütungs­fra­gen mit Ab­lauf des 28.02.2009 ab­ge­lau­fen.
Auch die ge­genüber der An­trag­stel­le­rin be­ste­hen­de Frie­dens­pflicht wird nicht ver­letzt. Durch den le­dig­lich zur Un­terstützung ei­nes Haupt­ar­beits­kamp­fes geführ­ten Streik wer-den in der Re­gel nicht die für die Strei­ken­den gel­ten­den Ta­rif­verträge in Fra­ge ge­stellt, son­dern an­de­re Strei­ken­de bei ih­rer For­de­rung nach dem Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges über ta­rif­lich nicht ge­re­gel­te Ge­genstände un­terstützt (BAG 19.06.2007 - 1 AZR 396/06 - AP Nr. 173 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf, Rd­nr. 30).
2.2 Ein Un­ter­las­sungs­an­spruch er­gibt sich auch we­der aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­nes rechts­wid­ri­gen Ein­griffs in den ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb der An­trag­stel­le­rin noch aus § 1004 BGB i.V.m. § 27 c Abs. 2 Nr. 1 lit. a Luft­VG im Hin­blick auf die Si­cher­heit des Luft­ver­kehrs und auf den Rollflä-chen des Stutt­gar­ter Flug­ha­fens.
2.2.1 Ent­ge­gen der Rechts­an­sicht der An­trag­stel­le­rin sind Ar­beitskämp­fe und Ar­beits-kampf­maßnah­men im Be­reich des Luft­ver­kehrs nicht von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen. Die­se Fest­stel­lung gilt auch für die ho­heit­li­che, son­der­po­li­zei­li­che Auf­ga­be der

 

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Flug­si­che­rung in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, mit der aus­sch­ließlich die An­trag­stel­le­rin be­auf­tragt wor­den ist.
Nach all­ge­mei­ner An­sicht sind Ar­beitskämp­fe in kei­nem Be­reich, al­so auch nicht im Be­reich des Luft­ver­kehrs, grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen. An­ge­sichts der aus Art. 9 Abs. 3 GG her­ge­lei­te­ten ver­fas­sungs­recht­li­chen Ga­ran­tie des Ar­beits­kampf­mit­tels Streik (BVerfG 02.03.1993 - 1 BvR 1213/85 - BVerfGE 88, 103, Gründe C II. 1., Rd­nr. 43) kann ein völli­ger Aus­schluss des Streiks in be­stimm­ten Wirt­schafts­be­rei­chen nicht als zulässig an­ge­se­hen wer­den. Die durch ei­nen Ar­beits­kampf be­ein­träch­tig­ten Rech­te Drit­ter sind viel­mehr durch Not­dienst und Er­hal­tungs­ar­bei­ten zu wah­ren, und können es nach al­ler Er­fah­rung auch. Mit ih­nen kann ein an­ge­mes­se­ner Aus­gleich ge­fun­den wer­den. Ei­ne Si­tua­ti­on, in der der ge­sam­te Ar­beits­kampf der­art in an­de­re Rech­te ein­greift, dass auch mit dem um­fas­sends­ten Not­dienst kei­ne Ab­hil­fe ge­schaf­fen wer­den kann und die be­ein­träch­tig­ten Güter ein­deu­tig das Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG über­wie­gen, ist nicht vor­stell­bar (Kis­sel, Ar­beits­kampf­recht, § 28 Rd­nr. 26, so auch Däubler-Bie­back, Ar­beits­kampf­recht, 2. Auf­la­ge, S. 367). Das von Ga­mill­scheg (Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht I, Sei­te 1178) gewähl­te Ex­trem­bei­spiel des Kern­kraft­werks würde das Un­vor­stell­ba­re vo-raus­set­zen, dass ge­zielt ein Ar­beits­kampf aus­sch­ließlich ge­gen die not­wen­di­ge Über­wa­chung der An­la­ge geführt wird. Ei­ne sol­che - theo­re­tisch denk­ba­re - Gren­ze hat mit der ge­schicht­li­chen Ent­wick­lung des Ar­beits­kamp­fes in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, der deut­schen Ge­werk­schafts­struk­tur und vor al­lem mit dem vor­lie­gen­den Sach­ver­halt nichts zu tun.
Des­halb können auch im Be­reich des Flug­ver­kehrs und ins­be­son­de­re auch im Be-reich der Flug­si­che­rung grundsätz­lich Ar­beitskämp­fe geführt wer­den. Da­von geht - so­weit er­sicht­lich - auch die ganz über­wie­gen­de An­sicht aus (Hes­si­sches LAG 22.07.2004 - 9 Sa­Ga 593/04 - a.a.O.; LAG Rhein­land-Pfalz 14.06.2007 - 11 Sa 208/07 - LAG Art. 9 GG Ar­beits­kampf Nr. 78; Löwisch, Be­son­de­re Gren­ze der Streik­frei­heit in der Luft­fahrt?, ZFA 1988, 137, 150; Rüthers, Son­der­pro­ble­me der Rechtsmäßig­keit von Ar­beitskämp­fen im Luft­ver­kehr, ZFA 1987, 1, 42; Rieb­le, Gut­ach­ten für die An­trag­stel­le­rin [Bl. 316 ff. der zweit­in­stanz­li­chen Ak­te, Sei­te 8]; a.A.: Hein­ze, Streik­recht der deut­schen Flug­lot­sen als An­ge­stell­te der pri­va­ti­sier­ten Flug­si­che­rung, Fest­schrift 50 Jah­re Bun­des­ar­beits­ge­richt, Sei­te 493, 504).

 

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Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG 02.03.1993 - 1 BvR 1213/85 - a.a.O.) hat fest­ge­stellt, dass die Ko­ali­ti­ons­frei­heit auch den Ar­beit­neh­mern im öffent­li­chen Dienst gewähr­leis­tet ist, und zwar un­abhängig da­von, ob sie ho­heit­li­che oder an­de­re Auf­ga­ben erfüllen. Art. 33 Abs. 4 GG steht dem nicht ent­ge­gen. Er si­chert die Kon­ti­nuität ho­heit­li­cher Funk­ti­on des Staa­tes, in­dem er als Re­gel vor­sieht, dass ih­re Ausübung Be­am­ten über­tra­gen wird, ver­bie­tet je­doch nicht ge­ne­rell, dafür auch Ar­beit­neh­mer ein­zu­set­zen. Da die­sen die be­son­de­ren Rech­te der Be­am­ten nicht zu­ste­hen, blei­ben sie dar­auf an­ge­wie­sen, ih­re Ar­beits­be­din­gun­gen auf der Ebe­ne von Ta­rif­verträgen aus­zu­han­deln. We­gen ih­rer Un­ter­le­gen­heit sind sie da­bei auch auf das Druck­mit­tel des Ar­beits­kamp­fes an­ge­wie­sen. So­weit der Staat von der Möglich­keit Ge­brauch macht, Ar­beits­kräfte auf pri­vat­recht­li­cher Ba­sis als Ar­beit­neh­mer zu beschäfti­gen, un­ter­liegt er dem Ar­beits­recht, des­sen not­wen­di­ger Be-stand­teil ei­ne kol­lek­ti­ve In­ter­es­sen­wahr­neh­mung ist (BVerfG, a.a.O., Rd­nr. 44).
Auch die Auf­fas­sung der An­trag­stel­le­rin, dass die bei ihr beschäftig­ten Flug­lot­sen nicht nur ho­heit­li­che, son­dern auch son­der­po­li­zei­li­che Auf­ga­ben wahr­neh­men, führt nicht zu der Rechts­fol­ge, dass ein Streik in der Flug­si­che­rung ge­ne­rell rechts­wid­rig ist. Da­von geht auch die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land nicht aus. Sie hat nämlich, ver­tre­ten durch den Bun­des­mi­nis­ter für Ver­kehr, 1992 mit der An­trag­stel­le­rin ei­ne Ver­ein­ba­rung mit dem Ziel ge­schlos­sen, dass im Fal­le ar­beits­recht­li­cher Aus­ein­an­der­set­zun­gen wich­ti­ge Flüge nicht be­hin­dert wer­den. Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung hätte die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land nicht ab­ge­schlos­sen, wenn von vorn­her­ein ein Streik­ver­bot der Flug­lot­sen be­steht. Ge­ra­de die Um­set­zung die­ser zwi­schen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und der An­trag­stel­le­rin 1992 ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung durch die Par­tei­en des vor­lie­gen­den Ver­fah-rens, die 2006 ei­ne Not­dienst­ver­ein­ba­rung für den Fall des Ar­beits­kamp­fes ge­schlos­sen ha­ben, zeigt, dass die Par­tei­en mit der be­son­de­ren Ein­griffs­emp­find­lich­keit des Luft­ver­kehrs ver­ant­wor­tungs­voll um­ge­hen können. Sie ga­ran­tie­ren in die­ser Not­dienst­ver­ein­ba­rung nicht nur die si­che­re Durchführung der in der Rah­men­ver­ein­ba­rung zwi­schen der An­trag­stel­le­rin und der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land vor­ge­ge­be­nen wich­ti­gen Flüge, son­dern darüber hin­aus 25 % des planmäßigen Luft­ver­kehrs. Not­dien­st­ar­bei­ten wer­den si­cher­ge­stellt. Die Ar­beits­kampf­maßnah­men wer­den mit ei­ner Ankündi­gungs­frist von 24 St­un­den be­kannt ge­ge­ben. Dies

 

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al­les zeigt, dass die Par­tei­en wil­lens und in der La­ge sind, die Si­cher­heit des Luft­ver­kehrs auch während ei­nes Ar­beits­kamp­fes zu gewähr­leis­ten.
2.2.2 Ein Un­ter­las­sungs­an­spruch er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass die An­trags­geg­ne-rin bei der An­trag­stel­le­rin ei­nen so­ge­nann­ten Un­terstützungs­streik an­gekündigt hat. Im Rah­men des vor­lie­gen­den einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens ist der­zeit ei­ne Rechts­wid­rig­keit die­ses po­ten­zi­el­len Un­terstützungs­ar­beits­kamp­fes nicht er­kenn­bar.
2.2.2.1 Bei der Be­wer­tung des in Aus­sicht ge­stell­ten Un­terstützungs­streiks bei der An­trag­stel­le­rin geht die er­ken­nen­de Kam­mer von der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts aus (BAG 19.06.2007 - 1 AZR 396/06 - AP Nr. 173 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf). Zum ei­nen ist das Be­ru­fungs­ge­richt von der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts weit­ge­hend über­zeugt. Zum an­de­ren soll­te ge­ra­de im Ver­fah­ren der einst­wei­li­gen Verfügung, wo ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht er­reicht wer­den kann, im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, des Ver­trau­ens­schut­zes und der Ein­heit der Rechts­ord­nung ei­ne Ab­wei­chung von der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung nicht er­fol­gen (Wal­ker, Einst­wei­li­ger Rechts­schutz, Rd­nr. 717).
Nach die­ser Rechts­spre­chung un­terfällt auch ein Streik, den ei­ne Ge­werk­schaft zur Un­terstützung ei­nes auf den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges ge­rich­te­ten Streiks aus­ruft, grundsätz­lich dem Grund­rechts­schutz des Art. 9 Abs. 3 GG. Zen­tra­ler und an­ge­mes­se­ner Maßstab für die Be­ur­tei­lung der un­ter­schied­li­chen Er­schei­nungs­for­men des Ar­beits­kamp­fes, auch des Un­terstützungs­ar­beits­kamp­fes, ist der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit im wei­te­ren Sinn. Der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit eig­net sich als Maßstab für die recht­li­che Be­ur­tei­lung von Ar­beits­kampf­maßnah­men des­halb, weil durch die Ausübung der ver­fas­sungs­recht­lich gewähr­leis­te­ten Betäti­gungs­frei­heit re­gelmäßig in eben­falls ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­te Rechts­po­si­tio­nen des un­mit­tel­ba­ren Kampf­geg­ners oder von Drit­ten ein­ge­grif­fen wird. Es be­darf da­her ei­ner Abwägung kol­li­die­ren­der Rechts-po­si­tio­nen. Das Abwägungs­pos­tu­lat der Verhält­nismäßig­keit er­for­dert stets sei­ne Würdi­gung, ob ein Kampf­mit­tel zur Er­rei­chung ei­nes rechtmäßigen Kampf­ziels ge­eig­net und er­for­der­lich und be­zo­gen auf das Kampf­ziel an­ge­mes­sen (pro­por­tio­nal bzw. verhält­nismäßig im en­ge­ren Sinn) ein­ge­setzt wor­den ist.

 

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Ge­eig­net ist ein Kampf­mit­tel, wenn durch sei­nen Ein­satz die Durch­set­zung des Kampf­ziels gefördert wer­den kann. Da­bei kommt den ei­nen Ar­beits­kampf führen­den Ko­ali­tio­nen ei­ne Einschätzungpräro­ga­ti­ve zu. Sie ha­ben ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum bei der Fra­ge, ob ei­ne Ar­beits­kampf­maßnah­me ge­eig­net ist, Druck auf den so­zia­len Ge­gen­spie­ler aus­zuüben.

Er­for­der­lich ist ein Kampf­mit­tel, wenn mil­de­re Mit­tel zur Er­rei­chung des an­ge­streb­ten Ziels nach der Be­ur­tei­lung der den Ar­beits­kampf führen­den Ko­ali­ti­on nicht zur Verfügung ste­hen. Auch in­so­weit um­fasst de­ren Betäti­gungs­frei­heit grundsätz­lich die Einschätzung, ob sie zur Er­rei­chung des ver­folg­ten Ziels das gewähl­te Mit­tel für er­for­der­lich oder an­de­re Mit­tel für aus­rei­chend er­ach­tet. Die Gren­ze bil­det auch hier der Rechts­miss­brauch.
Verhält­nismäßig im en­ge­ren Sinn (pro­por­tio­nal) ist ein Ar­beits­kampf­mit­tel, das sich un­ter hin­rei­chen­der Würdi­gung der grund­recht­lich gewähr­leis­te­ten Betäti­gungs­frei­heit zur Er­rei­chung des an­ge­streb­ten Kampf­ziels un­ter Berück­sich­ti­gung der Rechts­po­si­tio­nen der von der Kampf­maßnah­me un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar Be­trof­fe­nen als an­ge­mes­sen dar­stellt. In­so­weit steht ei­ner Ar­beits­kampf­par­tei kei­ne Einschätzungs­prägo­ga­ti­ve zu, geht es doch hier­bei nicht um ei­ne tatsächli­che Einschätzung, son­dern um ei­ne recht­li­che Abwägung. Al­ler­dings ist bei die­ser stets zu be­ach­ten, dass es ge­ra­de das We­sen ei­ner Ar­beits­kampf­maßnah­me ist, durch Zufügung wirt­schaft­li­cher Nach­tei­le Druck zur Er­rei­chung ei­nes le­gi­ti­men Ziels aus­zuüben. Un­verhält­nismäßig ist ein Ar­beits­kampf­mit­tel da­her erst, wenn es sich auch un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses Zu­sam­men­hangs als un­an­ge-mes­se­ne Be­ein­träch­ti­gung ge­genläufi­ger, eben­falls ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­ter Rechts­po­si­tio­nen dar­stellt (BAG 19.06.2007 aaO).

Un­verhält­nismäßig ist ein Ar­beits­kampf dann, wenn er auf die Ver­nich­tung des Geg­ners ab­stellt (BAG GS 21.04.1971 - GS 1/68 - AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf, Teil III A 2 b). Un­verhält­nismäßig ist ein Ar­beits­kampf auch dann, wenn er die wirt­schaft­lich Exis­tenz des Geg­ners gefähr­det. Dies ist dann der Fall, wenn die ge­gen ein Un­ter­neh­men ge­rich­te­ten Ar­beits­kampf­maßnah­men nach den Umständen da­zu führen oder führen können, dass es aus dem Markt aus­schei­den muss (Kis­sel Ar­beits­kampf­recht aaO § 29 Rd­nr. 24 ff. m.w.N.). Der Verhält­nismäßig­keits­grund­satz im en­ge­ren Sinn for­dert auch, dass der Ar­beits­kampf nicht außer Verhält­nis

 

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zu dem an­ge­streb­ten Ziel ste­hen darf (BAG 11.05.1993 - 1 AZR 649/92 - AP Nr. 63 zu § 1 Fei­er­tags­lohn­zah­lungsG, Gründe II 1). Bei der Abwägung der zwei kol­li­die­ren­den In­ter­es­sen un­ter dem As­pekt der Pro­por­tio­na­lität ist die ei­ne Sei­te, nämlich der beim Ar­beits­kampf­geg­ner ent­ste­hen­de Druck und Scha­den, re­la­tiv ein­deu­tig zu er­mit­teln. Die Schwie­rig­keit liegt in der Fi­xie­rung der an­de­ren In­ter­es­sen­sei­te des Abwägungs­er­for­der­nis­ses des mit dem Ar­beits­kampf an­ge­streb­ten Ziels. Da­bei ist all­ge­mei­ne An­sicht, dass bei der Be­stim­mung die­ses Ziels nicht auf den In­halt der Ta­rif-for­de­rung ab­ge­stellt wer­den kann. In­halt­li­che Ta­rif­kon­trol­le und Kon­trol­le des In­halts der Ta­rif­for­de­rung und auch de­ren Be­wer­tung und Ge­wich­tung im Pro­por­tio­nal­ver­gleich sind un­zulässig: Sonst bestünde die Ge­fahr, über den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ei­ne der Ta­rif­au­to­no­mie wi­der­spre­chen­de Ta­rif­zen­sur aus­zuüben (BVerG 26.06.1991 - 1 BvR 779/85 - AP Nr. 117 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf, Gründe C I 3 b cc; Kis­sel Ar­beits-kampf­recht aaO § 29 Rd­nr. 34 m.w.N.). Denn es ist oh­ne Ver­let­zung des Kernstücks ko­ali­ti­ons­gemäßer Selbst­be­stim­mung nicht der Ent­schei­dung durch Außen­ste­hen­de zugäng­lich, ob ei­ne be­stimm­te Loh­nerhöhung not­wen­dig, an­ge­mes­sen oder vernünf­tig ist. Ge­nau­so we­nig kann ein Ar­beits-kampf des­halb als Ver­let­zung des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips an­ge­se­hen wer­den, weil er an­ge­sichts ei­ner sehr nied­ri­gen For­de­rung im Verhält­nis zu den der Ge­gen­sei­te ent­ste­hen­den Schäden un­pro­por­tio­nal oder ei­ne ho­he For­de­rung im In­ter­es­se der Ar­beit­neh­mer nicht er­for­der­lich ist (Kis­sel aaO Rd­nr. 34, 36).
Nach dem Ge­bot der Verhält­nismäßig­keit ist ein Un­terstützungs­kampf rechts­wid­rig, wenn er zur Un­terstützung des Haupt­ar­beits­kamp­fes of­fen­sicht­lich un­ge­eig­net, nicht er­for­der­lich oder un­ter Berück­sich­ti­gung der schützens­wer­ten In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Drit­ten un­an­ge­mes­sen ist. Der Be­zugs­punkt, der die Prüfung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes be­stimmt, ist da­bei die sich aus dem Cha­rak­ter und der Funk­ti­on des Un­terstützungs­streiks er­ge­ben­de Be­zie­hung zum Haupt­ar­beits­kampf. Er ermöglicht die im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit ge­bo­te­ne, für ei­ne funk­ti­onsfähi­ge Ar­beits­kampf­ord­nung er­for­der­li­che Kon­kre­ti­sie­rung des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips. Da­bei hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt für die ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen­den Rechts­po­si­tio­nen bei ei­nem Un­terstützungs­streik ver­schie­de­ne Prüfkri­te­ri­en ent­wi­ckelt (BAG 19.06.2007 aaO, Rd­nr. 44 ff.):
- Rechtsmäßig­keit des Haupt­ar­beits­kamp­fes

 

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- Nähe oder Fer­ne des Un­terstützungs­streiks ge­genüber dem Haupt­ar­beits­kampf
- wirt­schaft­li­che Ver­floch­ten­heit der Adres­sa­ten des Haupt­ar­beits­kamp­fes und des Un­terstützungs­streiks
- Neu­tra­lität oder Ein­mi­schung des Ar­beit­ge­bers des Un­terstützungs-streiks
- Iden­tität der Ge­werk­schaft
- Dau­er und Um­fang des Un­terstützungs­streiks
2.2.2.2 Bei An­wen­dung der vor­ge­nann­ten Recht­spre­chung und der Abwägung der kol­li­die­ren­den Rechts­po­si­tio­nen der Par­tei­en und von Drit­ten steht für die Kam­mer zunächst fest, dass sich ei­ne Rechts­wid­rig­keit des po­ten­zi­el­len Un­terstützungs­streiks bei der An­trag­stel­le­rin nicht aus ei­ner dro­hen­den Ver­let­zung höher­ran­gi­ger Rechtsgüter er­gibt. Zwar ist die An­trag­stel­le­rin der Auf­fas­sung, dass bei ei­nem Un­terstützungs­streik bei der An­trag­stel­le­rin zusätz­li­che Flug­manöver not­wen­dig wer­den würden und sich da­durch das Ri­si­ko von Unfällen erhöhe. Des­halb stei­ge die abs­trak­te Gefähr­dung von Le­ben und Ge­sund­heit der Pas­sa­gie­re, der Be­diens­te­ten und der An­woh­ner von Luft­ver­kehrs­s­traßen. Ei­ne sol­che abs­trak­te Gefähr­dung der Fluggäste, der Be­diens­te­ten des Stutt­gar­ter Flug­ha­fens und der An­woh­ner von Luft­ver­kehrs­s­traßen, al­so Mil­lio­nen von Men­schen, ist für die er­ken­nen­de Kam­mer, auch wenn sie die­se Be­haup­tung sehr ernst nimmt, nicht im An­satz er­kenn­bar. Auf­grund der zwi­schen den Par­tei­en in der Not­dienst­ver­ein­ba­rung aus­ge­han­del­ten Ankündi­gungs­frist von 24 St­un­den weiß die An­trag­stel­le­rin recht­zei­tig, zu wel­chem Zeit­punkt die Flug­lot­sen im Tower des Stutt­gar­ter Flug­ha­fens nicht mehr ih­re Diens­te leis­ten wer­den. Da kein Flug länger als 24 St­un­den dau­ert, schei­det die Si­tua­ti­on aus, dass ein ge­star­te­tes Flug­zeug um­ge­lei­tet wer­den oder War­te­schlei­fen dre­hen muss. Viel­mehr wer­den in die­sem Fall Flüge von und nach Stutt­gart nicht mehr star­ten bzw. lan­den. Bei ei­nem Streik der Flug­lot­sen im Stutt­gar­ter Flug­ha­fen wer­den Flüge aus­fal­len, aber kei­ne ri­si­ko­rei­che­ren Flüge statt­fin­den. Es ist für das Ge­richt nicht nach­voll­zieh­bar, wie die abs­trak­te Ge­fahr für die o.g. Rechtsgüter stei­gen kann, wenn bis zu 75 % der Flüge vom bzw. zum Stutt­gar­ter Flug­ha­fen nicht mehr statt­fin­den. Selbst wenn es ein­zel­ne Flüge ge­ben soll­te, die auf­grund von Streik­maßnah­men

 

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zu zusätz­li­chen Flug­manövern ge­zwun­gen wer­den, kann die abs­trak­te Ge­fahr für die o.g. Rechtsgüter ins­ge­samt, al­so wenn man auch die aus­ge­fal­le­nen Flüge mit ein­be­zieht, nicht höher sein, als wenn al­le Flüge nor­mal statt­fin­den. Denn jeg­li­cher (Flug)Ver­kehr birgt abs­trak­te Ge­fah­ren in sich.
Des­halb ver­bleibt als ab­zuwägen­de Rechts­po­si­ti­on der An­trag­stel­le­rin und von Drit­ten der bei ei­nem Un­terstützungs­kampf zu er­war­ten­de wirt­schaft­li­che Scha­den, den die An­trag­stel­le­rin mit min­des­tens 2 Mil­lio­nen Eu­ro täglich be­zif­fert. Die­ser po­ten­zi­el­le Scha­den setzt sich ins­be­son­de­re aus den Min­der­ein­nah­men der An­trag­stel­le­rin und vor al­lem aus dem Um­satz­aus­fall bei der FSG und bei den den Stutt­gar­ter Flug­ha­fen an­flie­gen­den Flug-ge­sell­schaf­ten zu­sam­men. In der An­trags­schrift hat die An­trag­stel­le­rin den zu er­war­ten­den Scha­den noch mit ei­nem „Viel­fa­chen der Mehr­kos­ten für die Luft­han­sa mit ca. 50 Mil­lio­nen DM pro Streik­tag“ (da­bei wird auf ei­nen Ta­rif­kon­flikt der Deut­schen Luft­han­sa im Jah­re 2001 ab­ge­stellt) an­ge­ge­ben. Die An­trags­geg­ne­rin hat bei­de Scha­dens­be­rech­nun­gen als un­sub­stan­zi­iert und rech­ne­risch nicht nach­voll­zieh­bar be­strit­ten. Der zu er­war­ten­de Scha­den bei der An­trag­stel­le­rin im Fal­le ei­nes Un­terstützungs­streiks ist der­zeit weit­ge­hend spe­ku­la­tiv. Die An­trags­geg­ne­rin hat im Be­ru­fungs­ter­min an­ge­ge­ben, dass im Streik­fall nie be­ab­sich­tigt sei, ei­nen Streik über 24 St­un­den (abzüglich des Nacht­flug­ver­bo­tes) oder gar „rund um die Uhr“ zu führen, son­dern dass al­len­falls „er­heb­li­che Na­del­sti­che“ im Um­fang bis zu 6 St­un­den be­ab­sich­tigt sei­en. Die zu er­war­ten­de, der­zeit völlig spe­ku­la­ti­ve Scha­denshöhe, kann bei An­wen­dung der o.g. Rechts­grundsätze, ent­ge­gen der Rechts­an­sicht der An­trag­stel­le­rin, auch nicht in ein Verhält­nis zu den Ta­rif­for­de­run­gen des Haupt­ar­beits­kamp­fes ge­setzt wer­den. Zwar wer­den im Haupt­ar­beits­kampf für ei­ne klei­ne Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, ver­gli­chen mit an­de­ren Ta­rif­aus­ein­an­der­set­zun­gen in der der­zei­ti­gen deut­schen Ta­ri­fland­schaft, re­la­tiv ho­he Vergütungs­for­de­run­gen er­ho­ben. Ein Ge­richt ist aber we­der be­fugt noch in der La­ge über die An­ge­mes­sen­heit von Vergütungs­for­de­run­gen in Ta­rif­aus­ein­an­der­set­zun­gen zu be­fin­den.
Der von der An­trag­stel­le­rin vor­ge­nom­me­ne Ver­gleich des Streik­zie­les im Haupt­ar­beits­kampf und der zu er­war­ten­de Scha­den im Un­terstützungs­ar­beits­kampf würde zu dem merkwürdi­gen Er­geb­nis führen: je höher die Lohn­for­de­rung im Haupt­ar­beits­kampf (und da­mit die be­gehr­te Lohn­sum­me) um so eher ist ein Un­terstützungs­kampf zulässig; bei mo­de­ra­ten

 

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Lohn­for­de­run­gen ist ein Un­terstützungs­streik schon aus die­sem Grund un­verhält­nismäßig.
Für die er­ken­nen­de Kam­mer steht des­halb fest, dass der­zeit auch auf­grund ei­nes bei ei­nem Un­terstützungs­streik zu er­war­ten­den Scha­dens bei der An­trag­stel­le­rin und bei Drit­ten nicht er­kenn­bar ist, dass der Verhält­nismäßig­keits­grund­satz ver­letzt wird.
Wenn man die vom BAG im Ur­teil vom 19.06.2007 (aaO) ent­wi­ckel­ten Prüfkri­te­ri­en für die Verhält­nismäßig­keit ei­nes Un­terstützungs­streiks auf den vor­lie­gen­den Le­bens­sach­ver­halt an­wen­det, ist fest­zu­stel­len, dass auch kei­nes der nicht ab­sch­ließend ge­nann­ten Kri­te­ri­en, die ge­gen ei­ne Un­verhält­nismäßig­keit des Un­terstützungs­streiks spre­chen, vor­lie­gend er-füllt ist.
(1) Auch die An­trag­stel­le­rin be­haup­tet nicht, dass der Haupt­ar­beits­kampf zwi­schen der An­trags­geg­ne­rin und der FSG rechts­wid­rig ist. (2) Es be­steht ei­ne en­ge Ver­bin­dung zwi­schen dem Haupt­ar­beits­kampf und ei­nem mögli­chen Un­terstützungs­streik. Bei­de Ar­beitskämp­fe würden sich auf dem Stutt­gar­ter Flug­ha­fen ab­spie­len. Die Vor­feld­lot­sen und die Flug­lot­sen sind ge­mein­sam für die Si­cher­heit des Flug­ver­kehrs auf dem Stutt­gar­ter Flug­ha­fen ver­ant­wort­lich. Sie ar­bei­ten eng zu­sam­men.
(3) Es be­steht ei­ne en­ge wirt­schaft­li­che Ver­floch­ten­heit zwi­schen der An­trag­stel­le­rin und der FSG. Die An­trag­stel­le­rin er­bringt für die FSG wich­ti­ge Dienst­leis­tun­gen. Die An­trag­stel­le­rin wird ab dem 01.04.2009 ei­nen Teil der seit­he­ri­gen Auf­ga­ben der FSG über­neh­men (Vor­feld­kon­trol­le).
(4) Die Ge­werk­schaft des Haupt­ar­beits­kamp­fes und des mögli­chen Un­terstützungs­streiks ist iden­tisch.
(5) Die An­trag­stel­le­rin verhält sich auf­grund der Ver­trags­la­ge nicht dis­tan­ziert - neu­tral zum Haupt­ar­beits­kampf. Die An­trag­stel­le­rin und die FSG ha­ben Not­fall­ver­ein­ba­run­gen ab­ge­schlos­sen, wo­nach die An­trag­stel­le­rin für die FSG Un­terstützungs­leis­tun­gen auf dem Vor­feld der FSG bei ei­nem Aus­fall der Vor­feld­kon­trol­le zu er­brin­gen hat. Die­se Ver­pflich­tung gilt grundsätz­lich auch für Zei­ten ei­nes Ar­beits­kamp­fes

 

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bei der FSG. Ab dem 01.04.2009 wird die An­trag­stel­le­rin die Vor­feld­kon­trol­le von der FSG über­neh­men und dafür ei­ne Vergütung er­hal­ten.
(6) Der­zeit kann auch nicht da­von ge­spro­chen wer­den, dass der Un­terstützungs­streik in den Vor­der­grund tritt. Das Aus­maß des mögli­chen Un­terstützungs­streiks ist der­zeit nicht vor­aus­zu­se­hen. Des­halb kann auch kei­ne Aus­sa­ge ge­trof­fen wer­den, ob sich der ge­sam­te Ar­beits­kampf si­gni­fi­kant auf den Un­terstützungs­streik ver­la­gert.
Ob­wohl die vor­ge­nann­ten Kri­te­ri­en nicht ku­mu­la­tiv erfüllt sein müssen, ist für den vor­lie­gen­den Sach­ver­halt fest­zu­hal­ten, dass die­se al­le erfüllt sind und des­halb nichts ge­gen ei­ne Un­verhält­nismäßig­keit des mögli­chen Un­terstützungs­streiks spricht.
2.3 Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob beim vor­lie­gen­den Sach­ver­halt über­haupt ein Verfü-gungs­grund be­steht, nach­dem von der An­trags­geg­ne­rin zu­letzt im Be­ru­fungs­ter­min ein Un­terstützungs­streik nach dem 31.03.2009 als „sehr wahr­schein­lich“ in Aus­sicht ge­stellt wor­den ist. Je­den­falls ist im Rah­men des Prüfungs­maßsta­bes der einst­wei­li­gen Verfügung der­zeit ein Verfügungs­an­spruch auf Un­ter­sa­gung des Un­terstützungs­streiks nicht er­kenn­bar, schon gar nicht of­fen­sicht­lich er­kenn­bar.

Zur Klar­stel­lung möch­te die Kam­mer aber auf Fol­gen­des hin­wei­sen:
Dem den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück­wei­sen­den Ur­teil kommt nur ein­ge­schränk­te ma­te­ri­el­le Rechts­kraft zu (vgl. zum Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts-kraft im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren: Münch­ner Kom­men­tar-Hein­ze, ZPO, 2. Auf­la­ge, Vor § 916 Rd­nr. 49, 52). Die Wie­der­ho­lung des Ge­suchs um einst­wei­li­gen Rechts­schutz ist zulässig, wenn das neue Ge­such um­fas­send auf im ers­ten Ver­fah­ren nicht vor­ge­tra­ge­ne neue Tat­sa­chen gestützt wird (Münche­ner Kom­men­tar aaO Rd­nr. 53). Falls die An­trags­geg­ne­rin bei der An­trag­stel­le­rin ei­nen mögli­chen Un­terstützungs­streik mit un­verhält­nismäßigen Mit­teln führen oder es zu Streik­ex­zes­sen kom­men soll­te, kann die An­trag­stel­le­rin dar­auf ei­nen neu­en An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zur Un­ter­sa­gung die­ser dann un­verhält­nismäßigen Streik­maßnah­men stützen.

C.

 

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Da so­mit die so­for­ti­ge Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin kei­nen Er­folg ha­ben konn­te, hat sie die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tra­gen.

 

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

 

Hen­sin­ger

Baum­gart

Kei­per

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