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BAG, Ur­teil vom 21.09.1999, 9 AZR 893/98

   
Schlagworte: Zeugnis
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 893/98
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.09.1999
   
Leitsätze: Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis, das er zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen, zB durch Schwärzungen. Schließt das Arbeitszeugnis mit dem in Maschinenschrift angegebenen Namen des Ausstellers und seiner Funktion, so muß das Zeugnis von diesem persönlich unterzeichnet werden.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Kassel
Hessisches Landesarbeitsgericht
   

9AZR 893/98
5/3 Sa 547/98 Hes­si­sches LAG


Im Na­men des Vol­kes!


Verkündet am
21. Sep­tem­ber 1999


Ur­teil

Brüne,
Ur­kunds­be­am­tin 

In Sa­chen

der Geschäfts­stel­le

PP.

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Sep­tem­ber 1999 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Lei­ne­mann, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell und die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rei­ne­cke so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Ga­ber und Ott für Recht er­kannt:



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Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 24. Sep­tem­ber 1998 - 5/3 Sa 547/98 - wird zurück­ge­wie­sen.


Der Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand:


Die Par­tei­en strei­ten im Rah­men ei­ner Voll­stre­ckungs­ab­wehr­kla­ge, ob die Kläge­rin ih­re Ver­pflich­tung erfüllt hat, dem Be­klag­ten ein Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len.


Der Be­klag­te war bei der Kläge­rin vom 1. April 1994 bis 31. De­zem­ber 1995 als As­sis­tent der Geschäfts­lei­tung beschäftigt. Zur Er­le­di­gung ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses schlos­sen die Par­tei­en am 30. Ok­to­ber 1995 vor dem Ar­beits­ge­richt ei­nen Ver­gleich, in dem sich die Kläge­rin ua. ver­pflich­te­te, dem Be­klag­ten ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis zu er­tei­len. In ei­nem wei­te­ren vor dem Ar­beits­ge­richt geführ­ten Ver­fah­ren wur­de die Kläge­rin ver­ur­teilt, das dem Be­klag­ten un­ter dem Da­tum 31. De­zem­ber 1995 er­teil­te Zeug­nis in ei­ni­gen Punk­ten zu be­rich­ti­gen. Die­ses ursprüng­li­che Zeug­nis hat­te der Geschäftsführer der Kläge­rin un­ter­zeich­net. Am 9. Fe­bru­ar 1997 warf er ein kor­ri­gier­tes Zeug­nis in den Brief­kas­ten des Pro­zeßbe­vollmäch­tig­ten des Be­klag­ten ein. Das Zeug­nis be­fand sich in ei­nem Um­schlag DIN lang (ein Drit­tel DIN A 4) und war des­halb zwei­mal ge­fal­tet. Der ma­schi­nen­schrift­li­che Zeug­nis­text en­det mit dem Na­men des Geschäftsführers der Kläge­rin und dem Zu­satz „Geschäftsführer". Dort ist das Zeug­nis hand­schrift­lich un­ter­zeich­net. Der Be­klag­te be­trieb wei­ter­hin die Zwangs­voll­stre­ckung.



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Die Kläge­rin meint, sie ha­be den im Ur­teil fest­ge­stell­ten An­spruch des Be­klag­ten erfüllt.


Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Zwangs­voll­stre­ckung aus dem Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kas­sel vom 30. Ok­to­ber 1997 - 1 Ca 176/97 - für un­zulässig zu erklären.


Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Ar­beits­ge­richt und Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Hier­ge­gen wen­det sich die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on des Be­klag­ten. Er macht gel­tend, das Zeug­nis sei nicht ord­nungs­gemäß er­teilt, weil es zwei Fal­zun­gen auf­wei­se. Außer­dem sei da­von aus­zu­ge­hen, daß der Geschäftsführer das Zeug­nis nicht persönlich un­ter­zeich­net ha­be. Der Schrift­zug wei­che von den ihm be­kann­ten Un­ter­schrif­ten des Geschäftsführers ab. Die Kläge­rin bit­tet um Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.


Ent­schei­dungs­gründe:

Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ist un­be­gründet.


I. Die Kla­ge ist zulässig. Ein­wen­dun­gen des Schuld­ners ge­gen den im Ur­teil fest­ge­stell­ten An­spruch sind nach § 767 Abs. 1 ZPO mit der Voll­stre­ckungs­ge­gen-kla­ge gel­tend zu ma­chen. Zu den zulässi­gen Ein­wen­dun­gen gehört die Be­haup­tung der Kläge­rin, der An­spruch des Be­klag­ten auf Er­tei­lung des Zeug­nis­ses sei nach Er­laß des Ur­teils durch Erfüllung er­lo­schen. Ihr Rechts­schutz­bedürf­nis er­gibt sich



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aus der Ab­sicht des Be­klag­ten, bei Ob­sie­gen im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren wei­ter aus dem Ur­teil zu voll­stre­cken.


II. Die Kla­ge ist be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben zu Recht die Zwangs­voll­stre­ckung aus dem streit­be­fan­ge­nen Ur­teil für un­zulässig erklärt.


1. Die Be­gründet­heit der Kla­ge er­gibt sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin nicht be­reits aus der Übe­rein­stim­mung des Zeug­nis­tex­tes mit dem Ur­teils­spruch. Ein Ar­beits­zeug­nis über Art und Dau­er der Beschäfti­gung so­wie Führung und Leis­tung (§ 630 BGB, § 73 HGB, § 113 Ge­wO) dient dem Ar­beit­neh­mer als Be­wer­bungs­un­ter­la­ge. Es muß des­halb nicht nur in­halt­lich zu­tref­fen, son­dern auch in gehöri­ger Form er­teilt sein (vgl. BAG 3. März 1993 - 5 AZR 182/92 - AP BGB § 630 Nr. 20 = EzA BGB § 630 Nr. 17).


Ein Ur­teil, mit dem der Ar­beit­ge­ber ver­ur­teilt wird, dem Ar­beit­neh­mer ein be­reits aus­gehändig­tes Zeug­nis in be­stimm­ten For­mu­lie­run­gen zu ändern und das Zeug­nis mit die­sem In­halt zu er­tei­len, be­trifft da­mit nicht nur den An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ein der­art „be­rich­tig­tes" Zeug­nis. Der Ar­beit­ge­ber hat die von ihm ge­schul­de­te Leis­tung iSv. § 362 BGB erst be­wirkt, wenn das Zeug­nis in­halt­lich dem Zeug­nis ent­spricht, das Grund­la­ge des Ur­teils ist, und wenn das Zeug­nis auch im übri­gen nicht we­gen äußerer Mängel zu be­an­stan­den ist. Die Fra­ge, ob der Ar­beit­neh­mer, der die „Be­rich­ti­gung" ei­nes er­teil­ten Zeug­nis­ses ver­langt, den Erfüllungs­an­spruch ver­folgt, oder ei­nen An­spruch aus Schlech­terfüllung (vgl. BAG 17. Fe­bru­ar 1988 - 5 AZR 638/86 - AP BGB § 630 Nr. 17 = EzA BGB § 630 Nr. 12), ist hierfür oh­ne Be­deu­tung.



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2. Die Kläge­rin hat den Zeug­nis­an­spruch des Be­klag­ten erfüllt, weil das ihm über­mit­tel­te Zeug­nis nicht zu be­an­stan­den ist. Der im Ur­teil fest­ge­stell­te An­spruch des Be­klag­ten auf Zeug­nis­er­tei­lung ist da­mit er­lo­schen (§ 362 BGB).


a) Der Be­klag­te macht gel­tend, für je­den Ar­beit­ge­ber, bei dem er sich mit die­sem Zeug­nis be­wer­be, wer­de aus den Fal­zun­gen deut­lich, daß das Zeug­nis nicht persönlich aus­gehändigt, son­dern zu­ge­sandt wor­den sei. Da das Zeug­nis in­des­sen ab­zu­ho­len sei, las­se die­se an­de­re Form der Zeug­nisüber­mitt­lung auf Un­stim­mig­kei­ten mit dem frühe­ren Ar­beit­ge­ber schließen. Sie stell­ten ein un­zulässi­ges Ge­heim­zei­chen dar.


Dem folgt der Se­nat nicht.


Das Ar­beits­zeug­nis darf nicht mit Merk­ma­len ver­se­hen sein, die den Zweck ha­ben, den Ar­beit­neh­mer in ei­ner aus dem Wort­laut des Zeug­nis­ses nicht er­sicht­li­chen Wei­se zu kenn­zeich­nen (§ 113 Abs. 3 Ge­wO). Des­halb muß ein Zeug­nis auch nach sei­ner äußeren Form den An­for­de­run­gen ent­spre­chen, wie sie im Geschäfts­le­ben an ein Ar­beits­zeug­nis ge­stellt wer­den und de­ren Ein­hal­tung vom Le­ser als selbst­verständ­lich er­war­tet wird. Fehlt es dar­an, kann der Ein­druck er­weckt wer­den, der Ar­beit­ge­ber dis­tan­zie­re sich vom buchstäbli­chen Wort­laut sei­ner Erklärun­gen. Der Ar­beit­neh­mer wer­de in Wahr­heit an­ders, nämlich ungüns­ti­ger als im Zeug­nis be­schei­nigt, be­ur­teilt (vgl. BAG 9. Sep­tem­ber 1992 - 5 AZR 509/91- und 3. März 1993 - 5 AZR 182/92 - AP BGB § 630 Nr. 19 und Nr. 20 = EzA BGB § 630 Nr. 15 und Nr. 17).


Das Vor­brin­gen des Be­klag­ten recht­fer­tigt nicht die An­nah­me, die Fal­zun­gen sei­en sol­che un­zulässi­gen Merk­ma­le.



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Dem Um­stand, daß das Ar­beits­zeug­nis ei­ne Hol­schuld im Sin­ne von § 269 Abs. 2 BGB ist, läßt sich das nicht ent­neh­men. Der Ar­beit­ge­ber ist zwar re­gelmäßig nicht ver­pflich­tet, dem Ar­beit­neh­mer das Ar­beits­zeug­nis zu schi­cken. Sei­ne Pflicht be­schränkt sich dar­auf, das Ar­beits­zeug­nis im Be­trieb für den Ar­beit­neh­mer zum Ab­ho­len be­reit zu hal­ten (BAG 8. März 1995 - 5 AZR 848/93 - AP BGB § 630 Nr. 21 = EzA BGB § 630 Nr. 19). An­de­re Rechts­fol­gen sind mit die­ser Fest­le­gung des Leis­tungs­or­tes aber nicht ver­bun­den. Ins­be­son­de­re läßt sich hier­aus kei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers her­lei­ten, das Zeug­nis of­fen aus­zuhändi­gen oder nur in ei­nem DIN A 4 Um­schlag oder in sons­ti­ger Wei­se un­ge­fal­tet vor Beschädi­gung oder Ver­schmut­zung bis zur Aushändi­gung zu schützen.


Die Über­sen­dung von Ar­beits­zeug­nis­sen ist zu­dem nicht un­gebräuch­lich, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat. Oft ent­spricht der Ar­beit­ge­ber da­mit dem aus­drück­li­chen Wunsch des Ar­beit­neh­mers, der et­wa we­gen Krank­heit oder we­gen der in In­an­spruch­nah­me von Rest­ur­laub ge­hin­dert ist, den Be­trieb auf­zu­su­chen und auch kei­nen Drit­ten mit dem Ho­len des Zeug­nis­ses be­auf­tra­gen kann oder will. Im Ein­zel­fall kann der Ar­beit­ge­ber im In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers auch ver­pflich­tet sein, das Zeug­nis dem Ar­beit­neh­mer zu schi­cken (BAG 8. März 1995 - 5 AZR 848/93 - AP BGB § 630 Nr. 21 = EzA BGB § 630 Nr. 19). Oh­ne nähe­re Dar­le­gung bie­tet al­lein das Über­sen­den ei­nes Zeug­nis­ses des­halb kei­nen An­laß, auf ei­nen Streit zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber und da­mit auf ei­nen mögli­chen fal­schen Zeug­nis­in­halt zu schließen.


b) Ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung ist auch nicht we­gen der Be­haup­tung des Be­klag­ten an­ge­zeigt, Ar­beits­zeug­nis­se würden übli­cher­wei­se un­ge­fal­tet ver­sandt, nämlich in ei­ner Ver­sand­ta­sche DIN A 4 mit ge­steif­ten Rücken. Ei­ne der­ar­ti­ge Übung hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht fest­ge­stellt.



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c) Die Erwägung des Be­klag­ten, ihm sei nicht zu­zu­mu­ten, sich mit ei­nem „ge­knick­ten" Zeug­nis zu be­wer­ben, da sei­ne Be­wer­bungs­chan­cen hier­durch be­ein­träch­tigt würden, ver­hilft der Re­vi­si­on nicht zum Er­folg.


Zwar wird im Schrift­tum ver­tre­ten, das Fal­ten ei­nes Zeug­nis­ses sei nicht nur ei­ne gro­be Un­gehörig­keit, son­dern der Ar­beit­ge­ber ver­let­ze sei­ne Fürsor­ge­pflicht. Der Ar­beit­neh­mer, der mit ei­nem „ge­knick­ten" Zeug­nis auf Stel­len­su­che ge­hen müsse, ver­mitt­le den Ein­druck be­acht­li­cher Sorg­lo­sig­keit beim Um­gang mit der­art wich­ti­gen Do­ku­men­ten (Sch­leßmann, Das Ar­beits­zeug­nis, 15. Aufl., S. 36; Red. Anm. zu LAG Schles­wig-Hol­stein, 9. De­zem­ber 1997 - 5 Ta 97/96 - BB 1998, 275).


Das über­zeugt je­doch nicht. Der Ar­beit­ge­ber hat die ge­schul­de­te Leis­tung er­bracht, wenn das er­teil­te Ar­beits­zeug­nis ge­eig­net ist, dem Ar­beit­neh­mer be­stim­mungs­gemäß als Be­wer­bungs­un­ter­la­ge zu die­nen. Da schrift­li­chen Be­wer­bun­gen re­gelmäßig Zeug­nis­ab­lich­tun­gen bei­gefügt wer­den, muß das Ori­gi­nal­zeug­nis ko­pierfähig sein. Si­cher­zu­stel­len ist außer­dem, daß sau­be­re und or­dent­li­che Ko­pi­en ge­fer­tigt wer­den können. Das ist nicht gewähr­leis­tet, wenn sich zB. die Fal­zun­gen auf den Ko­pi­en durch quer über den Bo­gen ver­lau­fen­de Schwärzun­gen ab­zeich­nen. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts (§ 561 ZPO) ist das hier aber nicht der Fall.

Die Vor­la­ge des Ori­gi­nal­zeug­nis­ses in „ge­knick­ter" Form mag auf ei­nen sorg­lo­sen Um­gang des Ar­beit­neh­mers mit Geschäfts­un­ter­la­gen deu­ten. Die­sen Ein­druck kann der Ar­beit­neh­mer selbst ver­mei­den, in­dem er die ent­fal­te­te Ur­kun­de in ei­ner Do­ku­men­tenhülle ver­wahrt und das Zeug­nis auf die­se Wei­se bei Be­wer­bungs­gesprächen präsen­tiert.



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d) Ein Man­gel des Zeug­nis­ses er­gibt sich schließlich auch nicht aus der Be­haup­tung des Be­klag­ten, der Geschäftsführer der Kläge­rin ha­be das Zeug­nis nicht persönlich un­ter­zeich­net.


aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat im An­schluß an das Ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, es sei nicht er­for­der­lich, daß das Zeug­nis von dem­je­ni­gen un­ter­zeich­net wer­de, des­sen Na­men als Aus­stel­ler des Zeug­nis­ses im An­schluß an den Zeug­nis­text in Ma­schi­nen­schrift ge­nannt wer­de. Es rei­che aus, wenn ein hier­zu be­vollmäch­tig­ter Drit­ter das Zeug­nis mit dem Na­men des Aus­stel­lers hand­schrift­lich un­ter­zeich­ne.


Mit die­ser Be­gründung ist der Ein­wand des Be­klag­ten nicht zurück­zu­wei­sen.


Für rechts­geschäft­li­che Wil­lens­erklärun­gen, die kraft Ge­set­zes der Schrift­form un­ter­lie­gen, ist an­er­kannt, daß die Schrift­form auch dann ge­wahrt ist, wenn ein be­vollmäch­tig­ter Ver­tre­ter die Ur­kun­de oh­ne Hin­weis auf das Ver­tre­tungs­verhält­nis mit dem Na­men des Ver­tre­te­nen un­ter­zeich­net. Die nach §126 Abs.1 BGB vom Aus­stel­ler ver­lang­te ei­genhändi­ge Un­ter­zeich­nung durch Na­mens­un­ter­schrift schließt nur die Ver­wen­dung von Stem­peln, Ko­pi­en usw. aus. Ei­genhändig iS der Vor­schrift ist als „hand­schrift­lich" zu ver­ste­hen (st. Rspr. seit RG 27. Ju­ni 1910 - VI 297/08 - RGZ 74, 69 ).


Für das Zeug­nis­recht ist das nicht un­ein­ge­schränkt zu über­neh­men. Ei­ne Ver­tre­tung in der Un­ter­schrift ist nicht zulässig, wenn der Na­me des Aus­stel­lers in Ma­schi­nen­schrift un­ter dem Zeug­nis­text an­geführt ist.


Das schrift­lich zu er­tei­len­de Ar­beits­zeug­nis muß nicht vom Ar­beit­ge­ber selbst oder sei­nem ge­setz­li­chen Or­gan ge­fer­tigt und un­ter­zeich­net wer­den. Er kann hier­mit auch ei­nen un­ter­neh­mens­an­gehöri­gen Ver­tre­ter als Erfüllungs­ge­hil­fen be­auf­tra­gen, der das Zeug­nis dann im Na­men des Ar­beit­ge­bers er­teilt und auch un­ter-



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schreibt. Das Ver­tre­tungs­verhält­nis und die Funk­ti­on sind re­gelmäßig an­zu­ge­ben, weil die Per­son und der Rang des Un­ter­zeich­nen­den Auf­schluß über die Wertschätzung des Ar­beit­neh­mers und die Kom­pe­tenz des Aus­stel­lers zur Be­ur­tei­lung des Ar­beit­neh­mers und da­mit über die Rich­tig­keit der im Zeug­nis ge­trof­fe­nen Aus­sa­gen gibt (vgl. BAG 16. No­vem­ber 1995 - 8 AZR 983/94 - EzA BGB § 630 Nr. 20). Das Feh­len die­ser An­ga­ben kann sich des­halb als nach­tei­lig für den Ar­beit­neh­mer er­wei­sen. Ein Zeug­nis, das mit dem ma­schi­nen­schrift­li­chen Na­men des Ar­beit­ge­bers oder des Or­gan­ver­tre­ters ab­sch­ließt und dem ein die­sem Na­men ent­spre­chen­der Schrift­zug bei­gefügt ist, ist in­so­weit nicht un­vollständig. Der Ar­beit­ge­ber hat den­noch si­cher­zu­stel­len, daß der­je­ni­ge das Zeug­nis persönlich un­ter­schreibt, der als Aus­stel­ler aus­drück­lich ge­nannt wird. Wer nach außen als Aus­stel­ler ei­nes Zeug­nis­ses auf­tritt, dis­tan­ziert sich von sei­nem In­halt, wenn er es von ei­nem be­lie­bi­gen Drit­ten un­ter­schrei­ben läßt. Er über­nimmt da­mit zwar wei­ter­hin die Ver­ant­wor­tung für den Zeug­nis­in­halt. Der Wert des Zeug­nis­ses kann da­durch gleich­wohl nach­hal­tig ge­min­dert wer­den. Das kann auf der Kennt­nis der wah­ren Un­ter­schrift be­ru­hen. Das Schrift­bild selbst kann An­laß zu Ir­ri­ta­tio­nen sein. So kann der Schrift­zug un­geübt, nicht flüssig oder schüler­haft wir­ken und läßt sich des­halb ggf. nicht mit der Po­si­ti­on des ver-meint­li­chen Un­ter­zeich­ners ver­ein­ba­ren. Ob das Zeug­nis sol­che Auffällig­kei­ten auf­weist, hängt da­mit vom Ein­zel­fall ab. Der­ar­ti­ge Un­si­cher­hei­ten dürfen dem Ar­beits­zeug­nis je­doch von vorn­her­ein nicht an­haf­ten.


bb) Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­weist sich gleich­wohl als rich­tig. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­haup­tung der Kläge­rin, ihr Geschäftsführer ha­be das Zeug­nis persönlich un­ter­zeich­net, als wahr be­ur­teilt. Die hier­ge­gen er­ho­be­ne Ver­fah­rensrüge des Be­klag­ten ist oh­ne Er­folg.



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Über das Er­geb­nis ei­ner Schrift­ver­glei­chung (§ 441 ZPO) hat das Ge­richt nach frei­er Über­zeu­gung zu ent­schei­den (§ 442 ZPO). Es liegt in sei­nem pflicht­gemäßen Er­mes­sen, ob es auf ei­nen Sach­verständi­gen zurück­greift oder sich sei­ne Über­zeu­gung auf­grund Au­gen­schein­nahr­ne (§ 371 ZPO) bil­det. Ei­nen Er­mes­sens­feh­ler hat die Re­vi­si­on in­des­sen nicht dar­ge­tan. Er er­gibt sich nicht aus der vom Be­klag­ten zu­tref­fend auf­ge­grif­fe­nen Aus­sa­ge das Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Un­ter­schrift un­ter dem Zeug­nis zei­ge ein „an­ders­ar­ti­ges Schrift­bild". Denn das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Schrift­zug des Geschäftsführers der Kläge­rin ins­ge­samt als „un­ein­heit­lich" be­ur­teilt. Al­le ihm vor­lie­gen­den Un­ter­schrif­ten wi­chen von­ein­an­der ab. Es hat die Un­ter­schrift aber als les­bar und iden­ti­fi­zier­bar be­ur­teilt und dem Geschäftsführer der Kläge­rin zu­ge­ord­net. Die Re­vi­si­on hätte sich des­halb auch mit den wei­te­ren Ausführun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts aus­ein­an­der­set­zen müssen, die das Ge­richt zu der Über­zeu­gung ge­bracht ha­ben, der Geschäftsführer der Kläge­rin ha­be das Zeug­nis persönlich un­ter­zeich­net. Dar­an fehlt es.


III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO.


Lei­ne­mann

Düwell

Rei­ne­cke

Ott

Gar­ber

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