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BAG, Ur­teil vom 16.01.2018, 7 AZR 622/15

   
Schlagworte: Erwerbsminderungsrente, Behinderung, Schwerbehinderter Mensch, Gleichstellung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 622/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.01.2018
   
Leitsätze: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung aufgrund des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung erfordert bei einem schwerbehinderten oder ihm gleichgestellten Menschen nach § 92 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung die vorherige Zustimmung des Integrationsamts, wenn bei Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der auflösenden Bedingung nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG die Anerkennung der Schwerbehinderung oder die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen erfolgt ist oder die entsprechende Antragstellung mindestens drei Wochen zurückliegt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Fulda, Urteil vom 29.11.2013, 1 Ca 195/13
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.07.2015, 3 Sa 1544/13
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

7 AZR 622/15
3 Sa 1544/13
Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
16. Ja­nu­ar 2018

UR­TEIL

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

 

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 16. Ja­nu­ar 2018 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Kiel, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Renn­pferdt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kley und Busch für Recht er­kannt:

 

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Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 17. Ju­li 2015 - 3 Sa 1544/13 - auf­ge­ho­ben.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ful­da vom 29. No­vem­ber 2013 - 1 Ca 195/13 - wird zurück­ge­wie­sen.

Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob ihr Ar­beits­verhält­nis auf­grund Be­wil­li­gung ei­ner Ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung bei Be­rufs­unfähig­keit der Kläge­rin ge­en­det hat.

Die Kläge­rin war seit dem 1. De­zem­ber 1996 bei der Be­klag­ten, die zu gleich Ren­ten­ver­si­che­rungs­träge­rin, Kran­ken­ver­si­che­rung und so­zi­al­me­di­zi­ni­scher Dienst ist, in ei­ner von die­ser be­trie­be­nen Re­ha­kli­nik als Mas­seu­rin/Ba­de­meis­te­rin tätig. Nach § 2 des Ar­beits­ver­trags vom 29. No­vem­ber 1996 be­stimmt sich das Ar­beits­verhält­nis nach dem Knapp­schafts-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (KnAT) vom 12. Ju­ni 1961 und den die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen. Der die­sen Ta­rif­ver­trag er­set­zen­de Ta­rif­ver­trag der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Knapp­schaft-Bahn-See (TV DRV KBS) vom 23. Au­gust 2006 re­gelt in § 33 die „Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung“. Die­se Be­stim­mung lau­tet aus­zugs­wei­se:

„(2) Das Ar­beits­verhält­nis en­det fer­ner mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem der Be­scheid ei­nes Ren­ten­ver­si­che­rungs­trägers (Ren­ten­be­scheid) zu­ge­stellt wird, wo­nach die/der Beschäftig­te voll oder teil­wei­se er­werbs­ge­min­dert ist. Die/Der Beschäftig­te hat den Ar­beit­ge­ber von der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­schei­des un­verzüglich zu un­ter­rich­ten. Be­ginnt die Ren­te erst nach der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids, en­det das Ar­beits­verhält­nis mit Ab­lauf des dem

 

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Ren­ten­be­ginn vor­an­ge­hen­den Ta­ges. Liegt im Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne nach § 92 SGB IX er­for­der­li­che Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes noch nicht vor, en­det das Ar­beits­verhält­nis mit Ab­lauf des Ta­ges der Zu­stel­lung des Zu­stim­mungs­be­scheids des In­te­gra­ti­ons­am­tes. ...

(3) Im Fal­le teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung en­det bzw. ruht das Ar­beits­verhält­nis nicht, wenn der Beschäftig­te nach sei­nem vom Ren­ten­ver­si­che­rungs­träger fest­ge­stell­ten Leis­tungs­vermögen auf sei­nem bis­he­ri­gen oder ei­nem an­de­ren ge­eig­ne­ten und frei­en Ar­beits­platz wei­ter­beschäftigt wer­den könn­te, so­weit drin­gen­de dienst­li­che bzw. be­trieb­li­che Gründe nicht ent­ge­gen­ste­hen, und der Beschäftig­te in­ner­halb von zwei Wo­chen nach Zu­gang des Ren­ten­be­scheids sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung schrift­lich be­an­tragt.“

Die Kläge­rin war seit dem 8. Ju­li 2011 ar­beits­unfähig er­krankt. Am 6. Fe­bru­ar 2012 stell­te sie ei­nen An­trag auf Leis­tun­gen zur Re­ha­bi­li­ta­ti­on und nahm in der Fol­ge­zeit an ei­ner Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­maßnah­me teil. Aus den ab­sch­ließen­den ärzt­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ren­ten­ver­si­che­rungs­trägers er­gibt sich, dass die Kläge­rin über sechs St­un­den täglich körper­lich leich­te Tätig­kei­ten in wech­seln­der Ar­beits­hal­tung in Tag­schicht, Früh- oder Spätschicht, hin­ge­gen kei­ne körper­lich schwe­ren und durch­ge­hend mit­tel­schwe­ren Tätig­kei­ten mehr ver­rich­ten kann. Ei­ne Tätig­keit als „Mas­seu­rin/Ba­de­meis­te­rin“ kann sie da­nach nur un­ter drei St­un­den pro Tag ausüben.

Auf An­trag der Kläge­rin vom 6. Fe­bru­ar 2012 be­wil­lig­te ihr die Be­klag­te mit Be­scheid vom 18. Sep­tem­ber 2012 ab dem 1. Fe­bru­ar 2012 Ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung bei Ausübung ei­ner knapp­schaft­lich ver­si­cher­ten Beschäfti­gung, längs­tens bis zum Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­gren­ze am 31. Mai 2018.

Mit Be­scheid der Bun­des­agen­tur für Ar­beit vom 5. De­zem­ber 2012 wur­de die Kläge­rin auf ih­ren An­trag mit Wir­kung ab An­trag­stel­lung am 19. Ok­to­ber 2012 ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt. Von der An­trag­stel­lung wur­de die Be­klag­te am 26. Ok­to­ber 2012 un­ter­rich­tet. Am 21. Ja­nu­ar 2013 fand ein Gespräch un­ter Be­tei­li­gung der Kläge­rin, des Be­triebs­arz­tes, des Ver­wal­tungs­lei­ters und der Per­so­nal­lei­te­rin der Be­klag­ten so-

 

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wie je­weils ei­nes Mit­ar­bei­ters des In­te­gra­ti­ons­fach­diens­tes, der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung und des Per­so­nal­rats statt, in dem er­folg­los even­tu­el­le Möglich­kei­ten ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin erörtert wur­den.

Mit Be­scheid vom 6. März 2013 be­wil­lig­te die Be­klag­te der Kläge­rin „an­stel­le“ ih­rer bis­he­ri­gen Ren­te ab dem 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 28. Fe­bru­ar 2013 Ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung nach Auf­ga­be der knapp­schaft­lich ver­si­cher­ten Beschäfti­gung und kündig­te an, dass die Ren­te we­gen des an­zu­rech­nen­den Ar­beits­lo­sen­gelds für die Zeit ab 1. März 2013 nur noch in Höhe der Ren­te für Berg­leu­te we­gen ver­min­der­ter Be­rufsfähig­keit im Berg­bau in Höhe von 2/3 ge­leis­tet wer­de; hierüber er­ge­he in Kürze ein wei­te­rer Be­scheid. Mit Be­scheid vom 13. März 2013 wur­de der Kläge­rin ab dem 1. Fe­bru­ar 2012, längs­tens bis zum 31. Mai 2018 (Mo­nat des Er­rei­chens der Re­gel­al­ters­gren­ze) Ren­te für Berg­leu­te we­gen ver­min­der­ter Be­rufsfähig­keit im Berg­bau be­wil­ligt.

Die Be­klag­te teil­te der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 5. April 2013 mit, dass das Ar­beits­verhält­nis auf­grund der Ren­ten­be­wil­li­gung zwei Wo­chen nach Zu­gang die­ses Schrei­bens, spätes­tens mit Ab­lauf des 22. April 2013, en­den wer­de. Das Schrei­ben ging der Kläge­rin am 8. April 2013 zu.

Mit der am 29. April 2013 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und der Be­klag­ten am 10. Mai 2013 zu­ge­stell­ten Kla­ge hat die Kläge­rin ua. die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Ar­beits­verhält­nis ha­be nicht nach § 33 Abs. 2 TV DRV KBS ge­en­det, weil die Be­klag­te die dafür nach § 92 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31. De­zem­ber 2017 gel­ten­den Fas­sung (im Fol­gen­den SGB IX) not­wen­di­ge Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nicht ein­ge­holt ha­be, ob­wohl sie Kennt­nis von ih­rer Be­hin­de­rung und dem Gleich­stel­lungs­an­trag ge­habt ha­be.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt 

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht mit Ab­lauf des 22. April 2013 be­en­det ist.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, das Ar­beits­verhält­nis ha­be nach § 33 Abs. 2 TV DRV KBS ge­en­det. Die feh­len­de Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts ste­he dem nicht ent­ge­gen, da

 

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die Kläge­rin im Zeit­punkt der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids vom 18. Sep­tem­ber 2012 noch kei­nen Gleich­stel­lungs­an­trag ge­stellt ge­habt ha­be. Da­her ha­be nicht die Pflicht be­stan­den, zu der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nach § 92 SGB IX ein­zu­ho­len.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on be­gehrt die Kläge­rin die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung. Die Be­klag­te be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung und zur Wie­der­her­stel­lung des der Kla­ge statt­ge­ben­den Ur­teils des Ar­beits­ge­richts. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Das Ar­beits­verhält­nis hat nicht nach § 33 Abs. 2 TV DRV KBS iVm. §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG am 22. April 2013 ge­en­det, da die zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nach § 92 Satz 1 SGB IX in der hier maßgeb­li­chen, bis zum 31. De­zem­ber 2017 gel­ten­den Fas­sung (SGB IX) er­for­der­li­che Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nicht vor­lag.

I. Die in § 33 Abs. 2 Satz 1 TV DRV KBS ge­re­gel­te auflösen­de Be­din­gung gilt nicht nach §§ 21, 17 Satz 2 Tz­B­fG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirk­sam und ein­ge­tre­ten. Die Kläge­rin hat recht­zei­tig in­ner­halb der Drei­wo­chen­frist der §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2 Tz­B­fG Be­din­gungs­kon­troll­kla­ge er­ho­ben.

1. Die dreiwöchi­ge Kla­ge­frist nach §§ 21, 17 Satz 1 Tz­B­fG be­ginnt bei Be­din­gungs­kon­troll­kla­gen grundsätz­lich mit dem Tag, an dem die auflösen­de Be­din­gung ein­ge­tre­ten ist. Da der auflösend be­ding­te Ar­beits­ver­trag nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG frühes­tens zwei Wo­chen nach Zu­gang der schrift­li­chen

 

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Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber über den Ein­tritt der Be­din­gung en­det, wird in den Fällen, in de­nen die Be­din­gung be­reits vor Ab­lauf der Zwei­wo­chen­frist ein­ge­tre­ten ist, die Kla­ge­frist gemäß §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2 Tz­B­fG erst mit dem Zu­gang der schrift­li­chen Erklärung des Ar­beit­ge­bers, das Ar­beits­verhält­nis sei auf­grund des Ein­tritts der Be­din­gung be­en­det, in Lauf ge­setzt (BAG 15. Fe­bru­ar 2017 - 7 AZR 82/15 - Rn. 14; 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - Rn. 22, BA­GE 137, 292).

2. Da­nach be­gann hier die Kla­ge­frist mit Zu­gang der Be­en­di­gungs­mit­tei­lung der Be­klag­ten vom 5. April 2013 bei der Kläge­rin am 8. April 2013 und en­de­te am 29. April 2013 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Die Kläge­rin hat mit Schrift­satz vom 29. April 2013, der am sel­ben Tag beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen und der Be­klag­ten am 10. Mai 2013 und da­mit „demnächst“ (§ 167 ZPO) zu­ge­stellt wor­den ist, die dreiwöchi­ge Frist ge­wahrt.

II. Das Ar­beits­verhält­nis hat nicht nach § 33 Abs. 2 TV DRV KBS iVm. §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG am 22. April 2013 ge­en­det. Zu­guns­ten der Be­klag­ten kann un­ter­stellt wer­den, dass die Be­stim­mun­gen in § 33 Abs. 2, Abs. 3 TV DRV KBS auf­grund der Be­zug­nah­me in § 2 des Ar­beits­ver­trags vom 29. No­vem­ber 1996 auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung fin­den, dass die auflösen­de Be­din­gung auf­grund der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids vom 18. Sep­tem­ber 2012 und nicht erst auf­grund ei­nes späte­ren Ren­ten­be­scheids ein­ge­tre­ten ist, dass die ta­rif­li­che Re­ge­lung über die auflösen­de Be­din­gung in § 33 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 TV DRV KBS wirk­sam ist (vgl. zu den in­halts­glei­chen Be­stim­mun­gen des § 33 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 TV-L BAG 23. März 2016 - 7 AZR 827/13 - Rn. 19 ff., BA­GE 155, 1) und dass für die Kläge­rin kei­ne Möglich­keit zur Wei­ter­beschäfti­gung iSv. § 33 Abs. 3 TV DRV KBS be­stand. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts konn­te die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht zwei Wo­chen nach Zu­gang der schrift­li­chen Un­ter­rich­tung über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung durch die Be­klag­te vom 5. April 2013 ein­tre­ten, weil die für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nach § 92 Satz 1 SGB IX er­for­der­li­che Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nicht vor­lag.

 

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1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gemäß § 33 Abs. 2 TV DRV KBS ha­be nicht der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts be­durft. Die Kläge­rin ha­be den er­wei­ter­ten Be­en­di­gungs­schutz nach § 92 Satz 1 SGB IX nicht in An­spruch neh­men können, da sie im Zeit­punkt der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids vom 18. Sep­tem­ber 2012 die Gleich­stel­lung noch nicht be­an­tragt ge­habt ha­be. Auf­grund der Aus­nah­me­re­ge­lung in § 90 Abs. 2a SGB IX, die nach § 92 Satz 2 SGB IX ua. bei der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung im Fal­le des Ein­tritts ei­ner teil­wei­sen Er­werbs­min­de­rung ent­spre­chend gel­te, müsse bei Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids ent­we­der die Schwer­be­hin­de­rung an­er­kannt oder die Gleich­stel­lung er­folgt oder zu­min­dest ein ent­spre­chen­der An­trag nach § 69 Abs. 2 SGB IX ge­stellt wor­den sein. Die Gleich­stel­lung wir­ke zwar gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf den Tag der An­trag­stel­lung zurück, nicht je­doch darüber hin­aus.

2. Die­se An­nah­me hält der re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand.

Die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung auf­grund des Ein­tritts ei­ner teil­wei­sen Er­werbs­min­de­rung er­for­dert nach § 92 Satz 1 SGB IX die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts, wenn bei Zu­gang der schrift­li­chen Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG die An­er­ken­nung der Schwer­be­hin­de­rung oder die Gleich­stel­lung mit ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen er­folgt ist oder die ent­spre­chen­de An­trag­stel­lung min­des­tens drei Wo­chen zurück­liegt.

a) Nach § 92 Satz 1 SGB IX er­for­dert die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nes schwer­be­hin­der­ten Men­schen die vor­he­ri­ge Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts, wenn sie im Fal­le des Ein­tritts ei­ner teil­wei­sen Er­werbs­min­de­rung, der Er­werbs­min­de­rung auf Zeit, der Be­rufs­unfähig­keit oder der Er­werbs­unfähig­keit auf Zeit oh­ne Kündi­gung er­folgt. Der er­wei­ter­te Be­en­di­gungs­schutz gilt nicht nur für schwer­be­hin­der­te Men­schen, son­dern auch für Per­so­nen, die auf ih­ren An­trag hin durch Be­scheid der Agen­tur für Ar­beit ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt sind (§ 2 Abs. 3, § 68 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX). Die Gleich­stel­lung ist ein kon­sti­tu­ti­ver Ver­wal­tungs­akt, der nach

 

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§ 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX rück­wir­kend zum Zeit­punkt der An­trag­stel­lung wirk­sam wird (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 29 ff., BA­GE 121, 335).

b) Gemäß § 92 Satz 2 SGB IX gel­ten die Vor­schrif­ten zum Kündi­gungs­schutz (§ 85 bis § 91 SGB IX) im vier­ten Ka­pi­tel des zwei­ten Teils des SGB IX ent­spre­chend für den er­wei­ter­ten Be­en­di­gungs­schutz schwer­be­hin­der­ter Ar­beit­neh­mer nach § 92 Satz 1 SGB IX. § 90 Abs. 2a SGB IX be­stimmt, dass die Vor­schrif­ten die­ses Ka­pi­tels kei­ne An­wen­dung fin­den, wenn die Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch zum Zeit­punkt der Kündi­gung nicht nach­ge­wie­sen ist oder das Ver­sor­gungs­amt nach Ab­lauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ei­ne Fest­stel­lung we­gen feh­len­der Mit­wir­kung nicht tref­fen konn­te. Aus § 68 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX folgt, dass § 90 Abs. 2a SGB IX in bei­den Al­ter­na­ti­ven auch für gleich­ge­stell­te be­hin­der­te Men­schen iSd. § 2 Abs. 3 SGB IX gilt.

Das Ein­grei­fen des Son­derkündi­gungs­schut­zes setzt da­mit grundsätz­lich vor­aus, dass im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung ent­we­der die Schwer­be­hin­de­rung be­reits an­er­kannt (oder ei­ne Gleich­stel­lung er­folgt) ist oder die Stel­lung des An­trags auf An­er­ken­nung der Schwer­be­hin­de­rung (bzw. auf Gleich­stel­lung) min­des­tens drei Wo­chen (§ 69 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) zurück­liegt (vgl. BAG 22. Sep­tem­ber 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 18; 9. Ju­ni 2011 - 2 AZR 703/09 - Rn. 18; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 38 ff., BA­GE 121, 335). Dem­ent­spre­chend ist der be­son­de­re Schutz schwer­be­hin­der­ter oder die­sen gleich­ge­stell­ter Ar­beit­neh­mer nach § 92 Satz 1 SGB IX vor der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung nicht gemäß § 90 Abs. 2a SGB IX aus­ge­schlos­sen, wenn bei Zu­gang der Un­ter­rich­tung nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG die An­er­ken­nung als schwer­be­hin­der­ter Mensch (§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX) oder die Gleich­stel­lung (§ 68 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX) be­reits er­folgt war oder der Ar­beit­neh­mer den ent­spre­chen­den An­trag min­des­tens drei Wo­chen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) zu­vor ge­stellt hat­te. Da­nach muss der Ar­beit­ge­ber die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts ein­ho­len, wenn der Ar­beit­neh­mer zwar noch nicht im Zeit­punkt der Zu­stel­lung des Be­scheids über die Be­wil­li­gung ei­ner Ren­te

 

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we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung, wohl aber bei Zu­gang der Un­ter­rich­tung nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG als schwer­be­hin­der­ter Mensch an­er­kannt oder die­sem gleich­ge­stellt war, oder die ent­spre­chen­de An­trag­stel­lung min­des­tens drei Wo­chen zurück­lag.

aa) Für die­ses Verständ­nis spricht be­reits der Wort­laut des § 92 SGB IX.

Da­nach er­for­dert die „Be­en­di­gung“ des Ar­beits­verhält­nis­ses in den in der Vor­schrift ge­nann­ten Fällen die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts. Die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­folgt bei der in § 33 Abs. 2 TV DRV KBS ge­re­gel­ten auflösen­den Be­din­gung des Ein­tritts der teil­wei­sen Er­werbs­min­de­rung ent­ge­gen dem Wort­laut der Ta­rif­be­stim­mung nicht be­reits mit der Zu­stel­lung des die Er­werbs­min­de­rung fest­stel­len­den Ren­ten­be­scheids, son­dern nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG frühes­tens mit dem Zu­gang der schrift­li­chen Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber über den Zeit­punkt des Ein­tritts der auflösen­den Be­din­gung.

bb) Die­se Aus­le­gung ent­spricht dem Zweck der §§ 85, 92 Satz 1 SGB IX. 

Die­ser be­steht dar­in, im Vor­feld ei­ner Ver­trags­be­en­di­gung den ge­setz­lich be­son­ders geschütz­ten In­ter­es­sen ei­nes schwer­be­hin­der­ten oder die­sem gleich­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mers Rech­nung zu tra­gen und ei­ne da­mit un­ver­ein­ba­re Ver­trags­be­en­di­gung zu ver­hin­dern. Die­sem Schutz­zweck lie­fe es zu­wi­der, wenn der Ar­beit­ge­ber die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts zu der Ver­trags­be­en­di­gung nicht ein­ho­len müss­te, ob­wohl er ab der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids die ge­setz­li­chen Schutz­in­ter­es­sen des schwer­be­hin­der­ten bzw. die­sem gleich­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mers wahr­zu­neh­men hat.

(1) § 85 SGB IX un­ter­wirft die Ausübung des Kündi­gungs­rechts durch den Ar­beit­ge­ber ei­ner vor­he­ri­gen staat­li­chen Kon­trol­le, um be­reits im Vor­feld der Kündi­gung die be­son­de­ren Schutz­in­ter­es­sen schwer­be­hin­der­ter Ar­beit­neh­mer oder ih­nen Gleich­ge­stell­ter zur Gel­tung zu brin­gen und ei­ne mit den Schutz­zwe­cken des Ge­set­zes un­ver­ein­ba­re Kündi­gung zu ver­hin­dern (BVerwG 10. Sep­tem­ber 1992 - 5 C 39.88 - BVerw­GE 91, 7). Durch den be­son­de­ren ge­setz­li­chen Be­stands­schutz soll si­cher­ge­stellt wer­den, dass das in §§ 80 ff. SGB IX zum Aus­druck kom­men­de ge­setz­ge­be­ri­sche An­lie­gen, schwer­be­hin­der-

 

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ten Ar­beit­neh­mern zu ei­ner ih­ren Fähig­kei­ten und Kennt­nis­sen an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gung zu ver­hel­fen, nicht wie­der zu­nich­te ge­macht wird, in­dem sich Ar­beit­ge­ber ih­rer Pflicht zur Ein­glie­de­rung schwer­be­hin­der­ter Men­schen in den Ar­beits­pro­zess im Ein­zel­fall durch Kündi­gung ent­le­di­gen. Da­zu fin­det ei­ne Vor­prüfung der Kündi­gung in ei­nem Ver­wal­tungs­ver­fah­ren statt, bei der die Ver­wal­tungs­behörde ih­rer­seits an das ma­te­ri­el­le Kündi­gungs­recht ge­bun­den ist (vgl. BAG 16. März 1994 - 8 AZR 688/92 - zu II 3 b aa der Gründe, BA­GE 76, 142).

(2) Die­se Grundsätze gel­ten gemäß § 92 Satz 2 SGB IX für den Ein­tritt ei­ner auflösen­den Be­din­gung bei teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung nach § 92 Satz 1 SGB IX ent­spre­chend. Da das Ar­beits­verhält­nis im Fal­le ei­ner auflösen­den Be­din­gung nicht oh­ne wei­te­res bei Be­din­gungs­ein­tritt, son­dern nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG frühes­tens zwei Wo­chen nach Zu­gang der schrift­li­chen Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung en­det, kommt es für das Zu­stim­mungs­er­for­der­nis nach § 92 Satz 1 SGB IX nicht auf den Zeit­punkt der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids über die teil­wei­se Er­werbs­min­de­rung an, son­dern auf den Zeit­punkt des Zu­gangs der Mit­tei­lung des Ar­beit­ge­bers über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG.

Zwar führt bei der in § 33 Abs. 2 TV DRV KBS ge­re­gel­ten auflösen­den Be­din­gung der Er­werbs­min­de­rung nicht die Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG zur Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Be­en­di­gungs­tat­be­stand ist viel­mehr die Zu­stel­lung des die Er­werbs­min­de­rung fest­stel­len­den Ren­ten­be­scheids. Gleich­wohl kann das Ar­beits­verhält­nis auf­grund der ge­setz­li­chen An­ord­nung ent­ge­gen dem Wort­laut der Ta­rif­be­stim­mung frühes­tens zwei Wo­chen nach Zu­gang der Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber en­den. Bis da­hin be­steht das Ar­beits­verhält­nis mit al­len Rech­ten und Pflich­ten fort. Wird der Ar­beit­neh­mer in die­ser Zeit als schwer­be­hin­der­ter Mensch an­er­kannt oder ei­nem sol­chen gleich­ge­stellt, sind grundsätz­lich die Schutz­be­stim­mun­gen des SGB IX zu be­ach­ten. Dies spricht dafür, dass für die Er­for­der­lich­keit der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nicht der Zeit­punkt der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids, son-

 

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dern des Zu­gangs der Un­ter­rich­tung durch den Ar­beit­ge­ber maßgeb­lich ist. Bei der Un­ter­rich­tung über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung han­delt es sich zwar - an­ders als bei ei­ner Kündi­gung - nicht um ei­ne rechts­ge­stal­ten­de Wil­lens­erklärung, son­dern um ei­ne rechts­geschäftsähn­li­che Hand­lung, weil de­ren Rechts­fol­gen nicht wie bei Wil­lens­erklärun­gen kraft des ih­nen in­ne­woh­nen­den Wil­lens­akts, son­dern kraft Ge­set­zes ein­tre­ten (vgl. et­wa BAG 29. Ju­ni 2017 - 8 AZR 402/15 - Rn. 22, BA­GE 159, 334). Für der­ar­ti­ge rechts­geschäftsähn­li­che Erklärun­gen gel­ten die Be­stim­mun­gen über Wil­lens­erklärun­gen ent­spre­chend ih­rer Ei­gen­art (vgl. BAG 29. Ju­ni 2017 - 8 AZR 402/15 - Rn. 21, aaO). Die von der Un­ter­rich­tung über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung nach §§ 21, 15 Abs. 2 Tz­B­fG iVm. § 33 Abs. 2 TV DRV KBS aus­ge­hen­den tatsächli­chen Wir­kun­gen für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sind den­je­ni­gen ei­ner Kündi­gung ähn­lich. Da es für das Er­for­der­nis der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts zur Kündi­gung dar­auf an­kommt, ob die Schwer­be­hin­de­rung oder Gleich­stel­lung bei Zu­gang der Kündi­gung an­er­kannt bzw. er­folgt oder zu­min­dest länger als drei Wo­chen zu­vor ein ent­spre­chen­der An­trag ge­stellt war, er­scheint es ge­bo­ten, das Zu­stim­mungs­er­for­der­nis in den Fällen des § 92 SGB IX dar­an zu knüpfen, dass im Zeit­punkt des Zu­gangs der Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung die Schwer­be­hin­de­rung an­er­kannt, die Gleich­stel­lung er­folgt oder min­des­tens drei Wo­chen zu­vor ein ent­spre­chen­der An­trag ge­stellt war.

cc) Die­se Aus­le­gung steht im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Se­nats, dass auch für das Be­ste­hen von Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten nach § 33 Abs. 3 TV DRV KBS auf die Umstände bei Mit­tei­lung des Ar­beit­ge­bers über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung und nicht auf die Umstände bei Zu­stel­lung des Ren­ten­be­scheids ab­zu­stel­len ist (vgl. zu in­halts­glei­chen Ta­rif­be­stim­mun­gen: BAG 27. Ju­li 2016 - 7 AZR 276/14 - Rn. 34, BA­GE 156, 8; 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 65 f., BA­GE 148, 357; 10. Ok­to­ber 2012 - 7 AZR 602/11 - Rn. 14; 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - Rn. 22, BA­GE 137, 292; 15. März 2006 - 7 AZR 332/05 - Rn. 36, BA­GE 117, 255).

 

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Nach § 33 Abs. 3 TV DRV KBS en­det das Ar­beits­verhält­nis nicht, wenn der Beschäftig­te sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung bin­nen zwei Wo­chen nach Zu­gang des Ren­ten­be­scheids schrift­lich be­an­tragt hat und er nach sei­nem vom zuständi­gen Ren­ten­ver­si­che­rungs­träger fest­ge­stell­ten Leis­tungs­vermögen auf sei­nem bis­he­ri­gen oder ei­nem an­de­ren ge­eig­ne­ten und frei­en Ar­beits­platz wei­ter­beschäftigt wer­den könn­te, so­weit drin­gen­de dienst­li­che bzw. be­trieb­li­che Gründe nicht ent­ge­gen­ste­hen. Zwar ver­langt § 33 Abs. 3 TV DRV KBS da­mit sei­nem Wort­laut nach, dass der Beschäftig­te in­ner­halb von zwei Wo­chen nach Zu­gang des Ren­ten­be­scheids sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung schrift­lich be­an­tragt. Nach der ge­bo­te­nen ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung des § 33 Abs. 3 TV DRV KBS kommt es aber nicht auf die­sen Zeit­punkt, son­dern dar­auf an, ob ei­ne Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit für den Ar­beit­neh­mer bei Zu­gang der Mit­tei­lung des Ar­beit­ge­bers über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung vor­han­den ist (vgl. BAG 30. Au­gust 2017 - 7 AZR 204/16 - Rn. 26). Nach der Recht­spre­chung des Se­nats zu § 33 Abs. 3 TV DRV KBS ver­gleich­ba­ren ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen wären die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers an ei­nem ef­fek­ti­ven Be­stands­schutz nicht ge­wahrt, wenn die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­reits in­fol­ge der Be­wil­li­gung ei­ner Ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung au­to­ma­tisch ein­träte, oh­ne dass der Ar­beit­neh­mer ef­fek­tiv die Möglich­keit hätte, ei­ne sei­nen Fähig­kei­ten ent­spre­chen­de Wei­ter­beschäfti­gung zu ver­lan­gen. Um das ihm nach § 33 Abs. 3 TV DRV KBS zu­ste­hen­de Recht ef­fek­tiv wahr­neh­men zu können, muss der Ar­beit­neh­mer wis­sen, wel­che Rechts­fol­gen von ei­nem Ren­ten­be­scheid auf sein Ar­beits­verhält­nis aus­ge­hen und wel­che Mit­wir­kung ihm im Hin­blick auf ei­ne Wahr­neh­mung sei­ner Be­stands­schutz­in­ter­es­sen nach Be­wil­li­gung ei­ner Ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung ob­liegt (vgl. BAG 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 66, BA­GE 148, 357). Für das Be­ste­hen von Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten sind so­mit die Umstände bei Zu­gang der Mit­tei­lung des Ar­beit­ge­bers über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung maßgeb­lich, wenn die Be­din­gung be­reits zu­vor ein­ge­tre­ten ist. Es ist da­her fol­ge­rich­tig, auch für das Er­for­der­nis der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nach § 92 SGB IX auf die Umstände bei Zu­gang der Mit­tei­lung des Ar­beit­ge­bers über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung ab­zu­stel­len.

 

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c) Da­nach hätte die Be­klag­te vor ih­rer Mit­tei­lung vom 5. April 2013 über den Ein­tritt der in § 33 Abs. 2 TV DRV KBS be­stimm­ten auflösen­den Be­din­gung die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nach § 92 Satz 1 SGB IX ein­ho­len müssen. Bei Zu­gang des Un­ter­rich­tungs­schrei­bens der Be­klag­ten vom 5. April 2013 über den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung bei der Kläge­rin am 8. April 2013 war die Gleich­stel­lung be­reits er­folgt und die Be­klag­te hat­te seit dem 26. Ok­to­ber 2012 von dem Gleich­stel­lungs­an­trag Kennt­nis. Da­her hat­te die Kläge­rin den er­wei­ter­ten Be­en­di­gungs­schutz nach § 92 SGB IX auch nicht ver­wirkt (vgl. zur Ver­wir­kung des Son­derkündi­gungs­schut­zes nach § 85 SGB IX BAG 22. Sep­tem­ber 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 22 f.). Da­mit hat das Ar­beits­verhält­nis nicht auf­grund des be­stands­kräfti­gen Be­scheids über die Be­wil­li­gung der Ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung vom 18. Sep­tem­ber 2012 zwei Wo­chen nach dem am 8. April 2013 er­folg­ten Zu­gang des Un­ter­rich­tungs­schrei­bens der Be­klag­ten vom 5. April 2013 ge­en­det, da die nach § 92 Satz 1 SGB IX er­for­der­li­che Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts nicht vor­lag.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. 

Gräfl
M. Renn­pferdt
Kiel
Kley
Busch

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