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LAG Rhein­land-Pfalz, Be­schluss vom 29.11.2011, 11 Ta 254/11

   
Schlagworte: Zwangsvollstreckung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 11 Ta 254/11
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 29.11.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Ludwigshafen, Beschluss vom 07.09.2011, 6 Ca 663/10
   

Ak­ten­zei­chen:
11 Ta 254/11
6 Ca 663/10
ArbG Lud­wigs­ha­fen
- AK Land­au -
Ent­schei­dung vom 29.11.2011

Te­nor:
Auf die Be­schwer­de der Be­schwer­deführe­rin Frau A. wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Lud­wigs­ha­fen - Auswärti­ge Kam­mern Land­au in Pfalz - vom 07.09.2011, AZ: 6 Ca 663/10, auf­ge­ho­ben.

Der Kläger hat die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens zu tra­gen.
Der Wert des Be­schwer­de­ver­fah­rens wird auf 1.000,- € fest­ge­setzt.
Die Rechts­be­schwer­de wird nicht zu­ge­las­sen.

GRÜNDE:
I.
Zur Er­le­di­gung der vom Kläger un­ter dem 11.08.2010 ein­ge­reich­ten Kündi­gungs­schutz­kla­ge schlos­sen die Par­tei­en in der Sit­zung vom 14.09.2010 (aus­zugs­wei­se) nach­fol­gen­den Ver­gleich:

Bei­de Par­tei­en sind sich darüber ei­nig, dass das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auf­grund or­dent­li­cher, ar­beit­ge­ber­sei­ti­ger Kündi­gung zum 15.08.2010 sein En­de ge­fun­den hat.
Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, das Ar­beits­verhält­nis bis zum Be­en­di­gungs­zeit­punkt ord­nungs­gemäß ab­zu­rech­nen und den noch of­fen­ste­hen­den Net­to­lohn an den Kläger aus­zu­zah­len.

Nach Er­tei­lung der voll­streck­ba­ren Aus­fer­ti­gung des Ver­gleichs am 17.06.2011 ging bei Ge­richt am 15.08.2011 ein An­trag des Klägers und Gläubi­gers gestützt auf § 888 ZPO ein, der aus­zugs­wei­se nach­fol­gen­den In­halt hat­te:
"ge­gen die Schuld­ner we­gen nicht er­folg­ter Ab­rech­nung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Gläubi­ger und we­gen nicht er­folg­ter Aus­zah­lung des noch of­fen­ste­hen­den Net­to­loh­nes an den Gläubi­ger gemäß voll­streck­ba­rem Ver­gleich des Ar­beits­ge­richts Lud­wigs­ha­fen am Rhein vom 14.09.2010 ein Zwangs­geld fest­zu­set­zen und für den Fall, dass die­ses nicht bei­ge­trie­ben wer­den kann, Zwangs­haft an­zu­ord­nen."

Der Kläger trug vor, die Be­klag­ten und Schuld­ner sei­en trotz Zu­stel­lung des Ti­tels und voll­streck­ba­rer Aus­fer­ti­gung we­der der Ver­pflich­tung zur Ab­rech­nung noch zur Aus­zah­lung des Net­to­loh­nes nach­ge­kom­men.

Mit Be­schluss vom 07.09.2011 (Bl. 39 d.A). hat das Ar­beits­ge­richt Lud­wigs­ha­fen - Auswärti­ge Kam­mern Land­au - Zwangs­geld, er­satz­wei­se Zwangs­haft zur Er­zwin­gung der Erfüllung von Zif­fer 2 des Ver­glei­ches vom 14.09.2010 an­ge­ord­net mit nach­fol­gen­dem Te­nor:

Ge­gen die Be­klag­ten wird ein Zwangs­geld in Höhe von 1.000,- € er­satz­wei­se Zwangs­haft in Höhe von 20 Ta­gen á 50,00 € an­ge­ord­net zur Er­zwin­gung der Erfüllung der Nr. 2 des Pro­zess­ver­gleichs, der vor dem Ar­beits­ge­richt Lud­wigs­ha­fen, Auswärti­ge Kam­mern Land­au, vom 14.09.2010 ab­ge­schlos­sen wur­de.

Die­ser Be­schluss wur­de den Be­klag­ten je­weils un­ter dem 24.09.2011 (Bl. 43 a und b d.A.) zu­ge­stellt. Je­weils ein­ge­hend un­ter dem 06.10.2011 (Bl. 47 und 48 d.A.) ha­ben die Be­klag­ten und Schuld­ner Be­schwer­de ein­ge­legt. Die Schuld­ne­rin A. mit der Be­gründung, sie sei nie Ar­beit­ge­be­rin ge­we­sen. Der Schuld­ner C. mit der Be­gründung, Ab­rech­nung könne erst er­fol­gen, wenn der Kläger in des­sen Be­sitz be­find­li­che im Ei­gen­tum des Schuld­ners ste­hen­de Ge­genstände her­aus­ge­be. Der Kläger ist dem An­sin­nen der Be­klag­ten ent­ge­gen­ge­tre­ten.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Be­schluss vom 22.11.2011 der Be­schwer­de der Schuld­ne­rin und Be­klag­ten zu 1. A. nicht ab­ge­hol­fen und die Be­schwer­de dem Lan­des­ar­beits­ge­richt vor­ge­legt.

Die Be­schwer­de des Schuld­ners zu 2. hat das Ar­beits­ge­richt noch nicht im Nicht­ab­hil­fe­ver­fah­ren be­schie­den.

II. 1. Die statt­haf­te und form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te so­for­ti­ge Be­schwer­de der Schuld­ne­rin A. (§§ 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 567, 569, 793 ZPO) ist zulässig. Die Schuld­ne­rin hat ( wie auch der Schuld­ner zu 2) ge­gen den Zwangs­geld­be­schluss in­ner­halb der zweiwöchi­gen Be­schwer­de­frist mit Schrift­satz vom 02.10.2011, Ge­richts­ein­gang 06.10.2011, Be­schwer­de er­ho­ben.

2. Die Be­schwer­de ist auch be­gründet.
Das vom Gläubi­ger ein­ge­lei­te­te Zwangs­voll­stre­ckungs­be­geh­ren we­gen Nich­terfüllung der in Ziff. 2 des Ver­gleichs vom 14.09.2011 ein­ge­gan­ge­nen Ver­pflich­tung war von An­fang an un­be­gründet.

a. Dies be­trifft oh­ne wei­te­res die im Ver­gleich ver­ein­bar­te Zah­lungs­ver­pflich­tung der noch of­fen­ste­hen­den Net­to­beträge. Zah­lungs­ansprüche wer­den nicht im We­ge der Voll­stre­ckung nach § 888 ZPO (un­ver­tret­ba­re Hand­lung), son­dern nach §§ 803 ff ZPO (Voll­stre­ckung we­gen Geld­for­de­run­gen) voll­streckt, vor­aus­ge­setzt, ein voll­streck­ba­rer, ins­be­son­de­re aus­rei­chend be­stimm­ter, Ti­tel liegt vor.

b. Das Voll­stre­ckungs­be­geh­ren des Klägers die Ab­rech­nungs­ver­pflich­tung der Schuld­ner be­tref­fend war eben­falls un­be­gründet.

aa. Da­hin­ste­hen kann, ob die Voll­stre­ckung der Ab­rech­nungs­pflicht nach Ziff. 2 des Ver­gleichs sich nach § 887 ZPO oder § 888 ZPO rich­tet.
Nach neue­rer Recht­spre­chung des BAG (BAG 07.09.2009 - 3 AZB 19/09 - NZA 2010, 61) kommt § 888 ZPO nur zum Zu­ge, wenn es sich um ei­ne Ab­rech­nung nach § 108 Ge­wO han­delt, d.h. wenn das Ar­beits­ent­gelt, über das ei­ne Ab­rech­nung er­teilt wer­den soll, tatsächlich ge­zahlt wor­den ist, al­so die Ab­rech­nungs­ver­pflich­tung nicht erst die Durch­set­zung ei­nes Zah­lungs­an­spruchs vor­be­rei­ten soll (vgl. BAG 12.07.2006 - 5 AZR 646/05 - NZA 2006, 1294; 10.01.2007 - 5 AZR 665/06 - NZA 2007, 679; LAG Hamm 04.08.2010 - 7 Ta 387/10; LAG Ber­lin-Bran­den­burg 16.08.2010 - 25 Ta 1628/10 - zi­tiert nach ju­ris). Nach dem Wort­laut der Zif­fer 2 des Ver­glei­ches ("… und den noch of­fen­ste­hen­den Net­to­lohn an den Kläger aus­zu­zah­len.") hat­ten die Schuld­ner bei Ver­gleichs­ab­schluss noch nicht ge­zahlt, folg­lich kann es sich bei der ein­ge­gan­ge­nen Ab­rech­nungs­ver­pflich­tung nicht um die­je­ni­ge nach § 108 Ge­wO ge­han­delt ha­ben. Dies wie­der­um spricht dafür, dass die Ab­rech­nungs­ver­pflich­tung ei­ne ver­tret­ba­re Hand­lung ist, die nach § 887 ZPO durch Er­satz­vor­nah­me zu voll­stre­cken ist, denn sie kann in der Re­gel von ei­nem sach­kun­di­gen Drit­ten an­hand von Un­ter­la­gen des Ver­pflich­te­ten vor­ge­nom­men wer­den (LAG Rhein­land-Pfalz 20.02.2008 - 8 Ta 22/08; LAG Hamm 20.07.2010 - 1 Ta 344/10 - je­weils zi­tiert nach ju­ris).

bb. Je­den­falls fehlt es an ei­ner Voll­stre­ckungsfähig­keit der in Ziff. 2 des Ver­gleichs fest­ge­leg­ten Ab­rech­nungs­ver­pflich­tung. Ei­ne in ei­nem ge­richt­lich er­strit­te­nen Ti­tel nie­der­ge­leg­te Ver­pflich­tung, die nicht aus dem Ti­tel selbst her­aus kon­kret be­stimmt ist, ist nicht voll­stre­ckungsfähig. Der Schuld­ner muss zu­verlässig er­ken­nen können, wel­che Hand­lun­gen er vor­zu­neh­men hat, zu de­nen er durch Zwangs­geld - und ggf. auch durch Zwangs­haft - ge­zwun­gen wer­den kann. Un­klar­hei­ten über den In­halt der Ver­pflich­tung dürfen nicht aus dem Er­kennt­nis­ver­fah­ren in das Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­la­gert wer­den. Auf­ga­be des Voll­stre­ckungs­ver­fah­rens ist die Klärung der Fra­ge, ob der Schuld­ner ei­ner ti­tu­lier­ten Ver­pflich­tung nach­ge­kom­men ist, nicht aber die Fra­ge, wor­in die­se Ver­pflich­tung be­steht (LAG Düssel­dorf 21.07.2003 - 16 Ta 105/02 - MDR 2003, 1380; OLG Frank­furt 10.03.2003 - 20 W 96/99 - zi­tiert nach ju­ris; BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516; BAG 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - NZA 2009, 917). Das zu er­zwin­gen­de Ver­hal­ten muss im Ti­tel ein­deu­tig be­zeich­net sein (Pa­landt/Hein­richs, BGB, § 261 Rn. 28). Da­zu gehört u.a., dass ei­ne Zwangs­voll­stre­ckung aus dem Ti­tel nicht ei­ne Fort­set­zung des Streits im Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren er­war­ten lässt (BGH 14.12.1998 - II ZR 330/97 - NJW 1999, 954).

Die­sen An­for­de­run­gen genügt Ziff. 2 des Ver­gleichs nicht. Es ist nicht er­sicht­lich, für wel­chen Zeit­raum Lohn­ab­rech­nun­gen er­fol­gen sol­len und was in die Lohn­ab­rech­nun­gen ein­be­zo­gen wer­den soll (vgl. zu die­sen An­for­de­run­gen LAG Hamm 22.07.2008 - 7 Ta 477/08; 06.12.2010 - 1 Ta 668/10; Tie­de­mann, Ar­bRB 2010 96, 97 m.w.N.). Of­fen bleibt auch, auf der Grund­la­ge wel­chen Lohn­be­tra­ges die Ab­rech­nung er­fol­gen soll. Das lässt sich auch dem sons­ti­gen In­halt des Ver­gleichs nicht ent­neh­men, ist da­her auf­grund des In­halts des Ver­gleichs we­der be­stimmt noch be­stimm­bar (LAG Schles­wig-Hol­stein - 19. Ju­li 2001 - 4 Ta 98/01, LAG Rhein­land-Pfalz 10. Mai 2005 - 11 Ta 50/05 , je­weils zi­tiert nach ju­ris).
Dem Ver­gleich fehlt da­her in Zif­fer 2 die Voll­stre­ckungsfähig­keit.

3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten folgt aus §§ 891 S.3, 91 ZPO.

4. Man­gels Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen (§§ 72, 78 ArbGG) be­stand kei­ne Ver­an­las­sung die Rechts­be­schwer­de zu­zu­las­sen.

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